Beiträge von Campino

    Kevin’s Wohnung – 10:15 Uhr

    Ben sass in seinem vorrübergehenden Dienstwagen und trommelte nervös auf seinem Lenkrad herum. Immer wieder sah der Kommissar auf die Uhr an seinem Handgelenk, dann wieder auf die Haustür des Plattenbaus, aus dem er jede Minute Kevin erwartete, den er gestern nach Hause gefahren hatte. Er hatte bereits zweimal auf sein Handy angerufen, doch es nahm niemand ab. So langsam schlichen sich wieder einige Sorgen, die Ben gestern noch verdrängt hatte, in seine Gedanken. Hatte Kevin nur verschlafen? Aber warum ging er nichts ans Handy?
    Ben hatte die Ungewissheit satt, zog den Schlüssel aus dem Zündschloß und stieg aus dem Wagen aus. Die Sonne schien vom Himmel, es war kein Wölkchen zu sehen, es war ein herrlicher Wintertag mit Temperaturen um den Gefrierpunkt. Bens Atem hinterließ Kondensdampf als er zur Haustür des Plattenbaus schritt und Kevins Name auf der Klingelliste suchte. „Kevin Peters“, stand dort in Handschrift auf einen Zettel geschrieben, und der Kommissar betätigte die Klingel mehrmals. Keine Reaktion, kein ertönendes Signal, dass Kevin die Tür von oben öffnete. Genervt lehnte sich Ben an die Haustür und wäre beinahe in den Hausflur gefallen, als die plötzlich nachgab. Erst dachte er, es hätte von innen jemand gezogen, doch da war niemand… sie ging von alleine auf. „Toll geschützt.“, murmelte Ben und betrat den nach kaltem Rauch riechenden Flur und die Treppe nach oben. Er musste durch jeden Gang durch, weil er nicht wusste, in welchem Stock Kevin wohnte. Glücklicherweise hatte der junge Polizist ein Namensschild auch an der Tür, als Ben durch den dritten Stock ging und an die betreffende Tür klopfte. Erneut bekam er keine Reaktion, und so langsam wuchsen die Sorgen in Bens Kopf. Erneutes Klopfen und ein „Kevin? Bist du da?“, erfüllten den diesigen und recht düster wirkenden Flur. Plötzlich vernahm Ben ein Geräusch aus der Wohnung, und er hielt kurze Zeit still. Das Geräusch war konstant, ein leises Rauschen, was der Polizist als Dusche entziffern konnte, als er den Kopf an die dünn wirkende Tür legte. Also war Kevin wach und würde wohl gleich kommen, dachte Ben und lehnte sich an die gegenüberliegende Wand. Doch es verging Minute um Minute, und nichts tat sich. Auch das Duschwasser rauschte konstant in Kevins Wohnung und die Sorgen , die sich gerade davon geschlichen hatten kamen zurück zu Ben. Plötzlich traf ihn ein Gedanke… sollte der Mann, der Ben und Kevin gestern bedroht hatte, ihnen gefolgt sein und hatten Kevin überfallen? Einige Gedanken flogen in Bens Kopf hin und her, wägten ab wie wahrscheinlich die Möglichkeit für einen Überfall war. Während der Gedanken lief das Duschwasser unentwegt weiter, und Ben entschloss sich, in die Wohnung zu gehen.

    Mit einer Kreditkarte in der Hand war es bei diesem recht betagten und alten Schloß ein leichtes Spiel, den Bolzen zu bewegen. Als sich die Tür öffnete wurde das Duschwasser sofort lauter, es drang durch die offene Tür am Ende des Zimmers, das als Wohnraum und Küche diente. Ben wunderte sich über die Einfachheit der Wohnung, er war wahrlich besseres gewohnt und konnte sich nur schwer vorstellen hier einmal dauerhaft zu wohnen. Leise, ohne laut aufzutreten, ging Ben langsam durch die Wohnung. Er hatte den Halfter seiner Waffe geöffnet und die rechte Hand in der Nähe des Griffes. Auf dem Tresen der Küche fiel ihm sofort ein Magazin ins Auge, das komplett mit Kugeln gefüllt war und wohl zu Kevins Waffe gehörte. Der Weg führte den Kommissar durch den Wohnraum ins Badezimmer, wo die Dusche unentwegt ihren Dienst verrichtete. Der Duschvorhang hing vor der Dusche und ließ Ben keine Einsicht, ob sich jemand dahinter verbarg. Das Prasseln des Wassers und das Gurgeln des Abflußes kam nur noch ganz leicht gedämmt durch den Stoff des Vorhangs. Ben umgriff mit der linken Hand den Vorhang, die rechte legte sich nun fest um den Griff seiner eigenen Waffe, auf alles vorbereitet was er nun hinter dem Vorhang zu sehen bekam. Entweder ein Eindringling, der sich versteckt hatte, oder Kevin der gerade duschte.
    Mit einem Zug verschwand der Vorhang, und nichts von beidem befand sich dahinter. Die Duschkabine war leer, das Wasser prasselte in die Duschwanne in der Kevins Waffe lag – ohne Magazin. „Was geht hier vor?“, murmelte Ben sichtlich verwirrt und nervös, als er das Wasser abdrehte und Kevins durchnässte Waffe aufhob um sie in der Küche auf den Tresen zu legen. Dann begab sich Semirs Partner zur zweiten Tür in diesem Raum und legte vorsichtig die Hand auf die Klinke. Wieder eine Hand am Griff der Waffe zur Vorsicht, drückte er die Klinke nach unten und schaute durch den immer größer werdenden Spalt der Tür ins Zimmer. Langsam konnte er das Ende eines Bettes darin erkennen, dann kamen zwei regungslos liegende nackte Füße in sein Blickfeld die zu zwei leicht verdreht liegenden kräftigen Beine gehörten. Ben hielt die Luft an, als letztendlich Kevin komplett in sein Blickfeld geriet, halb auf der Seite liegend und Ben den Rücken zu gewandt. Er trug nur schwarze Boxer-Shorts, neben dem Bett stand eine nur noch Fünftel-volle Flasche Whiskey und mehrere Zigarettenstummel. Die Luft in dem Raum war verbraucht und stickig, als Ben eintrat und sein Gesicht vor Überraschung entglitt. „Das glaub‘ ich jetzt nicht.“, murmelte er. Eine Hand nahm er weg von der Waffe und ging mit gemächlichen Schritten an Kevins Bett heran. Er konnte Kevins Gesicht nicht sehen, was er aber sehen konnte waren die beiden großen Stichnarben auf seinem nackten Rücken. Und das Tattoo eines Konterfeis, eines ungefähr 15 Jahre alten, äusserst hübschen Mädchen. Darunter stand ein Geburtsdatum „11.02.1987“ und ein Todesdatum „16.07.2002“. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Bens Magengegend aus, die Situation war ihm unangenehm, trotzdem berührte er mit sanften Druck Kevins Arm, der auf dessen Körper ruhte und schüttelte ihn etwas. „Psst. Kevin! Wach auf.“

    Plötzlich zog Kevin Luft durch Mund und Nase, es war ein Geräusch des panischen Erschreckens, ein Ruck ging durch seinen Körper dass Ben vor Schreck zurückwich. Der Polizist auf dem Bett rappelte sich mit Schwung auf, drehte sich auf den Rücken und fuhr dann kerzengerade nach oben in die Sitzposition, um sich dann mit panischem Blick und weit aufgerissenen Augen gegen die Wand zu drücken. Eine Hand schlug wie wild auf der Bettdecke, als würde er seine Waffe suchen, die er neben sich vermutete. Erst jetzt sah Ben Kevins blasses Gesicht, deutliche Ränder unter den Augen und unzählige Schweißperlen. „Whoa, ganz ruhig! Ich bin’s, Ben!“ rief Ben, der sich selbst durch Kevins ruckartiges Aufstehen wahnsinnig erschreckte. Kevin atmete, als wäre er gerade einen Marathon gerannt und schaute Ben mit offenem Mund und weiten Augen an. „Oh Gott… mach das nie wieder.“, schnaufte er und schien gar nicht zu regestrieren dass er nur in Unterwäsche vor seinem Kollegen lag. Es dauerte kurz, bis Kevin sich in seinem Zimmer orientiert hatte, und sein Atem sich leicht beruhigte. Ben hatte ihn gerade aus einem seiner zahllosen Alpträume befreit, die ihn in letzter Zeit wieder verstärkt heimsuchten. „Wie kommst du überhaupt in meine Wohnung?“, fragte er dann, und seine Muskeln, die zum Zerreissen gespannt waren, entspannten sich leicht. „Schau mal auf die Uhr! Ich hab mir Sorgen gemacht, als ich das Duschwasser gehört habe.“ Kevin schaute leicht verwirrt. „Duschwasser?“, fragte er verständnislos und Ben merkte, dass sein Kollege offenbar ganz schön einen im Tee gehabt haben musste gestern. „Ja! Deine Dusche ist gelaufen, deine Knarre lag in der Dusche, und du hier?“ Kevin lief ein Schauer über den Rücken… was hatte er gestern abend schon wieder gemacht, als er sich die beiden Pillen eingenommen hatte. Zweimal schon wachte er mit seiner Waffe unter der Dusche auf, einmal lag neben ihm im Bett ein Telefonkabel, dass er offenbar selbst zu einem Strick gebunden hatte. Er rückte von der Wand weg, und schwang seine Beine über die Kante, stützte die Ellbogen auf die Beine und vergrub die Hände vorm Gesicht. Dass ausgerechnet Ben ihn in diesem Zustand finden musste, würde wahrscheinlich sein komplettes Gebilde, seine komplette Mauer aus Abschottheit zum Einsturz bringen.
    Ben stand seelenruhig vor Kevin und wartete, ob der junge Polizist etwas von sich aus zu sagen hatte. Als keine Worte aus dessen Mund kamen, nahm Ben die Whiskeyflasche in die Hand. „Du hattest gestern Abend nichts zu feiern, oder?“ Kevin sah zu Ben auf und schüttelte den Kopf. „Ich hab einfach zu viel getrunken.“, meinte er mit seiner monotonen Stimme, ohne seinen Kollegen anzusehen. Der ging mit der Flasche in der Hand auf Kevin zu und setzte sich neben ihn aufs Bett. „Einfach mal so?“, hakte der nach und betonte seine ungläubige Tonlage. „Was ist mit dir los? Ich habe doch gestern abend schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“

    Ben’s Wagen – 22:30 Uhr

    Ben fuhr in seinem BMW aus dem recht tristen Plattenbau-Viertel hinaus, und hing seinen Gedanken nach. Warum war Kevin so komisch gewesen, je später der Abend wurde. Dem Polizisten mit dem Wuschelkopf war es nicht entgangen, dass sein Kollege zunehmend unkonzentrierter und fahriger wurde, wie seine Zigarette zwischen den Fingern zitterte als sie draussen standen. Oder war das doch eher die Kälte? Der BMW hielt an einer roten Ampel, und Ben schaute in den Spiegel. Sollte er umdrehen? Zurückfahren und Kevin fragen, ob alles in Ordnung sei? „Ach was“, sagte Ben laut zu sich selbst. Wahrscheinlich sah er Gespenster, Kevin war nur müde und würde ihn für verrückt und überbesorgt erklären, wenn er jetzt zurückfahren würde. Er kannte den jungen Polizisten ja kaum, nur vom heutigen Tage und der ein oder anderen Erzählung von Semir. ‚Still, manchmal eigenartig‘. Ja, das könnte auf heute abend passen, dachte sich Ben und legte den ersten Gang ein, als die Ampel auf Grünlicht umsprang. Er fuhr nach Hause, in seine Penthouse-Wohung, und dachte an den enormen Gegensatz zu Kevin, obwohl er heute nachmittag feststellen musste, dass die beiden so unterschiedlich gar nicht waren.


    Friedhof – 22:30 Uhr

    Semir parkte den Mercedes seines Partners am Haupttor des Südfriedhofes in Köln. Die Fahrt über hatten sich er und André angeschwiegen, jeder für sich. Semir bedauerte es, dass das Wiedersehen, welches so überraschend, so unerwartet kam letztlich nicht von Freude sondern von Misstrauen überschattet war. Er wollte André nicht misstrauen, er wollte ihm vertrauen, doch irgendwas in ihm hielt ihn davon ab. Oder war es einfach Enttäuschung über André, dass der sich nicht gemeldet hatte und vermutete, dass Semir ‚ihn nicht vermisse‘, wie er sagte? War es Enttäuschung darüber, dass André sich in gewissen Dingen doch ein wenig geändert hatte?

    Auch sein Nebenmann auf dem Beifahrersitz blieb stumm während der Fahrt. André jedoch nagten ein wenig die Schuldgefühle an ihm. Dass er egoistisch war, während er auf Mallorca war und bei Semir keinerlei Lebenszeichen von sich gab. Weil er nur auf sich selbst schaute, besorgt darum was Semir von ihm dachte. Nach 4 oder 5 Jahren, nachdem Horn André vertraute wäre es ein Leichtes gewesen irgendwie sich bei Semir zu melden. Doch in den kurzen Momenten, in denen der ehemalige Polizist an diese Möglichkeit dachte, wollte er nicht. Semir hätte ihm nie verziehen, was André tat und anlügen wollte er ihn auch nicht. Nur würde sein ehemaliger Kollege das jetzt noch glauben? „Was machen wir hier?“, fragte André als Semir auf dem Parkplatz des Friedhofs den Wagen parkte. „Ich will dir zeigen, wie sehr ich wichtige Menschen vermisse.“, sagte Semir ernst und ohne Emotion in der Stimme, und stieg aus ohne André’s Antwort abzuwarten. Der tat es seinem Freund gleich und folgte ihm durch das große eiserne Tor. Die Luft war eiskalt, Kondensrauch bildete sich vor André und Semir während sie über den Friedhof schritten. Dieser Friedhof war nicht geeignet dafür, nachts um Mitternacht irgendwelche Mutproben abzuhalten. Kleine Straßenlaternen beleuchteten jeden Weg des Friedhofs, so dass sich nie eine besonders unheimliche Stimmung ergab.

    Semir blieb vor einem grauen Grabstein stehen, dessen Grab mit einigen Blumen geschmückt war. André kam neben ihm zum Stehen und sah erst Semir, dann den Grabstein an. Er las den Namen in Gedanken. „Chris Ritter - *03.07.1969 + 24.04.2008“ André verstand nicht ganz, was Semir im Zeigen wollte, und fragte nach einem Moment der Stille. „Semir, was machen wir hier?“ Semir antwortete, ohne den Blick von Chris‘ Grab zu nehmen. „Das ist ein ehemaliger Partner von mir. Er wurde von einem Drogendealer erschossen. Glaubst du, nur weil ich nicht jeden Tag an ihn denke, vermisse ich ihn nicht?“ André schluckte kurz, ihm wurde klar was er mit seinem kurzen, etwas unbedachten Satz angerichtet hatte. Mehr und mehr Schuldgefühle überliefen ihn, als er sah, wie Semir sich wieder in Bewegung setzte, um nur wenige Gräber später erneut zum Stehen zu kommen. Andrés Blick schweifte über das Grab, und blieb an einem Foto hängen, das von Wind und Wetter geschützt in einem verzierten gläsernen Kästchen versteckt war. Es zeigte Semir und einem, für André fremden Mann, zusammen Arm in Arm. Beide lächelten wie unzertrennliche Freunde in die Kamera. Dann las André auf den Grabstein. „Tom Kranich - *16.11.1963 + 22.03.2007“ Er blickte Semir von der Seite an und meinte leise, mit seiner kratzigen Stimme: „Auch ein Kollege?“ Semir nickte bloß. „Ja… dein Nachfolger.“ André senkte seinen Blick. Semir hatte zwei weitere Kollegen verloren neben ihm, während er auf Mallorca erst gezwungermaßen, dann halbwegs freiwillig illegalen Geschäften nachging bzw sie unterstützte. „Er wurde erschossen, als er eine Frau schützen wollte… ich kam damals leider zu spät.“, sagte Semir mit einer monotonen, leicht resignierenden Stimmlage, ohne André dabei anzusehen. „Semir… es tut mir leid. Ich wollte das eben nicht so sagen.“, begann André vorsichtig, doch sein türkischer Freund unterbrach ihn. „Das war noch nicht alles. Komm…“ Wieder setzte sich der etwas kleingewachsene Polizist in Bewegung und sein Freund folgte ihm, jedoch nicht ohne einen Blick nochmal auf das Foto von Tom und Semir zu werfen und leise aufzuseufzen. Einige Meter später blieben sie vor einem weiteren Grabstein stehen. Andrés Blick glitt langsam von Fuße des Grabes, über die frisch gepflanzten Blumen, zu den steinernen Kerzengehäuse hinauf zum Grabstein. Eine kalte Gänsehaut überfiel ihn, sein Mund öffnete sich langsam und seine immer etwas müde wirkenden Augen wurden größer, als er die Inschrift des Grabsteins las. „André Fux - *05.05.1965 + 06.05.1999“ Semir schaute kurz zu seinem Freund, um dessen Reaktion zu regestrieren, als er an seinem eigenen Grab stand. Tausende Emotionen brachen auf André herein, als er sah dass man ihm ein Grab gesetzt hatte obwohl er „nur“ als verschollen galt. Rührung befiel ihn, weil er sah dass das Grab auch nach 14 Jahren immer noch gepflegt wurde. Und er brauchte nicht lange zu überlegen, wer dafür verantwortlich war, als sein Blick langsam zu Semir glitt. Nur Worte, Worte brachte der große Mann neben Semir keine heraus. „14 Jahre lang hab ich gedacht, du wärst tot.“, sagte Semir mit betretener Stimme. „14 Jahre lang habe ich jeden dritten oder vierten Tag hier gestanden. 6 Jahre lang bei Tom, 5 Jahre lang bei Chris. Und immer habe ich mich gefragt, ob ich nicht irgendwas hätte tun können.“ André hörte Semirs Stimme, er sah ihn immer noch von der Seite an, Semir hatte den Blick wieder zum Grabstein gewendet. „Ich habe dich vermisst, wie ich jeden meiner toten Kollegen vermisse.“, setzte er noch hinzu und versetzte André damit einen Stich ins Herz. „Es tut mir leid, Semir.“, quetschte der zerknirscht hervor. „Für das was ich gesagt habe… und für das was ich getan habe.“ Spätestens jetzt wurde André völlig klar, dass es ein Fehler war, sich nicht bei Semir zu melden. Er hatte die Verbundenheit, die er gespürt hatte zu Semir von dessen Seite unterschätzt. Er hatte immer gedacht ‚Semir wird es schon gutgehen…‘. Das war ein Fehler. Semir antwortete nicht auf Andrés Entschuldigung. Er drehte sich nur wortlos herum und ging ein paar Schritte, strich mit einer Hand André an der Schulter und meinte dann: „Komm, ich fahr dich nach Hause.“

    Ich musste bei "Auferstehung" lange darüber nachdenken und konnte auch in den ersten Tagen keine Folgen mit André gucken.^^

    Dachte ich zuerst auch. Hab mir zum Test erstmal die zweite Staffel reingezogen. Kein Problem, das war einfach ein anderer André.

    Staffel 3 war irgendwie schwieriger... mit dem Hintergedanken, dass er da kein Bock mehr hatte. "Der Tod eines Jungen" und "Einsamer Sieg" konnte ich mir bisher noch nicht ansehen... ;(

    Dienststelle 22:00 Uhr

    Kevin hatte sich durchgequält, mit mehreren Zigaretten hatte er die letzten zwei Stunden dieses anstrengenden Arbeitstages überstanden. Er und Ben verließen die Dienststelle, Ben hatte den Schlüssel ihres Ersatzwagens, einem BMW X3 in der Hand, in den sie beide einstiegen. Dem jungen Polizisten, der auf dem Beifahrersitz Platz nahm und aus dem Seitenfenster sah, war es ganz recht dass es im Wagen ziemlich dunkel war. So konnte Ben seine leichten Ränder unter den Augen, und seinen müden Blick nicht sehen. Kevin ahnte bereits, welch schlimme Nacht auf ihn zukam… müde und trotzdem schlaflos, bis er sich ein oder zwei der kleinen bunten „Sorgenverdränger“, wie er sie nannte, ihn zumindest in eine Art „Dösen“ versetzte, immer wieder unterbrochen von Alpträumen, von Schreien und düsteren Bildern, die er bereits jahrelang mit sich herumschleppte.
    Kevin hatte den Arm an das Fenster gestützt und den Kopf auf die Hand gelegt, während Ben den Wagen durch die fast leeren Straßen lenkte. „Morgen werden wir die Phantomfotos zur Fahndung ausschreiben. Mal sehen, ob das was bringt.“ Kevin hörte ihn, als wäre er ganz weit weg, während er aus dem Fenster sah und wie in Trance die Lichter an sich vorbeifliegen sah. Ben warf einen Blick auf ihn, und erkannte wie fortgerückt sein Sitznachbar war, und dass er gar nicht reagierte. „Hey, Kevin?“, wurde Ben etwas lauter, und Kevin drehte sich vom Seitenfenster weg, wie in Zeitlupe. „Ja, das machen wir.“, kam seine monotone und recht müde Stimme zu Ben herüber. Er fuhr Kevin zu der Adresse, die er von ihm bekam, und hielt vor einem recht hohen Mietshaus in einem nicht besonders freundlichem Viertel. „Hier wohnst du?“, fragte Ben etwas erstaunt. Kevin war immerhin Kommisar, wenn er auch noch am Anfang seiner Karriere stand, aber da sollte er sich doch etwas besseres leisten können als das hier. „Ja… danke fürs Fahren.“, meinte er nur und stieg aus dem BMW aus. „Ich hol dich morgen um 10 Uhr dann wieder ab, okay?“, rief Ben ihm noch hinterher, doch Kevin ging wortlos mit müden Schritten zur Eingangstür, die sich ohne Widerstand audrücken ließ. Ben war sich nicht sicher, ob Kevin ihn gehört hatte.

    Kevin ging den Weg in Richtung seiner Wohnung, drückte die Haustür in das 15-stöckige Hochhaus auf, die nie wirklich verschlossen war, weil das Schloß kaputt war. Auch den Aufzug benutzte er nie, er war ständig kaputt und der junge Polizist konnte sich etwas schöneres vorstellen, als in einem versifften Aufzug stecken zu bleiben. So trottete er müde die Stufen im kalten, nach Zigarettenrauch stinkenden Treppenhaus nach oben in den 3.Stock. Dort war Kevins Wohnung, die er mit seinem Schlüssel aufschloss, und als erstes seine Lederjacke über ein Stuhl warf. Die Wohnung von Kevin war einfach eingerichtet, ein Drei-Zimmer-Appartment mit einem Wohn-Essbereich mit einer Küche und einem Schlafzimmer, sowie Bad. Es war nicht unbedingt ordentlich, aber Kevin hätte sich gut vorstellen können, dass seine Wohnung noch die sauberste aller Wohnungen ist, die in diesem Haus lagen. Kevin fühlte sich erschöpft, leer, ausgebrannt. Es gab Tage, an denen er sich fast normal fühlte, und sich wunderte dass er nichts von den Nebenwirkungen spürte, die seine kleinen bunten Pillen verursachten, nachdem er sie nahm. Es gab Wochen, da kam er ohne sie aus, da kam er entspannt nach Hause, und lebte beinahe so wie jeder normale Mensch. Es gab aber auch Tage wie diese, in denen er vor seinen Alpträumen keinen Ausweg sah, in denen er sich immer wieder an die schreckliche Nacht erinnerte, die sie ein Leben aus den kleinen Fugen warf, in die er sich gerade selbst manövriert hatte. Es war kurz nachdem Kevin sowieso von kleineren Drogen und vor allem der kriminellen Straßengang losgekommen war, nachdem er bei André im Training war. Als das Training wegen Andrés Verschwinden gecancelt wurde, sagte sich Kevin von der Jugendgang los, wurde clean und nahm legale Gelegenheitsjobs wahr.
    Nach dem, für ihn traumatischen Vorfall, bekam er einen Rückfall und durchlebte ein halbes Jahr alleine, ohne Kontakt zur Außenwelt, außer zu einem Dealer den Kevin von früher kannte. Dann bewarb er sich bei der Polizei, nachdem er es geschafft hatte, mehrere Wochen lang keine Drogen zu nehmen um die ärztliche Untersuchung zu schaffen. Er wollte es, und er schaffte es, denn er wollte verhindern dass niemals jemand auf der Straße das durchleben musste, was er erlebt hatte. So eine Hilflosigkeit, die er gefühlt hatte in diesen Minuten voller Schmerz und Wut. Ausserdem hoffte er immer noch tief in seinem Inneren, die Kerle, die ihm das angetan hatten, zu finden. Manchmal, in besonders schlimmen Nächten kam in ihm der Rachedrang an die Oberfläche, hielt ihn am Leben. Manchmal blickte er aber nur in ein gähnendes Loch aus Ohnmacht, so wie jetzt gerade, als er mit den Armen auf das Küchentresen gestützt da stand, und zwei bunte Pillen mit einem Schluck Whiskey herunterspülte. Es schmeckte kurz bitter, doch er wusste dass sie bald wirkten, und ihm zumindest eine Art Schlaf bescheren würden.

    Kevin ging in Richtung seines kleinen Bades, wo er seine Klamotten auszog und die Dienstwaffe, die er manchmal mit nach Hause nahm, auf das Tresen vor seinem Spiegel lag. Er ging unter die Dusche und ließ, trotz der Kälte die draußen herrschte, eiskaltes Wasser auf seinen muskulösen Körper rieseln. Seine Haut spannte sich zur Gänsehaut, seine immer stacheligen Haare legten sich wie demütig auf seinen Kopf. Das Wasser perlte an seinem Rücken herunter und lief über zwei schlecht verheilte Stichnarben… Stichnarben von zwei hinterhältigen Messerstichen, die ihn bewegungs- und hilflos gemacht hatten. Er fühlte sich auch jetzt matt und hilflos, als er langsam an der Duschwand zu Boden glitt und die Hände nach draußen führte, und seine Waffe in die Hand nahm. Das Geräusch des laufenden Wassers in die Dusche und auf seinen Körper nahm er fast nicht mehr wahr, genauso wie das Gefühl, als das Wasser auf seiner Haut aufschlug. Die beiden Pillen, die er eben geschluckt hatte, begannen bereits zu wirken, und während er mit halb offenen Mund, und immer schneller werdendem Atem die Waffe in seiner Hand betrachtete, verschwamm der komplette Hintergrund hinter der Waffe zu einer dunklen Fratze, die ihn anstarrte und ihm zuflüsterte: „Du hast ihr nicht geholfen.“ Kevins Atem wurde schneller, als er die Entsicherung seiner Waffe löste und sie wie in Zeitlupe zu seinem Mund führte, bis die Mündung seine Lippen berührte. In seinem Kopf manifestierte sich die unheimliche Stimme, die von einem lauten, schrillen, angsterfüllten panischen Schrei begleitet wurde. „Mörder!“ Kevin schloss die Augen, während seine Finger sich um den Abzug legten.

    Oh je, sowas gibt es zum Glück nicht allzu oft. Ignorieren kann man solche Leute allerdings nicht. Wer sich nicht benehmen kann, der muss entsprechende Konsequenzen zu spüren bekommen. Sonst meinen die, dass sie machen können, was sie wollen.

    Klar, Konsequenzen den User zu sperren und zu bannen. Aber nicht als Admin sich auf die gleiche Ebene begeben und sowas zu schreiben wie "Wenn du vorbei kommst, dann bestelle dir auf 5 Minuten später den Notarzt - weil danach werden sie dich leider raustragen müssen."

    Semir’s Haus – 20:30 Uhr

    Semir hielt zusammen mit André vor seinem Zuhause, welches der Ex-Polizist interessiert ansah. Es war ein neugebautes, schönes modernes Haus, das André noch nicht kannte. Er stieg zusammen mit seinem ehemaligen Partner aus und fragte dann: „Was machen wir hier? Ich dachte, du fährst mich in die Karateschule.“ Semir sah André an und meinte: „Wenn du willst, kannst du hier auf dem Sofa schlafen.“ Er ging voran und sperrte die Tür auf, André folgte ihm und spürte sofort im Inneren des Hauses wohlige Wärme, angenehme Luft. Das Licht erhellte den Flur, der zum Wohnbereich führte, aus dem Licht vom Fernseher flackerte. Er hörte ein kleines Mädchen reden… Semir hatte Kinder? Davon hatte er gar nichts erwähnt. Vor 14 Jahren hatten sich beide nicht vorstellen können, mal Kinder oder ansatzweise feste Beziehungen zu haben. Während André seine Bekanntschaften eher kurz hielt, hatte Semir eine On-Off-Beziehung mit Andrea. Aber manches brauchte eben einige Fehltritte, bis es funktionierte, und Semir hatte sich in Andrés Abwesenheit eine Bilderbuch-Familie aufgebaut. André lächelte und grüßte in den Raum, als er mit Semir eintrat. Andrea grüßte zurück, sie sass auf der Couch und hatte die älteste Tochter Ayda im Arm. „Papa, wer ist der Mann?“, fragte sie neugierig. „Das ist ein sehr guter Freund von mir, mein Schatz.“, antwortete Semir und bat André Platz an. Andrea spürte sofort dass die beiden Männer wohl alleine sein wollten und sagte zu ihrer Tochter: „Na los, mein Schatz… es ist Zeit für die Falle. Komm, ich geh mit dir rauf.“ Sie griff Ayda leicht unter die Arme und das kleine Mädchen lief Richtung Tür, jedoch nicht ohne ihrem Papa einen Schmatzer zu geben, der ihr gute Nacht wünschte. Auch Andrea holte sich ihren Begrüßungskuss ab und nickte André zu, bevor sie den Wohnraum ebenfalls verließ. André setzte sich auf die Coach. „Willst du ein Bier?“, fragte Semir, der sofort den Weg in die Küche einschlug. „Ja, gerne…“, meinte sein Freund. „Du hast dir hier echt etwas Tolles aufgebaut, Semir.“, erkannte André neidlos an, während er sich umsah. Die Wohnung war schön ausgestattet, alles war hell und freundlich, der Ofen knisterte und es war einfach sehr behaglich. „Es ist unglaublich, wenn ich daran denke, wie wir vor 14 Jahre gelebt haben…“, meinte er noch nachdenklich, als Semir mit zwei Flaschen Bier zurückkam und sich zu ihm begab. Sie prosteten sich zu und tranken einen kühlen Schluck. „Ja, stimmt. Hier mal ne Freundin, da mal ne Affäre. Damals hatte sich doch keiner vorgestellt, mal eine Familie zu gründen.“, meinte Semir etwas belustigend, während André nickte. „Was ist mit dir? In der Zeit, in der du jetzt auf Mallorca warst, in diesen 14 Jahren…“, begann Semir etwas vorsichtig, ohne die Frage direkt zu stellen. „Du meinst Familie?“, fragte André und zog ein wenig die Augenbrauen hoch. Semir nickte, und sein Freund seufzte ein wenig auf. „Ich lebte dort nicht unbedingt sicher, Semir. Ich wollte nie eine Frau in Gefahr bringen. Es hätte sich vielleicht mal was ergeben, wenn ich es wirklich gewollt hätte.“ Schwammige Aussagen, mit denen Semir nicht alzu viel anfangen konnte. Vermutlich hatte er eine Frau kennengelernt, mit der er sich ein gemeinsames Leben hätte vorstellen können, doch unter ständiger Bewachung, und als Handlanger eines Gangsterbosses… das war nicht unbedingt ein Leben, mit dem man bei Frauen imponieren konnte.

    Für einen kurzen Augenblick füllte sich der Raum mit Schweigen. Sie hätten sich nach 14 Jahren so viel zu erzählen, doch noch immer war die Situation so unwirklich, so schwierig… so unvorstellbar. Semir hatte seinen Partner verloren, hatte einen neuen Partner bekommen mit Tom, mit dem er sich anfreundete, mit dem er Spaß hatte und seine Arbeit neu zu lieben begann. Natürlich hatte er oft nachgedacht, was würde André jetzt machen, wie würde er reagieren. Wie wäre die damalige Haft, als Semir und Tom in eine Falle gelockt wurde, und beide im Gefängnis böse zugerichtet worden, mit André verlaufen. Doch sein Ex-Partner hatte recht… man vergisst. Soviel ist in der Zwischenzeit passiert, soviele Kollegen gingen und kamen für Semir. Schicksalsschläge, schwierige und gefährliche Fälle. Vergisst ein Mensch wirklich so schnell. „Du hast heute morgen gesagt: ‚Man vergisst.‘“, begann Semir vorsichtig, ohne dass die beiden Männer sich anschauten. Sie blickten eher beide in den brennenden Kamin, in dem das Feuer tanzte und knisterte. „Ja…“, antwortete André mit seiner rauchigen, kratzigen Stimme, obwohl er selbst nie eine Kippe im Mund hatte. Jetzt sah Semir seinen Partner an und fragte recht direkt: „Wann hattest du mich vergessen?“ Andrés Mundwinkel bewegten sich, er sah Semir nicht an, und es war ein Wunder dass er nicht wieder im Raum auf und ab lief, sondern eher ruhig sitzen blieb. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit sprach er wieder: „Ich weiß es gar nicht mehr genau.“ Seine Augen blieben im Feuer haften, während Semirs Blick auf ihm ruhte. „Ich hab natürlich zu Beginn öfters gedacht, was du tust… ob du noch auf Mallorca bist oder nicht. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, du würdest irgendwo aus einem Café kommen, aus einem Auto steigen und mich sehen…“ Semir spürte Schuldgefühle in sich aufkommen. War er doch zu früh abgereist, als er direkt nach Andrés Tod nach Hause flog… aber er wollte damals einfach weg, runter von dieser schrecklichen Insel. „Nach 3-4 Jahren, als ich für Horn gearbeitet habe, hatte ich eigentlich vereinzelt nur noch gehofft, dass du nie erfahren würdest, was aus mir geworden ist, auch wenn es mir nicht schlecht ging. Deswegen…“ seine Stimme stockte kurz. „Deswegen hatte ich mich auch nicht gemeldet, als ich theoretisch mal die Möglichkeit dazu hatte.“ Semir fühlte sich krank, er fühlte sich, als würde jemand an dem Sofa wackeln um ihn zu Boden zu stoßen. Seine Augen glitten wieder von André weg ins Feuer, und wie von weitem weg hörte er seine Stimme nochmal. „Ich hatte nach einiger Zeit auch nicht gedacht, dass du mich vermisst…“ Semirs Herzschlag setzte einen Moment aus. „Dass ich dich nicht vermisse??“, quetschte er aufgeregt hervor. Er sah André mit aufgerissenen Augen an, und atmete hörbar schneller durch den offenen Mund. „André, wir waren damals Freunde, wir waren Partner. Wir haben viel gemeinsam erlebt. Und ich habe…“, seine etwas lauter gewordene Stimme stockte ebenfalls für einen Moment, als nun auch André seine Augen zu ihm wendete. „… ich habe mir eine Zeitlang die Schuld gegeben. Dass ich dir nicht hinterher gesprungen bin auf das Boot. Dass ich nicht vorher geschossen habe.“ Die Stimme des türkischen Kommissars wurde wieder leiser, sein Blick entwich dem von André wieder. Der fühlte sich ebenfalls unbehaglich, vor allem war es ihm unangenehm der Schuldgefühle von Semir. Es war seine alleinige Entscheidung alles zu versuchen, um Carlos Berger damals zu kriegen. „Du glaubst nicht, was ich durchgemacht hatte…“, erwiederte Semir etwas leiser. Für einen Moment herrschte Stille, als Semir mit einem Ruck vom Sofa aufstand. „Komm mit.“, sagte er, immer noch ein wenig erregt zu André, der ihn etwas verständnislos ansah. „Was… wo willst du hin?“ Doch Semir gab keine Antwort und ging, mit dem Mercedes-Schlüssel von Ben’s Dienstwagen in der Hand Richtung Tür. „Komm mit. Ich will dir etwas zeigen…“

    Noch ein großer Filmfehler aus "Vergeltung".

    Schau es mir grade nochmal in der Wiederholung von RTLNow an, und sage Zeiten an.

    Teil 3, bei Minute 12:55 zielt Wegner auf Ben, und hat ganz eindeutig schon das Einschußloch in seinem Pullover... danach erschiesst Ben Wegner erst, der dann auf das gleiche Einschussloch starrt.

    Also, das ist finde ich schon ein sehr krasser und schlampiger Filmfehler.

    Nochmal die beiden Fragen:

    Hat Semir da wirklich bei der Mutter gesagt : "Ich habe selbst drei Töchter?", oder habe ich mich verhört?
    Und habt ihr mitbekommen, dass Wegner das Einschussloch in der Brust bereits hatte, bevor Ben geschossen hat?

    Aus der Ferne konnte man die ersten Sirenen hören, die sich den Weg durch die Sicherheitsgasse bahnten, die die Autos im Stau hinter der Unfallstelle zögerlich aufmachten. Kevin wischte sich die Reste des Blutes seiner Nase vom Mund weg, als er zu den drei sich streitenden Kollegen kam, um einmal das Augenmerk auf den Überfall zu lenken. Semir sah Kevin ein wenig entschuldigend an und vermittelte Aufmerksamkeit, während André immer noch ein wenig nervös hin und her tigerte. Eine Angewohnheit, die er wohl in 14 Jahren nicht ablegen konnte, offenbar ärgerte er sich auch ein wenig über sich selbst wegen seines fahrerischen Missgeschicks. Kevin schilderte den Überfall, die vorgetäuschte Panne, und dass der SUV quasi aus dem Nichts vor ihnen hielt. Ben und er konnten nicht mal sagen, wo die beiden Frauen hin verschwunden sind, aber zumindest konnten sie diese beschreiben. „Naja, das ist ja immerhin etwas.“, meinte Semir und nickte, während die Kollegen um Bonrath und Hotte die Autobahn absperrten. „Die haben definitiv nach dir gesucht, André.“, meinte Ben und lenkte Andrés Aufmerksamkeit endgültig auf die Unterhaltung. „Sollte Horn jetzt auch versuchen dich zu beseitigen, damit du uns keine Hinweise auf seine Machenschaften geben kannst?“, überlegte Semir laut und sah André dabei an, der dem Blick auswich und mit den Schultern zuckte. „Was weiß ich? Gefallen wird es ihm nicht haben, dass wir beide uns abgesetzt haben, und ich kann mir auch vorstellen, dass er Timo auf dem Gewissen hat.“ Ben und Kevin schauten sich kurz gegenseitig an, als André noch dazu setzte: „…oder einer seiner Männer.“ „Es wäre vielleicht besser, wenn wir dich erstmal unter Polizeischutz…“, begann Semir, doch er erntete von seinem Freund und ehemaligen Partner sofort Widerspruch. „Quatsch, Mann! Ich brauch keinen Polizeischutz. Horn wird nicht so blöd sein und versuchen mich umzubringen. Der kann sich doch denken, dass ihr Bescheid wisst und ihn sofort ins Visier nimmt, wenn mir etwas passiert.“ Da hatte André nicht unrecht, dachten sich die drei Polizisten, nur Semir machte das deutlich als er leicht nickte und gedankenverloren durch die Dunkelheit blickte, die vom Blaulicht im Sekundentakt erleuchtet wurde. „Mensch André, kaum bist du wieder hier...“, begann Bonrath spaßeshalber, der mit Hotte an die Gruppe herangetreten war. „Bonrath, ich bin gefahren.“, unterbrach ihn der Kleinste in der Runde sofort und erntete von Ben erst fragende Blicke, dann auch von André. „Was, ich hab doch gesehen als ihr vom Parkplatz aus…“, erwiederte Bonrath, wurde aber erneut von Semir sofort unterbrochen. „Natürlich haben wir vor der Verfolgungsjagd getauscht… André ist nicht mehr im Dienst.“ Bonrath schaute etwas dumm aus der Wäsche und kratzte sich am Hinterkopf. „Achso… ja…“ stammelte er etwas verständnislos, bekam aber sofort einen leichten Hieb seines Kollegen Herzbergers in die Seite, der die Situation sofort verstanden hatte. Natürlich war André gefahren und hatte anscheinend auch den Unfall verursacht, aber Semir wollte allen eventuellen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. „Los, Dieter. Wir haben zu arbeiten.“, meinte er mit einem leichten Zwinkern in Richtung André, und zog seinen langen Kollegen am Arm aus der Gruppe weg. „Und jetzt?“, fragte Semir in die Runde. „Ich würde sagen, wir fahren alle zur Dienststelle, du kannst dann meinen Wagen nehmen um nach Hause zu kommen, und wir“, sagte Ben mit einem Blick auf Kevin, der neben ihm stand „versuchen uns mal an Andrea’s Phantombild-Programm… vielleicht schaffen wir es, die beiden Damen hinzubekommen.“ Kevin nickte ohne große Gefühlsregung im Gesicht zustimmend und die vier Männer schnappten sich einen freien Streifenwagen, um zurück zur Dienststelle zu fahren. Diesmal setzte sich Ben ans Steuer, während Kevin auf dem Beifahrersitz, André und Semir auf den Rücksitzen Platz nahmen.


    Dienststelle 20:00 Uhr

    Ben und Kevin saßen wenig später dicht nebeneinander am Schreibtisch von Andrea, an deren PC das Zeichenprogramm für Phantombilder installiert war. Die Dienststelle war nur noch mit wenigen Mann besetzt im Nachtbetrieb, es war recht ruhig, hin und wieder lief ein Kollege vorbei um sich mit frischem Kaffee zu versorgen. Sie klickten, tauschten hier und da Nasen an den Bildern aus, wechselten Augenbrauen und versuchten sich zu erinnern, wie das Gesicht der beiden Frauen wohl aussah. Beide Polizisten waren bereits seit morgens im Dienst, doch während Ben sich mit Kaffee weiter auf einem fitten Level hielt, schien man Kevin die Zeit anzumerken. Seine Hand, die manchmal die Maus hielt wurde zittrig, mehrmals klickte er auf den falschen Button im Programm und seine Sitzhaltung wurde zunehmend unruhiger. Gegen halb zehn schlug Ben vor, mal ein paar Minuten Pause zu machen, und sein ebenfalls junger Kollege nahm diesen Vorschlag gerne an. Beide zogen ihre Jacken über die Schultern und begaben sich vor die Eingangstür in die eiskalte und sternenklare Nacht. Kevin zog sich sofort eine seiner selbstgedrehten Zigaretten aus der Innentasche seiner Lederjacke, und steckte sie sich, beinahe schon hastig, an. Ben beobachtete ihn dabei, wie er den Rauch inhalierte. „Ist alles okay?“, fragte er vorsichtig mit etwas Sorge in der Stimme, doch Kevin nickte nur. „Jaja… ich schlaf zu wenig.“, meinte er, und lächelte dabei… doch es war nicht das lockere Lächeln, das Ben in den Stunden von Kevin kennengelernt hatte. Er lächelte zwar generell wenig, doch immer wenn er es tat, war es ein selbstbewusstes Lächeln. Dieses Lächeln war gequält, und es war nur dazu da, Emotionen zu überspielen, die in Kevin vorherrschten. Emotionen, die der junge Cop nie an seine Oberfläche ließ, solange er nicht alleine war. Er schaffte es, das Bild eines selbstbewussten, oftmals arrogant selbstsicher wirkenden Mannes abzuliefern, den nach außen hin nichts anhaben konnte. Dass er seit Jahren keine Nacht mehr als 3 Stunden geschlafen hatte, regelmäßig von Alpträumen gequält wurde wegen eines schlimmen Vorfalls in seiner Vergangenheit wusste niemand, und es sollte auch keiner erfahren. Genauso wenig, dass er immer noch abhängig war.

    Der Fall war originell, endlich mal wieder ein Einzeltäter, ein Psychopath, kein eiskalter Berufsverbrecher.

    Ansonsten fand ich den Anfangsstunt zu übertrieben, da musste man zwingend etwas explodieren lassen, weil es sonst in der Folge nix explodiert ist, was ich sehr angenehm fand.

    Die Szenen mit der Praktikantin waren teilweise wieder zu übertrieben, das hat doch schon gestört, meiner Meinung nach. Und dass sie dann in der Werkstatt Semir und Ben rettet, ins Feuerinferno läuft und mit nem Sahnespender löscht.... sorry, das hat den recht realistischen Eindruck echt gestört.

    Einiges hat an früher erinnert... endlich waren unsere Helden mal nicht kugelfest (Armschuss Ben) und der Soundtrack... man gewöhnt sich wieder an, das Hauptthema bei Verfolgungsjagden öfter zu spielen, natürlich nicht das Original, aber immerhin eine Melodie mit Wiedererkennungswert.

    Was mich gefreut hat ist, dass Semir einmal erwähnt hat, dass drei Töchter hat, oder hab ich mich da verhört?

    Achja, ist euch der Filmfehler aufgefallen? Der Psychopath hatte sein Einschussloch bereits, bevor Ben geschossen hat :D