Yvonne Grabner setzte sich auf den Besucherstuhl an Alex Schreibtisch. „Herr Brandt, ich kann Ihnen nicht alles erklären, denn ich habe mir die Akte noch nicht komplett durchgesehen. Vielleicht helfen Sie mir auf die Sprünge. Haben Sie irgendwelche Parallelen bei den Opfern gefunden?“ Alex nickte. „Ja, es waren Familienväter. Es waren Polizisten und alle waren männlich. Brauchen Sie noch andere Dinge?“ „Nein, das reicht. Was glauben Sie über den Täter zu wissen?“ „Nichts.“ warf Semir nun ein. Yvonne wog den Kopf hin und her. „Das ist nicht wirklich viel. Sehen Sie, Herr Gerkhan. Der Täter scheint sich auf jeden Fall sicher zu fühlen. Ich meine, wieso hat er sich die Opfer ausgesucht? Konnte er bestimmen, wer zum Tatort kommt? Ich denke doch nein. Also müsste er vorher wissen, wer Dienst hat. Woher kann er das wissen?“ Semir setzte sich gerade auf. „Sie denken, dass der Täter einer von uns ist?“ fragte er erstaunt nach. „Nein, das habe ich nicht gesagt. Aber erklären Sie mir, wie der Täter wissen konnte, wer zum Tatort fährt. Woher könnte er das wissen?“ Auch Alex schien nun aufmerksamer zu sein. „Semir, das ist gar nicht so schlecht. Ich meine, sie hat Recht. Woher konnte der Mistkerl wissen, wer zu welchem Einsatz fährt? Das kann nur jemand, der Zugriff auf die Schichtpläne hat.“ „Stimmt. Herler, wer könnte da in Frage kommen?“ Semir sah zu dem Düsseldorfer Kollegen, doch der war genauso ratlos. „Ich muss mich bei Ihnen bedanken Frau Grabner. Wenn Sie uns jetzt noch sagen können, was den Täter dazu treibt, dann falle ich vor Ihnen auf die Knie.“ meinte er zur Profilerin. „Nun, da muss ich dann wohl darauf verzichten. Es tut mir leid, Herr Gerkhan. Ich kann leider nicht hellsehen. Aber ich würde an Ihrer Stelle wirklich alle Kollegen überprüfen, die auf dem Revier wo die Kollegen arbeiteten, sind.“ Alex lachte auf. „Tja, und da haben wir einen Fehler. Die toten Kollegen sind nicht nur von einem Revier. Und es gibt wohl kaum einen Kollegen der die Reviere wechseln oder?“ grinste er. Wieder sah Semir zu ihm. „Nicht?“ kam etwas erstaunt von Grabner. „Nein, die Kollegen haben auf drei verschiedene Revieren und drei verschiedenen Städten gearbeitet.“ stellte nun auch Semir richtig. „Okay, ich kenne mich nicht mit der Datenbank der Polizei aus, aber ist es irgendwie möglich, die Daten aller Reviere zu sichten?“Sie sah in die Runde. „Nein. Eigentlich nicht. Jedes Revier hat seine eigenen Zugangsdaten. Da kann niemand ran. Ich halte das für ausgeschlossen.“ gab Herler nun von sich. Ivonne Grabner nickte. „Und wenn jemand die Zugangsdaten gehackt hat? Haben Sie das schon einmal überprüft?“ Semir sah erneut zu Alex. „Danke Frau Grabner, wir werden das prüfen. Herr Herler, was machen Sie denn jetzt noch?“ Manfred Herler atmete tief durch. „Ich werde von dem Fall abgezogen. Mein Vorgesetzter meint, dass es nicht mehr mein Fall ist, da der Tote an der Autobahn gefunden wurde.“ Es klang sehr traurig und Semir verstand es sehr wohl. „Okay, da kann man nichts machen. Sobald wir etwas haben, werden wir Sie informieren. Wir kriegen den Mistkerl, versprochen.“ Herler nickte dankbar. Er erhob sich und verschwand mit Yvonne Grabner.
Katrin und Jaron kamen am späten Nachmittag auf die Dienststelle und gaben ihre Fingerabdrücke ab. Der junge Beamte notierte sich alles sehr genau und Katrin nutzte die Gelegenheit zu erfragen, um was für Todesfälle es sich gehandelt hatte. Der junge Beamte war sehr unerfahren und erzählte ihr, dass es sich um Kollegen handelte, die alle in einen Hinterhalt gelockt und dann erschossen wurden. Er schmückte die Geschichte um den Tod von Josh Baur aus und Katrin wurde blass. Sie sah Jaron an, doch der zuckte nur mit den Schultern. Katrin wandte sich wieder an den Polizisten. „Ich hoffe sehr, dass die Kollegen den Täter finden und ihn vor Gericht stellen. Solche Leute gehören hinter Gitter.“ stieß sie aus. „Unsere besten Kollegen sind an dem Fall dran. Es gibt keinen Fall, den Gerkhan und Brandt nicht gelöst haben.“ versprach der junge Beamte. Katrin lächelte. „Danke. Können wir dann gehen?“ fragte sie und der Beamte sah noch einmal auf die Unterlagen. „Wenn Sie mir noch mit der Unterschrift bestätigen, dass die Daten, die ich hier vermerkt habe, korrekt sind.“ bat er und sie führte den Wunsch aus. Nur wenig später fuhren sie wieder nach Hause. „Die werden dahinterkommen, Jaron.Hast du die beiden Polizisten umgebracht? Hast du sie erschossen?“ fragte Katrin leise. Jaron sah sie an. „Ich habe nichts damit zu tun. Dass sie diesen Bullen gefunden habe, ist doch klar. Der lag auf einem Parkplatz an der Autobahn. Mach dir keine Sorgen. Ich habe nur diesen einen umgebracht. Du glaubst mir doch, oder?“ Katrin lächelte nervös. „Klar, ich glaube dir.“ Er ging in sein Zimmer und Katrin blieb nachdenklich auf dem Flur stehen. Auch wenn sie Jaron gesagt hatte, dass sie ihm glaubte, waren die Zweifel sehr groß. Jaron hatte den Mann im Keller erst gefoltert und dann eiskalt erschossen. Sie traute ihm auch zu, dass er die Polizisten in die Falle gelockt hatte. Verdammt, warum hatte sie diesen beiden Polizisten nicht gesagt, dass Jaron der Mörder ist? Weil er dein Bruder ist. Du bist für ihn verantwortlich und du trägst die Schuld daran, dass er so ist, wie er ist. Er ist krank. Sie konnte ihn doch nicht verraten! Du bist eine verdammt schlechte Schwester, schallte sie sich selbst. Sobald sie aus Japan zurückkam, würde sie dafür sorgen, das Jaron in Behandlung kam. In eine vernünftige Behandlung. Stationär und nicht ambulant. „Darf ich dich stören?“ riss Jarons Stimme sie aus den Gedanken und sie zuckte zusammen. Jaron bemerkte es. „Was hast du denn?“ wollte er von ihr wissen. „Ich war nur in Gedanken. Ich muss jetzt meinen Koffer packen und dann werde ich mich hinlegen.“ lächelte sie nervös.