Beiträge von Elvira


    Alex lag in seinem Bett und wurde immer wacher. Die Schmerzen in der Schulter und auch an der Hüfte waren erträglich, solange er sich nicht bewegte. Die Tür ging auf und Kim Krüger trat ein. Sofort richtete er sich auf. „Wissen Sie etwas Neues?“ wollte er wissen und Kim Krüger schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Wir haben uns den Tatort noch einmal genauer angeschaut. Am Boden wo das Gerüst lag, haben wir einen Lappen gefunden, der mit Chloroform getränkt war. Der Entführer hat Gerkhan also betäubt. Außerdem haben wir die Waffe von Gerkhan gefunden und das Handy. Somit ist ein Orten nicht möglich.“ Es hörte sich sehr resigniert an und auch Alex stöhnte auf. Er warf die Decke zur Seite und setzte sich hin. Er spürte Schwindel und Kim Krüger sah ihn besorgt an. „Was soll das werden?“ fragte sie, obwohl sie sich die Antwort sicher denken konnte. „Ich werde Semir suchen! Wegen mir ist er in den Fängen von einem Geisteskranken!“ stieß er aus und stellte sich auf die Beine. Doch er sackte sofort wieder zusammen und schrie auf. Kim packte kurzentschlossen zu und zog ihn wieder aufs Bett. „Sie werden gar nichts machen, Brandt! Sie bleiben hier liegen. Dorn und ich sind dran und wir werden gleich noch zu Hartmut fahren.“ Alex nickte. Er hatte die Augen geschlossen und bekämpfte den Schmerz in seinem Körper. „Verdammt, wenn ich mich doch nur nicht von Semir getrennt hätte!“ stieß er aus. Kim sah ihn ernst an. „Das ist Blödsinn! Dieser Kerl hatte Gerkhan vermutlich längst im Blick. Er passt genau in sein Beuteschema. Verheiratet, Töchter, Polizist. Wenn es nicht auf dieser Baustelle passiert wäre, dann irgendwo anders. Hören Sie auf, sich Vorwürfe zu machen.“ redete sie auf ihren Beamten ein. Alex nickte leicht. „Das ist einfach gesagt. Ich habe Semir gewarnt, dass wir uns nicht trennen auf der Baustelle und dann bin ich derjenige, der sich nicht an die Abmachung hält. Haben Sie die Sanitäter schon befragt? Ich meine, die waren doch auch da! Die müssen doch was gesehen haben!“ Kim senkte den Blick. „Ich habe sie befragt und einer der Sanitäter sagte mir, dass sie die Schüsse sehr wohl gehört haben. Aber der Einsatzleiter hat ihnen untersagt, zur Hilfe zu kommen. Daraufhin haben sich dann die Sanitäter auf den Weg gemacht und man hat Sie gefunden. Gerkhan war bereits weg. Das heißt, dass der Entführer vermutlich über die Autobahn abgehauen ist. Wir wissen nicht einmal mit was für einem Fahrzeug er Gerkhan von der Baustelle gebracht hat. Freund hat Reifenspuren gefunden und analysiert sie bereits.“

    Yvonne Grabner betrat die PAST und fragte nach Kim Krüger. Susanne berichtete ihr, dass sie auf dem Weg zur PAST war und sie sich ein wenig gedulden möchte. Yvonne nickte. „Wissen Sie wie es Herrn Brandt geht?“ Susanne schüttelte den Kopf und sah Jenny auf sich zukommen. „Frau Grabner, mein Name ist Jenny Dorn. Ich habe die Ermittlung mit Frau Krüger übernommen und hätte da ein paar Fragen. Haben Sie einen Augenblick Zeit?“ Yvonne drehte sich um und sah eine noch sehr jung wirkende Frau in Zivil vor sich. „Ja natürlich.“ Sie folgte der jungen Polizistin in das Büro. Welches Alex und Semir nutzen. „Bitte nehmen Sie doch Platz.“ bat Jenny. „Frau Dorn, können Sie mir über das Verschwinden von Herrn Gerkhan etwas sagen?“ wollte Yvonne wissen. Jenny Dorn nickte. „Er und Alex waren zu einem Einsatz. Ein Mann hat sich vor Verfolgern versteckt und ist auf einer Baustelle dann unter ein Gerüst gekommen. Wir wissen aber, dass das eine Falle war. Alex wollte dem vermeintlichen Verletzten helfen, während Semir mit der Zentrale telefonierte. Alex wurde dann angeschossen. Wir vermuten, dass Semir die Schüsse gehört und nach Alex gesucht hat. Als er ihn fand, vergaß er alle Vorsichtsmaßnahmen und geriet ebenfalls in einen Hinterhalt.“ berichtete Jenny. Yvonne sah sie an. „Dann befindet Herr Gerkhan sich in den Fängen dieses Polizistenkillers?“ fragte sie nach und Jenny bestätigte es stumm. „Frau Grabner, was haben Sie über den Täter?“ Yvonne zog die Schultern hoch. „Ich habe Herr Gerkhan und Herrn Brandt gesagt, dass der Täter vermutlich durch diese Morde Erlebnisse aus der Kindheit verarbeitet. Vielleich wurde er von jemanden enttäuscht, der etwas mit der Polizei zu tun hat. Vielleicht sein Vater, eine Freundin oder sonstiges.“ Jenny Dorn sah sie an. „Sie sagen immer „ER“. Sie gehen von einem Mann als Täter aus? Warum?“ hakte sie nach. Yvonne lächelte leicht. „Nun, nennen Sie es weibliche Intuition. Ein weiblicher Täter würde die Rache auskosten. Sie würde das Opfer eher psychisch leiden lassen anstatt es tu töten. Sehen Sie, Männer sind hart und wollen einen Triumpf über ihrem Opfer fühlen. Sie würden körperliche Gewalt ausüben. Ihr Gegenüber erniedrigen und peinigen. Nur dann fühlen sich Männer als Sieger. Die Opfer, die wir hier haben sind alle körperlich gequält worden. Deshalb gehe ich von einem Mann aus.“


    Jenny fuhr mit Hartmut auf das Clouth-Gelände und ging in das Gebäude, in dem Alex verletzt aufgefunden wurde. Hartmut sah sich um und spielte in Gedanken die Szene durch wie Alex verletzt wurde. Das eingestürzte Gerüst lag dicht bei der Wand. Er drehte sich um und nickte dann. „Also wenn Alex den Verletzten hier gefunden hat, dann müsste der Schütze auf der Seite gewesen sein.“ murmelte er und Jenny sah ihn an. „Wie kommst du denn darauf?“ wollte sie wissen. „Nun, Alex wurde in die linke Schulter getroffen. Der Eingang liegt dort und wenn der Schütze sich dort versteckt hätte, dann wäre Alex erst gar nicht zum Gerüst gekommen. Ich vermute, dass Alex bereits angefangen hatte, die Sachen zur Seite zu räumen. Der Schütze konnte ihn also beobachten. Auf der rechten Seite ging es nicht, denn da war keine Versteckmöglichkeit und da vorn, also, wenn Alex am Gerüst war, von ihm aus hinter ihn, könnte sich der Schütze da oben auf der Treppe versteckt haben. Er hat zugesehen, wie Alex den vermeintlichen Verletzten versuchte zu bergen und schoss auf ihn. Alex drehte sich vermutlich gerade nach rechts und deshalb traf die Kugel seine linke Schulter. Er ging zu Boden und der Schütze schießt ein zweites Mal. Diesmal traf die Kugel dann die Hüfte.“ erklärte der Techniker. „Okay, und wie hat der Kerl Semir überwältigen können? Ich meine, die Beiden waren doch zusammen. Die haben sich doch hoffentlich nicht getrennt.“ Jenny sah sich um. Hartmut zog sein Handy und zeigte es ihr. „Sieh mal, ich habe hier drinnen kein Netz. Semir hatte aber zur gleichen Zeit mit der Zentrale telefoniert. Also musste er außerhalb des Gebäudes gewesen sein. Das heißt, sie haben sich getrennt und Alex ist schon mal auf die Suche nach dem Verletzten gegangen. Semir hört die Schüsse und stürmt in die Halle. Er sieht Alex am Boden liegen und vergisst alle Vorsichtsmaßnahmen…“ ging es bei Hartmut weiter. Jenny nickte nachdenklich. „Okay, dann müsste der Schütze aber direkt hinter ihm gewesen sein, um ihn zu überwältigen. Er kann nicht erst lange Wege zurückgelegt haben, denn dann hätte Semir sicher von der Schusswaffe Gebrauch gemacht.“ Hartmut nickte. Er ging zu dem Gerüst und sah sich suchend um.

    Semir wagte es nicht, sich zu bewegen. Das Messer, welches er spürte, schien wirklich sehr scharf, denn schon die Berührung an seinem Hals schien eine brennende Verletzung hervorzubringen. „Na, willst du es spüren?“ verhöhnte ihn der Mann und er war sich sicher, die Stimme zu kennen. Da er nicht antworten konnte, war er seinem Peiniger ausgeliefert. Er grunzte leise, um diesen Mann ein Zeichen zu geben, das er reden wollte. „Oh nein, ich werde den Knebel nicht abnehmen. Du könntest schreien und dann würde es vielleicht auffallen. Aber weißt du was, ich werde dich heute in Ruhe lassen. Morgen wirst du erfahren, was es heißt, deine Töchter zu lieben, wie du es nicht darfst!“ erklärte der Mann. Semir wusste nicht, was der Mann von ihm wollte aber er wusste wem die Stimme gehörte. Jaron! Jaron Schwarz! Das war der Killer der Kollegen. Mit Verspätung bemerkte er, dass das Messer verschwunden war und als er die Tür zuknallen hörte wusste er auch, dass er wieder allein war. Er hörte wieder die Worte, die der Mann zu ihm gesagt hatte. Was meinte er damit, dass er seine Töchter nicht so lieben durfte? Wieder zerrte er an den Fesseln und kam erneut zu der Erkenntnis, dass er sie nicht ohne Hilfe lösen konnte und noch etwas quälte ihn. Er wusste nicht, was mit Alex war. Hatte der Kerl ihn getötet, als er ihn betäubt hatte? Zeugen waren das Letzte was dieser Jaron gebrauchen konnte und bisher hatte er alle getötet, die ihm gefährlich werden konnten. Sicher würde er bei Alex keine Ausnahme machen. Verdammt, wieso hatte sein Partner nicht auf ihn gewartet? Wieso musste Alex immer sein Ding machen? Seine Gedanken gingen zu dem Kollegen Baur, der tagelang in der Gewalt des Killers war und grausam von ihm zugerichtet wurde. Sollte ihm das nun auch bevorstehen?


    Semir wachte am frühen Abend auf. Er versuchte die Augen zu öffnen, doch es klappte nicht. Irgendetwas hielt seine Augen zu und als er die Hand heben wollte, spürte er die Fesseln. Er zerrte dran und kam schnell zu der Erkenntnis, dass er mit Sicherheit länger brauchte, um sie zu lösen. Jetzt spürte er auch den Knebel, der ihn am Schreien hindern sollte. Wo zum Teufel war er hier und was war passiert? Er ersuchte sich zu erinnern. Es gab einen Notruf und er ist mit Alex zur Baustelle. Oh verdammt, auf Alex war geschossen worden. Wieder sah er seinen Partner in der großen Halle am Boden liegen. Leider hatte er, Semir, den Fehler gemacht, ohne die erforderliche Sorgfalt in den Raum zu stürzen um sich um Alex zu kümmern und diesen Fehler hatte er jetzt auszubaden. Scheinbar war er in die Fänge dieses grausamen Polizistenmörders geraten. Das war von vornherein eine Falle für ihn! Und er ist genau wie Alex blind in die Falle gegangen. Noch eine Frage brannte in seinem Kopf. Konnte Alex von den Sanitätern gerettet werden? Wieder zerrte er an den Fesseln und versuchte herauszufinden, woraus sie bestanden. Nach einigen Minuten wusste er es. Kabelbinder! Damit war er auf Hilfe von außen angewiesen. Und obwohl er wusste, dass er sich selbst nicht befreien konnte, hörte er nicht auf an den Fesseln zu zerren. Er hörte auf, als er eine warme und klebrige Flüssigkeit an seinen Gelenken spürte. Blut! Er hatte sich seine Handgelenke aufgescheuert. Nun hielt er inne und versuchte mehr von seiner Umgebung herauszufinden. Erschnupperte um anhand des Geruchs etwas feststellen zu können. Tatsächlich roch es hier nach Moder und Schimmel. Scheinbar war er in einem älteren Gebäude untergebracht. Vielleich ein Keller in einem unbewohnten Haus. Doch wer steckte dahinter? Gesehen hatte er keinen denn dafür ging es zu schnell. Er war zu sehr auf Alex fixiert und hatte seine eigene Sicherheit vernachlässigt. Nach einer gefühlten Ewigkeit machte er sich wieder daran gegen die Fesseln anzukämpfen.

    Einige Stunden nach der geglückten Entführung des Polizisten genehmigte Jaron sich eine Flasche Whiskey, die ihn wieder dieses warme, verwirrende Gefühl vermittelte. Er taumelte über die Straße und betrat das Nachbarhaus. Mühsam schleppte er sich die Treppen runter. Unten angekommen stolperte er über eine auf dem Gang liegende Jacke und entschuldigte sich lallend bei ihr. Dann suchte er in seine Tasche nach dem Schlüssel für die Tür, hinter der sein unfreiwilliger Gast saß. „Hey!!! Bist du noch wach?“ lallte Jaron und lachte höhnisch. Es kam keine Antwort, doch das lag sicher nur daran, dass der Mann einen Knebel trug. Etwas schwerfällig versuchte Jaron den Schlüssel ins Schloss zu bekommen und nach einigen Versuchen, schaffte er es auch. Er trat die Tür auf und sah, wie der Mann, der auf dem Stuhl saß, zusammenzuckte. „Guten Tag…mein Freund…“ lallte Jaron und machte einen Schritt auf den Mann zu. Mit dem Zeigefinger strich er über die Wange des Mannes, der zurückzuckte. „Na, hast du Angst? Ja, das solltest du auch. Ich werde dir zeigen, dass ein Polizist niemals seine Töchter mehr lieben darf, als seine Frau. Du verstehst doch, dass ich das nicht zulassen kann, oder?“ Der Mann grunzte etwas. „Nur keine Sorge, heute darfst du dich noch ausruhen. Ich werde mich morgen mit dir beschäftigen. Du solltest dich ruhig verhalten und keine Fehler machen. Die Fesseln kannst du eh nicht lösen und schreien wirst du auch nicht. Ich warne dich, wenn du es doch versuchst, dann werde ich dich in Stücke schießen! Hast du mich verstanden?“ drohte er und sein Gefangener bewegte sich nicht. „Ob du verstanden hast?!“ fauchte er und stieß dem Mann die Finger in die Rippen. Ein Stöhnen, welches durch den Knebel erstickt wurde, kam von ihm. „Ohhh, tut das weh? Das wollte ich nicht. Wirklich, ich will dir doch nicht wehtun. Ich will nur für Gerechtigkeit sorgen, verstehst du?“ Es kam keine Antwort. Jaron besah sich die Handgelenke seines Gefangenen und sah, obwohl er einiges getrunken hatte, dass der Mann versuchte, sich zu befreien. „Du kannst die Fesseln nicht loswerden. Das einzige, was du damit schaffen kannst, dass du dich verletzt. Willst du das? Willst du dich verletzen? Willst du bluten? Ich kann dir helfen. Ja, ich kann dir helfen. Sieh mal, ich habe hier ein Messer und wenn ich es ganz langsam über deinen Arm schiebe, dann wird es bluten, denn es ist sehr scharf.“ Er zog ein Messer aus seiner Tasche und hielt es an den Hals seines Opfers. Dieser zuckte zurück als die Klinge auf die Haut kam.


    Jaron steckte grinsend sein Handy ein. Seine Schwester war so weit weg. So weit weg … sie konnte nichts verhindern. Er hatte im Keller des Nachbarhauses sein nächstes Spielzeug und einige Tage Zeit sich mit diesem auseinander zu setzen. Er sah auf die Uhr. Es war nun halb drei. Eigentlich könnte er sich noch einmal mit dem Mann unterhalten. Dieser Mann, den er beobachtet hatte. Dieser Polizist, der laut Personalakte so tadellos war. So erfolgreich, aber er hatte seinen Schatten nicht bemerkt. Er, Jaron, war gut im Beschatten und Beobachten. Das hatte er schon früher gelernt. Er wusste, dass der Polizist, der gefesselt im Keller saß, drei Töchter hatte. Er wollte ihn fragen, ob und wie oft er sich schon mit seinen Töchtern vergnügt hatte. Er lachte leise, als er darüber dachte, wie er diese Polizisten in die Falle gelockt hatte. Sie waren alle ahnungslos, so dumm. Er dachte wieder daran, wie er diese beiden Autobahnpolizisten getäuscht hatte. Dieser Brandt war mit Sicherheit schon an seinen Wunden verreckt. So schnell konnte die Rettung, die scheinbar doch nicht direkt dabei war, eintreffen können. Er konnte nicht nur gut beobachten, sondern auch sehr gut schießen und treffen. Keiner, den er im Visier hatte, konnte überleben. Auch wenn dieser Bulle nach seiner Akte keine Familie hatte, so musst er ihn als Mitwisser ausschalten. Genau wie damals als er den anderen jungen Mann erschoss, der nur ein Kollege war. Ein notwendiges Übel, wenn man es so sah. Kollateralschaden. Er musste die Leute ausschalten, die ihm gefährlich werden konnten. Diesem Gerkhan traute er tatsächlich zu, ihm Jaron, das Handwerk zu legen. Er stand auf und sah aus dem Fenster auf das Nachbarhaus. Sollte er diesem Mann schon mal die erste Lektion erteilen? Ja, warum nicht? Oder sollte er ihn heute erst einmal schmoren lassen? Vielleicht bekam er dann größere Angst, wenn er nicht wusste, was passieren würde. Ja, ja, das war eine gute Idee. Und er konnte sich schon Dinger überlegen, die sein Vater damals auch mit ihm gemacht hatte. Sicher würde es dem Kerl auch so gefallen, wie ihm damals. Wieder sah er sich als kleiner Junge und wieder sah er seinen Vater, der nach einem harten Dienst nach Hause kam, seine Schuhe auszog und direkt ins Zimmer von Katrin ging.

    „Frau Krüger, suchen Sie Semir! Bitte, dieser Kerl wird ihn umbringen.“ bettelte Alex und versuche erneut aufzustehen, doch es bleib beim Versuch. „Sie werden hier liegenbleiben, bis die Wunden wieder verheilt ist. Die Entlassung bestimmt der Arzt und nicht Sie, Brandt.“ legte Kim fest. „Dann müssen Sie Semir finden…“ stöhnte er auf. Kim nickte. „Ja, Frau Dorn und ich werden nach ihm suchen. Haben Sie jemanden erkannt?“ Alex schüttelte den Kopf. „Es war ein Hinterhalt. Es ging alles so schnell.“ Kim lächelte. „Okay, hatten Sie oder Gerkhan einen Verdacht?“ Alex sah sie an. „Ich weiß es nicht. Diese Grabner vermutete genau wie Semir, dass es ein Kollege war, weil er wusste, wann wer auf Streife ist.“ Er schloss die Augen. Kim legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ruhen Sie sich aus. Für heute ist es genug. Ich werde Sie informieren, wenn ich etwas herausgefunden habe.“ versprach sie und stand auf. Nur wenig später war sie auf der Dienststelle und rief Jenny Dorn wie auch die anderen Kollegen zu sich ins Büro. „Ich habe von Brandt erfahren, dass er und Gerkhan in eine Falle geraten sind. Brandt wurde verletzt und Gerkhan ist verschwunden. Wir müssen davon ausgehen, dass er in die Fänge von diesem Wahnsinnigen ist und müssen alles tun, um ihn wiederzufinden!“ erklärte sie. Ein Raunen ging durch den Raum. „Haben Sie einen Hinweis?“ wollte Jenny wissen, doch Kim schüttelte den Kopf. „Nein. Jenny! Sie nehmen sich Hartmut und durchsuchen die Halle in der Brandt verletzt wurde! Nehmen Sie die Halle auseinander!“ forderte Kim und Jenny verschwand. „Sie Gerber werden das Rettungsteam des RTWs befragen ob sie jemanden gesehen haben!“ Auch der Kollege verschwand umgehend. Kim selbst griff zum Telefon und wählte Grabner an. „Frau Grabner, ich brauche Sie hier!“ „Um was geht es denn?“ kam die Gegenfrage und Kim informierte die Profilerin, was vorgefallen war. „Das ist ja schrecklich. Hören Sie, ich bin gerade in Frankfurt, werde aber direkt losfahren.“ versprach die Profilerin und Kim bedankte sich.


    Katrin schreckte auf, als das Telefon klingelte. Sie sah auf die Uhr. Es war 20: 30 Uhr. Sie meldete sich. „Du hast dich um mehr als eine Stunde verspätet.“ sagte sie. „Sorry, ich habe zu lange geschlafen und dann musste ich noch einkaufen. Ich hatte vergessen Getränke zu kaufen.“ entschuldigte Jaron sich. „Schon gut. Wie geht es dir, so ohne mich?“ Jaron lache leise. „Ist ja nicht zum ersten Mal. Mir geht es gut, Schwesterherz. Mir geht es sehr gut. Hattest du denn einen guten Flug?“ Katrin schloss die Augen. „Ja, mein Flug war sehr gut. Ich bin noch im Hotel und habe noch einen Termin um neun. Aber der Jetlag macht mir zu schaffen. Ich bin müde und habe unglaubliche Kopfschmerzen. Hier ist es so warm.“ beklagte sie sich. „Aber das kennst du doch. Es wird vergehen und dann wirst du sicher noch ein paar schöne Tage in Japan haben. Bist du genau in Tokio?“ wollte er wissen. „Ja, das bin ich. Wir gehen nachher noch auf die Vergnügungsmeile. Das heißt, ich weiß nicht, ob ich mitgehe. Vielleicht ruhe ich mich auch nur aus. Ich meine, es gibt ja noch ein paar Tage und dann kann ich es auch machen.“ „Das ist wohl wahr Schwesterherz. So, ich muss gleich wieder. Habe noch einen Termin bei meinem Therapeuten. Der will mich heute unbedingt noch sehen.“ Katrin sah aus dem Fenster. „Vielleicht hat er ja diesmal vernünftigere Vorschläge. Sprich bitte mit ihm, über das was du getan hast. Vielleicht kann er dir helfen. Aber tu nicht alles, was er sagt. Ich vermisse dich schon jetzt Bruderherz. Ich werde morgen für dich was Tolles finden. Ich werde ganz Tokio auf den Kopf stellen, wenn es sein muss.“ versprach sie. Nur wenig später beendete sie das Gespräch. Zufrieden legte sie sich auf das Bett und schloss für ein paar Augenblicke die Augen. Der Kopfschmerz ließ nur langsam nach. Sie nahm sich vor, heute Abend noch auf Tour zu gehen. Nach einer guten Stunde stand sie wieder auf und verließ ihr Hotelzimmer um sich in der Bar mit ihren Kolleginnen zu treffen.

    Alex öffnete die Augen, als jemand ihn sanft schüttelte. Er sah in die grünen Augen eines in weiß gekleideten Mannes. „Schön, dass Sie wieder da sind, Herr Brandt.“ lächelte er ihn an. Alex war etwas verwirrt und sah ihn fragend an. Er wollte aufstehen doch man drückte ihn wieder runter. Und im gleichen Augenblick spürte er auch wieder die Schmerzen in der Nierengegend und in der Schulter. „Bleiben Sie ganz ruhig liegen! Wissen Sie, was passiert ist?“ wollte der Arzt wissen und Alex dachte nach. Was für eine dämliche Frage. Natürlich wusste er was passiert war. Er und Semir waren in der großen Halle, wo ein Mann unter den Trümmern eines Gerüstes lag. Er erinnerte sich, dass der angeblich Verletzte eine Puppe war und wollte seinen Partner warnen, doch dann fielen Schüsse und er wurde getroffen.„Semir!? Was ist mit meinem Kollegen?“ wollte er wissen und erntete einen verwunderten Blick vom Arzt? „Ich weiß nicht wovon Sie sprechen. Sie wurden vor gut drei Stunden eingeliefert und wir mussten Sie operieren. Von einem Kollegen weiß ich nichts.“ Alex schüttelte den Kopf und schloss die Augen. „Nein, er war da! Wir sind in eine Falle gelockt worden. Verdammt! Er muss noch da sein! Wir müssen meinen Partner suchen.“ Wieder wollte er aufstehen, doch der Arzt ließ es nicht zu. „Sie wurden eben erst operiert. Wir haben zwei Kugeln aus Sie herausgeholt. Sie werden für die nächsten Tage gar nichts machen außer sich erholen!“ mahnte er und im Ton klang etwas mit, dass keinen Widerspruch zuließ. „Holen Sie mir bitte Frau Krüger von der Autobahnpolizei her. Sagen Sie ihr, es geht um Leben und Tod.“ bat er und der Arzt gab den Wunsch an eine der Pfleger weiter. Nur wenig später schlief er und wachte erneut auf, als jemand seinen Namen rief. „Herr Brandt? Wie geht es Ihnen?“ Alex fixierte die Person und erkannte seine Vorgesetzte. „Frau Krüger! Semir … er ist verschwunden.“ sagte er leise. „Das ist mir mittlerweile bekannt. Die Rettungskräfte, die mit Ihnen bei den Werken war, sagte mir, das Gerkhan nicht aufzufinden war. Man hat Sie gefunden und direkt ins Krankenhaus gebracht. Was ist passiert?“ wollte seine Vorgesetzte wissen.


    Heinrich Hübner zuckte zusammen, als er den Schuss hörte und er sah den Einsatzleiter an. „Scheiße! Lass uns nachsehen!“ forderte er auf, doch der Einsatzleiter schüttelte den Kopf. „Wir haben die Order hier zu warten, bis die Kollegen von der Polizei uns informiert, dass der Ort sicher ist. Das war eben ein Schuss und somit ist es nicht sicher.“ Heinrich sah, wie der Mann sich seine Fingernägel feilte. „Sag mal hast du sie noch alle? Da sind Personen in Gefahr! Weißt du was, egal was du sagst, ich gehe jetzt!“ knurrte er, schnappte sich den Erste-Hilfe-Koffer und ging über das Gelände. „Pass nur auf, dass dich keiner abknallt“ rief ihm der Einsatzleiter noch hinterher, doch Heinrich ignorierte es. Dafür kamen nun auch noch zwei Sanitäter hinter ihm her. „Beachte ihn einfach nicht.“ gab Sebastian von sich. „Ich habe zwei Schüsse gehört und es sind zwei Polizisten über das Gelände gegangen. Entweder sind beide verletzt oder gar tot oder aber einer von ihnen hat den Täter.“ stimmte Thomas, der Dritte im Bunde zu. Sie brauchten eine Weile bis sie Alexander Brandt gefunden hatten. Er lag auf dem Rücken und hatte das Bewusstsein verloren. Heinrich ließ sich direkt neben ihn nieder und prüfte den Pulsschlag. „Ziemlich schwach. Ziehen wir ihm die Weste aus! Thomas stütz seinen Kopf. Am besten legst du eine Stifneck an!“ befahl er und schon führte sein Begleiter den Befehl aus. Nur wenig später lag Brandt ohne Schutzweste und ohne Shirt, welches Heinrich mit der Schere aufgeschnitten hatte, vor ihnen. „Okay, die Wunde in der Schulter blutet noch stark! Druckverband anlegen! Ich kümmere mich um die Wunde an der Hüfte. Sieht echt übel aus! Wir müssen ihn möglichst schnell ins Krankenhaus bringen.“ Thomas stand auf. „Ich hole den Wagen. Und mir ist es echt egal ob unser Einsatzleiter mitmacht oder nicht!“ knurrte er und ging im Laufschritt zurück zum Eingang. Es dauerte nicht lange und der Rettungswagen fuhr direkt vor den Eingang. Noch einmal wenige Minuten später, lag Alexander Brandt im Rettungswagen und wurde ins Krankenhaus gebracht. Noch immer war er ohne Bewusstsein.

    Jaron fuhr seinen Wagen direkt auf das Grundstück des leerstehenden Haus und sah sich aufmerksam um. Es war jetzt später Vormittag und eigentlich hätte er schon Katrin anrufen müssen. Doch darum würde er sich kümmern, wenn er diesen Bastard von Bullen sicher untergebracht hatte. Das ihn jemand sehen konnte, schloss er aus. Auf dieser Wohnstraße war so viel los, wie auf einem leeren Friedhof. Ungesehen konnte er den schlafenden Mann in den Keller bringen. Den einen Raum hatte er bereits so hergerichtet, dass er den Mann sicher unterbringen konnte. Schnell war er mit Kabelbindern an einem eigentlich sehr bequemen Stuhl gebunden. Suchend sah sich Jaron um, ob er etwas finden konnte, womit er dem Polizisten auch die Sicht nehmen konnte, doch er fand nichts außer eine große Rolle mit schwarzem Klebeband. Für einen kurzen Augenblick dachte er nach und grinste böse. Warum eigentlich nicht? Er riss zwei Streifen ab und klebte je einen davon über die Augen. Dann zog er den Anfang der Kleberolle und umwickelte damit die Brust des Mannes und die Rückenlehne. So konnte der Mann sich gar nicht bewegen, doch er gab sich nicht damit zufrieden. Die Beine wurden ebenfalls mit dem Klebeband umwickelt und dann mit einem der Füße vom Bürostuhl verbunden. Wieder lachte er leise. Wenn der Bulle wach wurde, konnte er versuchen die Dinger abzureiben, aber das würde kaum funktionieren. „Wir werden uns später noch sehr intensiv unterhalten, das kann ich dir schon mal versprechen, du verdammter Kinderf…“ er stockte mitten im Wort. Er verließ den Raum und verschloss ihn sicher. Der Bulle konnte die Fesseln schon mal nicht ohne Hilfe lösen, der Knebel hinderte ihn an Schreie und die Augen waren auch verklebt, so dass er sich nicht orientieren konnte. Dieser Bulle war ihm ausgeliefert. Nun musste er sich noch ein paar schöne Dinge einfallen lassen, die diesem Mann Manieren beibrachte. Doch jetzt musste er Katrin anrufen, damit sie sich keine Gedanken machte.Als er in seiner Wohnung zurück war, griff er das Telefon und wählte Katrin an. Es war mittlerweile halb zwei geworden. Doch für seine Verspätung hatte er sich auch schon eine Ausrede einfallen lassen. Er würde seiner Schwester einfach erzählen, dass er verschlafen hatte was sie ihm auf jeden Fall glauben würde, denn sie wusste, dass er ein Langschläfer war.

    früher als gedacht geht es weiter...


    Während Semir auf der Wache anrief, ging Alex weiter durch die Halle. Seine Mahnung, sich nicht von seinem Partner zu trennen, war vergessen. Dieses Gebäude hatte mehrere Räume und Alex ging weiter ohne sich um Semir zu kümmern. Er kam in einem großen Raum wo ein Gerüst eingestürzt war. „Oh verdammt!“ stieß er aus, denn er konnte Beine unter dem Gerüst sehen. „SEMIR!!“ rief er und wartete einen Augenblick. Sein Partner kam nicht. „Okay, Cobra 11 an Einsatzleitung RTW. Ich habe einen Verletzten gefunden. Drittes Gebäude auf der rechten Seite, hinterer Raum. Ein Gerüst ist eingestürzt und hat vermutlich eine männliche Person unter sich begraben!“ gab er über Funk und machte sich daran, das Geflecht von Stahl und Blech von dem Verletzten zu schichten. Bis die Rettungskräfte eintrafen konnten noch einige Minuten vergehen und so lange wollte er nichtwarten. „Ganz ruhig! Wir helfen Ihnen. Hören Sie mich? Können Sie mit mir sprechen?“ wollte er von der verletzten Person wissen, die mit dem Rücken nach oben lag. Es kam keine Antwort. „Person nicht ansprechbar!“ gab er über Funk weiter. Er wies die Rettungskräfte an, ihm zu folgen und wusste genau, dass es ein paar Minuten dauern würde. Er trug Stück um Stück des Gerüstes zur Seite um den Verletzten freizulegen und plötzlich knackte es hinter ihm. Verwundert drehte sich Alex um. Niemand stand hinter ihm. Mit einem mulmigen Gefühl machte er weiter. Auch nach fünf Minuten war von den Rettungskräften oder von Semir nichts zu sehen. Alex machte weiter. Noch drei Stangen und zwei Holzbretter trennten ihn von dem Verletzten, der irgendwie sonderbar dort lag. Es sah aus, als würde eine der Stahlstangen seinen Körper zerdrücken. Oder sollte es…? Alex hielt inne und stieg vorsichtig über die letzten Stangen hinweg. Er hockte sich vor dem Verletzten und berührte ihn. Seine Hand tauchte regelrecht in den Körper ein und er erkannte, dass es kein Mensch war. Sofort war er auf den Beinen und fast gleichzeitig ertönte ein Schuss. Alex spürte einen Einschlag in der linken Schulter und wurde nach hinten geschleudert. Seine rechte Hand griff zur Waffe, doch sie wurde wie durch Geisterhand weggerissen und er spürte einen zweiten Einschlag. Diesmal in Höhe des Beckens unterhalb der Schutzweste. Er ging zu Boden und verlor das Bewusstsein.

    „Okay… und der Verletzte hat selbst angerufen?“ hakte Semir nach und ging vor der großen Halle auf und ab. „Nun er sagte, er sei verfolgt worden und während des Gespräches gab es dann lautes Gepolter und er schrie auf.“ berichtete der Kollege. „Super, wir suchen weiter und melden uns.“ knurrte Semir und wollte gerade wieder ins Gebäude, als er ein ihm sehr bekanntes Geräusch hörte. Es waren Schüsse. Er zuckte zusammen und sah auf den Eingang. Er ahnte Böses und er zog seine Waffe während er wieder ins Gebäude rannte. „ALEX!!!“ schrie er. Stille! „ALEX!!“ Es kam keine Antwort. Panik stieß in ihm auf, sollte sein Partner in die Hände von diesem Killer gefallen sein? Er suchte Raum für Raum ab und kam nach einer für ihn unendlich langen Zeit in dem Raum, wo Alex am Boden lag. Sofort rannte er zu ihm, ließ sich auf die Knie fallen, legte die Waffe zur Seite und drehte seinen auf dem Bauch liegenden Freund auf den Rücken. Mit Erschrecken sah er, dass sich ein blutroter Fleck auf dem weißen T-Shirt, seitlich der Schutzweste ausbreitete und auch unterhalb von ihr eine weitere Verletzung zeigte. „Alex… hey mach keinen Quatsch! Sieh mich an! Sieh mich an!“ forderte er von seinem Freund, der tatsächlich die Augen aufschlug. „Falle… pass … auf…“ kam leise, kaum hörbar von ihm und schon sackte er wieder weg. „Ganz ruhig, ich rufe die Jungs rein, damit du verarztest wirst.“ Während er sprach, sah er sich um, doch er konnte niemanden entdecken. Semir griff sein Handy und wollte den Notruf absetzen, als plötzlich sein rechtes Handgelenk von jemanden gepackt und der Arm auf Rücken gezerrt und er auf die Beine gezogen wurde. Eine zweite Hand presste ihm einen Lappen auf Mund und Nase. Sofort hatte er den beißenden Geruch vom Chloroform in der Nase und hielt die Luft an. Er trat nach hinten aus, warf den Kopf hin und her, doch der so ungleiche Kampf war längst entschieden bevor er überhaupt begangen hatte. Semir hatte bereits das Narkosemittel eingeatmet und es tat seine Wirkung. Seine Gegenwehr wurde immer schwacher und nach wenigen Minuten hing er schlaff im Griff seines Gegners. Er bekam nicht mehr mit, wie der Gegner ihn aus die Halle brachte und in den Kofferraum legte. Er bekam auch nicht mit, dass der Mann ihn fesselte und auch knebelte.


    Diana Baur saß im Wohnzimmer und starrte auf das Bild, welches Josh lachend zeigte. Sie spürte eine Leere in sich. Heute musste sie ihren Kindern sagen, dass ihr Vater nie wieder zurückkommt. Nie wieder mit ihnen lachte, nie wieder spielte. Und sein Sohn, den sie unter ihrem Herzen trug, würde seinen Vater nie kennen lernen. Nur anhand der Fotos konnte sie ihm sagen, was für ein wundervoller Mann ihr Josh doch war. Es klingelte an der Tür und schwermütig erhob sie sich. Sie öffnete die Tür und sah in das Gesicht ihr zwei gänzlich fremder Männer. „Ja?“ fragte sie. „Frau Baur?“ kam die Gegenfrage und sie nickte. „Gerkhan, dass mit mein Kollege Brandt. Wir bearbeiten den Mord an Ihren Mann und haben ein paar Fragen. Denken Sie, dass es möglich ist?“ Diana nickte und gab die Tür frei. „Gehen wir in die Küche. Möchten Sie einen Kaffee?“ Doch beide lehnten an. „Wie kann ich Ihnen helfen? Haben Sie irgendeine Spur zu diesem feigen Mörder?“ fragte sie leise und mit gepresster Stimme. Gerkhan schüttelte den Kopf. „So weit sind wir leider noch nicht. Frau Baur, bitte denken Sie einmal nach. Gab es bevor Ihr Mann verschwunden ist, irgendwelche sonderbaren Vorkommnisse? Haben Sie Personen in der Nähe des Hauses gesehen, die Sie oder besser Ihren Mann beobachtet haben? Fremde Fahrzeuge?“ Diana sah ihn an. „Sie denken, dass Josh kein zufälliges Opfer war?“ hakte sie nach. „Wir gehen davon aus, dass es sehr wohl beabsichtigt war, Ihren Mann zu töten.“ Bestätigte der Mann mit den strahlend blauen Augen. „Okay, da muss ich wirklich nachdenken. Ja, doch ich erinnere mich an einer Sache. Bevor Josh verschwunden ist, genauer gesagt zwei Tage vorher, da war hier vor der Tür immer so ein schwarzer Van. Der gehörte hier nicht hin. Die Nachbarn hatten sich auch schon über den jungen Mann aufgeregt, der da wohl drin wohnte.“ erinnerte sich Diana. Gerkhan sah sie an. „Wieso wohnen?“ hakte er sofort nach. „Na, laut dem Nachbarn lag da eine Matratze drin. Und Decken. Josh wollte den Typen schon ansprechen, doch plötzlich war er wieder weg und kam auch nicht wieder. Also der Wagen meine ich.“ Gerkhan nickte. „Haben Sie vielleicht das Kennzeichen zu dem Fahrzeug?“ Diana schüttelte den Kopf. „Nein, leider nicht. Aber vielleicht der Nachbar.“

    Semir und Alex gingen zum Nachbarn doch der war scheinbar im Urlaub. Zumindest machte er nicht auf. „Okay, dann lass uns zurückfahren. Wir sollten die anderen Witwen auf die Wache einladen. Das wäre einfacher als wenn wir jede anfahren.“ schlug Alex vor. „Ja, das wäre gut. Wir sollten aber auf jeden Fall noch Anja befragen.“ Setzte Semir dagegen und Alex stöhnte auf. „Okay, was versprichst du dir davon?“ „Nun, Anja und Ralf waren Geschwister. Vielleicht hat Ralf mit ihr darüber gesprochen.“ Meinte Semir nur. „Das wäre gut möglich. Also fahren wir!“ stimmte Alex nun zu. Sie fuhren gerade auf die Autobahn, als der Funkspruch kam. „Cobra 11 für Zentrale! Wir haben eine verunfallte Person in den alten Clouth-Werken an der A57. Alle anderen Kollegen sind bereits anderweitig beauftragt. Könnt ihr das übernehmen?“ Semir nickte Alex kurz zu und dieser bestätigte den Einsatz. „Cobra 11 an Zentrale. Wir übernehmen. Habt ihr die Rettung schon informiert?“ Der Kollege am Funk bejahrte es. „Wieso gehen die auf das alte Gelände?“ knurrte Semir. Die Clouth Werke waren eine Gummiwarenfabrik die Anfang 2000 geschlossen wurden. Die Gebäude auf dem Gelände galten als einsturzgefährdet und Semir selbst hatte hier schon mehrere Junkies und Obdachlose vertrieben. Als sie vor Ort waren, sahen sie den Rettungswagen, der an dem großen Tor stand. Sie stiegen aus und gingen zu dem Einsatzleiter. „Habt ihr schon nachgeschaut?“ wollte Semir wissen und der Einsatzleiter schüttelte den Kopf. „Wir haben die Anweisung nicht ohne Geleitschutz auf das Gelände zu gehen. Ihr wisst schon, wegen diesem Irren.“ Der Hauptkommissar rollte die Augen. „Der Killer schießt auf Polizisten und nicht auf Sanitäter oder Notärzte.“ Gab Alex von sich und Semir sah ihn nur kurz grinsend an. „Okay, wir werden uns umsehen und euch dann rufen, sobald wir was gefunden habt. Bis dahin haltet eure Windeln sauber.“ Die Hauptkommissare legten sich ihre Schutzweste an und gingen durch das große Tor und sahen sich um. „Tja, welche Halle hat der Kollege nicht gesagt, oder?“ wollte Semir wissen und Alex schüttelte den Kopf. „Hab ich nicht in Erinnerung. Eines ist aber klar, wir werden uns nicht trennen.“ mahnte er den türkischen Kollegen. Dieser grinste breit. „Niemals!“ beteuerte er. Sie gingen auf die ihnen nächstgelegene Halle zu und sahen sich um. Hier war nichts. Auch in der nächsten Halle trafen sie auf keinen Verletzten. Semir griff zum Handy und wollte auf der Wache anrufen, um mehr Informationen zu erhalten, doch sein Handy war tot. „Kein Netz, super!! Das passt ja wieder toll zusammen.“ knurrte er und ging aus dem Gebäude raus. Hier hatte er wieder Empfang.


    Jaron grübelte immer noch über den Plan, wie er den Polizisten am Besten in die Falle locken konnte. Die beste Möglichkeit war tatsächlich die Sache mit der Baustelle. Er musste nur zusehen ... ja sicher! Das war es! Die Kripo musste rauskommen, wenn es um Mord ging. Oder um Mordversuch! Er würde bei der Autobahnpolizei anrufen und behaupten, dass man ihm gefolgt ist und er sich auf der Baustelle versteckt und während des Gespräches würde er dann laut um Hilfe schreien. Dann würde er Lärm machen, damit es sich bedrohlich anhört und schon würden sie ausrücken. Ja…das ist ein sehr guter Plan. Er sah auf die Uhr. Es war bereits Mittag und so musste er sich beeilen. Wie gut, dass es heute regnete. Denn die Baustelle war dann verwaist. Keiner würde dort arbeiten. Er setzte sich in seinen Wagen und fuhr zu den alten Clouth-Werken. Nach guten zwanzig Minuten Fahrt kam er dort an und sah sich genau um. Er suchte sich ein Gebäude aus, welches ziemlich mittig auf dem Gelände war. Vor hier aus konnte er die Autobahn einfach erreichen, ohne dass er den Haupteingang nehmen musste. Immerhin würde er einen Verletzten spielen und in diesem Fall kam die Rettung gleich mit. Er stieg aus und ging über die Baustelle. Vorsichtig sah er sich um, doch hier war kein Bauarbeiter zu sehen. Jetzt musste er nur das Gerüst manipulieren und die Puppe postieren. Die Puppe! Verdammt, er hatte doch gar keine. Wo sollte er eine lebensgroße Puppe herbekommen? Er ging in der Halle auf und ab. Und dann hatte er seine Idee. Im Keller hatte Katrin doch diesen ausrangierten Nubbel. Wenn er den ein wenig herrichtete, dann könnte man da durchaus einen Menschen sehen. Er durfte nur nicht übertreiben. Verletzung am Kopf, eingeklemmtes Bein, gebrochener Arm. Er lachte leise, denn all diese Dinge hatte er schon im Karneval ausprobiert. Er wurde schon so oft gelobt, dass die Kostüme lebensecht aussahen. Und von Halloween hatte er auch noch Kunstblut. Freudig klatschte er in die Hände und setzte sich wieder in sein Auto. Noch heute würde er diesen Bullen ein perfektes Schauspiel bieten.

    Semir sah Alex an. „Also so falsch liegt die Profilerin nicht. Ich meine, wenn es wirklich jemanden gibt, der auf die Daten zurückgreifen kann, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass es wirklich ein Kollege ist. Es macht auch Sinn. Nur ein Kollege weiß wer zu welchem Einsatz fährt.“ gab er zu. Alex atmete durch und nickte dann. „Ich stimmte dir zu. Es wäre aber auch möglich, dass es ein Exkollege ist, der Rache ausübt.“ Jetzt schüttelte Semir den Kopf. „Wenn ein Kollege aus dem Polizeidienst entfernt wird, egal aus welchem Grund, werden auch seine Passwörter gelöscht bzw. blockiert. Dann hätte er keinen Zugriff mehr darauf.“ stellte er richtig. Alex stand auf. „Dennoch sollten wir mal mit den Kollegen von der Internetkriminalität sprechen. Ich meine, da sitzen doch Experten oder nicht? Wenn man uns in Sachen Computer helfen soll, dann könnten die es doch. Hartmut ist ja wirklich ein Superkollege aber auch er kann nicht alles.“ Jetzt musste sein Kollege ihm doch zustimmen. „Also gut, fahren wir nach Düsseldorf und fragen dort mal nach. Vielleicht finden wir doch eine Lösung.“ Sie wollten gerade gehen als Yvonne Grabner eintrat. „Guten Tag, darf ich Sie noch mal stören?“ bat sie. Semir nickte und auch Alex war diesmal etwas freundlicher. „Setzen Sie sich doch. Möchten Sie einen Kaffee?“ bot er an und Yvonne nahm dankend an. „Haben Sie noch etwas herausgefunden?“ wollte Semir von ihr wissen. „Nun, wie man es nimmt. Ich habe mir mit Herler noch einmal die Daten der Opfer angesehen. Wussten Sie, dass alle Kinder hatten?“ wollte Yvonne wissen und Semir nickte. „Ja, das ist bekannt.“ „Und wissen Sie auch, dass diese Kinder immer Töchter sind?“ Yvonne Grabner sah die Beiden an. „Ja und? Wollen Sie uns damit sagen, das der Killer die Polizisten tötet, die Töchter haben?“ hakte Semir nach. Im Ton klang ein wenig Hohn mit. „Wäre das abwegig? Was wäre denn, wenn es so wäre? Sie suchen doch nach einem möglichen Motiv.“ Alex stellte die Tasse mit Kaffee auf den Tisch, setzte sich wieder auf seinen Stuhl und zog die Schultern hoch. „Was sollte denn der Grund sein? Ich meine, ist er eifersüchtig, weil er nur Söhne hat?“ Er sah Semir grinsend an. Yvonne Grabner entging dies nicht. „Das weiß ich nicht. Aber es wäre ein Grund. Vielleicht hat er ja Hass auf Männer mit Töchtern. Vielleicht ein Trauma in der Kindheit. Eine verschmähte Liebe, wo der Vater Polizist war. Das müssen Sie herausfinden. Ich muss leider. Wenn Sie Fragen haben, dann können Sie mich gern anrufen.“ Nur wenig später war sie verschwunden. Semir sah der Profilerin nach. „Ein interessanter Aspekt.“ murmelte er und Alex lachte leise. „Finde ich nicht. Es ist doch ziemlich weit hergeholt, dass der Typ nur Polizisten tötet, die Töchter haben. Das kann doch auch ein Zufall sein.“ Semir antwortete nicht und man bemerkte, dass er ziemlich tief in Gedanken war. „Was ist?“ wollte Alex wissen. Semir atmete durch. „Ich würde sagen, wir sollten uns mal mit der Witwe von Baur unterhalten. Wenn Yvonne nämlich tatsächlich Recht hat, dann müsste es aufgefallen sein, wenn jemand ihn beobachtet hat.“ Er stand auf und Alex tat es ihm nach. „Okay, ich suche mal eben die Adresse raus!“ Nur einige Minuten später waren sie unterwegs.

    Sehr gut geschrieben. Ich konnte mir die Gefühle von Joshi gut vorstellen. Klar macht sie sich Vorwürfe. Das ist doch ganz normal. Was machen Semir und Co eigentlich? Ich finde es wird mal Zeit, dass wir wissen, was da so los ist.


    Jaron sah auf seine Notizen. Ja, so sollte es klappen. Wenn er diesen Gerkhan in die Falle locken wollte, dann musste er sehr vorsichtig sein. Durch die bisherigen Vorfälle, könnten die Polizisten aufmerksamer sein. Und er musste sich darüber klarwerden, was er mit dem Partner machte. Das Gerkhan allein kam, konnte er vergessen. Dieser Brandt wird ihn sicher begleiten. Vielleicht trennten sich die Beiden, wenn er auf einem riesigen Gelände einen Verletzten spielte, der nicht wusste, wo er genau war? Ja, ja. Das war eine Möglichkeit. Natürlich würde er sich nicht wirklich verletzen. Hauptsache die Bullen gehen davon aus. Morgenfrüh würde er es angehen. Und diesen Kerl wird er dann ins Nachbarhaus bringen. Das stand schon ewig leer und er hatte einen Schlüssel. Dann konnte er ihn erziehen auch wenn Katrin wieder da ist. Sie würde es nicht mitbekommen. Ja, das war ein guter Plan. Nun musste er nur noch den Ort finden, wo er die Bullen in die Falle locken konnte. Er dachte angestrengt nach und dann hatte er es. Als er noch in der Schule war, da hatte er mal die Gummiwarenfabrik Clouth in Köln besichtigt. Seit einigen Jahren war die Firma pleite und das Gebäude an der A57 rottete vor sich hin. In den Häusern galt Einsturzgefahr und das Betreten des Geländes war strengstens verboten. Vor zwei Monaten, das wusste er, hatte die Stadt Köln das Gelände gekauft und wollte daraus Wohngebäude machen. Sie sollten die „Clouth-Häuser“ heißen und entsprechend kosten. Das hieß, dass derzeit überall Baustellen waren. Das war doch wie geschaffen für eine Falle. Er würde anrufen und behaupten unter einem Gerüst zu liegen und sich verletzt zu haben. Unter dem Gerüst würde er eine Puppe legen. Er lachte auf. Das war wirklich perfekt. Und wenn die Bullen sich dann um die Bergung kümmerten, konnte er den Partner abknallen und diesen Gerkhan packen. Aber er musste auch aufpassen. Diese Bullen von der Autobahn waren nicht so dämlich wie die bisherigen Beamten. Und schießen konnten sie sicher auch. Und noch ein Problem kam auf. Er konnte nicht sicherstellen, dass diese Beiden zum Einsatz kamen. Nein, das konnte er so vergessen. Okay, einen anderen Plan. Wie wäre es, wenn er ihn vor der Haustür abfängt? Ja, das wäre auch eine Möglichkeit und da hatte er es nur mit einem Gegner zu tun. Ein bisschen Chloroform und alles ist gut. Doch was, wenn der Partner ihn nach Hause begleitete? Verdammt, er musste improvisieren. Irgendwie…

    Während Semir und Alex noch einmal alles durchgingen, suchte Hartmut im Internet nach Spuren, die darauf hindeuteten, dass das Programm der Polizei gehackt wurde. Nach einigen Stunden stöhnte er leise auf und griff zum Handy. „Semir, ich bin es. Ich habe mir die Genehmigung von der Staatsanwaltschaft geholt, mich in den Personalakten der toten Kollegen durchzuwühlen und ich habe tatsächlich festgestellt, dass jemand dran war. Leider habe ich keine IP feststellen können, weil er über zig Proxis gegangen ist. Das heißt, dass die Daten, die der Täter sich angesehen hat, erst auf einen anderen Server gespeichert wurde und dann weiter versendet. Vermutlich über mehrere, wie schon gesagt. Ich überprüfe gerade alle Passwörter und deren Inhaber. Vielleicht können wir da was herausfinden. Sollte es so sein, dann ist die Vermutung, dass es ein Kollege ist, ganz sicher. Mit anderen Worten, ich kann dir da derzeit leider nicht helfen.“ berichtete er. „Okay, dann könnte es auch ein Nutzer sein, der seinen Zugriff missbraucht. Vielleicht ist unser Täter tatsächlich ein Kollege. Wie könnte man das denn herausfinden?“ wollte Semir von ihm wissen und Hartmut lachte auf. „Du hörst mir wieder mal nur halbherzig zu. Ich sagte eben, dass ich die Passwörter und deren Nutzer prüfe. Das dauert aber eine Weile.“ mahnte der Techniker seinen Freund. „Entschuldige Hartmut, ich habe derzeit einfach zu viel um die Ohren. Wie bist du an die Passwörter gekommen? Nee…warte, sag es mir besser nicht. Ruf mich bitte an, wenn du was hast, ja?“ bat der Kommissar. „Mach ich.“ versprach Hartmut und beendete das Gespräch. Er legte sein Handy auf den Tisch und nahm sich die eben ausgedruckte Liste mit Passwörtern. Sie umfasste fast 70 Seiten und alle Passwörter waren fein säuberlich alphabetisch nach den Nutzern sortiert. Der Techniker gab eines nach dem Anderen ein und notierte sich die Daten des Nutzers um diesen später zu überprüfen.


    Auch Jaron war bereits wach und beobachtete das Haus. Gegen halb acht ging die Tür auf und ein Mann, den er als den Polizisten identifizierte, trat mit einem Mädchen auf dem Arm heraus. Er liebkoste das Mädchen und legte es anschließend in einem der beiden PKWs. Wut stieg in Jaron auf, als er sah, wie zärtlich dieser Mann mit dem Mädchen umging. Eine Frau kam heraus und sie hielt ein kleineres Mädchen an der Hand. Zwei Töchter??? Zwei Mädchen, die ihrem Vater hilflos ausgeliefert waren? Er musste tätig sein. „PAPA!! Nimmst du mich zum Bus mit?“ hörte er von einer weiteren Person, die nun aus dem Haus kam. Drei! Drei Töchter! Die größere war bestimmt schon 16 oder 17. Das Mädchen, welches er aus dem Haus getragen hatte, war nicht älter als 10 und das Kleinste sicher gerade 6 oder 7. „Ja, steig ein mein Schatz!“ rief der Polizist dem Mädchen zu und sie stieg tatsächlich ein. Jaron spürte große Wut in sich. Dieser Mann hatte drei Mädchen und vermutlich missbrauchte er sie jede Nacht. Vielleicht im Wechsel. Jede Nacht ein anderes Mädchen, welches diese Schande ertragen musste. Ein Mädchen, welches die Schmerzen ertragen musste, damit der Vater sein Vergnügen hatte. Er sah, wie Gerkhan in sein Wagen stieg und losfuhr. Nur kurz darauf fuhr auch die Frau los. Jaron hängte sich direkt an sie und als sie ihr Ziel erreicht hatte, sah er, dass es ein Kinderarzt war. Sollte dieses Schwein das Mädchen so stark verletzt haben, dass sie ärztliche Hilfe brauchte? Und diese Frau machte das alles mit? Genau wie seine Mutter! Sie war feige und setzte sich nicht zur Wehr! Er wartete eine ganze Weile, bis die Frau wieder herauskam und das Mädchen ins Auto trug. Dann ging die Fahrt zurück nach Hause. Für Jaron reichte es. Dieser Mann, der diesem kleinen Mädchen so viel Leid zugefügt hatte, musste dafür bezahlen. Er musste für Gerechtigkeit sorgen. Er fuhr nach Hause um sich einen Plan zurecht zu legen. Diesem Mann musste gezeigt werden, dass das was er machte falsch war. Er durfte seine Töchter nicht lieben. Nicht so! Er stellte den Transporter wieder ab und saß nur wenig später im Wohnzimmer. Katrin kam erst am Sonntag zurück und so hatte er genügend Zeit, diesem Mann Respekt vor dem weiblichen Wesen einzubläuen. Dieser Mann würde niemals wieder ein Mädchen verletzten. Nie wieder.

    „Morgen Semir. Was ist los? Hast du Probleme?“ wollte Alex wissen, als sein Partner hereinkam. „Morgen. Nein, keine Probleme. Ayda ist heute Morgen mit Fieber aufgewacht und Andrea ist mit ihr zum Arzt. Hoffe, das ist nichts Ernstes.“ Semir ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Wird schon nicht. Ich meine, es kann ja eine Erkältung sein, oder so.“ Semir nickte. „Du hast Recht. Okay, lass uns doch mal mit Jenny sprechen, wie weit sie mit der Stimmenanalyse bzw. mit der Auswertung der Anrufer ist.“ Alex nickte. Sie gingen zu Jenny, die an ihrem Schreibtisch saß. „Morgen Jenny, hast du schon was für uns?“ wollte Alex von ihr wissen. „Ja, die Anrufe könnt ihr alle in die Tonne kloppen. Hey, was ich da für Typen geprüft habe. Die einen haben ihren Nachbarn erkannt, der nächste seinen Chef oder Kollegen. Jeder wollte jedem was ankreiden. Leider sind alle Personen, die ich überprüft habe, negativ.“ berichtete Jenny und sah die Beiden an. „Danke Jenny. Gute Arbeit.“ lobte Semir. Sein Handy klingelte und er sah auf das Display. „Das ist Andrea. Sicher geht es um Ayda.“ stieß er aus und ging in sein Büro. „Andrea? Was ist mit der Maus?“ wollte er sofort wissen. „Ayda hat eine Darminfektion. Sie bekommt Antibiotika und muss die nächsten Tage im Bett bleiben. Es ist nicht ansteckend und damit keine Gefahr für uns anderen Familienmitgliedern. Ich werde mich um die Maus kümmern. Mach dir nicht so große Sorgen.“ Semir lächelte leicht. „Danke mein Schatz. Das beruhigt mich sehr. Ich hoffe sie wird schnell gesund.“ Er steckte das Handy wieder ein und sah Alex, der nun ins Büro kam, freudig an. „Alles halb so wild. Ayda hat eine Darminfektion. Nicht ansteckend.“ Sein Partner setzte sich. „Siehst du, alles gut. Sie hat die beste Pflege, die sie bekommen kann. Andrea hat doch noch Urlaub oder?“ Semir lachte leise. „Ja, und wenn sie ihn nicht hätte, dann hätte sie Urlaub genommen, um für Ayda da zu sein. Hoffe, dass es schnell vorüber ist. Kranke Kinder sind sehr anstrengend.“


    Der Abend kam und so auch der Abschied für Jaron von seiner Schwester. Sie fuhren gemeinsam zum Flughafen und er wartete, bis sie abgeflogen war. Dann fuhr er nach Hause. Auf dem Tisch sah er die Karte von dem Polizisten, der heute bei ihnen war. Er setzte sich an den PC und rief die internen Daten der Autobahnpolizei auf. Dann nutzte er wieder das Passwort, welches seinem Vater gehört hatte. In der Maske gab er den Namen Semir Gerkhan ein und nur wenig später hatte er alle Informationen, die er benötigte. Leider stand in der Akte nicht, ob er Kinder hatte oder welches Geschlecht diese trugen. Also musste er es selbst herausfinden. Er schrieb sich die Adresse auf, verließ das Programm und die Wohnung. Er ging auf den nahegelegenen Parkplatz und stieg in einen schwarzen Transporter. Dieser Wagen war schon seit Jahren sein Eigentum und bisher konnte er es vor Katrin geheim halten. Katrin, seine Schwester traute ihm nichts zu. Er arbeitete zwar nicht, aber das konnte er gut auf seine psychische Erkrankung schieben und so bekam er Harz IV und niemand hielt ihn für einen kranken Mörder. Er war ja auch nicht krank. Er sorgte für Sicherheit von Mädchen, die als Polizistentöchter, ihrem Vater gnadenlos ausgeliefert waren. Nach einer Fahrt von fast zwanzig Minuten stand er vor der Meldeadresse des Polizisten. Nun musste er erst einmal beobachten. Vielleicht war dieser Mann ja ein guter Polizist und hatte nur Frau und vielleicht Söhne. Er sah auf die Uhr. Es war schon Mitternacht und im Haus des Polizisten war alles dunkel. Vermutliche schliefen sie alle. Er sah auf die Ladefläche und grinste. Vor einiger Zeit hatte er sich hier ein kleines Paradies geschaffen. Eine Matratze lag auf dem Boden und Kissen wie auch eine Decke lagen ordnungsgemäß gefaltet darauf. Er griff sein Handy und stellte es auf sechs Uhr. Nach dem Dienstplan von diesem Gerkhan hatte er Spätschicht und das hieß, dass der Mann mit Sicherheit bis sechs oder später schlafen würde. Ihm reichten ein paar Stunden Schlaf. Er verschloss den Wagen und legte sich nur wenig später auf die Matratze. Nicht lange und er war eingeschlafen.

    Semir wachte am nächsten Morgen um halb sieben auf. Er ging duschen und als er fertig war, sah er, dass auch Andrea bereits aufgewacht war. „Was machst du denn? Du hast doch Urlaub.“ fragte er erstaunt. „Das ist richtig. Und genau deshalb werde ich dir ein wundervolles Frühstück machen. Die Kinder stehen auch gleich auf. Dann können wir alle gemeinsam frühstücken.“ erklärte sie und küsste ihn. „Übrigens, Dana fährt nächste Woche auf Klassenfahrt. Diesmal geht es an die Nordsee. Genauer genommen auf die Insel Borkum.“ Semir sah sie an. „Und was kostet das?“ „Der Anteil pro Kind sind 260 Euro. Die Klassenfahrt wird eine Woche gehen. Sie fährt am Montag und kommt am Sonntag wieder.“ Semir nickte nachdenklich. Seine Töchter kamen rein. Allen voran war die kleine Lilly, die in ihrem Schlafanzug auf ihn zu rannte. „Hey, mein Engel. Schon ausgeschlafen?“ wollte er von ihr wissen und sie nickte. Nur kurz beschäftigte Semir sich mit seiner Kleinsten und kitzelte sie etwas. Lilly jauchzte vor Freude und lachte aus vollem Herzen. Dann setzte er sie auf ihren Stuhl und wandte sich Ayda zu, die etwas verschlafen war. „Guten Morgen Ayda. Bist du immer noch ein Morgenmuffel?“ grinste er. Seine Tochter sah ihn an. „Ich habe Bauchweh. Mein Kopf tut auch weg und ich will auch gar nicht essen.“ kam von dem Mädchen und sofort legte Semir ihr die Hand auf die Stirn. „Andrea, ich glaub sie hat Fieber.“ sagte er. Auch seine Frau nahm sich Ayda an. Sie steckte ihr das Fieberthermometer in den Mund und wartete, bis die Messung vorbei war. „Du hast Recht. Sie hat 38,8°C. Ayda, wir fahren gleich direkt zum Arzt.“ Das Mädchen nickte. „Darf ich wieder ins Bett?“ bettelte sie. „Am besten lege ich dich auf die Couch.“ meinte Semir, nahm seine Tochter auf den Arm und trug sie ins Wohnzimmer. „Du legst dich hier auf die Couch und schläfst noch ein bisschen, gleich bringe ich dich in Mamas Auto. Sie fährt dann mit dir zum Kinderarzt.“ versprach er. Ayda nickte und drehte sich um. Sie schlief direkt wieder ein.


    In der Rechtsmedizin kam die Kollegin aus der Ballistik zu Marvin. „Wir haben nun ganz sicher feststellen können, dass die Kugeln mit denen die Kollegen Koch und Reinhardt erschossen wurden, aus der gleichen Waffe stammen, mit der auch Baur erschossen wurde. Die Kugeln gleichen sich wie Drillinge. Das heißt dann auch, dass es nur einen Killer gibt.“ erklärte sie und Marvin nickte. „Das habe ich mir schon gedacht. Was ist mit den Kugeln, womit die anderen Kollegen erschossen wurden?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nun, davor gab es leider keine Kugeln. Der Killer war zu der Zeit wohl vorsichtiger. Vielleicht sollten die Kollegen einen Profiler einsetzen.“ Marvin nickte und griff zum Handy. Er wählte Semir an und gab die Ergebnisse bekannt. „Danke Marvin.“ murmelte Semir und der Rechtsmediziner wusste genau, wie es in seinem Freund nun aussah. Dem Hauptkommissar wurmte es, wenn es keine eindeutigen Spuren gab, doch es ärgerte ihn noch mehr, wenn die Spurensicherung dann feststellte, dass es eindeutige Spuren gab und er keine davon verwerten konnte. Er steckte sein Handy wieder ein und dachte nach. Wie konnte er seinem Freund nur helfen, den Täter zu stellen? Konnte er überhaupt etwas tun? Ja! Die Analyse der Kleidung, die der Tote trug, lief noch. Und vielleicht hatte Hartmut ja auch etwas an diesem ominösen Wagen was gefunden. Wieder griff er sein Handy und rief den Techniker an. „Hey Hartmut. Ich brauche mal deine Hilfe. Ich glaube Semir ist ganz schön frustriert.“ „Das ist ja auch nicht verwunderlich. Ich habe hier alle Spuren ausgewertet und nichts gefunden, was ihm weiterhilft. Du vermutlich auch nicht, sonst würdest du mich nicht anrufen.“ kam von dem Techniker zurück. „So würde ich es nicht sagen. Wir haben festgestellt, dass drei Kollegen durch Kugeln von ein und demselben Gewehr getötet wurden. Vermutlich also ein Täter. Ich habe jetzt noch die Gewebeanalyse von Baur hier. Nur habe ich nichts womit ich es vergleichen könnte.“ „Oh und du möchtest von mir jetzt Vergleichsmaterial?“ fragte Hartmut nach und Marvin lachte leise. „Du verstehst, was ich meine.“ gab er zu. „Gut, also ich hätte da leider nur die Fingerabdrücke von den Besitzern. Also eigentlich gar nichts.“ gab Hartmut zu. „Schick es mir dennoch.“ bat Marvin.

    Hartmut legte die Kleidung von dem toten Kollegen unter das Mikroskop und ging es Stück für Stück durch. Doch hier war leider gar nichts zu finden. Das war eine Sackgasse und er suchte nach einer weiteren Möglichkeit. Die Analyse der Fingerabdrücke des Autos lief auch noch und bisher gab es nur Abdrücke von den Geschwistern die der PC registriert hatte. Er sah wie weit die Auswertung war. Nur noch wenige Minuten würde es dauern und dann stand das Ergebnis. Es ging schneller als er dachte. „No Matches“ erschien auf dem Monitor und er stöhnte leise auf. Sein Handy klingelte erneut, diesmal war es Semir, der ihn anrief. „Semir. Wenn du wissen willst, dass mit den Abdrücken ist, dann muss ich dich enttäuschen. Es sind nur Abdrücke von den Geschwistern im und am Wagen. Somit dürfte der Dieb Handschuhe getragen haben.“ berichtete er. „Okay, danke Hartmut aber das ist nicht der Grund weshalb ich dich anrufe. Wir haben hier eine Profilerin gehabt, die glaubt, dass der Mörder sich in das Polizeiprogramm eingehackt hat. Kann man das irgendwie nachvollziehen?“ Hartmut dachte kurz nach. „Nun ja, man könnte versuchen zu erkennen, wer das letzte Mal auf die Daten zugegriffen hat, aber das kann dauern. Außerdem hast du dann nur die Antwort, dass es möglich ist. Das sagt aber noch nicht, wer es wirklich war. Die Daten sind ja alle mit Passwörtern gesichert und wenn ein Hacker die Passwörter geknackt hat, dann hast du noch immer nicht den richtigen Täter.“ erklärte der Techniker und hörte wie Semir aufstöhnte. „Kannst du es trotzdem überprüfen?“ bat er Hauptkommissar. „Klar. Ich versuche es und melde mich bei dir, sobald ich etwas habe. Denkst du der Täter schlägt noch einmal zu?“ fragte er. „Ich hoffe nicht. Vielleicht schreckt es ihn zurück, dass wir ihm auf den Fersen sind.“ Hartmut lächelte leicht. „Ja, vielleicht. Okay, ich mach mich dann mal an die Arbeit.“ Er beendete das Gespräch und setzte sich an seinen PC.