Beiträge von Elvira

    Kim wartete bis Ben Jäger den Raum verlassen hatte und wandte sich dann Paul zu. „Denken Sie, dass er wirklich der echte Ben Jäger ist? Wir haben doch mittlerweile gelernt, dass die Gegner diesmal ziemlich ausgefuchst sind.“ wollte sie von ihm wissen. Paul streckte sich. „Ganz ehrlich? Ich bin etwas ratlos. Mir sind in der letzten Zeit zu viele Dinge passiert. Aber ich kann Hilfe gebrauchen und wenn er doch einer der Täter ist, dann führt er mich vielleicht zu Semir. Und wen nicht, dann könnte er mir helfen…“ versuchte er zu erklären. „Ben Jäger ist kein Polizist mehr! Er kann Ihnen nicht helfen!“ stieß Kim aus. Paul lachte leise auf. „Ich weiß, dass er kein Polizist mehr ist. Dennoch kann er uns helfen. Frau Krüger, bitte. Ich brauche jemanden, der mit mir den Fall bearbeitet und mir hilft, Semir zu finden. Außerdem hätte ich ihn dann unter Beobachtung. Bitte…“ Paul sah seine Vorgesetzte flehend an. Kim stöhnte auf. „Herr Renner, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß, dass Sie jede Hilfe brauchen können, aber Herr Jäger darf offiziell nicht ermitteln. Er ist kein Polizist mehr.“ Paul stieß wütend Luft aus. „Frau Krüger, das weiß ich! Ich weiß auch, dass es Vorschriften gibt, aber hier stimme ich Jäger zu. Es geht um Semir und da ist mir jedes Mittel Recht! Denken Sie doch mal an den Kindern von Semir. Wollen Sie ihnen die Nachricht überbringen, wenn wir ihn irgendwo tot auffinden? Nur, weil Sie sich an den Vorschriften gehalten haben? Wie würden Sie sich fühlen, wenn dann klar wird, dass wir den Tod hätten verhindern können, wenn Sie mich … uns … gelassen hätten? Es muss doch keiner erfahren und ich werde dafür sorgen, dass Herr Jäger nicht ermittelt. Er ist einfach ein stiller Berater.“ erklärte Paul und Kim sah ihn schweigend an. Ihr Schweigen dauerte eine ganze Weile und Paul hatte schon die Sorge, dass sie ablehnt. Doch dann holte sie tief Luft und nickte ergeben. „Also gut. Aber Sie übernehmen die Verantwortung für Jäger. Ich will nicht, dass er eine eigene Tour fährt. Er darf Sie begleiten und beraten, aber er wird bei keiner Vernehmung dabei sein!“ legte sie fest. Paul grinste und sprang auf. „Danke Chefin. Ich habe gewusst, dass Sie es genau wie ich sehen.“ Schon verließ er das Büro der Vorgesetzten und ging in sein eigenes, wo Ben Jäger auf dem Besucherstuhl saß und an den Fingernägeln knabberte. „Falls Sie Hunger haben, können wir jetzt was frühstücken. Ich habe einen Mordshunger und während wir essen, kann ich Sie auf den aktuellen Stand bringen.“ Ben Jäger sah ihn erstaunt an. „Die Krüger hat Ja gesagt?“ wollte er wissen und sah durch das Bürofenster auf Kim, die wohl seinen Blick bemerkte und ihn anlächelte. „Ja. Sie sieht es genau wie ich. Sie können mir beratend zur Seite stehen.“ Paul grinste breit und auch Ben Jäger lachte auf. „Na, dann sollten wir auf Du gehen. Ich bin Ben.“ Paul nickte. „Paul…“ Die Männer reichten sich die Hand. „Okay, was haben wir bisher?“ wollte Ben nun wissen. Paul brachte ihn auf den aktuellen Stand.

    Ben hörte schweigend zu und nickte als Paul endete. „Okay, wenn ich es richtig verstanden habe, fing alles an Semirs 50. Geburtstag an. Er bekam Geschenke, die ihn an Tom Kranich erinnern ließen und nur wenig später steht dieser Kranich auf dem Friedhof neben ihn und schlägt ihn nieder. Semir hört noch eine Bedrohung bevor er bewusstlos wird. Kurz darauf kamen dann SMS und dieser hinterhältige Anschlag, bei dem Dana fast gestorben ist. Im Krankenhaus versucht ein falscher Arzt, der in der Mappe war, Semir aus dem Krankenhaus zu holen, was aber schief läuft, denn der türkische Hengst schlägt aus. Er kann sich wieder auf Station retten. Dann dieser Unfall. Wem hast du erzählt, dass du und Semir auf dem Schiff seid?“ wollte Ben wissen. Paul dachte nach. „Also ich habe es Semir im Krankenhaus gesagt. Andrea und die Kinder warten dabei.“ Ben nickte. „Und noch jemand?“ Paul sah ihn an. „Nein, mir fällt sonst keiner mehr ein. Und hier im Büro habe ich es Susanne erzählt. Thilo Sandberg hat es zufällig mitbekommen. Ich habe aber nicht erwähnt in welchem Hafen das Boot liegt. Das heißt aber auch, dass man wusste, wann Semir aus dem Krankenhaus entlassen wurde und das wusste das Krankenhauspersonal und auch Thilo. Man muss uns vom Krankenhaus gefolgt sein.“ gab er von sich. „Nun dann gäbe es eigentlich nur einen Mitwisser. Dieser Thilo Sandberg.“ Paul stöhnte auf und schüttelte den Kopf. „Ich hatte ihm im Verdacht, aber mittlerweile denke ich, dass er nichts damit zu tun hat.“ Ben Jäger sah ihn an. „Warum ist er wieder aus dem Täterkreis raus?“ Paul atmete tief durch. „Ich kann es dir eigentlich gar nicht sagen. Er ist noch nicht lange hier und er hat die Tochter von diesem Reich aus den Akten gefischt. Er denkt das sie dahinter steckt. Wenn er wirklich zu den Tätern gehört, dann hätte er es sicher anders gemacht.“ Ben zog die Schultern hoch. „Wirklich? Denk doch mal nach. Er lenkt den Verdacht auf diese Tochter und stellt sie als Sündenbock hin. Damit fällt er aus dem Verdächtigenkreis und kann alles nur erdenklich tun, um Semir zu entführen. Wo war er, während ihr unterwegs ward?“ Paul zog die Schultern hoch. „Das weiß ich nicht.“ Paul sah seinen neuen Partner erschrocken an. „Du meinst, der hat meine Aufmerksamkeit absichtlich auf Wehner gelenkt?“ Ben lächelte leicht und nickte. „Hat doch geklappt oder?“ Paul sah ihn an. „Man, ich war so dämlich! Ich habe die Wehner natürlich vernommen und sie hat mir Stein und Bein geschworen, damit nichts zu tun zu haben. Ich habe ihr echt geglaubt. Sie war völlig erschrocken, als wir das Haus stürmten. Dann sollten wir uns noch mal mit Thilo unterhalten!“ knurrte er und in seiner Stimme war die Wut über den neuen Kollegen deutlich zu hören. Ben hielt Paul fest, als dieser aus dem Büro stürmen wollte. „Lass ihn doch. Vielleicht ist er so einfältig und führt uns zu Semir. Wir sollten ihn beobachten.“ schlug er vor. Es klopfte. Susanne trat ein. „Paul, eben hat und die Bundespolizei vom Flughafen angerufen. Sie haben Dean Staubmann verhaftet.“ Paul und Ben sprangen auf und fuhren nur wenige Augenblicke später vom Parkplatz.

    Semir versuchte unermüdlich gegen die Fesseln und vor allem gegen den Knebel etwas zu unternehmen. Mittlerweile waren seine Handgelenke blutig gescheuert und auch sein Mund hatte gelitten. Er spürte die wunden Stellen an seinen Mundwinkeln und hielt jetzt einfach nur still. Er hatte für kurze Zeit sogar geschlafen doch nun horchte er auf. Ein Kratzen an der Tür und nach einigen Sekunden registrierte er, dass jemand die Tür öffnen wollte. Deutlich war der Schlüssel zu hören und er sah gespannt zur Tür, die sich langsam öffnete. Nur wenig später trat eine vermummte Gestalt ein. Sie trug einen Mantel, der die Figur komplett umhüllte und an einen der alten Mantel- und Degenfilme erinnerte. Die Person hob die Taschenlampe und Semir schloss geblendet die Augen, als der Strahl ihn ins Gesicht traf. Der Strahl senkte sich und Semir öffnete die Augen. Er sah die Person an. Das Gesicht war ebenfalls komplett vermummt und egal wie sehr er sich auch bemühte, das Geschlecht der Person zu erkennen, es gelang ihm nicht. Sie kam zu ihm und drückte seinen Kopf runter. Semir wehrte sich und wollte den Kopf wegdrehen, doch dann bemerkte er, dass die Person ihm den Knebel abnehmen wollte. Er hielt still und endlich fiel der Knebel. Semir zog erleichtert Luft ein und wollte etwas sagen. Sein Hals war so trocken, dass er keinen klaren Ton herauskam. Ein Krächzen war zunächst Alles was er hervorbrachte. Doch man konnte genau hören, dass er ein „Durst“ hervorquälte. Tatsächlich drückte der Unbekannte ihm eine Flasche an den Mund und Semir trank gierig. „Was wollen Sie von mir?“ fragte er, nachdem die Flasche wieder weg war doch die Person antwortete ihm nicht. Stattdessen zog sie ein kleines Röhrchen aus der Tasche, füllte es mit Wasser und schüttelte es kräftig. Semir sah dem Fremden mit gemischten Gefühlen dabei zu. Als sein Gegner ihm das Röhrchen an den Mund pressten wollte, drehte er das Gesicht zur Seite. Seine Hoffnung, dass sein Peiniger das Vorhaben, ihm das Gemisch einzuflößen, aufgab, wurde erstickt. Sein Gegner packte sein Kinn und drückte ihm Daumen und Zeigefinger in die Wangen. Diesen Druck konnte er zwar eine Weile standhalten, doch dann öffnete sich der Mund automatisch. Die Flüssigkeit aus dem Röhrchen floss in seinen Mund und sein Peiniger drückte das Kinn hoch. Noch verweigerte Semir das herunterschlucken doch sein Gegner war unerbittlich. Er hielt ihm mit der zweiten Hand die Nase zu und wenn Semir jetzt atmen wollte, musste er es mit dem Mund machen und das hieß die Flüssigkeit zu schlucken. Aufgrund der aufgewendeten Kraft schloss Semir auf einen Mann als Gegner. Die Luft wurde knapp und er schluckte das Eingeflößte runter. Sein Gegner löste den Griff und Semir holte japsend Luft. „Was war das?“ fragte er unsicher. Er erhielt keine Antwort und sein Peiniger knebelte ihn wieder. Nur wenig später war Semir wieder allein. Er wartete darauf, dass er eine Wirkung von dem spürte, was er eingeflößt bekam und tatsächlich bemerkte er nur zehn Minuten später, dass die Schmerzen weniger wurde und die Welt in ein warmes farbiges Licht tauchte. Er schloss die Augen und schlief ein.


    „Herr Jäger!“ stieß Kim aus, als sie mit Ben zusammenstieß. „Frau Krüger, schön Sie zu sehen. Haben Sie schon etwas veranlasst, damit wir Semir finden?“ wollte Ben wissen. „Das ist nicht Ihr Fall. Sie sind kein Polizist mehr.“ kam wirsch von ihr. „Das ist richtig aber Semir ist mein Freund und seine Kinder sind meine Patenkinder! Wer gegen diese Familie vorgeht, geht auch gegen mich vor! Und mal ganz ehrlich, der Herr dort ist nicht in der Lage ohne Hilfe Semir zu finden!“ fauchte Ben wütend. Kim sah kurz zu Paul. „Herr Jäger, Sie werden sicher Verständnis haben, dass wir die Polizeiarbeit übernehmen. Sie sind lediglich ein Besucher und ich habe es nicht so gern, wenn Sie Informationen erhalten, die nicht für Sie bestimmt sind!“ Ben stieß verachtend Luft aus. „Es scheint echt so, als hätten Sie sich nicht verändert. Immer noch die Paragraphenreiterin wie damals.“ Kim sah kurz zu Paul. „Sie und Herr Jäger bitte in mein Büro! Sofort!“ forderte sie auf und tatsächlich folgten die Beiden sie. „Nehmen Sie Platz!“ forderte sie auf und als sie saßen sah sie beide abwechselnd an. „Herr Jäger, ich hoffe inständig, dass Sie auch der Echte sind, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich weiß wie nahe Sie Gerkhan stehen, aber Sie haben keine Polizeigewalt mehr. Sie haben Ihren Dienst quittiert.“ „Ich habe es bereits gecheckt. Sein Ausweis ist in Ordnung und sein Flug war ebenfalls korrekt. Frau Krüger, ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen.“ Bat er leise und sah zu Ben. Kim schüttelte den Kopf. „Ben Jäger ist kein Polizist mehr! Er kann Ihnen nicht helfen.“ „Doch das kann ich sehr wohl! Ich bin Semirs Freund und kommen Sie mir einmal nicht mit den Vorschriften. Niemand muss wissen, dass ich ihm helfe. Vergessen Sie einmal die Vorschriften, bitte!“ flehte er. Kim war unschlüssig und sah Ben an. „Würden Sie einen Augenblick draußen warten? Ich würde es gern mit Herrn Renner besprechen.“ bat Kim freundlich. Ben nickte und stand auf. Als er an der Tür stand, rief Kim ihm noch zu, dass er zu warten hatte.

    Ben Jäger schnappte sich seinen Koffer und winkte ein Taxi heran. „Bitte zur Polizeistation Düsseldorf! Und geben Sie Gas!“ forderte er und der Taxifahrer nickte. Die Fahrt dauerte wenige Minuten. Ben nahm seine Koffer aus dem Kofferraum und zahlte seine Zeche. Dann ging er in die PAST. Irgendetwas stimmte nicht, das hatte er bereits während des Telefonates gespürt. Im Büro sah er sich um. Ihm fiel sofort auf, das Dieter nicht zu sehen war. Der lange Polizist, das wusste er, war nach dem Tod von Horst Herzberger in den Innendienst versetzt worden, doch der Schreibtisch war leer. Am Schreibtisch direkt vor dem Büro, wo er mal gesessen hatte, saß Susanne und sah ihn an. Sie lächelte und stand auf. „Ben, schön dich zu sehen.“ begrüßte sie ihn und gab ihn einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Danke, es tut gut wieder in Deutschland zu sein. Wo ist Semir?“ Er sah die Sekretärin eindringlich an und diese wich seinem Blick aus. Susanne sah zu Boden und antwortete nicht. Ben bemerkte den kurzen Blick zu dem jungen blonden Mann im Büro. „Magst du einen Kaffee?“ wich sie nun aus und beantwortete die Frage nicht. Sie wollte gehen, doch Ben hielt sie fest. „Nein, ich will wissen wo mein Freund ist!“ forderte er regelrecht. Susanne wies auf Paul Renner. „Das kann dir am besten der neue Partner von Semir sagen. Er erwartet dich.“ Sie wies auf das Büro, welches Ben vor einigen Jahren noch selbst genutzt hatte. „Also gut…“ meinte er und betrat das Büro. Der junge Mann, der auf dem Platz saß, wo er mal gesessen hatte, stand auf und reichte ihm die Hand. „Paul Renner, Sie sind Ben Jäger?“ „Bis gestern war ich es noch. Kann mir mal jemand sagen, was hier los ist?“ fragte Ben nun direkt. „Setzen Sie sich doch. Haben Sie schon gefrühstückt?“ Ben setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, der für Besucher war. Er stieß ein wütend klingendes Knurren aus. „Ich will keinen Kaffee und auch kein Frühstück! Ich will wissen, wo Semir ist und kommen Sie mir nicht damit, dass er in einem Termin ist!“ fauchte er. „Ich habe vergeblich versucht ihn auf dem Handy zu erreichen und hier geht er auch nicht ran. Wo ist er?“ Der junge Mann sah ihn an und lächelte nervös. Er rieb sich die Hände. „Sie haben Recht, es stimmt etwas nicht. Semir ist seit gestern verschwunden.“ Ben wurde blass und schluckte. „Bitte was? Wie?“ hakte er nach.


    Paul sah den Mann an. „Bevor ich Ihnen sage, was genau passiert ist, würde ich mich gern davon überzeugen, dass Sie der echte Ben Jäger sind.“ Sein Besucher lachte auf. „Bitte was? Was soll denn der Blödsinn?“ Ben war wütend und sein Gegenüber bemerkte es. „Das werde ich Ihnen erklären, wenn ich Ihre Identität geklärt habe! Geben Sie mir bitte Ihren Ausweis!“ forderte Paul. Ben wühlte in seiner Tasche und zog den Ausweis hervor. „Bitte!“ knurrte er und ließ deutlich wissen, was er von dieser Aktion hielt. Nach einigen Minuten hatte Paul das Ergebnis und reichte ihm den Ausweis zurück. „Entschuldigen Sie bitte mein Verhalten. Es fanden einige Anschläge auf Semir und seiner Familie statt. Er hatte Ihnen glaube ich davon berichtet. Zumindest mit dem Doppelgänger von Ihnen, das weiß ich.“ fing er nun an. Ben nickte. „Das ist richtig. Semir hat mir berichtet was mit Ayda passiert ist.“ Paul sah ihn eindringlich an. Immer noch war Misstrauen vorhanden. „Dann hat er Ihnen sicher auch erzählt, was mit seiner Familie passiert ist, oder?“ Ben atmete tief durch. „Hören Sie, Herr Renner. Ich weiß einige Dinge und ich würde jetzt gern zum Punkt kommen. Was ist mit Semir?“ Paul setzte sich gerade auf. „Semir und ich wurden gestern von der Straße gedrängt. Ich bin gefahren, da Semir aufgrund einer Verletzung noch nicht fahren durfte. Ich habe die Kontrolle über den Wagen verloren und bin gegen einen Baum gefahren. Dabei wurde ich leicht verletzt, aber Semir ist seitdem verschwunden. Wir haben eine Zeugenaussage, dass man ihn in ein Auto vom Unfallort weggebracht hat aber leider haben wir keine Spur zu dem Täter.“ berichtete er nun. Ben sah ihn an und hatte seinen Mund kurz geöffnet. „Okay, warum sitzen Sie dann hier im Büro? Denken Sie, die Kidnapper lassen ihn laufen und setzten ihn hier an der Station aus? Was ist mit dem Auto? Was konnte der Zeuge sagen?“ schoss er die Fragen ab, stand auf und ging zur Tür. „Wo wollen Sie denn hin?“ fragte Paul erstaunt. „Ich werde Semir suchen gehen!“ kam von Ben und er öffnete die Tür. Dort stieß er mit Kim Krüger zusammen.

    Paul fuhr enttäuscht zur PAST zurück und gab Dean Staubmann auf den Weg dahin zur Fahndung aus. Kim Krüger erwartete ihn bereits und er ging sofort in ihr Büro. „Renner! Was ist mit Staubmann?“ wollte sie sofort wissen und Paul schüttelte den Kopf. „Negativ, die Nachbarin sagte mir, dass er heute morgen ausgezogen ist. Sie hat ihn aber eindeutig als den Mann identifiziert, der als Arzt im Krankenhaus war. Die Fahndung ist bereits raus. Flughäfen und Bahnhöfe wurden von Susanne informiert und die Kollegen dort werden Ausschau nach dem Kerl halten.“ Kim nickte. „Okay, dann haben wir wenigstens eine Spur. Finden Sie alles raus, was über Staubmann herauszufinden ist! Konnte die Nachbarin noch mehr sagen?“ Paul schüttelte den Kopf. „Sie hat kein sauberes Haar an dem Mann gelassen, aber ich vermute, dass es nur Gerede ist. Susanne ist bereits dabei alles zu überprüfen.“ Paul stöhnte leise auf und griff sich an den Kopf. Kim lehnte sich zurück. „Haben Sie Kopfschmerzen?“ Paul lächelte leicht. „Es klopft ein wenig, aber er funktioniert noch.“ Susanne kam rein. „Also dieser Dean Staubmann war schon mehrfach von der Nachbarin angezeigt worden. Ruhestörung, Drogenhandel, Diebstahl, Sachbeschädigung. Allerdings konnten keine konkreten Beweise dafür vorgelegt bzw. gefunden werden.“ erklärte sie. Paul sah sie an. „Das passt zum Bild der Nachbarin. Sie hat, als ich bei ihr war, über ihn hergezogen. Auf meine Fragen ist sie nicht eingegangen und sie wusste auch nicht, wohin Staubmann ist.“ Kim setzte sich gerade hin. „Ich hoffe, wir finden diesen Kerl bald und er sagt uns, wo Gerkhan ist.“ Paul warf ihr einen skeptischen Blick zu und ging in sein Büro. Als er sich setzen wollte, klingelte das Telefon auf Semirs Schreibtisch und er meldete sich. „Hallo, hier ist Ben Jäger. Ich würde gern mit Semir sprechen.“ Paul atmete tief durch. „Er ist derzeit verhindert. Kann ich ihm etwas ausrichten?“ wollte er wissen und zwang sich, seine Stimme möglichst monoton klingen zu lassen. „Ja, das können Sie in der Tat. Wenn er wieder im Büro ist, können Sie ihm sagen, dass er sein Gästezimmer für mich reservieren soll. Ich bin bereits am Flughafen.“ hörte er den Expartner von Semir sagen. „Sie sind in Deutschland?“ hakte er erstaunt nach. „Ja, ich bin vor zwei Stunden gelandet und es wäre schön, wenn Semir mich direkt abholen könnte.“ Paul stöhnte leise auf und fuhr mit einer Hand durch das Gesicht. „Das wird leider nicht gehen. Könnten Sie sich nicht ein Taxi nehmen und direkt zur PAST kommen?“ bat Paul den Anrufer. „Klar. Stimmt etwas nicht?“ Paul atmete tief durch. „Das würde ich Ihnen gern hier erklären.“ „Okay …“ antwortete Ben Jäger und zog das Wort sehr lang. Paul beendete das Gespräch.

    Susanne sah ins Büro, als Paul telefonierte und ging zu ihm. „Ist alles in Ordnung?“ fragte sie, denn Paul war sehr nachdenklich. „Ja…ja… es ist alles in Ordnung. Hör mal, du kennst Ben Jäger doch, oder?“ Susanne stutzte und nickte dann. „Ja sicher! Er war einer von Semirs Partnern. Warum fragst du?“ Paul wies auf das Telefon. „Er hat eben angerufen und behauptet, dass er mit dem Flieger aus den USA gekommen ist. Könntest du mal bitte prüfen, ob es wahr ist? Wenn nicht, dann werde ich nämlich gleich eine Festnahme durchführen.“ Susanne nickte. „Klar, ich mache mich sofort an die Arbeit.“ Sie setzte sich an den PC und tippte auf der Tastatur herum. Sie brauchte nur zehn Minuten um die Informationen zu bekommen und ging erneut in Pauls Büro. „Es ist korrekt. Ben Jäger war in der PANAM 8416. Der Flieger ist vor zwei Stunden in Köln-Bonn gelandet.“ Der Hauptkommissar atmete sichtlich erleichtert auf. „Danke Susanne. Dann hoffe ich, dass es auch der echte Ben Jäger ist, der gleich hier aufschlagen wird.“ Susanne sah ihn an. „Denkst du im Ernst, dass sich ein Verbrecher freiwillig hier her begibt? Der wäre doch wahnsinnig!“ Paul erwiderte ihren Blick. „In diesem Fall würde ich alles glauben. Traust du dir zu, einen falschen Jäger vom echten zu erkennen?“ Susanne dachte kurz nach. „Ich denke, das kann ich sehr gut. Ben Jäger hat am rechten Unterschenkel eine kleine dreieckige Narbe.“ Paul lachte leise. „Okay, ich frage jetzt nicht woher du das weißt. Aber ich hoffe sehr, dass die Gangster davon nichts wissen.“ Susanne sah ihn keck an. „Du kannst ruhig fragen. Ich habe sie gesehen, als wir einmal zusammen schwimmen waren. Das ist zwar schon eine ganze Weile her, aber Narben verschwinden nicht so einfach.“ Paul nickte. „Danke Susanne. Hat die Fahndung nach diesem Staubmann was ergeben?“ Diesmal schüttelte die Sekretärin ihren Kopf. „Bisher noch nicht.“

    Susanne stürmte in Pauls Büro. „Paul! Ich habe den Besitzer des Wagens herausgefunden. Er heißt Dean Staubmann und wohnt im Zugspitzweg 14 in Poll.“ gab sie hektisch von sich. Paul sprang auf. „Okay, ich fahre direkt hin!“ legte er fest und schon stürmte er aus dem Büro. Mit Blaulicht und Sirene fuhr er zu der genannten Adresse und erreichte sie nur fünfzehn Minuten später. Bevor er das Haus betrat, sah er sich um. Die Gegend war ziemlich heruntergekommen. Das Chaos, was er auf der Straße gesehen hatte, ging im Hausflur weiter. Auch hier lagen Müllbeutel im Gang. Fliegen, die aufgescheucht wurden, suchten das Weite und hier und da war ein quieken zu hören. Paul rümpfte die Nase und suchte die Tür zu der Wohnung von Staubmann. Dort klingelte er Sturm, doch niemand öffnete.“ Er klopfte heftig dagegen. „Herr Staubmann! Hier ist die Polizei! Öffnen Sie bitte!“ forderte er, doch nichts passierte. Allerdings öffnete sich nun die Nachbartür. „Das können Sie sich sparen. Der Kerl ist vor gut vier Stunden mit Sack und Pack verschwunden und ich hoffe sehr, dass er nie wieder herkommt!“ nörgelte eine untersetzte Frau, die Paul argwöhnisch ansah. „Gehören Sie auch zu diesen Drogenhändlern?“ Paul lachte leise. „Nein zur anderen Seite. Danke für die Information. Aber wohin Herr Staubmann verschwunden ist, wissen Sie nicht zufällig oder?“ hakte er nach. „Nun, so wie es aussah, dürfte es für hoffentlich immer sein. Wissen Sie, ich will ja nicht über den Nachbarn herziehen, aber mir wäre es Recht, wenn er gar nicht mehr zurückkommt. Dieser Typ war mir noch nie geheuer.“ Paul sah sie interessiert an. „Warum?“ fragte er. „Weil dieser Kerl sicher Dreck am Stecken hat. Ich war ja manchmal schon kurz davor, die Polizei zu rufen, weil das überhaupt nicht ging. Der Mann passte hier einfach nicht ins Haus.“ Paul stöhnte innerlich auf. Diese Nachbarin schien nicht auf den Punkt zu kommen. „Haben Sie denn etwas Ungesetzliches feststellen können?“ fragte er ganz freundlich. „Nein, aber so wie der ausgesehen hat, da stand Verbrecher schon fast lesbar auf der Stirn.“ behauptete sie. Paul dachte kurz nach und zog dann das Phantombild hervor, welches den falschen Arzt zeigte. „Ist das Staubmann?“ fragte er. Die Frau setzte ihre Brille auf und besah sich das Bild. „Ja! Das ist er! Das ist Staubmann!“ bestätigte sie.

    Julia stellte die Kaffeetasse vor Marianne hin und nahm sich selbst eine. „So und jetzt erkläre mir mal, warum du das tun solltest?“ forderte sie ihre Freundin und Kollegin auf. „Weil die glauben, dass ich mich an Gerkhan für mein Leben rächen will. Weißt du, dieser Gerkhan wurde wohl entführt. Aber ich habe nichts damit zu tun, ich schwöre dir! Ich habe nichts Unrechtes getan.“ In ihrer Stimme war die volle Verzweiflung zu hören. Julia lächelte leicht. „Natürlich hast damit nichts zu tun. Aber mich wundert es nicht, dass sie dich verdächtigen. Du hast mir ja auch schon gesagt, dass du den Mann kanntest. Und wenn ich an deiner Stelle wäre, hätte ich einen extremen Hals auf den Bullen. Was du mir nicht schon alles erzählt hast, was man mit deinem Vater gemacht hat. Der wurde doch im Gefängnis so arg gequält und dann totgeschlagen. Das muss grausam für dich gewesen sein. Und dann diese Adoptivfamilie, die nichts anders tat, als das, wofür dein Vater eingesperrt wurde. Haben die Bullen denn Beweise?“ Marianne schüttelte den Kopf. „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Ich meine, ich habe mir noch nie etwas zu Schulden kommen lassen.“ Julia hielt ihre Hände. „Eben! Du bist für mich die ehrlichste und unschuldigste Frau, die ich kenne. Du hast doch schon genügend Schlechtes in deinem Leben gehabt und jetzt sowas. Ich fasse es einfach nichts. Das ist Polizeiwillkür!“ Julia wurde wütend und Marianne sah sie mit verweinten Augen an. „Danke, dass du mir zuhörst. Ich bin echt verzweifelt. Ich dachte, dass ich diese ganze Sache endlich vergessen kann und jetzt wird diese Wunde wieder aufgerissen.“ Julia senkte den Kopf. „Weißt du, ich will ja nicht unken, aber du hast mir ja schon mal erzählt, wie dein Vater im Gefängnis umgekommen ist und irgendwie hat der Mann, also dieser Gerkhan, ja doch Schuld daran, oder siehst du das anders?“ Marianne sah sie an. „Natürlich sehe ich das anders. Gerkhan ist Polizist und er hat meinen Vater wegen seiner Verbrechen verhaftet! Aber das Gericht hat ihn verurteilt und nicht der Polizist. Dieser kann ja auch nichts dafür, dass im Gefängnis so raue Sitten herrschen.“ Julia füllte noch einmal die Tassen. „Trotzdem, ich hätte an deiner Stelle echt einen Hals auf den Bullen.“

    Marianne Wehner fuhr, nachdem sie die PAST verlassen durfte, mit dem Taxi zu ihrer Kollegin Julia Herbst, die ihren Dienst bereits beendet haben sollte. Doch als sie bei ihr ankam, öffnete sie nicht. „Julia! Ich bin es, Marianne!“ rief sie vor der Tür, doch Julia schien nicht da. Marianne atmete tief durch. „Gut, dann fahr ich halt nach Hause.“ murmelte sie und drehte sich um. Doch gerade jetzt fuhr Julia mit ihrem kleinen Smart auf die Auffahrt. „Hey Julia! Gott sei Dank. Ich brauche dich gerade mal wieder als Psychotherapeutin…“ begrüßte Marianne ihre Kollegin. Als Julia vor ihr stand, fing Marianne an zu weinen. Julia nahm sie in den Arm. „Was ist denn los, Marie? Du bist ja völlig aufgelöst!“ stieß sie aus. Marianne schüttelte den Kopf. „Man hat mich verhaftet…“ schluchzte sie. Julia sah sie erschrocken an. „Bitte was? Warum?“ hakte sie nach. Marianne zog die Schultern hoch und sah sich um. Sie wollte auf gar keinen Fall, dass irgendwer etwas davon mitbekam und Julia bemerkte es. „Lass uns erst einmal reingehen. Wir trinken einen Kaffee und dann erzählst du mir alles.“ schlug sie vor und strich ihrer Freundin sanft über den Rücken. Marianne nickte nur. Sie gingen ins Haus und Julia führte sie in die Küche. „Setz dich und jetzt erzähl, was passiert ist.“ bat sie ihre Freundin. Marianne holte tief Luft. „Heute Mittag, als ich gerade meine Einkäufe einräumte, wurde meine Wohnung von Polizisten gestürmt und ich wurde verhaftet. Es ging um diesen Gerkhan! Die glauben tatsächlich, dass ich ihn entführt habe bzw. das ich damit etwas zu tun hab. Ich habe dir ja erzählt, dass dieser Polizist vor vielen Jahren meinen Vater verhaftet hat und dass mein Vater zu Recht verurteilt wurde.“ fing sie an und Julia nickte. „Ja, das hast du mir erzählt. Du hast mir auch gesagt, dass dein Vater im Gefängnis von den anderen Häftlingen getötet wurde.“ gab sie zurück. „Ganz genau. Und jetzt ist wohl dieser Gerkhan verschwunden. Und die Kollegen von ihm glauben, dass ich es gewesen bin! Dieser Renner hat mich durch den Wolf gedreht, sag ich dir. Er meint, das ich auf die Kinder geschossen habe. Ich! Kannst du dir das vorstellen? Und die Krönung ist, dass er mir gesagt hat, dass er den Täter bei uns vermutet und dass ich ihm berichte, wenn etwas sonderbar ist. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.“ stöhnte sie auf. Julia sah sie nachdenklich an. "Und was willst du tun?" Doch diese Frage konnte Marianne ihr noch nicht beantworten.

    Semir wurde von seinen Gegnern in einen dunklen Raum gedrückt und der zweite Gegner ließ das Licht aufflammen. „Wir machen ihn da an dem Rohr fest!“ hörte er den falschen Arzt sagen. Semir machte einen Schritt nach vorn um wenigstens etwas aus der Nähe zu kommen, doch schon hebelte der falsche Arzt ihm die Beine weg. Semir ging zu Boden und der zweite Mann warf sich auf ihn. Semir versuchte sich zur Wehr zu setzen, doch plötzlich spürte er einen Waffenlauf im Nacken. Sofort versteifte er sich. „Bleib friedlich! Ich kann mit der Waffe umgehen und werde dich bestimmt nicht sofort umbringen.“ mahnte der Mann auf ihm. „Was wollen Sie?“ fragte Semir mit heiserer Stimme. Ein Lachen folgte. „Das wirst du noch früh genug erfahren. Wieder wurden die Arme auf den Rücken gezerrt und nur wenig später spürte er Kabelbinder an seinen Handgelenken, die fest angezogen wurden. Semir schrie leise auf und zuckte mit den Händen. Der Mann auf ihm hatte die Waffe längst weggesteckt und preßte nun die Hand auf Mund und Nase des Polizisten. Dabei zog er den Kopf des Mannes in den Nacken. „Nicht doch! Wir wollen doch niemanden wecken, oder?“ lachte der Mann. Semir stieß ein Grunzen aus. Die Hand verschwand und er holte sofort japsend Luft. Nur wenig später bekam er einen Knebel verpaßt, der mit einem dünnen Schal fixiert wurde. Dann packte der falsche Arzt an den Hals von Semir, der immer noch von der Mißhandlung aus dem Wagen schmerzte und zwang den Polizisten ihn anzusehen. „Schade, dass ich nicht dabei sein kann, wenn der Boß dich abholt. Ich wünsche dir eine schöne Zeit.“ lachte er. In der Zeit hatte sein Komplize weitere Kabelbinder genommen und Semirs Fesseln mit dem Rohr verbunden. Nur wenig später verließen sie den Raum. Semir sah den Männern hinterher und zuckte zusammen, als die Tür ins Schloss fiel. Nur wenig später wurde sie abgeschlossen. Sofort versuchte er, die Fesseln zu lösen, doch gegen die Kabelbinder konnte er nicht viel ausrichten. Sie waren eng angezogen und schnitten schmerzhaft ins Fleisch. Aber vielleicht konnte er sich von dem Knebel befreien und dann um Hilfe rufen. Er rieb seine Wange an der Schulter und wollte so das Tuch, welches den Knebel in seinem Mund hielt, runterschieben. Doch dies war so fest am Hinterkopf gezurrt, dass es ihm selbst nach einer halben Stunde nicht gelang, ihn loszuwerden. Nach einer guten Stunde gab er auf. Das einzige, was er erreicht hatte war, dass seine Wange brannte und er Blutgeschmack im Mund hatte. Ergeben schloss er die Augen und sank für ein paar Minuten weg.

    Semir harrte im Wagen aus und bemerkte, dass das Fahrzeug immer langsamer wurde. Er zog die Beine an und wartete darauf, dass sich die Türen öffneten. Als dies passierte, trat er mit voller Wucht dagegen. Ein Fluchen folgte und der Mann, der dort stand. ging rücklings zu Boden. Semir sprang auf und wollte nur eins, raus hier und weg! Doch bevor er den Wagen verlassen konnte, wurde er von hinten gepackt und eine Kette schlang sich um den Hals. Sofort griff er zum Hals, um den Druck zu mindern, doch sein Gegner zog erbarmungslos zu und Semir spürte schnell, wie die Luft knapper wurde. Er wandte sich und versuchte seinen Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem er sich fallen ließ, doch sein Gegner machte jede Bewegung mit. Langsam spürte er, wie ihm die Sinne schwanden und seine Gegenwehr wurden weniger. Seinem Gegner schien es nicht zu interessieren, denn der Druck verringerte sich nicht. Erst als er röchelte, hatte der Mann ein Einsehen. „Okay, er hat genug. Lass ihn los!“ drang eine Stimme wie durch Watte an sein Ohr. Der Druck verschwand und Semir hustete was das Zeug hielt. Seine Ambitionen zur Gegenwehr war völlig erloschen und er hatte genügend damit zu tun, Luft in seine Lungen zu pumpen.Seine Gegner ließen ihn allerdings nicht viel Zeit zur Erholung. Sie zerrten ihn aus dem Wagen und warfen ihn brutal zu Boden. Semir stand auf und taumelte los. Er wollte nur weg. Allerdings war er so benommen, dass er nicht weit kam. Einer seiner Gegner brauchte nur zwei Schritte zu machen um ihn zu packen. Mit letzter Kraft stemmte Semir sich gegen seinen Feind und trat aus. Sein Gegner schien nun die Geduld zu verlieren, denn er packte Semirs linken Arm und drehte ihn mit einem harten schmerzhaften Ruck auf den Rücken und drückte ihn nach oben. Semir schrie leise auf und ging ins Hohlkreuz, um den Schmerz entgegen zu wirken, während sein Gegner ihn gegen eine Wand drückte. „Jetzt ist Schluss! Ich warne dich, noch ein Versuch und deine Mutter wird dich nicht wiedererkennen!“ warnte ihn der Mann. Nun kam auch der zweite Mann zu ihm und als der erste Gegner ihn umdrehte, schlug dieser Semir mit einer harten Faust in den Magen. Semir schrie auf und wollte in die Knie, doch der Zug im Arm ließ ihn auf den Beinen bleiben. „Das war für den Tritt!“ fauchte der zweite Mann. Sie zwangen Semir vorwärts und dieser ergab sich. „Ich hätte schon im Krankenhaus so anpacken sollen, dann wäre ich jetzt schon außer Landes!“ hörte er den Mann hinter sich sagen und die Stimme erkannte er sofort. Das war der falsche Arzt aus dem Krankenhaus. „Vorwärts! Machst du jetzt noch irgendetwas, dann werde ich dich so fertigmachen, dass du deinen Namen vergisst.“ drohte der Mann. Er drückte Semir weiter durch einen dunklen Gang.

    „Darf ich jetzt gehen, oder muss ich ins Gefängnis?“ fragte Marianne leise und Paul lächelte sanft. „Ich habe noch ein paar Fragen und dann dürfen Sie gehen. Kennen Sie jemanden in Ihrem Bekanntenkreis, der einen dunklen Transporter der Marke Fiat fährt?“ Marianne dachte kurz nach. „Nein, tut mir leid. Herr Renner, ich kann Ihnen versichern, dass ich ganz sicher nicht auf Kinder schieße. Ich kenne mich doch gar nicht mit Waffen aus.“ Paul sah sie an und in seinem Gesicht regte sich keine Mine. „Sie müssen es ja nicht selbst getan haben. Vielleicht hatten Sie Helfer. Nein, ich bin mir sogar sicher, dass die Männer, die es getan haben, nicht in eigener Regie gehandelt haben. Sie waren in der Nacht, als mein Partner aus dem Krankenhaus entführt werden sollte, nicht im Krankenhaus?“ Marianne schüttelte den Kopf. „Ich hatte an dem Tag Frühdienst. Aber wenn Sie mir daraus einen Strick drehen wollen, nur zu. Ich habe Zeugen, die bestätigen können, dass ich nichts getan habe.“ Paul nickte leicht. „Natürlich. Sowas höre ich nicht zum ersten Mal. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass ich noch jeden zur Strecke gebracht habe, der etwas auf dem Kerbholz hatte und wenn es um meinen Partner gehe, werde ich zum Tier. Aber gut, wenn Sie wirklich beweisen wollen, dass Sie nichts damit zu tun haben, dann helfen Sie mir!“ Marianne sah ihn erstaunt an. „Wie?“ wollte sie wissen. „Ich bin mir sicher, dass jemand vom Personal im Krankenhaus mit den Entführern meines Partners unter einer Decke stecken. Es kann ein Arzt sein, ein Pfleger oder auch einer der Krankenschwestern. Wenn Sie etwas bemerken, was Ihnen nicht koscher vorkommt, dann rufen Sie mich bitte an. Bitte, egal wie klein oder absurd Ihnen der Hinweis erscheint.“ bat er sie und reichte ihr die Karte. Marianne nahm sie nur zögerlich an. „Ich soll meine Kollegen beobachten und dann verraten?“ hakte sie nach. Paul zog die Schultern hoch. „Sie verraten doch Ihre Kollegen nicht. Sie sollen helfen, ein Verbrechen aufzudecken und das Leben meines Kollegen und Freundes retten. Und wenn Sie wirklich nichts damit zu tun haben, dann entschuldige ich mich aufrichtig bei Ihnen.“ Marianne winkte ab. „Schon gut. Sie machen nur Ihren Job und wenn dann solche Hinweise auftauchen, würde ich der Spur auch nachgehen. Kann ich jetzt gehen?“Paul nickte nur.

    Paul hörte Marianne Wehner genau zu und als sie endete, nickte er. „Ich kenne Ihre Geschichte. Sie wurden von Ihrem Adoptivvater mehrfach sexuell belästigt, nicht wahr?“ Marianne lachte bitter auf. „Er hat sich bei mir das geholt, was meine Adoptivmutter ihm nicht geben wollte oder konnte. Ich habe nach erst nach zwei Jahren den Mut gehabt, das Martyrium zu beenden und habe ihn angezeigt, aber egal was ich auch tat, Walther Wehner blieb auf freiem Fuß. Es wurde keine Anklage erhoben, weil er sehr gute Kontakte in allen Schichten hatte. Besonders der Polizeipräsident gehörte zu seinen Freunden und der verkehrte regelmäßig bei uns. Meine Anzeigen wurden auf meine Vergangenheit geschoben und als Spinnerei abgetan. Ein verwirrtes Mädchen, welches durch ihren Vater gebrochen wurde. Mein Vater hatte mich nie angefasst! Wissen Sie, ich bin immer wieder abgehauen, doch man brachte mich zu ihnen zurück und jedes Mal wurde es schlimmer. Als ich 16 war, wollte ich ausziehen doch mein Vater wollte sein Spielzeug nicht verlieren und hat seinen Wunsch mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln durchgesetzt.“ berichtete die junge Frau. Paul schluckte schwer. Er konnte sich sehr gut vorstellen, durch welche Hölle sie gegangen war. „Sie mussten ihm also weiterhin zu Willen sein? Keiner hat Ihnen geholfen?“ fragte er. Marianne nickte. „2009 schlug dann alles um. Meine Eltern waren auf dem Weg zu einer sehr wichtigen gesellschaftlichen Veranstaltung und natürlich waren die Vorbereitungen meiner Mutter sehr zeitraubend. Ich wurde in mein Zimmer am Bett angekettet, damit ich die Chance nicht nutzen konnte um abzuhauen und das obwohl ich schon 19 war. Walther Wehner hatte es gehasst, wenn er nicht der Erste bei solchen Feiern war und gab Gas. Irgendwie hat er dann die Kontrolle verloren. Der Wagen überschlug sich und meine Eltern starben noch an der Unfallstelle. Als die Polizei mich dann aus meinem Zimmer befreite, war es für mich eine wahre Befreiung. Ich war Alleinerbin und habe alles darangesetzt, dass ich meine Ausbildung abschließen konnte. Und nicht nur das, ich habe einen Großteil meines Erbes in karitativen Einrichtungen gesteckt. Kinderheime, Kindergärten und Krippen. Ich bin Krankenschwester geworden um Menschen zu helfen und ich liebe meinen Job. Ich könnte niemanden etwas Böses antun.“ endete Marianne.

    Paul bemerkte den verbitterten Unterton. Irgendwie verlor er den Glauben daran, dass Marianne Wehner wirklich etwas damit zu tun hatte. Sie schien sogar gelöster zu sein, als sie ihre Geschichte erzählt hatte. „Würden Sie mir bitte die Handschellen abnehmen? Ich habe wirklich nichts getan. Ich schwöre, ich weiß nicht, wo Herr Gerkhan ist.“ Paul nickte nachdenklich. Er schloss die Fesseln auf und nahm sie wieder an sich. „Hegen Sie einen Groll gegen Gerkhan?“ wollte er nun wissen. Marianne schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich? Er hat damals doch nur seinen Job gemacht.“ Paul atmete tief durch. „Sie haben durch meinen Kollegen Ihren Vater verloren und nehmen es ihm nicht übel? Ist er nicht in Ihren Augen schuld an dem, was Ihnen passiert ist? Sie haben meiner Kollegin eine Mappe mit dem Personal der Station ausgehändigt, ist das richtig?“ Marianne Wehner sah ihn an. „Welche Frage soll ich denn nun zuerst beantworten? Also, nein, ich bin nicht wütend auf ihn. Ich nehme es ihm nicht übel, denn wie schon gesagt, hat mein Vater etwas Unrechtes getan. Er hat ein kleines Mädchen getötet, das ist ein abartiges Verbrechen! Ich gebe Herrn Gerkhan keine Schuld an dem, was mir danach passiert ist. Er konnte doch gar nicht wissen, wer mich adoptiert oder ob ich überhaupt adoptiert werde. Er hat in meinen Augen doch alles gemacht, was er tun konnte. Und was die Mappe angeht, ist es korrekt. Ich habe diese Mappe von dem Stationsarzt bekommen und sie weitergegeben.“ Paul nickte. „Und Sie haben die Mappe nicht vorher eingesehen?“ Marianne schüttelte den Kopf. „Nein, warum fragen Sie mich das?“ Paul atmete tief durch. „Wir haben in der Mappe einen Namen von einem Arzt gehabt, der nicht nur nicht auf der Station arbeitet, sondern dem Personalchef absolut unbekannt ist. Damit aber nicht genug. Es war sogar ein Bild von diesem Herrn in der Mappe und ich würde gern wissen, wie das sein kann.“ Marianne lachte auf. „Also ich habe wirklich keine Ahnung, wie das möglich ist. Ich habe die Akte lediglich an Ihre Kollegin weiter gegeben. Mehr nicht.“ Paul sah sie ernst an.

    Kim Krüger zuckte zusammen, als Paul in ihr Büro stürmte. „Herr Renner! Was soll das denn?“ Paul atmete heftig. „Chefin, Marianne Wehner ist eine der Krankenschwestern im Krankenhaus wo Semir und seine Familie waren. Scheint als hat Sandberg Recht. Sie ist vor einigen Jahren schon einmal mit Semir in Kontakt gekommen. Damals war sie neun und wurde von ihm ins Heim gebracht!“ stieß er aus. Kim stöhnte leise auf. „Verdammt! Haben Sie ihre Adresse?“ Paul nickte und hob ein Stück Papier hoch. „Okay, ich informiere das SEK! Sie fahren schon mal vor, aber Sie werden die Wohnung nicht ohne das SEK betreten!“ befahl sie und Paul nickte. Schon verschwand er wieder. Die Fahrt zur Wohnung von Marianne Wehner ging ihm nicht schnell genug und er war nervös. Nur wenige Minuten nachdem er die Adresse erreicht hatte, kam auch das SEK. Gemeinsam ging es zur Tür und die Männer fackelten nicht lange. Einer von ihnen trat gegen die Tür und diese flog mit einem lauten Knall gegen die Wand. Paul trug seine Schutzweste und stürmte mit der Waffe im Anschlag in die Wohnung. In diesem Augenblick kam Marianne Wehner aus der Küche und sah ihn erschrocken an. Sie wich an die Wand zurück und hob langsam die Hände. „Was soll das?“ fragte sie leise und man hörte deutlich die Angst in der Stimme. „Paul Renner, Kripo Autobahn. Sie sind Marianne Wehner?“ fragte Paul und erst jetzt erkannte er tatsächlich die Krankenschwester. Marianne Wehner nickte zögerlich. „Ich erkläre Sie hiermit für verhaftet! Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass alles, was Sie ab jetzt tun oder sagen, gegen Sie verwendet werden kann und wird.“ gab Paul kühl von sich. „Und den Grund für die Verhaftung sagen Sie mir auch?“ wollte sie wissen. Jetzt hatte sie ein wenig Sicherheit gewonnen. „Natürlich. Sie sind verdächtig an dem Anschlag auf die Familie Gerkhan, sowie an der Entführung von Semir Gerkhan beteiligt zu sein.“ erklärte der Polizist und legte ihr Handschellen an.

    Marianne Wehner wurde von Paul nur eine halbe Stunde später in den Verhörraum gebracht. Er drückte sie auf den Stuhl und schloss die Tür. Dann setzte er sich ihr gegenüber. „Wo ist mein Kollege?“ fragte er ohne Umschweife. Marianne sah ihn fragend an. „Bitte wer? Ich weiß nicht wovon Sie reden!“ „Ach nein? Semir Gerkhan! Sie haben erst den Anschlag auf ihn verübt und seine Familie verletzt. Und jetzt haben Sie ihn entführen lassen! Wer sind Ihre Helfer und wo haben Sie ihn hingebracht?“ Marianne lachte wütend auf. „Was soll denn der Mist? Ich habe niemanden entführt und ich habe keinen Anschlag auf irgendwem verübt. Das ist doch totaler Schwachsinn! Wie kommen Sie denn darauf?“ Paul stieß wütend Luft aus. „Sie kennen meinen Partner von früher und Sie haben sich jetzt an ihn gerächt! Sie haben ... .“ Marianne hob die gefesselten Hände. „Das ist Blödsinn! Ich habe nichts getan.“ unterbrach sie ihn. „Tun Sie nicht so, als würden Sie es nicht wissen! Wo ist er?“ Paul stellte sich hin und stützte sich auf dem Tisch ab. Er beugte sich zu Marianne Wehner, zog die Augenbrauen zusammen und sah sie mit einem finster wirkenden Blick an. Marianne atmete tief durch. „Sie haben Recht. Ich kenne ihn aus der Vergangenheit. Er hat meinen Vater verhaftet, als ich neun war. Ich kam ins Heim und wurde drei Jahre später adoptiert. Mein Vater starb im Gefängnis und Ihnen dürften die Hintergründe auch bekannt sein. Das einzige was mir von meinem leiblichen Vater geblieben ist, ist mein Vorname. Ich heiße jetzt Wehner und nicht mehr Reich. Aber nur, weil ich ihn kenne, ist es kein Beweis, dass ich irgendwas Unrechtmäßiges getan habe!“ Paul Renner sah sie unbeeindruckt an. Marianne senkte den Kopf. „Wissen Sie, mein Vater hat ein furchtbares Verbrechen begangen und dafür musste er büßen. Da ich seine Tochter war, habe auch ich es zu spüren bekommen. Die Erzieher im Heim haben mich nicht besonders gut behandelt und ich war froh, als ich adoptiert wurde. Leider kam ich vom Regen in die Traufe, denn meine Adoptiveltern haben mich mit Liebe überschüttet. In jeder Hinsicht.“ erklärte sie. In ihrer Stimme klang ein verbitterter Ton mit und der Mann vor ihr schien es mitbekommen zu haben.

    Denn da sind oft viele Fehler drin, oder Wörter zusammen geschrieben, oder es fehlen einfach Buchstaben. Oder es ist doppelt gemoppelt. Das passiert bei den anderen Autoren auch mal, aber bei dir ist schon extrem viel.

    Danke für den Tipp. Das werde ich mir zu Herzen nehmen. Hatte ja eine Betaleserin, aber scheinbar hat sie diesen Fehler auch nicht gesehen.

    Semir wurde von einem seiner Entführer gefesselt. Damit der Polizist nicht auf die Idee kam, sich zu wehren, kniete er auf dessen Rücken und drückte das Knie fest gegen die Wirbelsäule. Semir stöhnte leise auf. Eine Hand packte sein linkes Handgelenk und drehte es auf den Rücken. Sein Gegner drückte den Arm hoch. „Den anderen Arm auf den Rücken! Mach schon!“ fauchte der Mann und verlieh dem Befehl noch mehr Nachdruck indem er den Arm verdrehte. Semir folgte dem Befehl und nur wenig später wurde ein dünnes Seil um seine Handgelenke gewickelt. Die Knoten wurden fest angezogen. Nur wenig später verschwand der Druck in der Wirbelsäule und er hörte, wie der Mann wohl auf den Beifahrersitz kroch. „Der ist sicher!“ gab Mann von sich und er richtete sich langsam auf. Um ihn herum war es dunkel. Semir schloss die Augen und holte tief Luft. Er brauchte noch eine Weile um sich zu erholen. Seine Sorge um Paul, der bewusstlos zurückgelassen wurde, wuchs. Hoffentlich kam jemand vorbei und bemerkte den Unfall. Er wusste nicht, wie schwer Paul verletzt wurde, aber er war auf jeden Fall ein Fall für einen Arzt. Er war so in Gedanken, dass er kaum mitbekam, dass die Fahrt sich dem Ende nahte. Für ihn wurde es Zeit endlich etwas gegen die Fesseln zu tun. Er konzentrierte sich und tastete die Wand ab. Vielleicht fand er eine günstige Stelle an der er das Seil durchscheuern konnte. Während er die Wand untersuchte, sah er immer wieder zu seinen Gegnern, ob sie auf ihn aufmerksam wurden. Doch scheinbar waren die Männer sich sicher, dass er nichts unternahm. Endlich fand er eine geeignete Stelle und hoffte, dass ihm nun genügend Zeit blieb, um die Fesseln durchzuscheuern. Nach guten zehn Minuten wurde der Wagen langsamer und Semir arbeitete schneller. Seine Mühe wurde belohnt, denn nur wenig später gab es einen Ruck. Der Wagen hielt und die Türen klappten. Okay, jetzt musste er schnell sein. Sobald die Kerle zu ihm rein kamen, musste er zuschlagen. Er legte sich mittig vor die Türen und zog die Beine an. Sobald die Verriegelung der Türen nun betätigt wurde, würde er zutreten und dann nichts wie weg.


    Paul hatte sich erfolgreich gegen das Krankenhaus gewehrt und saß nur eine Stunde nach dem Unfall im Büro von Kim Krüger. „Nein Chefin! Das war ein abgekartetes Spiel. Die Kerle müssen uns gefolgt sein!“ fauchte Paul und seine Hand ging zu seinem Kopf, der mit einem dicken Verband geschmückt war. „Okay, was sagt denn der Zeuge?“ wollte Kim Krüger wissen. „Er hat gesehen wie ein Transporter abfuhr. Außerdem wie zwei Männer einen Dritten auf die Ladefläche des Transporters verfrachteten. Das war Semir! Und wir müssen alles tun, um ihn zurück zu holen!“ Paul stöhnte auf. „Wollen Sie nicht lieber nach Hause gehen? Der Arzt sagte mir, dass Sie eine Gehirnerschütterung und eine schwere Rippenprellung abbekommen haben. Sie brauchen Ruhe. Was ist denn mit dem Handy von Gerkhan?“ Kim hörte sich besorgt an. „Ganz bestimmt würde sie mir gut tun, aber ich muss Semir finden! Wir wissen doch beide, was die Kerle mit ihm anstellen werden! Sie werden ihn umbringen und das müssen wir verhindern! Das Handy lag im Auto. Ich vermute, dass er es verloren hat, als wir gegen den Baum krachten.“ fauchte Paul wütend. Kim stöhnte leise auf. „Renner, Sie können doch nichts tun. Wir wissen nichts über die Täter. Und Gerkhan kann überall sein, wenn man ihn nicht schon umgebracht hat.“ erklärte sie leise. Paul schüttelte den Kopf. „Wenn die Semir hätten töten wollen, dann hätten sie ihn schon im Krankenhaus erschießen können, oder aber nach dem Unfall. Irgendwer will ihn in seine Hände bekommen und die Zeit drängt!“ Kim nickte „Wir haben bereits alle Auf- und Ausfahrten an der Autobahn gesperrt und suchen die abgelegenen Orte ab. Mehr können wir nicht machen.“ Paul sah seine Vorgesetzte an. „Ich weiß…“ gab er von sich. „Was wollen Sie denn jetzt machen?“ wollte Kim wissen, als Paul aufstand. „Ich will sehen, ob Susanne den Besitzer des Transporters schon hat. Es ist die einzige Spur, die wir haben.“ Er verließ das Büro von Kim und ging zu Susanne, die auf ihren PC starrte. „Hast du schon etwas?“ wollte er von ihr wissen. „Leider nein. Aber es läuft noch.“ Paul nickte und ging zu Thilo. „Hast du was für mich? Wie weit bist du mit dem Krankenhauspersonal?“ wollte er wissen. „Ich habe alle durch.“ Paul stöhnte auf. „Und ist eine der Krankenschwestern vielleicht daran beteiligt?“ Thilo sah ihn erstaunt an. „Nein, weder Marianne Wehner noch Julia Herbst haben irgendwas auf dem Kerbholz.“ Paul sah ihn erstaunt an. „Wie waren die Namen?“ „Marianne Wehner und Julia Herbst.“ wiederholte der junge Mann. „FUCK!“ fauchte Paul, rannte in sein Büro und kramte die Adresse von Marianne Wehner raus. Nur wenig später rannte er in das Büro von Kim Krüger.

    Paul fluchte verhalten als der Wagen ihn rammte. „Verdammt! Was soll das denn?“ fauchte er wütend und zeigte dem Fahrer des anderen Fahrzeugs einen Vogel. Er hatte arge Probleme den Wagen auf der Straße zu halten. Der Wagen rammte ihn ein zweites Mal und den Hauptkommissaren war nun ganz klar, dass es ernst wurde. Semir schnallte sich los und zog seine Waffe. Er zielte und schoss, als er eine gute Schussposition hatte. Nur Sekunden darauf sah er, wie die Scheibe des Fahrzeugs splitterte. Paul sah, dass der Wagen nun zurückfiel und nickte Semir zu. Doch nun bekam der Mann Hilfe. Ein Van raste an beiden Fahrzeugen vorbei und scherte dicht vor Paul ein. „PAUL!!“ schrie Semir und hielt sich fest. Paul ging in die Eisen, verriss das Lenkrad und der Wagen kam von der Straße ab. Der Mercedes raste über das Feld und Paul versuchte abzubremsen, doch er hatte keine Kontrolle mehr über den Wagen. Das einzige was er tun konnte, war den Wagen wenigstens in der Spur zu halten. Er sah nach hinten, ob der Unfallverursacher ihn folgte. „PAUL!! DER BAUM!! VORSICHT!!“ schrie Semir und Paul sah nach vorn. Zu spät. Nur wenig später rammte der Mercedes frontal auf die alte Eiche zu, die mitten im Feld stand. Paul riss seine Arme hoch und wurde mit großer Wucht in den aufgeblasenen Airbag geworfen. Auch wenn dieser den Stoß minderte, machte Paul schmerzhaft mit dem Lenkrad Bekanntschaft. Er lehnte sich zurück und sah zu Semir. Dieser lag fast im Fußraum, da er nicht angeschnallt war, wurde jedoch nicht verletzt. Sein Fluchen erfüllte den Wagen und Paul grinste trotz Schmerzen. „Oh verdammt, das wird der Chefin nicht gefallen.“ stöhnte Semir und quälte sich aus den Fußraum. Die beiden Hauptkommissare haben sich von dem Unfall noch nicht erholt, als die Türen aufgerissen wurden. Paul wie auch Semir wurden gepackt und wehrten sich doch plötzlich schrie Paul auf. Semir sah kurz hin und bekam noch mit, die sein Partner zu Boden ging. „PAUL!“ schrie er und wollte hin, doch nun wurde er von seinem Gegner mit einem gemeinen Tiefschlag von den Beinen geholt. Er krümmte sich zusammen und versuchte heraus zu finden, was mit Paul war, doch der Mercedes verbaute seine Sicht. Plötzlich wurde er auf die Beine gezerrt und sein Arm auf den Rücken gerissen. „Du wirst jetzt mit uns kommen! Wenn du nicht spurst, dann werden wir deinen Freund eine Kugel in den Schädel jagen! Hast du mich verstanden?“ Semir antwortete nicht und wurde von dem Mann vorwärts gedrückt. Doch als sie weit genug von Paul weg waren trat er aus. Ein Aufschrei sagte ihm, dass er seinen Gegner getroffen hatte, doch der Griff lockerte sich nicht. „Verdammt, mir reicht es!“ fauchte dieser und schlug Semir mit der Waffe ins Genick, doch Semir verlor das Bewusstsein nicht. Er war lediglich paralysiert und wurde von den Männern brutal über das Feld zur Straße gezerrt.

    René Klausen war gerade auf der A4 unterwegs und wollte nach einem harten Arbeitstag nach Hause. Er hatte sich heute über seine Kollegen geärgert und war entsprechend genervt. Als er nun an der Baustelle vorbeikam, die ihn schon seit Wochen nervte, war es der letzte Funke, den erbrauchte um verbal zu explodieren. „Man, wann zum Teufel werdet ihr endlich damit fertig. Das dauert jetzt schon ein halbes Jahr!“ fluchte er wütend. Dass es niemand hörte, störte ihn nicht, aber es machte ihm Luft. Er drosselte das Tempo entsprechend der Geschwindigkeitsbeschränkung und fuhr langsam an der Baustelle vorbei. Nachdem er sie hinter sich gebracht hatte, beschleunigte er wieder. Sein Handy klingelte und er war für wenige Augenblicke abgelenkt. Er wollte gerade die Freisprecheinrichtung anschalten, als das Kreischen von Metall auf Metall seine Aufmerksamkeit weckte. Was er vor sich sah, konnte er nicht glauben. Da rammte der eine Wagen einen Mercedes und ein zweiter mischte mit. Sofort wies er den Anruf ab und wählte den Notruf. Solche Idioten hatten ihm gerade noch gefehlt. Während die Notrufzentrale alles Weitere in die Wege leitete sah er, wie der Mercedes von der Straße abkam und nur wenig später gegen einen Baum prallte. „Oh verdammt!“ stieß René aus. Er fuhr rechts ran und schaltete die Warnblinker an. Als er ausstieg, sah er zwei Männer, die einen dritten mit sich schleppten auf die Straße kommen. Im ersten Augenblick dachte er, dass es sich bei dem Dritten um den Fahrer des Mercedes handelte, den seine Freunde nun vom Unfallort wegholten, um ihn vor der Polizei zu schützen. Diese Idioten, dachte René. Wenn sie schon tranken, dann sollten sie die Finger wenigstensvom Lenkrad lassen. Doch dann revidierte er diese Vermutung, denn er sah, wie die Beiden, den Dritten brutal auf die Ladefläche warfen und bevor er den Wagen erreichte, fuhren sie davon. René sah geistesgegenwärtig auf das Nummernschild und merkte es sich. BM – DS – 2506, sagte er sich immer wieder und ging zum Mercedes. Als er den Wagen erreichte, sah er eine weitere männliche Person vor dem Wagen liegen. „Hey! Hören Sie mich? Ich habe die Polizei schon informiert. Hey…hallo?“ Er schüttelte den Mann, der bewusstlos war und tatsächlich öffnete er die Augen. „Semir!“ stieß der Mann aus. „Ich bin René Klausen. Sie sollten ruhig liegen bleiben, bis der Arzt da ist. „Semir!“ wiederholte der Mann. Seine Hand ging zum Kopf und als er die Platzwunde, die René bereits entdeckt hatte, berührte zuckte er zusammen. „Ich verbinde Ihnen die Wunde.“ Erklärte Rene und holte kurzerhand den Erste-Hilfe-Koffer aus dem Mercedes. Nachdem die Wunde versorgt war, half er den Verletzten sich gegen den Mercedes zu lehnen. „Wo ist Semir?“ wollte dieser wissen. René sah ihn an. „Wer ist Semir?“ wollte er wissen, denn außer ihm und den Verletzten war niemand hier. „Mein Freund… er war im Auto…“ kam stöhnend von dem Mann. Die Rettung nahte und der Notarzt zog ihn zur Seite. „Lassen Sie mich ran!“ forderte er freundlich und kümmerte sich um den Verletzten. „Der Mann war bewusstlos, als ich hier ankam. Ich habe die Kopfwunde notdürftig versorgt.“ Der Notarzt nickte und wandte sich an den Verletzten.

    Heute mal ein etwas längerer Teil und jetzt geht die Action los :D

    Paul kam ebenfalls aus dem Büro von Kim und sah sich suchend nach Semir an. „Hey, alles in Ordnung?“ wollte er wissen, als er ihn gefunden hatte. Semir nickte. „Klar. Das war Ben. Er wollte wissen, ob alles in Ordnung und wie der Ermittlungsstand ist.“ Paul nickte. „Dein Freund und ehemaliger Partner?“ hakte er nach. „Genau.“ lächelte Semir. „Okay! Dann komm jetzt mit ins Büro. Ich will wissen, was Thilo hat.“ Semir nickte und folgte seinem Partner. Als sie das Büro betraten, saß Thilo am PC und sah sich irgendwelche Daten an. „Hallo Thilo.“ begrüßte Semir ihn und der junge Mann drehte sich zu ihm um. „Semir, schön dich zu sehen. Ich glaube, ich muss dir einiges erklären, oder?“ Semirs sah ihn ernst an. „Du meinst die Lüge, die du mir auf dem Fest erzählt hast? Das musst du selbst wissen. Es ist etwas enttäuschend aber es wird mich nicht umbringen. War deine Geschichte, die den Hintergrund bildete eigentlich real oder war es auch erfunden?“ Thilo stand auf. „Ich … ähm… nein die Geschichte meiner Familie hat sich wirklich so zugetragen. Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Es tut mir wirklich leid, dass ich dich angelogen habe. Es tut mir auch leid, was du durchmachen musstest, die Sache im Krankenhaus und…“ Semir nickte. „Ist gut. Was hast du denn bisher herausgefunden?“ Thilo holte Luft. „Also ich bin mir eigentlich fast sicher, dass es sich bei dem Täter um die Tochter des Reich handelt. Sie hat ein verdammt gutes Motiv, sich an dich zu rächen.“ „Du meinst Marianne Reich, bzw. Marianne Wehner?“ Thilo nickte. „Ja, genau.“ Semir sah kurz zu Paul. „Okay, und warum?“ Thilo sah ihn an. „Wie warum? Du hast dem Mädchen den Vater genommen. Du hast sie ins Heim gebracht und dort war es sicher nicht einfach. Das ist doch ein Grund sich jetzt zu rächen.“ Semir nickte nachdenklich. So abwegig war der Verdacht ja nicht. „Okay, es kann sein. Wir werden es sicher noch herausfinden. Du kannst dich jetzt wieder an Jennys Schreibtisch setzen und dort weitermachen. Ich muss ja auch irgendwo hin.“ lächelte Semir und Thilo nickte. Er stand auf und verließ das Büro.

    Dean zog sein Handy. „Wo bist du?“ wollte er von Bastian wissen, als er sich meldete. „Ich stehe vor dem Revier. An das Boot ist kein rankommen. Die sind jetzt zum Revier gefahren und machen jetzt wohl ihren Dienst. Scheinbar aber Innendienst, denn ich stehe jetzt hier schon seit drei Stunden und bisher sind sie nicht rausgekommen.“ berichtete sein Komplize. „Okay, hör zu. Der Boss wird langsam ungeduldig und wir müssen jetzt handeln. Ich komme zu dir und wenn die dann zum Boot wollen, werden wir ihn auf der Autobahn krallen. Wir schieben sie von der Bahn und holen ihn dann aus dem Auto. Mir ist es ehrlich egal, ob er sich verletzt oder nicht.“ legte Dean fest. „Verstanden. Ich stehe auf dem Parkplatz direkt neben der Polizeidienststelle. Kommst du mit deinem Van?“ wollte Bastian wissen. „Ja!“ antwortete Dean. Nur wenig später war das Gespräch beendet und Dean packte ein paar Sachen ein. Zehn Minuten später war er unterwegs und traf nach 15 Minuten Fahrt auf dem Parkplatz ein. Bastian stand im Gebüsch und er ging ebenfalls hin. „Hey, wie sieht es aus?“ wollte er wissen. Bastian sah ihn an. „Langweilig. Die sitzen im Büro und sichten irgendwelche Akten.“ murmelte sein Freund und reichte ihm das Fernglas. Dean sah hindurch und machte das Fenster aus, hinter dem Gerkhan und sein Partner saßen. „Okay, ich hoffe die machen heute keine Überstunden. Sobald sie losfahren hängen wir uns ran. In einem günstigen Moment rammst du sie von der Straße und dann packen wir ihn ein.“ Bastian nickte. „Und was ist mit seinem Partner?“ Dean grinste leicht. „Den lassen wir liegen. Notfalls erschießen wir ihn. Wichtig ist, dass wir den Boss zufriedenstellen. Der scheint eine ganz schöne Wut auf den Bullen zu haben und ich würde alles dafür geben, zu erfahren, was er getan hat. Hast du geklemmte Kennzeichen?“ Bastian sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Ist doch eigentlich egal. Der Boss wird seinen Grund haben. Wer sollte uns sehen? Und wenn, dann entsorge ich die Karre einfach.“ knurrte er und machte sich wieder daran, das Bürofenster zu beobachten. „Okay, sag mir Bescheid, wenn es losgeht!“ befahl Dean und ging zu seinem Wagen zurück und setzte sich rein. Nun hieß es warten.

    „Was machen wir denn jetzt mit Thilo?“ wollte Semir wissen, der natürlich bemerkte, dass es dem jungen Kollegen nicht besonders gut ging. Paul zog die Schultern hoch. „Ich weiß es nicht. Ich will ihn nicht in der Nähe deiner Familie haben, denn ich traue ihm nicht. Wir sollten ihn noch mit ein paar Akten von dir konfrontieren. Die kann er ja auch an dem Schreibtisch durchsehen.“ schlug er vor. Semir war damit einverstanden und ging zu Thilo, der ihn ansah. „Hey…“ meinte er kurz. „Hi…“ gab Thilo von sich. „Du langweilst dich, oder?“ Thilo nickte. „Semir, ich … ich möchte dich wissen lassen, dass ich absolut gar nichts mit dem Anschlag auf dich und deiner Familie zu tun habe. Ich wusste auch nicht, dass du aus dem Krankenhaus geholt werden solltest. Wirklich, du musst mir glauben.“ Semir sah kurz zu Paul und setzte sich dann an Thilos Seite. „Thilo, ich würde dir gern glauben. Aber es sind einfach zu viele Zufälle aufgekommen. Du hast mich angelogen. Du hattest sehr oft die Chance, etwas zu tun. Als ich aus dem Krankenhaus geholt werden sollte, warst du nicht da. Das fällt natürlich auf.“ erklärte Semir sachlich. Thilo sah ihn an. „Das ich auf dem Klo war ist wirklich ein Zufall gewesen. Ich hatte Magenschmerzen und ich musste einfach. Und dann hat Schwester Julia mich noch aufgehalten. Wir haben ein bisschen geplaudert. Mehr nicht. Wenn ich gewusst hätte, dass du in Gefahr bist, wäre ich doch sofort zu dir gekommen.“ beschwor der junge Mann. Semir lächelte leicht. „Davon gehe ich aus. Was hast du denn so mit Julia geredet?“ „Über belanglose Dinge. Dienstzeiten und so. Es war eigentlich langweilig und ich wollte nach fünf Minuten auch gehen, aber sie hat mir dann Fragen gestellt, die ich natürlich beantwortet habe. Und was soll ich jetzt machen?“ Semir lächelte leicht. „Nun, wie wäre es, wenn du noch ein paar Akten sichtest? Paul sagte mir, dass du darin sehr genau bist und vielleicht bin ich wirklich blind, was das angeht.“ schlug der Hauptkommissar vor. Thilo lächelte leicht und nickte. „Klar. Mach ich.“

    Semir ging etwas nachdenklich zu Paul zurück. Dieser bemerkte natürlich, dass seinem Partner etwas quälte. „Was ist?“ wollte er deshalb wissen. „Thilo erzählte mir gerade, dass er nach der Toilette von Schwester Julia aufgehalten wurde.“ Paul nickte. „Ja, das weiß ich. Er hat mit ihr wohl geflirtet.“ Semir lachte leise auf. „Würdest du mit deinem Flirt über Arbeitszeiten sprechen?“ Auch Paul lachte. „Nun ja, ich nicht. Aber ich bin ja auch nicht Thilo. Semir, er hat mit Sicherheit etwas damit zu tun. Ich meine, überlege doch mal. Erst lügt er dich an, dann lässt er Jenny allein obwohl er weiß, dass es gefährlich ist. In dem Augenblick, als der Arzt aus der Mappe verschwunden ist, war er allein am Tisch. Er hätte die Mappe austauschen können. Jenny und ich waren bei dir.“ Semir nickte nachdenklich. „Das ist gut möglich. Aber auch das Klinikpersonal wäre dazu fähig gewesen.“ Paul sah ihn an. „Deshalb habe ich Thilo darum gebeten, dass das Personal vom Krankenhaus zu prüfen. Aber vielleicht hat er ja schon damit angefangen. Fragen wir ihn.“ Paul stand auf und ging nun gemeinsam mit Semir zu Thilo. „Sag mal, Thilo. Hast du schon das Personal aus dem Krankenhaus überprüft?“ wollte er wissen. „Ja, ich habe die Ärzte und die Pflegekräfte überprüft. Nichts. Absolut gar nichts.“ Die Hauptkommissare tauschen einen Blick. „Okay, danke Thilo. Gute Arbeit.“ lobte Paul seinen jungen Kollegen. Er wandte sich zu Semir. „So, für dich ist für heute Schluss. Du bist noch nicht fit genug, dass du den ganzen Tag hierbleiben kannst. Ich bringe dich aufs Schiff.“ Semir sah ihn an und nickte dann. Nur wenig später verließen sie die PAST und stiegen in den Mercedes ein. Dass man sie beobachtete, bemerkten sie nicht.

    Bastian Fringer hatte sich in einem Gebüsch dicht bei der Dienststelle der Autobahnpolizei postiert und hielt sich sein Fernglas an die Augen. Zwar hätte er auch ohne diese Sichthilfe genügend erkannt, doch er liebte diese Spielerei. Endlich tat sich etwas, denn die Männer im Büro standen auf und hatten auch ihre Jacken an. Sofort griff er zum Funkgerät, welches er von Dean bekommen hatte. „Sie kommen!“ gab er durch und Dean bestätigte es mit einem kurzem „Okay!“ Bastian packte alles ein und sah wie Gerkhan und sein Partner in den Mercedes stiegen und abfuhren. Sofort rannte er zu seinem Wagen und hängte sich an. Seinen Freund sah er nur wenig später im Rückspiegel. Er nahm erneut sein Funkgerät. „Wie wollen wir es anstellen?“ fragte er. Es rauschte kurz im Gerät und dann ertönte Deans Stimme. „Wir warten auf einen günstigen Augenblick. Möglichst keine Zeugen! Du wirst den Wagen dann von der Straße schieben!“ befahl sein Freund. Bastian grinste leicht. „Alles klar, dann würde ich das Stück von Kilometer 408 bis 426. Das ist direkt nach der Baustelle. Wir können sie dann auf das Feld schicken.“ schlug er vor. Wieder rauschte es. „Alles klar!“ gab Dean von sich. Sie hielten den Sicherheitsabstand wie auch die Geschwindigkeit genau ein, damit sie nicht vorher schon auffielen. Dann war es soweit. Bastian fuhr dicht auf den Mercedes und überholte. Er beschleunigte und wartete bis er auf gleicher Höhe war und zog dann auf die rechte Spur. Der Fahrer sah ihn erschrocken an, als er den Wagen berührte und fluchte stumm. Er grinste leicht. Er lenkte nach links und direkt wieder nach rechts. Das Blech seines und auch des Mercedes verformte sich. Blech kreischte und der Außenspiegel des Mercedes löste sich vom Fahrzeug. Doch dann sah er, wie Gerkhan die Waffe zog und auf ihn zielte. Sofort bremste er den Wagen ab und ging in Deckung. Es klirrte und seine Seitenscheibe zersprang in tausend Stücke. Doch Bastian ließ sich nicht von seinem Vorhaben, den Wagen aufs Feld zu schieben, abbringen. Und jetzt schaltete sich auch Dean ein. Er überholte Bastian und schnitt den Mercedes. Der Fahrer bremste instinktiv und lenkte nach rechts. Der Wagen kam von der Straße ab und verlor den Kontakt zur Straße. Der Mercedes raste auf das Feld und wurde von einem Baum, welcher auf dem kleinen Feld stand, gestoppt.

    Als sie gegessen hatten, wusch Paul das Geschirr und sie genehmigten sich noch ein Glas Cola. „Okay, das Beste wäre, wenn ich allein zu dieser Marianne fahre. Ich meine, wenn sie wirklich eine der Täterinnen ist, dann will ich ihr nicht in die Hand spielen, wenn du mit in ihr Haus kommst. Versteh mich bitte nicht falsch, aber ich denke es ist das Beste, wenn du hierbleibst.“ Semir sah seinen Partner erstaunt an. „Wieso das denn? Und ich glaube immer noch nicht, dass sie damit etwas zu tun hat.“ Paul stöhnte auf. „Semir, überlege doch mal. Wir wissen nichts vom Gegner. Irgendwo müssen wir ansetzen und sie wäre die erste Möglichkeit es zu versuchen.“ Semir stand mit verschränkten Armen in der Tür und sah ihn böse an. Paul nickte ergeben. „Also gut, fahr mit und dann können wir sie gemeinsam fragen.“ Nur wenig später fuhren sie los. Semir saß wieder auf dem Beifahrer, was ihm nicht wirklich passte. Sie brauchten eine gute Stunde bis sie an der genannten Adresse waren, da sie einmal ganz durch Köln mussten. Doch an dem Haus angekommen hatten sie leider Pech. Die Bewohnerin war nicht zuhause und Nachbarschaft war hier nicht ersichtlich. Das nächste Haus war einige hundert Meter entfernt. „Tja, dann hinterlassen wir am besten eine Nachricht, dass sie sich bei uns meldet.“ schlug Paul vor. Semir sah sich um. „Das können wir gern machen. Sie wird sich bestimmt melden, sobald sie wieder zuhause ist.“ stimmte er zu. „Okay, dann fahren wir jetzt zur PAST, wenn du willst. Da können wir dann ja noch etwas machen. Außerdem will die Krüger dich sicher auch sehen.“ Wieser nickte Semir und sie fuhren los. In der PAST wurden sie direkt zu Kim Krüger zitiert. „Herr Gerkhan, schön Sie wohlauf zu sehen.“ begrüßte Kim ihn und reichte ihm die Hand. „Danke Frau Krüger. Meine Familie ist im Savehouse angekommen.“ Kim lächelte leicht. „Ich weiß. Ich habe eben auch von den Beamten vor Danas Tür erfahren, dass auch dort alles in bester Ordnung ist. Es darf nur ein Arzt zu ihr und eine Schwester mit dem Namen Julia. Ich denke, die ist Ihnen auch schon bekannt.“ Semir nickte. „Ja, die Dame war auch bei uns auf der Station.“ bestätigte Semir. „Wie machen wir denn jetzt weiter?“ hängte er fragend an.

    „Nun, das ist einfach. Herr Sandberg und Herr Renner haben sich die alten Fälle angesehen und daraus sicher den einen oder anderen Tatverdächtigen herausgefunden. Sie werden sie abklappern und Sie, Herr Gerkhan, werden immer an Renners Seite sein. Sie werden keinen Schritt ohne ihn machen und Sie werden eine schusssichere Weste tragen.“ Semir sah seine Vorgesetzte an. „Verstanden.“ gab er von sich. Sein Handy klingelte. „Das ist Ben…“ erklärte er, stand, verließ das Büro von Kim und meldete sich. „Ben! Schön dass du anrufst.“ „Hi, sorry wollte ich eigentlich schon längst gemeldet haben, aber hier war ein so heftiges Unwetter, dass kein Handy funktionierte. Wie schaut es aus an der Front?“ Semir lächelte leicht. „Nicht sehr gut. Hier ist einiges passiert.“ gab er zu verstehen. „Okay, und was ist passiert?“ Semir erzählte seinem Freund was er bisher durchmachen musste und Ben war hörbar bestürzt über das Geschehen. „Verdammt! Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sofort zu dir kommen. Habt ihr denn schon eine Spur?“ „Leider nein. Wir suchen die Nadel im Heuhaufen. Ich habe ja nicht gerade wenige ins Gefängnis gebracht. Aber wir sind uns sicher, dass einer von ihnen dahintersteckt. Ich stehe jetzt unter persönlichen Schutz von meinem Partner und Andrea ist mit den Kindern im Savehouse.“ Ben schwieg einen Augenblick. „Oh man! Kann ich irgendwie helfen?“ Semir lächelte leicht. „Ich wüsste nicht wie. Aber mach dir nicht so viel Sorgen. Ich krieg das schon hin.“ versprach er. „Das will ich hoffen. Wenn alles gut geht, dann komme ich in drei Wochen nach Köln. Dann machen wir die Stadt unsicher, wenn du Lust dazu hast.“ schlug sein Expartner vor. „Ich würde mich freuen, wenn wir das tun.“ gab Semir zu. „Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen. Wir müssen noch etwas tun.“ erklärte er. „Geht klar. Dann lass den Kopf nicht hängen und schnapp dir die Kerle, okay. Aber sei bitte vorsichtig.“

    Semir sah sich noch einmal um. „Du hast es echt gemütlich hier.“ gab er zu und Paul grinste breit. „Ja, nicht wahr? Damit war ich schon in Italien und in Spanien.“ Semir sah ihn erstaunt an. „Du bist damit auf See gewesen?“ hakte er etwas ungläubig nach. „So richtig gesegelt?“ Paul lachte auf. „Das ist doch keine Segelyacht. Die Bounty hat einen starken Motor und der muss gefordert werden. Aber ich gebe zu, dass ich bei Wind auch schon die Segel gehisst habe und mich einfach treiben ließ. Das nächste Mal will ich ins Surferparadies nach Hawaii.“ gab er zu. Semir sah ihn skeptisch an. „Du willst mit dem Boot nach Hawaii? Das dauert doch ewig. Warum fliegst du nicht dahin?“ Paul zog die Schultern hoch. „Fliegen tut doch jeder. Nee, ich denke, dass ich das mit der Bounty mache. Willst du mitkommen? Es gibt wirklich nichts Schöneres, als sich über das Meer zu schippern.“ Semir ließ sich auf die Couch fallen. „So viel Urlaub hast du doch gar nicht, dass du so eine Reise machen kannst.“ grinste er frech. „Wenn du erst einmal mit dem Schiff auf dem Meer warst, die unendliche Weite genießen kannst. Meer, Sonne und kein Land in Sicht… es ist einfach nur herrlich.“ schwärmte Paul weiter. „Nee, das ist nichts für mich. Ich brauche Land unter meinen Füßen. Ich bin keine Wasserratte.“ „Echt nicht? Aber du bist doch, wenn du in der Türkei bist, im Wasser oder?“ Semir zog die Schultern hoch. „Das ist doch was ganz Anderes. Dann habe ich Urlaub und dazu gehört es eben im Meer zu baden. Aber ich kann das Land sehen.“ Paul lachte auf. „Du bist echt eine Landratte. Wir haben noch etwas Zeit. Was hältst du davon, wenn wir noch schnell was essen und dann fahren wir zur PAST?“ Semir war einverstanden und schon fing Paul an in der Kombüse zu arbeiten. Semir stand in der Tür und sah seinem Partner zu, wie er sich in der engen Küche kochte. Semirs Handy klingelte und er meldete sich.

    „Hallo Semir, ich bin es! Ich habe jetzt Neuigkeiten über diese Marianne Wehner. Sie wohnt in der Pater-Richter-Str. 43 in Köln-Porz. Übrigens war es keine unbeschwerte Kindheit, die Marianne Wehner hatte. Sie hat mehrfach Anzeige gegen Walther Wehner gestellt. Angeblich soll er sie sexuell missbraucht haben. Allerdings hat man ihre Aussagen auf das psychotische Drama in ihrer Kindheit zurückgeführt. Keine der Anzeigen führten zu einer Untersuchung. Das kann allerdings auch daran gelegen haben, dass der Mann, der die Anzeigen bearbeitet hat, ein sehr guter Freund von Walther und Rosa Wehner war.“ berichtete Susanne. „Ach du Scheiße!“ stieß Semir aus und Paul sah ihn erstaunt an. „Danke Susanne…“ Semir beendete das Gespräch. „Was ist denn?“ Semir holte tief Luft. „Diese Marianne. Sie wurde von mir ins Heim gebracht. Musste dort durch eine Hölle gehen, weil ihr Vater ein Straftäter war und bei ihrem Adoptivvater war es nicht besser. Der Kerl hat sie mehrmals sexuell belästigt. Zumindest wurden mehrere Anzeigen seitens Marianne gestellt. Aller wurde fallen gelassen, weil man es auf ihre Vergangenheit schob. Was für ein Scheiß Leben! Und das habe ich ihr zugefügt.“ stieß Semir aus. Paul hörte das Semir sich tatsächlich Vorwürfe machte. „Jetzt ist aber gut, ja? Daran trägst du doch keine Schuld. Letztens hast du doch noch gesagt, dass du nur deinen Job gemacht hast und jetzt gibt du dir die Schuld.“ versuchte er seinen Partner zu überzeugen. Semir sah ihn an. „Hast du eine Adresse?“ wollte Paul wissen und wandte sich wieder den Töpfen zu. „Ja, sie wohnt immer noch im Haus ihrer Eltern in Köln Porz. Wir könnten direkt hinfahren.“ Paul nickte nachdenklich. „Okay, wenn wir sie jetzt antreffen. Weißt du, ob sie berufstätig ist?“ Semir schüttelte den Kopf. „Das ist alles, was Susanne herausgefunden hat.“ Paul stellte die Teller auf den Tisch und füllte sie mit dem, was er gekocht hatte. Als Semir es sah, grinste er leicht und stocherte mit der Gabel darin herum. „Was genau ist das?“ fragte er und Paul zog die Schultern hoch. „Keine Ahnung, aber es ist ohne Schwein.“ grinste er.

    Semir sah kurz zu Paul als er das Gespräch mit Susanne beendet hatte. „Und?“ wollte dieser wissen. „Tja, mehr als die Namen hat sie nicht. Walther und Rosa Wehner haben Marianne adoptiert. Die Beiden waren schon älteren Semesters. Er war 59 und sie 63 und haben sie kurz vor ihrem 12. Geburtstag aus dem Heim geholt.“ berichtete Semir. „War?“ hakte Paul nach. „Die Beiden sind 2009 bei einem Autounfall verstorben.“ Paul sah ihn wieder kurz an. „Okay, das ist ja auch nicht gerade das perfekte Leben. Dann war Marianne 19 als sie wieder allein war.“ dachte er laut nach. „Ja, genau. Da die Wehners sonst keine Kinder hatten, war sie Alleinerbin. Die Wehners waren sehr gut betucht, wie Susanne es bezeichnete. Mehr ist leider nicht zu finden. Oder besser bis jetzt. Susanne wird jetzt Marianne Koch bzw. Marianne Wehner überprüfen.“ endete Semir. Paul fuhr von der Autobahn und war nur wenig später auf der Straße die direkt in den Hafen führte. Bisher hatte Semir seinen Partner nicht besucht, denn freie Zeit war selten. Er schnappte sich seine Tasche und lief hinter Paul her. „Whow, sieht ja echt gut aus.“ meinte er, als sie vor dem Schiff standen. „Ja, das ist meine Bounty…“ strahlte Paul stolz. Er hob die Hand und ließ den Schlüssel klingeln. Semir lachte auf und folgte seinem Partner auf das Schiff. Als sie die erste Kajüte betraten staunte er nicht schlecht. Hier war alles auf kleinsten Raum vorhanden, was man unbedingt benötigte. „So, du kannst es dir hier gemütlich machen, wenn ich Dienst habe.“ „Bitte was? Ich ermittle mit! Ich werde doch hier nicht nur rumsitzen, das kannst du vergessen!“ brauchte der Hauptkommissar auf und Paul hob beschwichtigend die Hände. „Ist ja gut…willst du was trinken?“ lachte er. Semir nickte. „Ein Kaffee wäre nicht schlecht. Ich rufe mal eben Andrea an.“ Paul sah ihn an und lächelte leicht.

    Andrea zog ihr Handy aus der Tasche, als sie die Vibrationen spürte. „Semir! Wir sind gut im Haus angekommen. Jenny ist bei uns. Ist bei dir alles in Ordnung?“ wollte sie sofort wissen. „Ja, ich bin gerade bei Paul auf dem Schiff. Ein echt toller Kahn…“ meinte er. „Die Bounty ist kein Kahn!“ ertönte es aus dem Hintergrund und Andrea lachte auf. „Wie geht es den Kindern?“ fragte Semir nach und Andrea sah zu Ayda und Lilly, die im Nebenzimmer spielten. „Sie spielen gerade. Ich hoffe nur, dass diese Kerle bald gefasst sind. Ich will mit dir ins neue Haus und …“ kam flehend von ihr. „Ich weiß mein Schatz. Ich würde auch lieber heute als morgen ins Haus einziehen. Aber ich verspreche dir, dass wir das schon sehr bald durchziehen werden. Wir alle werden in diesem Haus leben. Dana, Ayda, Lilly, du und ich. Wir werden das Leben leben, was wir schon immer wollten.“ versprach er. „Was machst du heute noch?“ Sie hörte wie Semir aufstöhnte. „Mal sehen. Wir fahren gleich zur PAST und werden noch ein paar Informationen zusammentragen und dann die Jagd auf diese Kerle eröffnen. Die werden mir nicht entkommen, das kann ich dir versprechen.“ „Ich liebe dich...“ hauchte sie ins Telefon und von Semir kamen die gleichen Worte zurück. Nur wenig später war das Gespräch beendet. „Und?“ wollte Jenny wissen, als sie das Handy auf den Tisch legte. Andrea sah sie an und zog die Schultern hoch. „Du kennst Semir doch. Er wird heute noch auf die Jagd gehen. Die Kerle tun mir jetzt schon leid. Die werden keine ruhige Minute mehr haben.“ Jenny lachte auf. „Paul hatte bis gestern noch keine Spur gehabt.“ Andrea nickte leicht. „Das mag sein. Aber jetzt ist Semir am Start und du weißt wie er ist. Wenn er sich etwas vornimmt, dann wird er es auch durchziehen. Und wenn er anfängt zu jagen, dann ist er wie ein kleiner Terrier. Der beißt sich fest. Ich bin mir sicher, dass wir höchstens drei Tage hier sein werden. Danach werden wir das Haus beziehen, Danas Bereich herrichten und dann alle zufrieden und glücklich dort leben.“ Andrea ging ans Fenster und sah hinaus. Von hier aus konnte sie den Rhein sehen, der ruhig dahinfloss. Sie lächelte verbittert. „Ist es nicht schön, wenn man träumen kann, Jenny?“