So, das war also die letzte Staffel von Alex Brandt. Vorweg muss ich sagen, dass die Staffel eine gute war, unter den Staffeln der "neuen" Ära, wo ich die letzte Ben-Staffel mal mitzähle, ist es allerdings die schlechteste! Abgestimmt habe ich für Blutgeld, die für mich ein persönliches Highlight darstellte, meine Platzierung wird jedoch etwas anders ausfallen.
Platz 1: "Vendetta"
Die Staffel eröffnet mit einem wunderbaren, starken Piloten. Die Action nimmt einen großen Teil des Films ein, ohne dass die Handlung jedoch darunter leiden muss. Die Charakterzeichnung gefällt mir hier gut, selbst für Nebenfiguren wie Boschko oder Dejana bleibt genügend Raum, ihre Motive und Beweggründe zu beleuchten. Die Team-Arbeit zwischen Semir und Alex ist super, Alex hat sich (spätestens) in diesem Pilotfilm zum besten Partner, meiner Meinung nach, hochgeschwungen. Die Bedrohung durch den Berisha-Clan war allgegenwärtig und glaubhaft. Schön, dass man hier am Ende den Vater Semir verschonen lässt, das verleiht der Folge tiefe. Vendetta kommt mit einer guten Härte, Emotionen und Humor an den richtigen Stellen her, hat kaum Kritikpunkte und ist daher (objektiv gesehen) Platz 1.
Platz 2: "Blutgeld"
Ich habe dem Showdown gegen Thomas Sander seit dem Staffelfinale im Frühjahr entgegengefiebert und muss sagen, die Folge ist einfach gelungen. Mathias Herrmann überzeugt auf ganzer Linie, wie schon in der Frühjahrsstaffel, zeigt aber auch die verletzliche Seite seiner Figur, als er versucht Kim zu töten und dabei zunächst die Fassung verliert. Am Ende der Folge wird der Wahnsinn, der letztlich mit Sander verbunden bleibt, sowie die Skrupellosigkeit, selbst über Leichen zu gehen, immer deutlicher, untermalt mit vielen bereits bekannten Action-Tracks von Jaro Messerschmidt, Nik Reich und Frederik Wiedmann, einfach grandios für ein Finale der Storyline. Kritikpunkte finden sich am Anfang und am Ende der Folge: Der Einsstieg wirkt, als hätte man etwas verpasst, das Happy-End erzwungen. Dennoch ist "Blutgeld" eine tolle Sander-Folge mit der nötigen Härte, auch wenn sie leider schon zu früh in der Staffel platziert wurde.
Platz 3: "Tausend Tode"
Hier gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Gute Story mit viel Autobahnbezug, ernst, Härte, Emotionen, tolle Action (Mittelstunt). Das Ende wirkte nicht aufgesetzt. Eigentlich im Gesamtpaket besser umgesetzt als "Blutgeld", allerdings ohne Sander.
Platz 4: "Die Kämpferin"
Solide Folge,die im Frühjahr eher als leichte Folge durchgegangen wäre. Der Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor wurde hier gut gefunden, der Humor war zudem ziemlich lustig und machte Spaß. Emotionen kamen nicht zu kurz und Düsternis war in gutem Maße vorhanden, mehr hätte es auch nicht gebraucht. Hervorzuheben ist der Auftritt jedes PAST-Mitglieds, inklusive Krüger, selbst wenn diese nur am Ende zu sehen ist. Eine Episodenfigur ist mal wieder im Vordergrund, auch das gefällt mir, nämlich ein Stilmittel der "klassischen" Folgen, auf das viel zu selten zurückgegriffen wird. Die Action war phänomenal, besonders die Alex-Explosion am Ende.
Platz 5: "Gestohlenes Leben"
Eigentlich auf einem ähnlichen Level wie Platz 4, doch hier gibt es einen Kritikpunkt, nämlich die sehr unreife Darstellung von Dana, als die Autos am Anfang crashen und sie eben das "cool" nennt (das Filmen kritisiere ich nicht mal, ist durchaus realistisch). Schön, dass Jenny gleich zwei Folgen hat, in denen sie im Vordergrund steht. Der Fall an sich, das Hacken, war nichts neues, die Umsetzung jedoch schon, was mir gefiel. Düsternis und Humor waren an den richtigen Stellen verteilt. Katrin Heß überzeugt voll und ganz. Dass man hier einen der Komissare gestrichen hat, macht Sinn, da so der verbleibende ruhigere Momente zwischen diesem und Jenny kreieren konnte. Dass die Wahl hier auf Semir fiel, macht Sinn, denn weiter in eine Love-Story zwischen Alex und Jenny zu investieren, wäre, angesichts des baldigen Ausstiegs, verlorene Mühe gewesen. Die Folge überzeugt, hätte beim abschließenden Gespräch zwischen Jenny und ihrer ehemaligen Ausbilderin dennoch düsterer und emotionaler sein dürfen, wirkte minimal ausgebremst und bleibt daher hinter Polinkis "Wo ist Semir?" zurück. Musikalisch Freundliebs beste Folge in dieser Staffel.
Platz 6: "Lockdown"
Warum man Sander in einer Folge verabschiedet, in der er dann nicht im Mittelpunkt des Falls steht, nämlich dem Gefangenenaufstand, ist mir unklar. Musikalisch knüpft Daniel Freundlieb in keinster Weise an bekannten Themen an, was ich mir gerade für den "Höhepunkt" der besten Cobra 11-Story aller Zeiten wirklich gewünscht hätte (der Track in Sanders Todesszene ist dennoch wirklich toll und entschädigt für das, meiner Meinung nach, nervende Gefängnishof-Thema). Die Folge an sich war gut, an manchen Stellen überzogen, etwa wie einfach die Häftlinge an Waffen kommen. Das eigentliche Sander-Finale ist eigentlich "Blutgeld", dies eine Erweiterung, Mathias Herrmann dennoch überzeugend. Ich hätte hier eine reine Sander-Story bevorzugt, auch wenn das vielleicht auf eine Gericht-Zeugen-Killer-Story wie in "Auf eigene Faust" hinausgelaufen wäre (lustig da war es nicht Thomas Sander, sondern Sander Kalvus ).
Platz 7: "Space"
Eine überraschend gute Folge. Eine der schwächeren Folgen der Alex-Ära, aber besser als das, was ich angesichts des Titels erwartet hätte. Die Story war einfach ein Standard-Aufbau, nichts besonderes eben. Man hatte den nötigen Ernst, Humor an den richtigen Stellen (sogar sehr lustig). Dass man auf übermäßige Düsternis verzichtet hat, war ok, immerhin ging es nicht um einen persönlichen Fall des Teams. Emotionen waren vorhanden, doch genau hier wäre einfach deutlich mehr gegangen, das wirkte so, als hätte man sich einfach nicht mehr getraut.
Platz 8: "Windspiel"
Als normale Folge in Ordnung, als Ausstieg für Alex jedoch ziemlich schade, ist der Ausstiegsgrund am Ende der Folge doch unglaubwürdig. Ein Anruf bei Sandra Eckert von der RTL-Serie "Vermisst" und Alex findet seine Mutter ganz schnell wieder. Selbst wenn er auf eigene Faust nach ihr sucht, so dauert das höchstens Wochen oder Monate und er könnte schnell wiederkommen, also nichts wofür man seinen sicheren Job in einem Team kündigt, dass man als Familie bezeichnet und schon völlig unglaubwürdig ist, dass er sofort kündigt, anstatt sich erstmal beurlauben zu lassen. Den Aspekt mit dem Hacken und den rein zufällig überall stehenden Kameras verzeihe ich einfach mal, ging bei "Tödliche Wahl" auch in Ordnung. Wieder wirkten die Emotionen viel zu ausgebremst, Düsternis hatte man zwar, doch wurde sich leider wieder stark zurückgehalten. Die schauspielerische Leistung, besonders von Christoph Luser und dem GSG 9-Boss und den Handlangern von Schwarz waren ziemlich schlecht und ziehen die Folge runter. Musikalisch wieder keine bekannten Themen, was in der Abschiedsfolge eines Charakters mit vielen durchgehenden Geschichten einfach sehr schade ist. Überhaupt, dass man den Ausstieg von Alex nicht über mehrere Folgen aufbauen oder besser durchdenken konnte, ist extrem Schade, muss aber RTL angelastet werden.
Platz 9: "Duell in der Wildnis"
Kai Meyer-Ricks hat entweder die schlechtesten Drehbücher erwischt oder aber einfach lasch inszeniert (mir gefallen die Dietz-Folgen der Alex-Ära, mit Ausnahme von "Wettkampf", besser). Die Folge ist nicht schlecht, hat einen guten Jenny-Handlungsstrang und ist der Beweis, dass Lockerheit und Humor auch mit Alex Brandt funktionieren. Dennoch enthält die Folge einfach alle Elemente, die mich in den Ben-Folgen (auf Dauer) einfach gestört haben: Geballer auf der Autobahn, MP-Geballer, unverwundbare Helden, unpassender/nerviger Humor, ein zu großer Fall (eine Beute von 100.000€ wäre realistischer gewesen). Musikalisch wieder nichts besonderes, der Farbfilter ist einfach nicht meins, Fan von Wald-Plots bin ich auch nicht. Die Folge ist ok, will ich auf Dauer so aber nicht sehen. Zumindest überzeugten die Darsteller hier und die Emotionen wirkten, was an der Story liegt, nicht ausgebremst. Die zweitschwächste Brandt-Folge nach "Wettkampf".
Insgesamt finde ich es sehr schade, dass wir keinen neuen durchgehenden Handlungsstrang nach der Sander-Story bekommen haben bzw. dass eben diese Story so schnell beendet wurde. Isabel Frings wird einfach nebenbei gestrichen, ebenso Nela Stegmann, deren "Beziehung" zu Alex man aber anfangs über mehrere Folgen aufbaut. Man hat den Alex-Folgen in dieser Staffel deutlich Wind aus den Segeln genommen. Ob hier @Campino mit einer früheren Aussage Recht hat und einige (ich eingeschlossen), die Herbststaffel 2015 schlechter bewerten, da wir wissen, dass Alex nun weg ist und man die Serie für den neuen Partner vorbereitet, kann ich nicht exakt beurteilen, halte es aber durchaus für möglich. Bestreiten kann man jedoch nicht, dass der Kontrast von dieser Staffel zum Frühjahr 15, der düstersten und meiner Meinung nach besten Staffel aller Zeiten, und dieser Staffel, auch verglichen mit den anderen Alex-Staffeln, ein großer ist (wenn auch noch im Rahmen).
Insgesamt eine gute Staffel, auch wenn ich besonders von den Folgen ab "Duell in der Wildnis" (innerhalb der Alex-Ära) mehr erwartet hätte. Das Finale enttäuscht.
Ich danke Vinzenz Kiefer für zwei sehr tolle Jahre "Alarm für Cobra 11", eigentlich die besten zwei Jahre, die die Serie hatte (auch wenn ich hier wirklich eher Herbst 13 - Frühjahr 15 sage). Ich hoffe, dass wir Alex Brandt in zwei Jahren wiedersehen, gerne auf dem Niveau dieser Staffel, dass mich zwar insgesamt nicht umgehauen hat, aber mit dem doch alle irgendwie leben konnten.