Beiträge von Campino

    Das weiß ich. Trotzdem ist auf in dem Text explizit auf André hingewiesen, eventuell an der Steilklippe, von der aus sie weggeflogen sind.

    Vielleicht wurde das auch gezeigt, und der Zuschauer hätte erraten müssen, dass es die Steilklippe ist. Ich wusste die Folge nicht mehr, deswegen hab ich es hier rein geschrieben.

    JVA - 10:30

    Die Prozedur kannte Kevin mittlerweile zur Genüge. Anmelden, Wertsachen wie Handys, Schlüssel und Dienstwaffe abgeben, dann mit einem Beamten den langen Flur entlang zum Besucherraum. Kevin kam einmal die Woche hierher und Jessy zu besuchen... das Mädchen, das ihn mit ihren Brüdern zusammen entführt hatte, gefangen hielt und sich mit ihm angefreundet hatte. Nein, angefreundet war das falsche Wort... beide spürten eine innere Verbindung zueinander, sie fühlte sich zu dem jungen unbekannten Mann hingezogen. Erst recht als sie merkten, dass soviel in ihren Leben gleich abgelaufen war. Doch die Situation eskalierte, Semir erschoss einen ihrer Brüder, und als Kevin seinen älteren Kollegen schützen wollte, hätte Jessy ihn erschossen wenn noch eine Kugel in der Waffe gewesen wäre, die sie dem jungen Polizisten gegen das Herz gedrückt hielt.
    Kevin konnte es trotzdem nicht vergessen, nicht verdrängen. Er hatte zwar in seinem Leben einige alte Zöpfe abgeschnitten, nachdem er vor allem aus seiner Plattenbauwohnung ausgezogen ist, aber immer wieder dachte er noch daran, dass Jessy doch seine Hilfe brauchen konnte. Das "Großer Bruder" - Syndrom, das ihn in diese Situation erst gebracht hatte, ließ sich nicht einfach besiegen. Doch er hatte immer wieder das Gefühl, als sässe er einem kaputten Spielzeug gegenüber und sogar der Beamte, der das Pärchen bewachte, sprach Kevin bereits darauf an. Das junge Mädchen sprach nicht mit dem Polizisten, sie sahen sich an, rutschten hin und wieder auf ihren Stühlen, räusperten sich, bis die Besuchszeit, die immer kürzer wurde, vorbei war. Kevin nahm schon gar nicht mehr den Hörer in die Hand, um mit ihr zu sprechen, er wartete auf eine Reaktion von ihr... doch sie nahm das Treffen jedesmal wahr, sie könnte sich ja auch verweigern. Diese Tatsache bestärkte Kevin immer wieder in die JVA zurück zu kehren und ihr nicht das Gefühl zu geben, dass sie allein sei.

    So war es auch heute wieder. Er setzte sich auf den Stuhl, lehnte sich zurück und legte ein Bein über Kreuz auf das andere. Jessy setzte sich im gegenüber, nur die Glasscheibe trennte die beiden. Sie kreuzte die Beine und die Arme ebenso und schaute Kevin an. Ihre Augen wirkten müder als sonst, ihre Haare ein wenig strähnig. Stumm wie die Fische blickten sie sich an, hin und wieder huschten über die Gesichter ein leichtes Lächeln. 'Warum spricht sie nicht mit mir...', dachte sich der junge Polizist immer wieder. Er spürte, dass Jessy froh war, dass er da war... dieses Gefühl beschlich ihn immer wieder, das erste Mal als er in der Hütte im Wald saß, gefesselt und geknebelt. Schon da spürte er es, dass Jessy jedesmal froh war, wenn sie bei ihm in der Nähe war. Sie hasste es alleine zu sein, genau wie der Kommissar selbst, das war etwas, was sie miteinander verband. Die Uhr in dem Gesprächsraum tickte, tickte immer lauter, als wolle sie Kevin daran erinnern dass ihm die Zeit durch die Finger ran. Es war wie ein Prozess mit einem kranken Menschen... an manchen Tagen hatte man den Eindruck, es ging aufwärts, an manchen Tagen dachte man, es ist ein Rückschritt. Heute hatte er ersteres Gefühl, Jessy lächelte öfter als sonst, sie bewegte sich mehr als sonst, als könne sie es schlecht aushalten Kevin anzuschweigen. Aber ihre Hand wollte sich einfach nicht zum Hörer bewegen, um diesen abzuheben und mit dem jungen Mann zu sprechen. Es war für ihn noch mehr entmutigend als sonst, noch enttäuschter war er, als der Kollege Jessy auf die Schulter tippte, um ihr zu signalisieren dass die Besuchszeit vorbei war. Still und bewegungslos schaute er dem Mädchen hinterher, wie sie wieder abgeführt wurde, und hinter einer schweren Eisentür in einem langen Gang verschwand. Sein Blick ging nach unten auf den Boden, und ein Seufzer entfuhr aus seinen Lippen...


    Dienststelle - 11:00 Uhr

    Ben tippte mit schnellen Fingern mehrere Informationen über die Elektronikfirma von Günter Bauer zusammen, telefonierte hier und da, recherchierte und schenkte sich schon den dritten Kaffee ein. Auch Hotte Herzberger, die dickbäuchige älteste Beamte der Dienststelle brachte ihm in einem Ordner noch einige Informationen zu der Familie. Er, sein Kollege Dieter Bonrath und die junge Jennifer Dorn vertraten im Dreier-Akkord Andrea als Sekräterin, Jenny war erst seit einigen Wochen bei der Autobahnpolizei und wechselte sich mit den beiden erfahrenen Kollegen im Streifendienst ab. Sie war von Kevins kurzem Auftreten heute morgen überrascht, hatte sie den jungen Mann hier noch nie gesehen und ihn neugierig gemustert, bevor er mit Bens Dienstwagen zum Rastplatz fuhr.
    Die Chefin hatte bereits kritisch gefragt wo sich Kevin denn herumtrieb, doch Ben hatte sie erstmal erfolgreich abgewimmelt. Es behagte ihm nicht sonderlich, dass Anna Engelhardt, sonst immer loyal zu ihren Mitarbeitern, die Zusammenarbeit mit Kevin gar nicht schmeckte. Er hoffte, dass sein neuer Partner schnell wieder im Revier auftauchte, damit sie in dem Fall des ermordeten Ehepaares schnell weiterkamen.

    Wie auf Kommando tauchte der junge Polizist wieder auf, Ben sah ihn durch die Glasscheibe bereits ins Großraumbüro eintreten und ... "Oh weia... der hat ja prima Laune.", dachte Ben laut, als er Kevins vereisten Gesichtsausdruck sah, wie er mit schnellen Schritten durch das Büro schritt, Hotte an Andreas Platz kurz grüßte und dann die Glastür öffnete. Er ließ sich nur ein kurzes "Hi...", entlocken, bevor er sich auf Semirs Drehstuhl niederließ. "Oha... kommt da der Gute-Laune-Express?", fragte Ben sarkastisch, und ließ seinen Partner missmutig aufblicken, der sofort konterte: "Wer fragt das? Der Dumme-Sprüche-Dampfer?" Der Kommissar mit dem Wuschelkopf kniff ein wenig die Lippen zusammen und wollte gar nicht nach Kevins schlechter Laune fragen. Er hatte sich selbst quasi auferlegt, nachdem er vor kurzem von sich aus gesprochen hatte, seinen jungen Kollegen nicht mehr alzu sehr zu bedrängen. Wenn er reden wollte, sollte er von sich aus reden. Deshalb kam er schnell auf den Fall zurück. "Also ich hab da mal ein bisschen recherchiert. Bauer Electronics ist ein Imperium, kann man sagen. Die fertigen alles, von kleinsten Widerständen bishin zu Mainboards für Millionen-PCs.", erzählte Ben von seinen Online-Ermittlungen. "Bauer hat in den letzten Jahren sowohl nach Asien, als auch nach Südamerika expandiert." "Dann dürfte der Schwiegersohn und die Tochter ganz schön was zu erben haben, oder?", überlegte Kevin laut und seine Miene taute etwas auf. Wie immer konnte er private Gedanken am besten mit Arbeit überdecken, ablenken. "Möglich... aber nur wenn der Kollege Gussek auf Schuldscheine steht... hier." Ben warf Kevin einen Ordner mit einigen Blättern darin herüber, denn der Polizist auffing und einen Blick hineinwarf. "Dass Bauer expandierte ist schon fast 10 Jahre her... und zumindest in Südamerika hat er eine Bauchlandung hingelegt. In Asien lief es auch nicht." Kevins Augen folgten den Buchstaben und Zahlen auf dem Blatt, von oben nach unten. "Der Konzern steht ja kurz vor der Insolvenz...", murmelte er nachdenklich. "Ja... da ist nicht mehr viel übrig.", stimmte ihm Ben zu und fügte an: "Wäre interessant zu wissen, ob der Gussek davon wusste oder nicht." "Aber würde der auf seine eigene Freundin schießen? Aus dem fahrenden Auto, da hätte doch auch jeder Schuss knapp daneben gehen können, und es hätte sich ausgeerbt." Dieser Gedanke galt es zu berücksichtigen, als Kevin ihn ansprach. "Ich glaube eher, dass Bauer sich eine Finanzspritze geholt hat... entweder privat, weil er mit seinem Vermögen haftet, oder für seinen Konzern. Nur eben von den falschen Leuten." Der junge Polizist lehnte sich zurück, Ben verzog die Lippen ein wenig seitlich, eine typische Geste, wenn er scharf nachdachte. "Dann muss dieses Geld ja irgendwo sein... wir hatten uns jetzt nur die Konzern-Konten angesehen.", murmelte er. "Dann schauen wir uns die anderen Konten doch mal genauer an... die privaten. Ausserdem sollten wir vielleicht einen Durchsuchungsbefehl besorgen, für sein Haus und seine Büroräume.", meinte Kevin und stand von seinem Stuhl auf.
    Er beugte sich durch die offene Glastür und lächelte Hotte an, erntete sofort ein Gegenlächeln. Der dicke Polizist konnte sich gut erinnern, wie er vor Monaten auf den damals labilen Kevin einredete, als der blind vor Rache und völlig zerstört vor Schuldgefühlen gegenüber seiner Schwester am PC saß. Hottes Worte hatten Kevin damals sehr geholfen, und das hatte er ihn kurz danach wissen lassen. Er konnte es auch nicht verstehen, dass seine langjährige Chefin solche Vorbehalte gegen den Jungen hatte, auch wenn er natürlich mitbekam, was Kevin in dem Entführungsfall gemacht hatte.

    "Wir bräuchten einen Durchsuchungsbefehl im Haus der Bauers und von Herr Bauers Büroräumen. Wir haben den Verdacht, dass er sich bei den falschen Leuten Geld geliehen hat.", bat Kevin. "Kein Problem, ich rufe sofort bei der Staatsanwaltschaft an.", nickte der erfahrene Polizeiobermeister.
    Hinter Kevin erschien Ben dann und klopfte seinem neuen Partner auf die Schulter. "Wir fahren mal in die Firma, erstmal vorsichtig anklopfen. Vielleicht kann uns ja jemand was erzählen..."

    Flugzeug - 9:45 Uhr

    Ein leichtes Rucken hatte Semir aufgeweckt, das konstante Brummen des Ferienfliegers, der gerade das Festland von Spanien überquerte drang an sein Ohr. "Bist du erschrocken, Schatz?", hörte er neben sich die Stimme seiner Frau Andrea, die auf der andere Seite des Durchgangs saß. "Nein, nein...", gab er zur Antwort und blickte sich um. Seine kleine Tochter Lilly hing neben ihm im Flugzeugstuhl, angeschnallt und tief schlafend, den Kopf auf seinen rechten Oberschenkel gelegt. Ayda saß neben Andrea und spielte an Semirs Handy herum. Angst kannte das kleine Mädchen nicht, und sie sah vom Bildschirm nicht auf, als das Flugzeug sich weiter bewegte, und die Stewardess leichte Turbulenzen ankündigte. "Komm, schnall dich an.", forderte Andrea ihre ältere Tochter auf, die nur widerwillig das Handy für einige Minuten bei Seite legte.
    Semir sah aus den kleinen Fenster an Lilly vorbei nach draussen, sah den blauen Himmel und die Wolkendecke unter ihnen, bis er wieder Andreas Stimme vernahm. "Du hast unruhig geschlafen. Ist alles okay?" Er bewegte den Kopf leicht zur Seite und lächelte: "Ja... schon. Ich mach mir ein wenig Gedanken." "Um André, hmm?", erriet seine Frau richtig, denn sie kannte ihren Mann lange genug um zu wissen, was in seinem Kopf vorging. Semir nickte mit zusammengepressten Lippen, ihm lag es schwer im Magen André mit den Fotos zu konfrontieren, und am liebsten würde er es so weit hinauszögern wie möglich. Er spürte die Hand seiner Frau über den Gang greifend auf seiner eigenen, die auf der Armlehne ruhte und über die Seinige strich, das Lächeln seiner Frau beruhigte ihn ein wenig und er spürte diese tiefe Verbundenheit. Andrea wusste genau um die Gedanken Bescheid, auch für sie war die Situation emotional. Sie kannte André schließlich genauso lange wie Semir, hatte ebenfalls mit ihm zusammen gearbeitet, hatte getrauert als er verschwand und war überrascht, als er wieder auftauchte. Und sie wusste Bescheid über die Fotos, die zeigten wie André einen Mann erschoss, jedoch wusste Semir nichts davon, dass Andrea Bescheid wusste. Ben hatte es ihr im Geheimen verraten, nachdem das Verhältnis zwischen den beiden Polizisten an Semirs Konflikt zu leiden begann, und schließlich hatte Andrea ihren Mann auch zu diesem Urlaub überredet, um André wieder zu sehen... in der Hoffnung, dass Semir die Sache hinter sich bringen würde. Sie selbst könnte allerdings nicht entscheiden... André verhaften, oder doch laufen lassen? Seine Erklärung abwarten? Zum Glück musste die zweifache Mutter diese Frage nicht beantworten, auch wenn sie ihrem Mann natürlich beistehen würde.

    Das Flugzeug begann ein wenig zu rütteln, das Geräusch des Windes und der Turbinen wurden lauter. Lilly schlief immer noch tiefenentspannt, Ayda nach wie vor in das Handyspiel vertieft. Für die beiden Eltern ein entspannter Flug. "Der Urlaub wird sicher erholend, und das hast du dir gerade nach den letzten Monaten verdient.", sagte Andrea lächelnd, während Semir nickte. Für wahr, das hatte er sich verdient. Viele anstrengede Fälle mit einer Menge Überstunden lag hinter ihm, dazu diese beinahe traumatisierende Situation im Keller des Fabrikgeländes, wo er mit ansehen musste wie Kevin unter Drogen gesetzt wurde und eine psychische Folter über sich ergegen lassen musste. Erstaunlich, wie schnell sich sein junger Kollege wieder gefangen hatte, auch wenn er bei dem nächsten Fall ins Visier der internen Ermittler geraten ist, was Ben und Semir in Zusammenarbeit mit Anna Engelhardt noch abwenden konnten, auch wenn Letztere dies eher unwillig getan hatte. "Wer arbeitet jetzt eigentlich mit Ben, während du weg bist?", fragte Andrea dann einige Zeit später und Semir zuckte unwissend mit den Schultern. "Ich weiß nicht genau... Bonrath vielleicht.", sagte er und lachte dann kurz auf. Er hatte selbst mal mit Bonrath zusammengearbeitet, und wusste dass das manchmal Nerven kosten konnte.


    Krankenhaus - 10:00 Uhr

    Am Empfang des Krankenhauses erkundigten sich die beiden Polizisten nach der Notaufnahme und dem Notarzt, der bei dem Einsatz auf dem Rastplatz dabei war, und bekamen dementsprechend Auskunft. Über zwei lange Flure gelangten sie dann in die Notaufnahme, wo sie sahen dass ein junger Mann auf einem der zahlreichen Stühle saß, und sich angeregt mit dem Arzt unterhielt, den die beiden wieder erkannten. "Tschuldigung. Sie waren doch der Notarzt eben am Rastplatz?", unterbrach Ben die Unterhaltung und zeigte, wie auch sein Partner Kevin, den Dienstausweis vor. Die Arzt blickte zu beiden auf: "Ja bitte?" "Können wir die junge Frau schon vernehmen?" "Das wird noch nicht möglich sein. Sie steht unter Schock und wir mussten ihr starke Beruhigungsmittel geben." Ben nickte und verzog die Lippen ein wenig. "Was ist mit dem Mann? Wird er durchkommen?", fragte Kevin dann, der ein wenig hinter Ben stand. "Herr Bauer ist im Krankenwagen verstorben, das tut mir leid.", sagte der Arzt und die Mienen der Kommissare verfinsterte sich. Ein Doppelmord, das war schon harter Tobak. "Und wer sind sie, wenn ich fragen darf?", sprach Kevin den jungen Mann auf dem Stuhl an, der recht blass um die Nase aussah. "Ich... ich bin der Lebensgefährte von Anna... also, Anna Bauer." "Der junge Frau, die am Arm getroffen wurde.", half der Notarzt den beiden Polizisten auf die Sprünge, die sofort das kleine Puzzle zusammensetzten, dass es hier wohl eine komplette Familie erwischt hatte. "Können wir uns kurz unterhalten?", fragte Ben und setzte sich neben den blassen jungen Mann, der ein wenig nach vorne gebückt auf dem Stuhl saß, und offenbar noch nicht zu seiner Freundin ins Zimmer durfte. Er nickte zögerlich, und der Notarzt verabschiedete sich bei dem Geräusch seines Piepers. "Wir haben alles besprochen, Herr Gussek. Ich muss wieder."

    Kevin lehnte sich an die gegenüberliegende Wand und wollte erstmal Ben das Feld überlassen. Verhöre mit Angehörigen der Opfer waren nicht unbedingt seine Stärke, auch wenn er auch einfühlsam sein konnte wirkte er oft emotionslos auf andere Menschen. "Sie sind der Lebensgefährte von Frau Bauer? Wie ist eigentlich ihr Name?", fragte Ben nochmal und erhielt ein Nicken sowie den Namen "Kai Gussek". "Wissen sie was Herr und Frau Bauer arbeiten?" Der junge Mann dachte kurz nach. "Herr Bauer ist Geschäftsführer einer größeren Elektrofirma." Er wurde kurz darauf von Kevin unterbrochen. "Der Bauer von Bauer Electronics?" Wieder ein Nicken des jungen Mannes. "Ja... er hat die Firma von seinem Vater übernommen und expandiert. Seine Frau hat arbeitet nicht. Sie ist..." Er stockte kurz: "Sie war Hausfrau." Ben, der neben dem Mann saß schaute ihm von der Seite ins Gesicht um die Reaktionen zu beobachten. "Haben sie mal etwas mitbekommen von Konkurrenz, Problemen, Drohungen?" Die Augen des jungen Mannes blickten immer wieder zwischen dem stoisch ruhig blickenden Kevin und der weißen Wand hin und her. "Nein. Herr Bauer hat selten über seine Arbeit geredet, wenn ich bei Anna war.", sagte er mit leicht zitternder Stimme, versuchte sich aber dennoch zusammen zu reißen. "Anna hat auch nichts gesagt?", hakte der Polizist mit dem Wuschelkopf nochmal nach. "Nein... nichts.", versicherte der Mann und sowohl Kevin als auch Ben fanden dass er recht glaubwürdig erschien. Der junge Polizist, der an der Wand lehnte, hatte zwar die Frage nach dem Alibi von Gussek selbst auf der Zunge, doch er schluckte sie herunter, fand er sie doch jetzt so früh noch für unangebracht. Ben signalisierte seinem Kollegen, dass sie erstmal hier nichts weiter rausbekommen würden, und wohl warten mussten, bis Anna Bauer wieder aufgewacht war, und den Schock über den Verlust der Eltern erstmal verdaut hatte. Sie bedankten sich, Ben hinterließ bei Kai noch eine Visitenkarte und der Bitte, sich zu melden, sobald Anna sich im Stande sah, etwas zu dem Vorfall zu sagen.

    Als die Polizisten das Krankenhaus verließen und zu ihren Dienstwagen gingen, blieb Kevin kurz an der Fahrertür stehen. "Du, ich muss nochmal für ne Stunde oder so weg. Fährst du schon mal zur Dienststelle?", sagte er und blickte Ben an. "Ja, alles klar. Kein Ding. Ich versuch mal was über die Elektronikfirma rauszubekommen.", sagte der, auch wenn sein Gehirn sofort einen unwiderstehlichen Drang danach hatte, zu wissen wo Kevin hin wollte. Er konnte gar nicht sagen warum er diesen Drang hatte, doch sein Instinkt flüsterte ihm zu, dass es etwas sei was Ben nicht unbedingt wissen sollte. Semir zb sagte immer gleich, wo er hin musste, was einkaufen, zum Amt oder irgendwas. "Alles klar, danke.", nickte Kevin ihm zu und ließ sich in den BMW gleiten.

    Raststätte - 9:30 Uhr

    Ben staunte nicht schlecht als Kevin aus dem Benz ausstieg, der gerade neben ihm hielt und ihn lächelnd begrüßte. Sie hatten sich in den letzten Wochen öfters mal gesehen, der Polizist wusste dass sein Freund wieder in den Polizeidienst zurückkehren wollte... und offenbar war er bei der Autobahnpolizei gelandet. "Du?", fragte er erstaunt als sie sich die Hände schütteln. "Ist das so verwunderlich?", fragte Kevin mit seinen prägnant, manchmal gelangweilt klingenden Stimme, woraufhin Ben den Kopf schüttelte. "Nein... aber... ich hätte nicht gedacht dass der Chefin nochmal in den Sinn kommt, dich für uns arbeiten zu lassen. Nachdem was passiert ist." Anna Engelhardt, die langjährige Chefin der Autobahnpolizei war nicht sonderlich gut auf den jungen Kevin Peters zu sprechen gewesen, nachdem der ein Gangster-Trio eine zeitlang geschützt hatte, weil er sich zu einem jungen Mädchen hingezogen fühlte. Letztendlich hatte er sich aber richtig entschieden, doch Jessy ließ ihn gedanklich immer noch nicht los. Einmal in der Woche besuchte Kevin das Mädchen im Gefängnis und kehrte jedesmal mit schlechter Laune wieder zurück, weil sie sich anschwiegen... doch er ging jede Woche, mittlerweile 4mal hin, weil er spürte dass Jessy es nicht missfiel... schließlich wurde sie nicht gezwungen, den Besuch anzunehmen. "Naja... war nicht ganz freiwillig.", meinte der junge Polizist, während sie gemeinsam zum Tatort gingen, wo bereits einige Kollegen der KTU in ihren weißen Overalls herumschwirrten, Beweisstücke suchten und erste Blicke auf die Leiche geworfen wurden. Ben sah seinen Partner etwas fragend an, bevor der weitersprach: "Anscheiend hat sie ein offizielles Gesuch gestellt für einen Kollegen für zwei Wochen. Naja, und Innenministerium hat mich dann übermittelt, weil ich schon mal hier war. Begeistert war sie darüber nicht." Ben blickte nachdenklich... also hatte die Chefin Kevin gar nicht angefordert, sondern war im Prinzip eher dagegen, dass er nochmal für Cobra 11 in den Dienst ging. Es enttäuschte ihn etwas. "Aber hey. Ich kanns ihr nicht verübeln.", meinte sein Nebenmann, als sie bei der Leiche ankamen. Semirs Freund hatte aber den Eindruck, dass der kürzliche Umzug und die Rückkehr in regulären Dienst Kevin sehr gut getan hatte. Seine Augen waren wach, er lächelte öfters als sonst und er sprach... das war bei Kevin immer ein gutes Zeichen.

    Dr. Volker Meisner, Chefarzt der Patholgie, begrüßte die beiden Polizisten mit einem Lächeln. "Hallo Kevin, hallo Ben." Kevin kannte er von dessen Zeit aus der Mordkommission. "Bist du gewechselt?", fragte der ältere Mann, der sein angegrautes mittellanges Haar immer gescheitelt trug, oft gute Laune hatte und manchmal einen derben Scherz auf den Lippen... musste mit seiner Arbeit zusammenhängen. "Kurzfristig.", meinte Kevin kurz und warf einen Blick auf die Frau. "Also... zwei Einschüsse, einer ging durch, der andere blieb stecken. Vermutlich wurde die Lunge und das Herz getroffen und sie war recht schnell tot. Schussentfernung von ungefähr 2-3 Meter", er warf einen Blick zur Fahrspur, die über den Rastplatz führte "...könnte hinkommen." "Das sieht noch recht frisch aus.", murmelte Kevin, als er die Frau im Gesicht näher betrachtete und bemerkte, dass das Blut noch eine recht rote Farbe hatte. "Jo, ist ja auch eben erst passiert.", merkte sein Partner an und erzählte, dass es zwei weitere Verletzte gab. "Sieht nach einem klassischen Drive-By-Shooting aus.", sagte Meisner, während er sich weitere Notizen machte. "Drive was?", fragte der Polizist mit dem schwarzen Wuschelkopf verwirrt, und der Chefarzt blickte ein wenig missbilligend auf. "Hast du noch nie Dr. Mabuse von 1933 gesehen?", fragte er grinsend, und Ben konterte ebenso grinsend: "Ne, zu der Zeit hatte ich noch keinen Fernseher." Meisner seufzte auf und verdrehte die Augen zum Himmel: "Banause. Also ein Drive-By-Shooting ist eine Attentatsmethode aus den 20er Jahren. Wurde vor allem bei der Mafia oft genutzt in Amerika. Das Opfer wird aus einem fahrenden Auto heraus erschossen. Schnell und einfach, der Mörder kann direkt fliehen, bleibt meist unerkannt." Jetzt war es Ben, der ein wenig missbilligend schaute. "Und das ist jetzt was gnadenlos Neues. Weißt du, wie oft WIR schon aus fahrenden Autos beschossen worden sind?" Kevin musste grinsen bei dem kleinen Wortgeplänkel zwischen Ben und Volker Meisner, während er neben der Frau kniete und auf das Thema zurückkommen wollte. "Wissen wir denn wer die Tote ist?" "Ja, das hab ich in ihrer Handtasche gefunden.", bekam er zur Antwort und einen durchsichtigen Beutel überreicht, in der ein Personalausweis und ein Führerschein lag. "Margarethe Bauer. Kirchstraße 3", murmelte er, als er angestrengt durch die Hülle sah. "Mehr kann ich erst nach der Obduktion sagen... Kugelart und so weiter.", schloß Meisner ab und wandte sich wieder der Leiche zu. Die beiden Polizisten nickten und kehrten zu den Autos zurück.

    "Keine Hinweise auf das Auto, auf die Person... da bleibt wohl nichts anderes als erst mal beim Opfer anzufangen.", sagte Ben in Kevins Richtung, der sich eine Zigarette anzündetete und nickend zustimmte. "Muss ja einen Grund haben, dass auf die ganze Familie geschossen wird. Vielleicht hat sich Herr oder Frau Bauer mit Leuten angelegt, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte.", meinte der junge Polizist und nahm einen tiefen Zug aus dem Glimmstengel. "Fahren wir ins Krankenhaus und schauen mal, ob wir nicht doch schon mit der Tochter reden können." Der Mann strich sich einmal durch die langen Haare, die immer mal etwas im Gesicht hingen und streckte die Hand zu Kevin aus. "Komm, ich will mein Auto wieder haben.", lachte er und beide tauschten den Schlüssel. Kevin nahm dann in Semirs BMW Platz, und Ben in seinem Mercedes, bevor sie sich hintereinander auf den Weg zum Krankenhaus machten.

    Autobahn - 9:00 Uhr

    Ben hatte einen Arm auf die Kante am Fahrerfenster gestützt, während die rechte Hand ruhig auf dem Lenkrad ruhte. Mit gemächlichen Tempo summte der BMW die Autobahn entlang, als der Polizist auf der ersten Streife des Tages war, nachdem er Semir heute morgen zum Flughafen gebracht hatte. Die beiden hatten sich im Frieden getrennt, Ben war nicht sauer auf seinen langjährigen Freund, der nicht direkt mit der Sprache rausrückte, dass er zu André auf die Kanaren fliegen würde um diesen endlich mit den belastenden Fotos zu konfrontieren. Einerseits wäre er gerne selbst auch mit dabei gewesen, andererseits verstand er seinen Partner auch irgendwo.
    Seine Frau Andrea und die Kinder waren auch mit dabei, wollten die Gerkhans auf diesem Wege doch auch ihren Jahresurlaub machen. Semirs Frau hatte ihrem Mann versprochen, sich notfalls auch allein um die Kinder zu kümmern, sollte er selbst sich mit André beschäftigen und darum war Semir seiner Frau sehr dankbar. Darüber dachte Ben nach, schaute kurz mal in die Wolken, als würde er Semirs Flugzeug irgendwo erkennen, doch ihr Flieger ging schon vor 2 Stunden und dürfte sich bereits irgendwo über Spanien oder dem Atlantik befinden.
    Das krächzende Geräusch des Funkgerätes riss Ben aus seinen Gedanken. "Zentrale für Cobra 11", meldete sich Bonraths bekannte Stimme. Er und sein Kollege Hotte würden Andrea's Sekretärjob mit vertreten. "Cobra 11 hört, Frau Bonrath.", meldete sich Ben grinsend, und konnte beinahe hören wie der lange Polizist die Augen verdrehte. "Mir ist nicht zu Scherzen zumute. Auf dem Rastplatz "Tilsit" wurden Schüsse abgegeben. Der Täter ist schon geflohen, aber offenbar sind mehrere Menschen verletzt. RTW hab ich schon hingeschickt." Sofort wurde der Polizist ernst und schaltete sein Blaulicht in der Frontscheibe an. "Verstanden, ich bin unterwegs.", gab er zurück und trat aufs Gas. "Achja, nochwas...", meldete sich die Stimme von Bonrath über Funk. "Die Chefin schickt dir Semirs Vertretung auch gleich zum Rastplatz." "Vertretung für Semir? Wer soll das denn sein? Hotte?" Bonrath grinste ins Funkgerät. "Warts doch einfach ab. Ende und aus." Ben verzog die Lippen zu einer schnippischen Grimasse, während er sich auf der Überholspur die Bahn frei hupte. Einige Verkehrsteilnehmer fuhren nur zögerlich zur Seite, so dass der Autobahnpolizist mehrfach abbremsen musste, bis er den Parkplatz erreichte.

    Erleichtert stellte er fest, dass bereits der Rettungswagen und ein Notarzt vor Ort war. Eine Menschentraube von 10-15 Leuten hatte sich gebildet, ein Sanitäter lief aufgeregt hin und her, als Ben sich näherte und von weiten hörte er bereits weitere Martinshörner. "Gehen sie mal nen Schritt zurück... Hallo, lass mich mal durch da." Mit Händen und Ellbogen bahnte sich Ben den Weg frei und sah die Bescherung, die ihm ein wenig die Kehle zu zog. Am Boden versuchte der Notarzt verzweifelt mit verschiedenen Materialien die Blutung von zwei Schusswunden im Bauch eines älteren Mannes, der zitternd am Boden lag, zu stoppen. Neben ihm lag eine Frau im gleichen Alter, die Augen weit aufgerissen. Um sie kümmerte sich niemand, den offenbar konnte man ihr nicht mehr helfen. Unter ihr hatte sich eine Blutlache gebildet, und ihre Kleider waren im Bereich der Brust ebenfalls feucht-rot. Ein Getuschel ging durch die Leute, die Ben nun mit einer mehr als eindeutigen Handbewegung weiter zurückdrängte, damit die Schaulustigen was anderes anstieren sollten. Etwas abseits saß eine jüngere, laut weinend, beinahe schreiende Frau, die von einem anderen Rettungssanitäter den Arm verbunden bekam. Ob sie nun vor Schmerzen weinte, oder einfach völlig geschockt war, konnte Ben natürlich nicht sagen, jedenfalls erkannte er, dass der erfahrene ältere Sanitäter sie anscheinend absichtlich so hingesetzt hatte, dass sie nicht die Szenen der Rettung des Mannes mitansehen musste.
    Dieser wurde jetzt mit aller Eile auf eine Trage gelegt und zum Krankenwagen gerollt. Glücklicherweise war die nächste Klinik nur eine Ausfahrt entfernt, weswegen der Notarzt und RTW so schnell am Einsatzort waren, während Ben am anderen Ende der Autobahn sich befand.

    Ein zweiter RWT kam um die Ecke gebraust, bremste und zwei Sanitäter kümmerten sich sofort um die leblose Frau. Puls fühlen, ein Kopfschütteln. Ein weiterer Streifenwagen, der angekommen war, forderte bereits ein Bestattungsunternehmen an. "Was ist mit ihr?", fragte Ben den Sanitäter, der nun der völlig fertigen Frau auf die Beine half. "Streifschuss. Aber ihre Eltern hat es schlimmer erwischt.", sagte er leise, und seine Stimme vermengte sich mit dem heftigen Schluchzen. "Können sie mir sagen, was passiert ist?", fragte der Polizist, nun an die Frau gerichtet, doch der Sanitäter ging sofort dazwischen. "Die Frau ist völlig am Ende. Lassen sie sie, ich bin Notfallseelsorger. Eine Aussge werden sie jetzt eh nicht bekommen.", wimmelte er den Polizisten ab und bewegte sich mit der zitternden, schluchzenden Frau zum Rettungswagen. Ben blieb stehen und atmete erstmal durch. Schüsse auf Rasthöfen hatten sie ja schon öfters, aber wer hatte denn hier mit einem Massaker gerechnet. Noch dazu war er gerade allein. Er sah sich um zu den Leuten, die bereits von den uniformierten Beamten weggeschoben wurden, abgedrängt von der Frauenleiche, die mittlerweile verdeckt war.
    Ben bewegte sich zu der Gruppe hin und rief laut: "Also, wer von ihnen kann mir erzählen was hier passiert ist?" Sofort hörte er ein lautes Stimmengewirr, einzelne Wörter wie "plötzlich, Auto, Fenster" konnte er verstehen. Erneut hob er die Arme und rief: "MOMENT! Einer nach dem anderen." Das Stimmengewirr verstummte, und ein Mann, der ein kleines Kind an der Hand hielt, erhob als erstes wieder die Stimme, und niemand kam ihm zuvor. "Es ging alles ganz schnell. Ein Auto fuhr bei der Familie vorbei, und plötzlich fielen Schüsse. Mehrere, bestimmt 5 oder 6 Stück. Ich sah nur, wie der Wagen wieder verschwunden ist.", sagte er aufgeregt und zeigte mit dem Finger offenbar den Fahrtweg des Wagens. "Haben sie das Kennzeichen erkannt?" "Nein... darauf hab ich in dem Moment gar nicht geachtet. Wir waren erschrocken." "Hat sonst irgendjemand das Kennzeichen sich gemerkt?", fragte der Polizist dann lauter in die Runde, und wurde wieder von einem Stimmengewirr überhäuft, dass aber eher negativ klang. "DANKE!", rief er laut um die Meute wieder zu beruhigen. "Autotyp, Farbe?", fragte er dann den Mann direkt, bevor wieder alle durcheinander plapperten. "Es war ein dunkelblauer 4er BMW. Das neue Modell." "Ach, das haben sie so schnell erkannt, aber das Kennzeichen nicht?", fragte Ben sarkastisch und legte den Kopf ein wenig schief. "Es stimmt ja auch nicht.", meldete sich eine andere männliche Stimme, ein wenig seitlich von Ben. "Es war ein 5er. Und er war auch nicht dunkelblau, sondern schwarz." Nun entrüstete sich der andere Mann: "Sie haben nicht nur keine Ahnung von Autos, sie sind auch noch farbenblind.", rief er erbost in Richtung des etwas kleiner gewachsenen Mannes, und Ben schüttelte verzweifelt den Kopf. "Es war ein 4er, genau der gleiche mit dem der Polizist eben vorgefahren ist.", beharrte er und zeigte mit dem Finger auf Ben's silbernen BMW, so dass die gesamte Personengruppe, inklusive Ben, sich zu dessen Dienstwagen umdrehte. "Mit Verlaub, guter Mann.", sagte der Polizist, bereits reichlich entnervt... "aber das ist ein 3er." Mit verdutztem, stummen Blick starrten beide Männer Bens Wagen an, als hätten sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen 3er BMW gesehen.

    "Also einigen wir uns auf einen dunkelblau bis schwarzen 3er bis 5er BMW, von dem sie das Kennzeichen nicht wissen.", fasste Ben nochmal zusammen und erntete zustimmendes Murmeln. "Kann jemand vielleicht die Person beschreiben?", fragte er dann zögernd, als hätte er Angst vor den nächsten widersprüchlichen Aussagen. Die Leute schauten sich fragend an und einer nach dem anderen schüttelte den Kopf. "Der Wagen hatte ja gar nicht richtig Halt gemacht... der rollte vorbei, es hat geknallt, dann gab es Gas.", sagte eine Frau, die ein wenig bleich um die Nasenspitze war. Ben nickte, er würde wohl nicht mehr erfahren. Er bedankte sich und sah im Augenwinkel, wie der schwarze Mercedes des Bestattungsunternehmens anrollte, um die Leiche der Frau zur Pathologie zu bringen.
    Er selbst ging zu seinem Wagen und gab über Funk an Bonrath durch, dass er eine Fahndung rausgeben soll. "Dunkelblau bis schwarzer BMW...", begann er und wurde von Bonrath sofort unterbrochen. "Wie... dunkelblau bis schwarz?" "Die Experten sind sich noch nicht so ganz einig.", gab der junge Polizist entnervt zurück. "Weiter." "3er bis 5er BMW, Kennzeichen unbekannt..." Erneut unterbrach ihn die Stimme des langen Polizeiobermeisters. "Was ist denn bitte ein 3er bis 5er BMW? Wie sollen wir denn da fahnden?" "Mensch Bonrath, mach doch deine Probleme nicht zu meinen. Geb das durch und fertig, mehr hab ich nicht.", sagte er ungehalten, und blickte herüber als er bemerkte, dass sein grauer Mercedes neben ihm Halt machte, und Semirs Vertretung ausstieg.

    Leider gibts bei Amazon doch keine Hörproben der folgenden Alben:

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    Frage an diejenigen, die die Alben haben. Ich suche folgene Musikstücke:

    Aus Auferstehung:
    - Musik, als Semir und André sich zum ersten Mal begegnen
    - Musik in der Kneipe, als André von seiner Familie erzählt (also nicht die moderne Musik, als sie trinken)
    - Musik als Semir André verhört
    - Musik als André abstürzt

    Aus Revolution:
    - Musik, als Alex sich in der Zelle über das korrupte System aufregt


    Sind die Musikstücke auf einer der beiden CDs, und wenn ja, wie heißen sie? Würde die dann einzeln als MP3 bestellen.

    Danke!

    Neue Story, neues Glück.

    Die Geschichte von "Drive-By" greift das offene Ende aus "Stockholm" auf.

    An dem Titel der Geschichte habe ich längere Zeit überlegt und mehr Zeit gebraucht, als fürs erste Kapitel :D . Wollte zuerst "Freundschaft" nehmen, aber etwas mit Freundschaft gibt es schon so oft... und dass es um Freundschaft geht hab ich ja schon verraten. Da ist das vielleicht etwas spannender ;)

    Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

    Semir blickte auf Andrés breiten Rücken, der angespannt war, während er den felsigen Weg durch das kanarische Ödland sprintete. Es kam ihm vor, als würden seine Lungen zerbersten, so heftig und schnell atmete er, als der Polizist seinen Freund verfolgte. "Verdammt nochmal, bleib endlich stehen, André!", schrie er laut, die Hand fest um seine silberne Waffe geklammert, den Schweiß auf der hohen Stirn stehend. André hörte nicht, blickte sich nicht einmal um, sondern lief auf den unbefestigten Pfad weiter hinauf, an Kakteen und Trockensträuchern vobrei. Der Polizist hinter ihm biss die Zähne zusammen, nahm all seine Kraft auf und lief schneller, holte aber einfach nicht auf seinen ehemaligen Partner auf, der sportlich immer noch eine Ecke besser drauf war als Semir selbst. Erst als er sah, dass sich zwei Gestalten André in den Weg stellten, und dessen Lauf langsamer wurde, kam Semir näher, laut pumpend. Er blickte auf und sah, wie die beiden Männer ihre Waffen auf André gerichtet hielten, und Semir ebenfalls seine Waffe in Richtung seines Partners erhob. In den Gestalten erkannte er Ben und Kevin, und atmete hörbar auf.

    André stand auf dem Schotterweg und atmete ebenfalls schwer. Er blickte in die Öffnungen zweier Pistolen, gehalten von Semirs Partner Ben und Andrés ehemaligen Schützling Kevin. "Werf die Waffe weg, André.", rief Semir laut und er fühlte wie seine Hand zitterte... vor Anstrengung des Laufens, vor Aufregung dass es so weit gekommen war, dass er seine Waffe auf seinen ehemaligen Freund richten musste. "Bitte...", setzte er beinahe flehentlich dahinter, denn er wusste, dass er nicht abdrücken können würde. Er blickte auf seine beiden Freunde, die André gegenüber standen, während Ben ein wenig schneller atmete und seinen typisch ernsten Blick auf dem Gesicht hatte, die Haare vom Wind ein wenig zerzaust, schaute Kevin beinahe unbeeindruckt, unbeteiligt, mit wachen blauen Augen und ausdrucksloser Miene seinen ehemaligen Mentor an. André hielt die Arme gesenkt, in der rechten Hand hielt er den silbernen Trommelrevolver aus Mallorca, den er von Andrea bekommen hatte, und mit dem Kevin Ben das Leben rettete.
    Schritt für Schritt kam Semir langsam näher an André heran, doch dann stockte ihm der Atem... als André plötzlich den Arm mit der Waffe erhob, und zwei schnelle Schüsse in Richtung Kevin und Ben abfeuerte, die so schnell nicht reagieren konnten. Semir hatte das Gefühl, als würde man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen, als er sah, wie seine beiden Freunde langsam zusammensackten und ihm staubigen Geröll auf dem Rücken liegen blieben. "Oh Gott... oh Gott...", stammelte der erfahrene Polizist, unfähig sich zu bewegen als er realisierte dass André gerade seinen besten Freund Ben und Kevin erschossen hatte.

    Wie in Zeitlupe drehte André sich zu Semir um, die Waffe immer noch ausgestreckt und auf den Polizisten gerichtet, die Gesichtszüge um seinen unrasierten Mund geradezu eingefroren, mit kalten, harten Augen. Die beiden ehemaligen Freunde standen vielleicht 3 Meter voneinander entfernt und der kleine Kommissar war schockiert über den eiskalten Gesichtsausdruck im Gesicht seines ehemaligen Partners. Wie in Zeitlupe schüttelte er den Kopf. "Das bist nicht du, André!", rief er entsetzt, noch entsetzter als er sah dass Ben und Kevin sich nicht mehr rührten. Obwohl er es eigentlich nicht wollte, hob sich sein Arm mit der Waffe in der Hand nach oben, gerichtet auf seinen Freund, der ebenfalls mit der Mündung mittlerweile auf Semir zeigte. Beide standen sich gegenüber, gegenseitiges Bedrohen, und doch könnten die Gesichtsausdrücke nicht unterschiedlicher sein. Dort wo bei Semir Verzweiflung und Entsetzen standen, herrschte bei André Eiseskälte. "Pass auf dich auf, Semir.", sagte André die gleichen Worte, die er seinem ehemaligen Partner beim Abschied aus der PAST gesagt hatten... doch in diesem Moment klangen sie wie Spott und Hohn, und Semir spürte wie ihm schlecht und schwindelig wurde. André hatte seine Freunde erschossen, und wollte nun das Unfassbare tun, denn er hatte seine Waffe gegen ihn erhoben... ohne dass Semir es wollte, löste sich sein Schuss aus der Pistole...

    JVA Düsseldorf - 14:00 Uhr

    Das große Tor zum Eingang der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf knarrte und quietschte, als es sich hinter Kevin schloß. Zusammen mit einem Beamten ging der junge Polizist zur Anmeldung, wo er um Besuchszeit bei Jessica Stern bat. "Sie sind weder verwandt noch verschwägert.", sagte der Beamte an der Pforte und schaute den jungen Mann misstrauisch an, der nicht unbedingt auf den ersten Blick wie ein Polizist wirkte. Kevin kramte seinen Ausweis aus der Jackeninnentasche seiner schwarzen Jeansjacke und hielt ihm dem misstrauischen Mann vor die Nase. "Ich hab in dem Fall ermittelt.", sagte er mit etwas schief angelegtem Kopf und verkniff sich eine weitere freche Bemerkung. "Dann kennen sie ja das Procedere.", raunte der ältere Beamte und stellte Kevin eine Plastikbox auf den Tisch, wo er Waffe, Handy und Ausweispapiere hinterlegen sollte. Hinter der Schleuse waren keinerlei private Dinge am Körper erlaubt, denn auch unter Polizisten gab es schwarze Schafe.
    Danach wurde er von dem Beamten, der ihn bereits am Tor abholte, mitgenommen, durchschritt zwei lange kahle Flure bis er in einen Raum gelangte, in dem eine Glasscheibe den Raum von einem anderen Raum abtrennte. Es sah aus wie mehrere Bankschalter, ein Tisch war rechts und links der Glasscheibe angebracht, und ein Hörer lag an jedem Platz auf der Gabel, damit man sich mit seinem Gegenüber unterhalten konnte. "Setzen sie sich, ich werde Frau Stern holen.", sagte der Beamte und Kevin ließ sich auf einem der Stühle an der Glasscheibe nieder.

    Ihm war in den letzten Tagen seit der Verhandlung viel durch den Kopf gegangen. Erst hatte er sich vorgenommen, komplett mit dem Fall abzuschließen und nichts mehr davon an sich ran zu lassen, was aber, wenn man alleine zu Hause sitzt, nicht wirklich funktioniert hatte. Hatte er Fehler gemacht, hätte er etwas besser machen können? Auch bei Spaziergängen durch den Rheinpark kamen die Gedanken an die Entführung selbst sofort wieder auf. Nein, einfach das Buch zu machen, das Kapitel abschließen würde Kevin nicht können, dafür geisterte Jessy noch zu sehr in seinen Gedanken umher. Die Idee, sie zu besuchen, hatte er bereits während den Verhandlungen, doch er vermied es zunächst, sofort bei ihr aufzutauchen. Doch konnte ihr das Gefühl, nicht alleine zu sein, helfen, denn sie wurde natürlich getrennt von ihrem Bruder untergebracht. Einmal in der Woche, eine Stunde, konnten sich die beiden sehen, dass hatte der Anwalt bei Haftantritt erwirkt. Besuch konnte sie einmal am Tag eine Stunde jemanden sehen, und ihre Mutter besuchte sie so oft es ging, auch wenn diese natürlich erschüttert war, als sie langsam begriff was ihre drei Kinder die ganze Zeit über angestellt hatten. Doch sie stand zu ihren Kindern, und war sogar schon bei Thomas zu Besuch...
    Es dauerte für Kevin eine gefühlte Ewigkeit, bis Jessy auf der gegenüberliegenden Seite erschien, und erst sehr überrascht zu sein schien. Ein wenig zögernd, sich unsicher umschauend setzte sie sich Kevin gegenüber, und blickte dem jungen Mann in die Augen. Sie war blasser als sonst, trug nicht ihre normale Sachen sondern die Gefängnis-Kluft, die ein wenig an dem schlanken Körper schlotterte. Kevin nahm den Hörer in die Hand, und wartete darauf, dass auch Jessy abnahm, damit er sie begrüßen konnte... doch das Mädchen machte keinerlei Anstalten den Hörer abzunehmen, sondern blickte Kevin nur ein wenig melanchonisch, traurig und nachdenklich an. Das Lächeln aus dem Gesicht des jungen Mannes verschwand und wich ebenso einem traurigen Blick, während der Hörer langsam wieder sank. Es musste für den bewachenden Beamten eine skurille Situation sein, zu beobachten wie die beiden sich gegenüber saßen und ansahen. Kevin konnte nicht ergründen, warum Jessy nicht mit ihm sprach. War sie tatsächlich enttäuscht, dass er sein Versprechen nicht gehalten hatte? War sie von sich selbst traurig, dass sie ihn erschossen hatte? Was war mit ihr passiert... dieses redefreudige Mädchen, das ungefragt so viel von sich erzählte, als er in Gefangenschaft war, war zerbrochen innerhalb von Minuten zu einem schweigsamen Menschen, wie Kevin selbst einer war.

    Nach einer Viertelstunde wurde Jessy von dem Beamten wieder aufgefordert, aufzustehen und mitzukommen. Ohne eine Regung, ohne ein Zeichen des Abschiedes ließ sie Kevin, im wahrsten Sinne des Wortes, sitzen. Der brauchte noch einige Momente um zu verdauen, was da gerade passiert war...


    Kevin's Wohung - 15:30 Uhr

    Die Regale waren leer, die Küchenutensillien gehörten eh nicht ihm. Die schriftliche Kündigung des Mietvertrages lag auf dem Tisch, und musste von dem jungen Polizisten nur noch eingetütet werden. Er hatte die Nase voll von diesem Loch, er musste hier raus. Die Erinnerungen der letzten Monate abschütteln. Es fiel ihm nicht schwer, auch wenn er noch nicht genau wusste, wo er hin sollte. Erstmal würde er zu Kalle ziehen, ein Transvestit, die ihn und seine Schwester eine Zeitlang aufgezogen hatte, weil sie im Klub von Kevins Vater gearbeitet hatte. Sie hatte ihm öfters angeboten, doch wieder "daheim" zu wohnen, doch er hatte es oft, auch wegen seiner Drogensucht, wovon Kalle nichts mitbekommen sollte, abgelehnt. Jetzt fühlte er sich einigermaßen im Rahmen, dass er wieder bei ihr wohnen wolle, bis er etwas Neues gefunden hatte.
    Seine Akkustikgitarre stellte er neben zwei Koffer, als es an der Tür klingelte. Es war Ben, der unten an der Pforte stand, die der junge Polizist seinem Kollegen öffnete. Als Semirs Partner die gepackten Koffer sah, und selbst seine Gitarre in der Hand hatte, wich er erst zurück. "Oh, störe ich?", fragte er überrascht. "Ne... komm rein.", meinte Kevin und hielt die Tür offen. "Du ziehst aus?" Bens Stimme klang unsicher, als würde er befürchten dass Kevin Köln komplett den Rücken kehrte. Seine Befürchtung riss nicht ab, als Kevin nickte. "Und... wohin?" "Keine Bange... nicht aus Köln heraus." Ben atmete auf und lächelte. "Ich wollte eigentlich fragen, ob du bisschen kimpern willst.", meinte er mit Blick auf seine Gitarre in der Hand. Kevin hatte nichts vor, ausser den Brief noch wegbringen, und so nickte er. "Ein paar Bier wollte ich zwar dem Vermieter noch lassen... aber was solls.", sagte er und ging zum Kühlschrank, während Ben sich auf dem Sofa niederließ und den Deckel seines Gitarrenkoffers öffnete.

    Als sein Freund mit zwei Bier in der Hand zurückkam, meinte er: "Jessy spricht immer noch nicht." Ben schaute überrascht auf... überrascht einerseits, das Kevin bei Jessy war, überrascht andererseits, dass der schweigsame Polizist überhaupt von sich aus erzählte. Offenbar hatte er endgültig Vertrauen zu Ben und Semir gefasst. "Du warst bei ihr im Knast?" "Ja... aber nichts zu machen. Sie wirkt wie ein zerbrochenes Spielzeug.", nickte Kevin, gab Ben eine Flasche Bier und stieß mit ihm an. Dann packte auch er seine Gitarre aus, während Ben seine stimmte, und auch etwas zu erzählen hatte. "Semir fährt in ein paar Wochen zu André.", sagte er leise und liess nun Kevin überrascht aufblicken. "Ohne dich?" Bens Nicken war beinahe traurig, während sich Kevin wieder dem Stimmen der Gitarre zuwandte. Nach einigen Momenten Stille sagte er: "Semir ist alt genug... er wird wissen was er tut, und ich bin mir sicher, dass er das Richtige tut." "Ja... ich weiß. Trotzdem, ich weiß wie er zu André steht... und ob er wirklich das Richtige dann tut... André zu verhaften." "Vertrau ihm einfach..." Es klang wie Hohn in Kevins Innerem, der selbst niemandem vertraute. "So wie er dir vertrauen würde." Ben blickte seinen Kollegen an und nickte... und wusste selbst, wie schwer es wohl Kevin fiel, selbst nicht dabei zu sein, denn auch André und Kevin hatten ein sehr enges Verhältnis, war es doch André, der massgeblich dafür verantwortlich war, dass der junge Kerl damals von der Straße und von den Drogen gekommen war.

    Als sich beide einige Momente anschwiegen und die Gitarren fertig stimmten, schauten sie sich gegenseitig an. "Was spielen wir?", fragte Kevin. Ben zuckte kurz mit den Schultern... "Irgendwas Fröhliches?", sagte er herrlich unpassend. Kevin grinste und stimmte die ersten Töne der Lead-Gitarre von "Don't cry" von Guns and Roses an... ein absolut trauriges Stück. Nach ein paar Tönen gesellte sich Bens Gitarre dazu...


    ENDE

    Es wäre völlig bescheuert die Story um Alex schon komplett aufzulösen. Das ist eben momentan der Hintergrundfaden, der weiter verfolgt werden sollte.

    Man darf es auf keinen Fall so machen wie bei Chris, dem man einen düsteren Hintergrund angekündigt hatte, und der quasi nach der zweiten Folge "Nemesis" bereits komplett aufgeklärt war.

    Also ne Folterstory kann ich ausschliessen, :D das ist nich so mein Ding.

    Nachdem in "Auferstehung" das Thema (neben André natürlich) "Rache" war, in "Stockholm" es viel um "Vertrauen" ging, soll es in der nächsten Story vor allem um "Freundschaft" gehen... sowohl in dem Plot mit André und Semir, als auch in dem Plot mit Kevin und Ben... aber ich verrate schon fast zu viel :D

    aber Campino.... wenn Ben schon zu Hause bleiben muss, musst du dir da wenigstens was Spannendes für ihn ausdenken. Bitte nicht so eine Alibi-Statisten-Rolle, das ertrage ich nicht. ;(

    Hehe, keine Sorge :) Kevin muss ja auch was zu tun bekommen ;-). Die nächste Story soll zwei paralelle Handlungsstränge haben, die ungefähr (wenns vom Zeitansatz der Story passt) gleich berechtigt sein werden.

    In den Tagen/Wochen danach

    Nach Thomas' Geständnis ging alles recht schnell. Jessy und ihr großer Bruder wurden dem Haftrichter vorgeführt, und die Verhandlung dauerte nur drei Tage. Kevin war an jedem Verhandlungstag anwesend, an einem mussten er, Ben und Semir ihre Aussage zu dem Fall machen. Der junge Polizist verfolgte mit einem Unbehagen im Magen Semirs Ausführungen, als er zu der Verhaftung von Jessy befragt wurde, und die komplette Wahrheit sagte... die Verfolgungsjagd, die Sache mit der Waffe, die Jessy auf Kevin gerichtet hatte. Erst danach war er selbst an der Reihe, und bestätigte Semirs Aussagen komplett. Jeder kurze Seitenblick zu dem jungen Mädchen versicherte ihm, dass sie ihn nicht ein einziges Mal ansah. Meist sah sie auf den Tisch vor sich, sah interessiert ins Publikum von wenigen Journalisten, oder sie sprach leise mit Thomas, der direkt neben ihr saß. Der wiederrum blickte besonders Kevin, bei dessen Aussage an, und nickte zu manchen Sätzen zustimmend, besonders als der Polizist das Verhältnis zwischen den Geschwistern beschreiben sollte. Er beschrieb es als sehr eng, sehr vertrauensvoll, Thomas als Beschützer der Verantwortung für seine Geschwister übernehmen wollte, nur eben auf dem falschen Weg.
    Auch Ben bestätigte alle Aussagen, musste sich jedoch die unangenehme Frage vom Richter gefallen lassen, warum er denn nicht geschossen hatte in der Situation als Jessy Kevin mit der Waffe bedrohte. Der Polizist, der an diesem Tage beinahe sogar zu spät vor Gericht erschienen war, argumentierte dass er aufgrund der äußerlichen Situation und der bewussten Haltung Kevins davon ausging, dass sie nicht schießen würde, und sein Partner die Situation im Griff hatte, was Kevin auch selbst bestätigte. Ein Satz von Ben löste in dem jungen Kommissar ein wenig Glücksgefühle aus... Ben verteidigte seine Haltung ganz klar damit, dass er dem Gefühl seines Kollegen einfach vertraut hatte, und deswegen nicht geschossen hatte. Auf den Satz des Richters, dass er sich lieber nicht auf Gefühle seines Partners, sondern auf Regeln im Polizeidienst verlassen sollte, verkniffen sich alle drei Beamten eine Antwort.

    Thomas nahm den Rat von Kevin nicht an, und sprach mit keiner Silbe davon, dass Jessy in irgendeiner Art und Weise psychisch belastet war aufgrund des Elternhauses oder der damaligen Vorkommnisse. Als der Richter ihn darauf ansprach, weil im Bericht der drei Polizisten so etwas vermutet wurde, verneinte er dies und Jessy dankte es ihm mit einem Lächeln. Kevin schaute verwirrt zwischen ihnen hin und her, und bemerkte dann dass sie sich offenbar abgesprochen hatten. Einer von beiden, oder sogar beide, wollten Jessy nicht bevorteilen. In ihrer Aussage, als sie sich mit ihrer leisen Stimme artikulierte, was Kevin nur schwer ertragen konnte, verneinte sie ebenfalls psychische Belastungen und gestand bei allem freiwillig mitgemacht zu haben, weil "eine Familie zusammenhalten muss." Dafür dankte ihr Thomas mit einem Lächeln, und Kevin spürte die tiefe, enge Verbundenheit zwischen Jessy und ihrem Bruder... keiner von beiden wollte auf Kosten des Anderen Vorteile für die Haftzeit erreichen, und so wurden letztendlich beide zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Was Thomas als Hauptverantwortlicher für den Totschlag des Jungen im Kiosk mehr bekam, glich Jessy mit dem versuchten Totschlag (der Verteidiger hatte aufgrund Jessys Situation direkt nach Andreas' Tod den versuchten Mord abwenden können) an Kevin wieder aus. Als beide dann mit Handschellen aus dem Gericht abgeführt wurden, blickten sich Kevin und Jessy zum ersten Mal in die Augen, seitdem sie sich auf dem Feld gegenüber gestanden hatten. Sie lächelte dabei...


    Dienststelle - 10:00 Uhr

    Ben und Semir saßen in ihrem Büro, sie waren gerade von ihrer ersten, ruhigen Morgentour zurückgekommen. Jetzt gönnten sich beide eine Tasse Kaffee, Semir schrieb zwei Berichte zu zwei Geschwindigkeitsübertretungen und Ben lies den morgendlichen Lagebericht. Plötzlich verschluckte er sich an seinem Kaffee, als er einen bestimmten Bericht lies. "Kannst du nicht mal trinken?", fragte ihn Semir scherzhaft, ohne vom Bildschirm aufzublicken. "Du wirst es nicht glauben.", japste Ben und wischte den verschütteten Kaffee von der Tischplatte. "Komm, lies mal.", forderte er seinen Freund dann auf, der den Blick von den Berichten nahm und um den Schreibtisch herumging.
    Beide lasen den aufgeschlagenen Bericht einer städtischen Wache. Sofort fiel Semir der Name ins Auge: "Theodor Stern... die Adresse... das ist doch Jessys Vater." Ben nickte auf Semirs Äusserungen. Im Bericht stand drin, dass Theodor Stern sich vor zwei Tagen selbst angezeigt hatte dafür, dass er seine leibliche Tochter jahrelang missbraucht hatte. Gründe, warum er sich jetzt plötzlich selbst anzeigte, standen nicht in den Bericht. "Das ist doch kein Zufall, dass das ausgerechnet jetzt passiert?", sagte Ben beinahe schon rhetorisch und sein Partner schüttelte den Kopf. "Sicher nicht...", murmelte er und stellte sich wieder aufrechthin, nachdem er gerade noch nach vorne gebeugt neben Ben am Schreibtisch stand, der wiederrum sich auf dem Stuhl nun nach hinten zu ihm umdrehte. "Glaubst du... Kevin?", fragte er unsicher. Er hätte sich gut vorstellen können, wie sein junger Kollege reagiert haben könnte, nachdem er von dem Missbrauch erfahren hatte und bei Jessys Vater aufgekreuzt wäre. Der Kommissar wollte Kevin aber auch keinen Vorwurf dafür machen, in so einer Sache hätte er vielleicht nicht anders reagiert, und auch Semir empfand keinerlei Vorwurfsgefühle an Kevin, sollte der dieses Schwein irgendwie unter Druck gesetzt haben. "Und wenn...", sagte der erfahrene Polizist schulterzuckend, als er zurück auf seinen Platz ging... "dann hat es sich wenigstens gelohnt." Dabei zog er die Augenbrauen hoch und machte eine Geste, dass er vollkommen einverstanden damit war. "Stimmt.", nickte Ben zustimmend.

    Wenige Minuten später kam Andrea mit einem Urlaubsprospekt in der Hand ins Büro und setzte sich überschwänglich zu Semir auf den Schoss. "Schau mal, was ich hier noch gefunden habe, Schatz. Das Hotel würde mir gut gefallen." Ihr Mann machte erst einen interessierten, dann aber einen hilflosen Gesichtsausdruch, als er die Stimme seines Partners hörte. "Ihr fahrt in Urlaub?" Andrea blickte überrascht zu Ben, dann zu Semir: "Du hast es ihm noch nicht gesagt?", fragte sie und ihr Mann zuckte ein wenig mit den Schultern und blickte dann entschuldigend zu Ben, der nicht gerade glücklich aussah. "Schatz, ich hab doch gesagt, in welches Hotel wir waren.", zischte er lächelnd mit zusammengebissenen Zähnen, doch vor Ben brauchte er nichts mehr zu verheimlichen. Andrea stand wieder von Semirs Schoß auf, sah entschuldigend zu Ben und murmelte: "Ich geh mal wieder rüber...", bevor sie das Büro verließ. Sie wusste nicht, dass ihr Mann seinem Freund noch nichts von dem geplanten Urlaub erzählt hatte... das hieß: Urlaub war es eher für Andrea und die Kinder, für Semir war es eine unangenehme Reise zu einem alten Freund.
    "Du fährst zu André?" Bens Frage war eigentlich unnötig, war sie doch quasi schon beantwortet. Semir nickte und meinte: "Ich hätte es dir schon noch gesagt." "Wann?", fragte Ben ein wenig aufgebracht. "Dann, wenn ich dich zum Flughafen fahren sollte?" "Ich hol mir ein Taxi!" "Ach hör doch auf." Was Semir als Scherz meinte, brachte Ben noch weiter auf die Palme. "Ben, jetzt beruhig dich doch mal. Wir hätten eh nicht zusammen wegfahren können, weil einer von uns hier bleiben muss. Und ich will das alleine mit André über die Bühne bringen, okay? Das verstehst du doch..." Semir sprach mit ruhiger sachlicher, und mit nach um Verständnis bittender Stimme. Sein Partner hatte die Arme verschränkt und schaute ein wenig wie ein beleidigtes Kind, doch er musste zugeben, dass er seinen Freund natürlich verstand. Und er hatte recht, zusammen ließ die Chefin die beiden nicht in Urlaub fahren. Die Stimme des jungen Kommissars hörte sich schon ruhiger an, als er fragte: "Wann gehts los?" "Wir gehen heute mittag Last-Minute buchen. André hat uns ein Familienzimmer freigehalten, und in drei Wochen fliegen wir.", sagte Semir. Einerseits freute er sich auf den Urlaub und auf das Wiedersehen mit André, andererseits lag ihm der Gedanke an die Konfrontation seines alten Partners mit den Fotos wie ein schwerer Stein seit Tagen im Magen...


    Aber natürlich gibt es da mehr Platz für diese Sache und man kann da richtig was draus machen,wenn man denn Ideen hat.

    Genau. Ich kann ja ruhig schon bisschen verraten, dass die nächste Story (zumindest momentan geplant) emotional gesehen wieder eher auf Semir/André fällt. Aber Ben und Kevin werden natürlich auch mit von der Partie sein, nur eben etwas "getrennt" voneinander ;)

    In Arbeit noch nicht, weil diese ja noch nicht ganz beendet ist, wenn auch auf der Zielgeraden... aber im Kopf formt sich schon etwas :) schließlich muss die Story um Semir und André noch weitergehen.

    Die Frage die jetzt noch im Raum steht ist was wird aus Jessy und Kevin? Werden sie vielleicht doch ein Paar.

    Nachdem Jessy Kevin erschossen hätte, wenn noch eine Kugel im Lauf gewesen wäre, würde ich das mal bezweifeln (wie man auch im letzten Kapitel lesen konnte).

    Aber trotzdem, danke fürs Lob.