Beiträge von Elvira

    Susanne gab den Namen Wehner in den PC ein und ließ sich alles anzeigen, was über die Adoptivfamilie herauszufinden war. Sie las in Gedanken das, was auf dem Bildschirm erschien und griff zum Handy. „Semir, ich bin es. Also. Walther und Rosa Wehner haben 2002 Marianne Reich adoptiert. Das war kurz vor ihrem zwölften Geburtstag. Walther Wehner war bereits 57 und seine Frau 63. Die Adoptionsstelle hatte zunächst Bedenken, die dann allerdings zerstreut wurden. Familie Wehner war wohlhabend und das Jugendamt hat Marianne noch ein Jahr begleitet. Walther und Rosa Wehner starben 2009 bei einem Verkehrsunfall und Marianne war ihre Alleinerbin. Mehr ist leider nicht heraus zu finden.“ berichtete sie dem Hauptkommissar. „Mist, okay, dann versuch jetzt mal alles über diese Marianne heraus zu finden. Wo sie wohnt und was sie beruflich macht und so…“ bat der Polizist sie. „Geht klar, aber das wird sicher eine Weile dauern.“ „Kein Ding. Sieh mal zu, was du findest.“ meinte Semir nur und Susanne beendete das Gespräch. Sie wollte sich gerade an die Arbeit machen, die zweite Bitte von Semir durchzuführen, als Kim Krüger an ihren Tisch trat. „Was ist mit Familie Gerkhan?“ wollte sie wissen. Susanne sah auf ihre Notizen. „Jenny hat sie vor fünf Minuten im Savehouse abgeliefert und wird dort weiterhin auf sie aufpassen.“ Kim nickte zufrieden. „Gut.“ Sie sah in das Büro wo sonst Semir und Paul saßen. Dort starrte Thilo Sandberg auf den PC. „Susanne, ich habe noch eine Bitte. Würden Sie ab und an mal wieder zu Sandberg reinschauen? Ich würde gern wissen, womit er sich beschäftigt.“ Susanne lächelte leicht. „Den Auftrag habe ich bereits von Paul erhalten. Denken Sie, er hat mit dem Anschlag zu tun?“ Kim zog die Schultern hoch und stöhnte leise auf. „Ich hoffe nicht, aber es ist nicht auszuschließen.“ Susanne nickte. „Okay, ich hoffe wirklich, dass es nicht so ist. Er ist ein ganz netter Kerl.“

    Thilo sah sich die nächste Akte des Personals vom Krankenhaus an, die ihm der Personalleiter auf Wunsch von Paul Renner zur Verfügung gestellt hatte. Er hatte erst zwei Ärzte überprüft und die waren negativ. Auf eine Liste, die er neben dem PC hatte, strich er sich die Personen ab, die er bereits geprüft hatte. Auch den Arzt, den er jetzt geprüft hatte, konnte er abhaken. Er sah auf die Liste. „Hey willst du nicht mal ne Pause machen?“ unterbrach Susanne König ihn. Thilo drehte sich zu ihr um. „Hallo Susanne. Ja, ich glaube eine Pause ist nicht schlecht.“ stöhnte er und sie kam zu ihm. „Was machst du denn da?“ Thilo lächelte leicht. „Ich überprüfe das Krankenhauspersonal, weil wir denken, dass der Täter oder ein Mitwisser dort sitzen könnte. Susanne, darf ich dich mal was fragen?“ Susanne nickte. „Magst du mich?“ Sie sah ihn erstaunt an. „Wie meinst du das? Was willst du denn genau von mir hören?“ Thilo nickte leicht. „Weißt du, ich habe das Gefühl, das mir hier niemand vertraut. Paul nicht, Jenny nicht und bei der Krüger bin ich mir auch nicht ganz sicher. Paul hat mir vorgehalten, dass ich in der Sache mit drinstecke.“ Susanne nickte leicht. „Und? Hast du damit was zu tun?“ Die Frage kam fast wie beiläufig und sofort sprang Thilo auf. „Nein! Natürlich nicht! Ich habe nichts mit der Sache zu tun und ich würde alles tun, um es endlich zu beweisen! Wie kann ich das tun? Sag mir wie!“ Susanne zog die Schultern hoch und zuckte erschrocken zurück. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht beschuldigen. Ich weiß leider auch nicht, wie du es beweisen kannst. Ich kann dir nur den Rat geben, offen und ehrlich mit allen zu sein. Wenn du nichts zu verbergen hast, dann kannst du doch alles sagen.“ schlug sie vor. „Danke für den Tipp. Hast du einen Kaffee für mich?“ Susanne lächelte und gemeinsam mit Thilo ging sie in die Küche.

    Semir fuhr gemeinsam mit Paul zum Jugendamt, wo sie von Diana Kleefuß freundlich empfangen wurden. „Guten Tag, die Herren. Ich nehme an, Sie sind die angekündigten Herren von der Autobahnpolizei?“ Sie sah sie prüfend an und Paul nickte. „Ja, ich bin Paul Renner und das ist mein Kollege Gerkhan. Es geht um ein Mädchen, welches 1999 ins Heim in der Jesuitengasse gekommen war. Wir bräuchten Informationen wohin das Mädchen adoptiert wurde, sofern es adoptiert wurde.“ erklärte Paul sein Anliegen. Diana Kleefuß sah ihn sehr misstrauisch an. Paul wechselte kurz einen Blick mit Semir und dieser nickte. „ES geht um einen Anschlag, bei dem vier Menschen verletzt wurden. Ein Opfer schwebte in Lebensgefahr.“ Diana Kleefuß sah ihn erschrocken an. „Das ist ja schrecklich! Aber war hat das Mädchen damit zu tun und wie heißt oder hieß sie?“ Semir zog tief Luft ein. „Als sie 1999 von mir ins Heim gebracht wurde, hieß sie Marianne Reich und war neun Jahre alt.“ Die Jugendamtsmitarbeiterin zog die Augenbrauen zusammen. „Sie haben die Kleine ins Heim gebracht? Aus welchem Grund?“ hakte sie nach. „Ihr Vater musste eine längere Haftstrafe antreten und es gab keine Anverwandten.“ antwortete Semir. „Ich verstehe. Einen Augenblick bitte! Ich werde mal sehen was ich zu Marianne Reich herausfinden kann.“ murmelte sie und gab den Namen in den PC ein. Sie starrte über den Rand ihrer Brille auf den PC und las sich etwas durch. „So, da habe ich sie. Marianne Reich ist die Tochter von Frank Reich. Das war doch der Kinderschänder!“ stieß sie aus und sah Semir nun über den Brillenrand an. Dieser nickte. „Das ist korrekt.“ bestätigte er. „Nun, die kleine Marianne war nicht gerade beliebt, das können Sie mir glauben. Sie wurde aufgrund der Taten ihres Vaters immer wieder angefeindet. Aber bevor ich Ihnen jetzt ihre Daten weitergebe, möchte ich wissen, welchen Verdacht Sie haben. Halten Sie Marianne für die Täterin?“ hakte sie hartnäckig nach. Semir sah kurz zu Paul und nickte. „Wir haben den Verdacht, dass sie die Drahtzieherin des Anschlages ist.“ Die Augen von Diana Kleefuß weiteten sich. „Das ist ja schrecklich. In Anbetracht dieser Umstände erfahren Sie selbstverständlich, was mit Marianne Reich passiert ist.“ Sie druckte einige Unterlagen aus und gab sie an Paul weiter, der sie sich umgehend vornahm.

    Als sie wieder auf dem Weg zum Boot von Paul waren, nahm sich Semir die Papiere vor, die sie von Diana Kleefuß erhalten hatten. „Und? Was steht da drin?“ wollte Paul wissen. Semir las sich die Akte durch und gab Paul dann stichwortartig die Informationen weiter. „Marianne Reich wurde 2002 von einer Familie Wehners adoptiert. Nach den Unterlagen hier, waren sie wohlhabend. Danach gibt es keine Einträge mehr. Nicht mal eine Adresse der Wehners, aber das kann Susanne ja für uns herausfinden.“ murmelte er. Paul wandte sich ihm kurz zu. „Ist doch logisch. Wenn sie 2002 adoptiert wurde, dann war der Fall erledigt. Danach gab es keinen Grund die Akte weiter zu führen. Für das Kinderheim war die Sache erledigt. Aber ist schon ein seltsames Alter für eine Adoption oder? Ich meine, sie war 12. Etwas zu alt finde ich.“ gab er zurück. Semir nickte nachdenklich. „Nun ja, vielleicht waren die Wehner ja schon alt und wollten sich nicht mit einem Kleinkind auseinandersetzen. Und auch so große Kinder haben es verdient adoptiert zu werden. Susanne könnte ja mal mehr über die Familie herausfinden.“ schlug er vor und griff zum Handy um Susanne anzuwählen. „Susanne, wir brauchen alles, was du über Marianne Wehner und deren Familie herausfinden kannst.“ bat er sie. „Alles klar. Ich schau mal was ich finde.“ antwortete die Sekretärin. „So, und wir fahren jetzt zu meiner Bounty und machen es uns gemütlich.“ grinste Paul. Semir stutzte und sah Paul schräg an. „Dein Boot heißt Bounty?“ fragte er nach. Paul nickte. „Warum denn nicht?“ Sein Partner lachte leise. „Du weißt aber schon, was auf der echten Bounty so passiert ist, oder?“ Paul nickte. „Klar weiß ich das. Aber das wird bei mir nicht passieren. Ich bin eine Einmannmannschaft. Da herrscht immer Einigkeit. Ich bin Kapitän, Smutje, Schiffsjunge und Navigator gleichzeitig.“ Semir lachte auf. „Dann geht ja die Post ab, wenn ihr ne Feier habt.“ „Klar…“ lachte Paul ebenfalls.

    Der Donnerstag verging, ohne dass sich etwas ereignete. Als die Visite begann verkündete der Arzt, dass die Fäden bei allen gezogen werden sollten. Semir ließ diese Prozedur tapfer über sich ergehen und auch bei Andrea und Ayda verlief es ohne Komplikationen. Semir machte sich einen schönen letzten Tag mit seinen Kindern. Natürlich ging er auch wieder zu Dana und diesmal war Andrea dabei. Auch bei ihr kam ein bedrückendes Gefühl auf, als sie am Bett ihrer Stieftochter stand. Sanft strich sie über Danas Wange. „Du wirst es schaffen, da bin ich mir ganz sicher. Halt durch und kämpfe dich zurück. Wir warten auf dich.“ sagte sie leise und Semir senkte den Kopf. Wieder musste er mit den Tränen kämpfen. Auch wenn der Arzt versichert hatte, dass Dana auf dem Weg der Besserung war, blieb ein Stück Ungewissheit. Was hatte die Kugel für einen Schaden angerichtet, der noch spätere Nachwirkungen hatte? Würde Dana ein ganz normales Leben führen können, wenn sie entlassen wurde? Der Tag verging quälend langsam und heute schien Paul nicht kommen zu wollen. Semir war sehr unruhig und wäre am liebsten aus dem Krankenhaus gegangen, doch er hielt sich eisern an sein Versprechen. Am letzten Abend in der Klinik sollte es noch einmal gemütlich im Zimmer der Gerkhans werden. Semir, Andrea und die Kleinen und machten sich über das Abendessen her. Das Familienleben wurde durch das Handyklingeln unterbrochen und Semir sah Andrea erstaunt an. Er stand auf, denn sein Handy lag auf dem Nachttisch. „Bin gleich zurück.“ lächelte er, ging an sein Bett und nahm sein Handy in die Hand. Eine SMS war eingegangen. Er öffnete sie mit einem unsicheren Gefühl, doch als er den Absender sah, lächelte er leicht. Sein Handy zeigte ihm an, das Paul ihm eine Nachricht gesendet hatte. „Bin morgen um neun bei dir, müssen dann zum Jugendamt. Erkläre ich dir morgen. Gute Nacht.“ las er und grinste leicht. „Ist es wichtig, Schatz?“ riss Andrea ihn aus seinen Gedanken. „Nein, ist nur eine Nachricht von Paul. Er holt mich morgen um neun ab.“ gab er zurück. „Wir werden erst gegen zehn entlassen. Ich muss ja den Bericht und all das für den Hausarzt bekommen. Kommst du uns im Savehouse besuchen?“ Andrea sah ihn an. Semir erwiderte den Blick etwas traurig. „Ich glaube nicht, dass es gehen wird. Wenn die Kerle mich beobachten und davon gehe ich stark aus, dann könnten sie so herausfinden, wo ihr seid. Das ist zu gefährlich. Wir sind doch bald wieder ganz zusammen und dann haben wir genügend Zeit für uns. Im Augenblick geht mir eure Sicherheit vor.“ erklärte er. Andrea nickte leicht. „Also gut, dann werde ich wohl auf dich warten müssen. Aber wir können telefonieren, oder?“ Nun nickte Semir und lächelte. „Ich werde dich jeden Abend anrufen.“ versprach er. Andrea beugte sich zu ihm. „Das will ich doch hoffen.“ Semir sah auf seine Kinder, die nachdem sie gegessen hatten, wieder in der kleinen Ecke im Krankenzimmer spielten. Semir sah besorgt auf seine Kinder. „Ich hoffe nur, sie werden die Sache bald vergessen können.“ Auch Andrea wandte sich den Kindern zu. „Sie sind deine Kinder und sie sind stark. Ich bin mir sicher, dass sie es mit unserer Liebe schaffen werden.“

    Paul fuhr am nächsten Morgen um halb acht schon zum Krankenhaus. Er konnte direkt zu Semir gehen, da es in den Krankenhäusern nicht mehr so strenge Besuchsregelungen gab. Sein Partner wartete schon auf ihn. „Habt ihr schon gefrühstückt?“ staunte Paul, als er die leeren Teller sah. „Ja, ich bin auch bereit direkt mit dir zu fahren.“ erklärte Semir ihm und schnappte sich seine Tasche. Er ging zur Tür. „Semir? Warum hast du es denn nur so eilig?“ tadelte Andrea ihn. „Du kannst dich wenigstens von uns verabschieden.“ Semir sah sie erstaunt an. „Ja sicher! Das tue ich doch auch.“ Er ging zu ihr, umarmte sie und gab ihr einen schnellen Kuss. Dann wandte er sich an Ayda und Lilly. „Wir sind bald wieder zusammen, das verspreche ich euch.“ Er drückte die Kinder an sich. „Andrea, wenn ihr im Savehouse seid, dann denkt bitte daran, dass…“ sagte Paul und sah sie ernst an. „Paul, ich bin nicht zum ersten Mal unter Polizeischutz. Ich weiß, wie ich mich zu verhalten habe.“ unterbrach sie ihn sofort. Paul wurde rot. „Okay, ich sehe schon, du bist ein alter Hase. Ich werde auf Semir sehr gut aufpassen, das verspreche ich dir.“ Andrea nickte nur. „Das hoffe ich sehr. Es ist schon sehr schlimm für ihn, das wir da reingezogen wurden, aber ich könnte es nicht ertragen, wenn er…“ Sie stockte und Paul wusste genau, was sie sagen wollte. Er verließ mit seinem Partner das Zimmer und ging zum Fahrstuhl. „Ich will noch eben zu Dana.“ bat Semir und Paul nickte. „Soll ich mitkommen?“ Semir zog die Schultern hoch. „Warum nicht. Dann kannst du dich auch verabschieden.“ schlug er vor und Paul war einverstanden. Als sie im Zimmer von Dana standen, bemerkte Paul wie bedrückend es war, das Mädchen hier so liegen zu sehen.

    Jenny sah auf, als Thilo auf die Station kam. „Was machst du denn hier?“ wollte sie wissen, denn ihr war nicht bekannt, dass Thilo nun wieder Wache schieben sollte. „Oh ähm, das ist ein privater Besuch. Ich wollte nur sehen, ob ich dir vielleicht helfen kann.“ lächelte Thilo nervös. Jenny nickte und wies auf einen Stuhl. „Dann setz dich doch zu uns. Wir haben gerade Abendessen bekommen. Hab noch einen Apfel übrig. Magst du?“ Thilo lehnte dankend ab. „Wie sieht es denn bei dir aus?“ „Hier ist alles ruhig, aber ich bin froh, wenn ich morgen im Savehouse bin.“ Thilo sah sie an. „Schade, ich hätte dich sonst dort auch mal besucht, oder ablösen können.“ Sie erwiderte den Blick. „Nun, das kannst du ja mit Krüger absprechen. Aber ich denke, es wird nicht allzu lang dauern, bis Paul und Semir den Kerl dingfest gemacht hat.“ Thilo sah sie skeptisch an. „Wieso denkst du, dass es ein Mann ist? Kann es nicht auch eine Frau sein?“ hakte ihr er nach. Jenny schüttelte den Kopf. „Kannst du dir vorstellen, dass eine Frau auf kleine Kinder schießt? Ich nicht und ich hoffe sehr, dass du dich täuschst, denn sonst könnte ich mich vergessen, wenn ich die Frau, sollte es eine sein, sehe.“ versprach sie leise. „Wo ist denn meine Vertretung?“ wollte Thilo wissen, denn Jenny saß allein am Tisch. Seine Kollegin lachte leise. „Der ist für Königstiger. Irgendwie kommt es mir vor, als hätten die Männer kein Durchhaltungsvermögen.“ Ihr neuer Partner lachte laut auf. „Das hat doch nichts mit Durchhaltevermögen zu tun. Männer haben halt eine kleinere Blase und wenn es drückt, dann muss man halt.“ Jenny brachte nicht mehr als ein gequältes Lächeln hervor. „Sehr witzig. Ah da kommt er ja!“ stieß sie aus und wies auf den jungen Mann, der eben in ihre Richtung kam. Thilo drehte sich kurz um und winkte dem Kollegen zu. Dann wandte er sich wieder an Jenny. „Wo ist denn das Savehouse?“ fragte er nun. Jenny sah ihn ernst an. „Das erfahre ich erst morgen, wenn wir abgeholt werden.“ gab sie von sich.

    Semir stand auf und sah zu Andrea. „Ich bin noch mal bei Dana.“ sagte er und sie nickte nur. Er ging zum Fahrstuhl und ließ sich auf die Intensivstation bringen. Vor der Tür zum Zimmer von Dana, saßen zwei Beamte, die Semir gut kannten. Einer stand direkt auf und kam zu ihm. „Hallo Semir.“ Semir begrüßte ihn. „Ist alles ruhig?“ wollte er wissen und die Kollegen nickte. „Nur keine Sorge, keiner wird an sie rankommen.“ versprach der Ältere. „Danke…“ lächelte Semir und betrat das Zimmer von Dana. Wieder empfing ihn dieses eintönige Piepen. Er ging ans Bett und griff Danas Hand. „Hey mein Engel. Wie geht es dir?“ fragte er, doch er wusste auch, dass es keine Antwort geben würde, denn Dana lag nach wie vor im künstlichen Koma. „Andrea und die Kleinen dürfen morgen gehen. Wir bringen sie in ein Savehouse und wenn du wieder wach bist, dann wirst du auch dorthin kommen. Solange bis ich den Kerl erwischt habe. Und wenn die ganze Sache durchgestanden ist, dann ziehen wir alle in das Haus ein. Deine Wohnung wird richtig toll werden, glaube mir. Ich werde alles so machen, wie du es möchtest. Du wirst dich richtig wohl fühlen. Ich soll dir übrigens ganz liebe Grüße von Andrea und den Kleinen ausrichten. Sie vermissen dich und ich tu es auch. Ich weiß, wir geraten manchmal heftig aneinander, aber das ist nur, weil ich mir Sorgen mache. Wenn du mir jetzt antworten könntest, würdest du mir vermutlich sagen, dass du erwachsen bist. Ich weiß ja, dass du es bist, aber ich bin dein Vater und für den kannst du niemals erwachsen genug sein. Ich verspreche dir aber, dass ich mich ändern werde. Du wirst deine Freiheiten haben und ich versuche dir zu vertrauen.“ versprach er. Die Tür ging auf und eine Schwester kam herein. „Guten Tag Herr Gerkhan. Schön dass Sie da sind und Sie können auch gleich weiter mit ihr sprechen. Ich muss nur eben die Geräte überprüfen.“ lächelte sie. Semir nickte und sah ihr bei der Arbeit zu. Nur wenig später war er wieder mit Dana allein. Er hielt ihre Hand, strich sanft mit dem Daumen über den Handrücken und sah seine schlafende Tochter einfach nur an.

    Semir sah nachdenklich auf sein Handy und Andrea bemerkte es natürlich. „Was ist denn?“ wollte sie wissen. „Das war Paul. Er will die Tochter von Frank Reich überprüfen.“ murmelte er. „Okay, und hat er auch gesagt warum?“ Semir nickte. „Nun Thilo, unser neuer Kollege hat wohl den Vorschlag gemacht. Ich denke, er will abklären, ob sie nicht dahintersteckt. Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen.“ Andrea setzte sich neben ihn. „Warum traust du ihr das nicht zu?“ Semir zog die Schultern hoch. „Das Mädchen war damals neun Jahre und hat nur ihren Vater gehabt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie die ganzen Jahre nur an ihre Rache gedacht hat.“ Andrea nickte leicht. „Nun, ich kenne das Mädchen nicht, aber Vaterliebe ist stark. Vielleicht hat Thilo ja doch den richtigen Riecher. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Frau auf uns geschossen hat.“ Semir sah seine Exfrau an. „Vielleicht hast du Recht. Vielleicht hat Thilo ja auch den richtigen Riecher. Für mich ist es jetzt erst einmal wichtig, dass ihr in Sicherheit seid.“ Andrea sah kurz auf Ayda und Lilly, die eng aneinander gekuschelt im Bett lagen und schliefen. „Ich nehme an, dass du, sobald du ab morgen mit Paul zusammen bist, selbst ermittelst oder?“ Semir senkte seinen Kopf. „Andrea, denkst du wirklich, dass ich mich zurückhalten werde? Dieser Kerl oder wer auch immer, hat meine Kinder verletzt, hat dich verletzt und das kann ich nicht einfach hinnehmen.“ Seine Exfrau lächelte leicht. „Natürlich nicht. Und ich finde es richtig, aber Semir, ich bitte dich vorsichtig zu sein. Du kennst deinen Gegner nicht und wer weiß, was ihm oder ihr noch einfällt, dich zu bekommen. Er scheint sehr verbittert und…“ Semir hörte den flehenden Ton in der Stimme. Er lächelte leicht. „Ich werde auf mich aufpassen. Außerdem habe ich doch Paul an meiner Seite.“ unterbrach Semir sie und zog sie an sich. Andrea schmiegte sich an ihn und schloss die Augen. Sie genoss die Zärtlichkeit. „Ich will dich nicht noch einmal verlieren ...“ hauchte sie. „Das wirst du nicht. Ich werde den Verantwortlichen zur Strecke bringen und der gerechten Strafe zuführen. Er wird für eine sehr lange Zeit im Knast landen. Wichtig ist nur, dass ihr in Sicherheit seid und bitte, ihr bleibt im Savehouse egal wie lange es dauert!“ legte Semir fest. Andrea nickte nur.

    Thilo versuchte heraus zu finden, was mit dem Kinderheim passiert war und erfuhr, dass es seit langem geschlossen war. Er bekam jedoch eine Telefonnummer einer ehemaligen Erzieherin und rief diese an. Nach wenigen Minuten beendete er das Gespräch und legte auf. Dann sah er zu Paul. „Das Kinderheim ist schon seit 2007 geschlossen. Aber die Unterlagen über die damals untergebrachten Kinder sind im Jugendamt einsehbar. Heute ist das allerdings nicht mehr drin.“ berichtete Thilo. „Gute Arbeit. Okay, hast du sonst noch was für mich?“ Thilo schüttelte den Kopf. Paul nickte leicht. „Gut, dann werden ich morgen mit Semir zum Jugendamt fahren und dort nachhaken.“ „Okay, das ist sicher gut. Aber was mache ich denn jetzt?“ Sein junger Kollege sah ihn an. „Bericht schreiben? Hast du das schon gemacht?“ grinste Paul leicht. „Och man, Paul… dazu habe ich überhaupt keinen Bock. Kann ich nicht zu Jenny und meine Ablösung ablösen?“ „Nein, du wirst mir helfen und das heißt auch, dass wir jetzt Feierabend machen. Du wirst dich einfach nach Hause begeben und dich ausruhen. Morgen früh bist du dann pünktlich hier!“ Thilo nickte, packte seine Sachen ein und verließ das Büro. Paul klopfte nur wenig später an Kims Tür. „Ja!“ forderte sie zum Eintreten auf. „Frau Krüger, ich wollte Sie auf den aktuellen Stand bringen…“ fing Paul an. „Schießen Sie los, ich bin ganz Ohr!“ Paul setzte sich auf den Stuhl. „Thilo und ich haben uns nochmal die Akten von den Fällen vorgenommen, wo Semir und Tom Kranich ermittelt haben. Thilo ist dabei auf eine Tochter gestoßen, die ins Visier von uns geraten ist, denn sie wäre eine mögliche Täterin.“ Kim Krüger nickte. „Und?“ wollte sie wissen. „Wir haben herausgefunden, in welchem Kinderheim sie gebracht wurde, nur ist das schon seit vielen Jahren geschlossen. Morgen können wir uns aber die Akten ansehen und erfahren welchen Namen das Mädchen jetzt trägt und wo sie eventuell ist.“ ging es bei Paul weiter. „Und Sie werden, so nehme ich an, morgen mit Gerkhan dann diese Spur weiterverfolgen?“ Paul bestätigte es mit einem Nicken. „Ich werde Semir morgen um neun abholen und dann direkt zum Jugendamt fahren. Alles Weitere wird sich dann zeigen.“ Kim Krüger atmete tief durch. „Herr Renner, ich will keinen Ärger haben. Sorgen Sie dafür, dass Gerkhan sich an die Regeln hält. Ich will nicht, dass er sich selbstständig macht.“ mahnte sie den jungen Hauptkommissaren.

    Endlich geht es weiter. Oh, Semir hört sich nicht gerade gut an und Zoff mit Paul ist auch da. Nun gut, kein Wunder immerhin ist alles noch im Dunkeln. Jenny, ich hoffe doch sehr, dass du den Logikfehler komplett ausgemerzt hast.

    Andrea und die Kinder kamen ins Zimmer und begrüßten Paul. „Paul, lass uns auch mal kurz an die Luft, bitte.“ kam von Semir und Paul stimmte zu. Semir schien etwas auf dem Herzen zu haben und wollte es nicht vor Andrea besprechen. „Klar, gehen wir.“ Nur wenig später waren sie im Garten und setzten sich auf eine der Banken. Semir holte tief Luft. „Tut das gut. Paul, ich hoffe sehr, dass ihr euch irrt, was dieses Mädchen angeht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass eine Frau auf Kinder schießt. Das ist gegen die Natur. Wenn man versucht hätte mich zu treffen, dann hätte ich es verstanden. Aber nicht auf Kinder. Das Mädchen war damals gerade mal 9 Jahre alt. Sie kann doch froh sein, von so einem Vater weg gekommen zu sein. Wer weiß, wie oft er sie missbraucht hat oder hätte.“ erklärte Semir und Paul nickte. „Nun, sie könnte dennoch die Täterin sein. Immerhin hast du eine Familie zerstört. Ihre Familie.“ Semir sah auf. „Was soll das denn heißen? Ich habe doch die Familie nicht zerstört. Ich habe lediglich meinen Job gemacht!“ fauchte er leise. „Hey, ist gut. Ich habe es doch nicht so gemeint. Aber mal im Ernst. Was wenn diese Tochter es so sieht? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Hass auf dich groß sein könnte. Ich muss auch wieder los. Ich will Thilo nicht zu lange allein lassen. Sag mal, weißt du, dass Thilo doch auf das Auto geschossen hat, was Jenny umfahren wollte?“ Semir sah ihn an. „Nein. Er sagte mir, dass er nicht geschossen hat und ich habe ihm auch gesagt, dass es richtig war, nicht zu schießen. Wieso lügt er mich an?“ Semir war irritiert. „Das weiß ich nicht, aber ich werde es sicher herausfinden. Ich halte dich auf dem Laufenden. In zwei Tagen kannst du dann wieder mit mir über die Straßen düsen.“ Semir zog die Schultern hoch. „Ich kann es kaum erwarten.“ Paul sah ihn an. „Semir, ich hole dich morgen um neun ab, okay?“ Sein Partner wandte sich ihm zu. „Ich freu mich drauf. Aber sei bitte pünktlich.“ Paul war zufrieden und verabschiedete sich.

    Paul kam zu Thilo zurück ins Büro und sah, dass er immer noch am PC arbeitete. Fast lautlos ging er in das Zimmer und stellte sich hinter Thilo. „Und?“ fragte er und der junge Mann zuckte so heftig zusammen, dass er seine Kaffeetasse umstieß. „Paul! Ich ähm… ich…“ stammelte er. „Was bist du denn so aufgeregt. Was machst du da?“ Paul sah auf den Monitor von Semirs PC und stutzte. „Private Mails? Währen des Dienstes? Du weißt schon, dass das verboten ist, oder?“ Thilo nickte und wischte den Kaffee weg. „Ja ich weiß.“ Paul setzte sich auf seine Seite und stützte seinen Kopf in den Händen auf dem Schreibtisch. „Was ist denn so wichtig, dass es nicht bis zum Dienstschluss warten kann?“ hakte er nach. „Ich habe dir doch gesagt, dass Alexandra zu uns nach Deutschland kommen will und wir haben eben via Mail geschrieben, wann wir uns sehen. Mehr nicht. Du kannst es auch lesen, wenn du willst. Ich habe keine Geheimnisse.“ Tatsächlich öffnete er die Mails, die er versendet hatte und Paul las sie sich durch. „Na, da wird deine Mum sich aber freuen.“ Thilo nickte stolz. „Ja, das wird sie.“ „Okay, von mir erfährt keiner was. Aber lass es nicht zur Gewohnheit werden. Und jetzt bitte weiter im aktuelle Fall.“ Thilo sah ihn dankbar an. „Paul, du hast was Gut bei mir.“ „Ich werde dich daran erinnern, wenn ich es für sinnvoll halte. Okay, du hast doch gesagt, dass du die Tochter von Reich in Verdacht hast. Kannst du mir erklären warum? Semir sagte, dass es ein Mann war, der ihn bedroht hat. Und ganz ehrlich, ich wüsste nicht, warum die Tochter sich jetzt rächen sollte. Ich meine, sie kann doch froh sein, dass sie nicht bei ihrem Vater aufwachsen musste.“ gab er von sich. „Ich kann mir gut vorstellen, dass sie es anders sieht. Vielleicht denkt sie, dass Semir ihren Vater auf dem Gewissen hat. Sie könnte sich in ihre Rache reingesteigert haben.“ mutmaßte Thilo. Paul atmete tief durch. „Ich denke wir sollten mal versuchen herauszufinden, was mit dieser Tochter ist. Es muss ja zurückverfolgt werden können, in welcher Familie sie adoptiert wurde, wenn sie es wurde.“ legte er fest und griff zum Telefon. „Was hast du denn jetzt vor?“ Thilo sah ihn an. „Ich rufe Semir an, der hat das Mädchen damals ins Heim gebracht. – Ja Semir, ich bin es. Hör mal, du hast doch gesagt, dass du damals die Tochter von Reich ins Heim gebracht hast, weißt du noch welches Heim das war? – In der Jesuitengasse 74? – Okay, nein… wir wollen es nur überprüfen. – Ja, ich halte dich auf dem Laufenden.“ Paul beendete das Gespräch. „Jesuitengasse 74. Schau mal nach ob es das Heim immer noch gibt!“ forderte er Thilo auf.

    Dean saß wie immer um diese Zeit am PC und wartete auf Informationen. Und schon kamen sie. >>Sie sind auf dem Boot „Bounty“. Gerkhan wird dort von seinem Partner Paul Renner beschützt. Lasst euch was einfallen! Ich will ihn endlich haben! Am besten auf der Fahrt vom Krankenhaus zum Schiff abfangen. Egal wie! << Er las zwischen den Zeilen, dass der unbekannte Boss kein Versagen mehr duldete. >>Wo liegt das Schiff? << schrieb er zurück. >>In Köln im Rheinauhafen. Achtung, das Gelände wird bewacht. Zutritt schwierig. << Dean grinste leicht. >>Alles klar, werde es dennoch versuchen. Wann sind sie da?“ << >> „Freitag ist die Entlassung. Person ist zu überwachen. << Nun stöhnte Dean auf. Doch er wusste auch, dass der Boss die Befehle gab und er sie mit Bastian ausführen musste, ob er nun wollte oder nicht. >>Verstanden. << schrieb er zurück und griff zum Handy. „Ich bin es. Der Bulle wird am Freitag aus der Uniklinik entlassen! Du wirst ihm folgen!“ „Wann denn?“ fragte sein Freund Bastian nach. „Keine Ahnung, sei einfach möglichst früh vor dem Krankenhaus. Der Kollege heißt Paul Renner. Blond, braungebrannt, drahtige Figur.“ „Was mache ich, wenn der mir dazwischenfunkt?“ fragte Bastian nach. „Du sollst erst einmal nur beobachten. Ich bekomme morgen vom Boss mehr Informationen.“ gab Dean zurück. „Okay, wollte nur fragen. Ich mache mich auf den Weg und werde dann im Auto übernachten. Gebe dir Bescheid, wenn ich neue Infos habe.“ maulte Bastian und seine Stimmlage ließ erahnen, dass er nicht gerade begeistert war, die Drecksarbeit erledigen zu müssen. Dean beendete das Gespräch und dachte über das, was bisher passierte nach. Der Bulle schien ziemlich kampflustig zu sein und wenn er sich nicht gewehrt hätte, dann wäre alles schon gelaufen. Er, Dean, fühlte sich, nachdem er Gerkhan schon in der Garage hatte, zu tiefst gedemütigt von dem Bullen. Ein verletzter Bulle, der sich bis aufs Blut wehrte, der alles versuchte, war ihm nicht geheuer, aber das würde er dem Kerl dann schon zeigen, wenn er ihn erst einmal hatte. Sobald das geschehen war, würde er auch wissen, wer sein unbekannter Boss ist und warum der so einen Hass auf den Bullen hatte.

    Der Donnerstag kam und somit der letzte Tag für die Gerkhans im Krankenhaus. Semir sah auf, als es klopfte und Paul ins Zimmer kam. „Hey Partner. Hast du so große Sehnsucht nach mir?“ wollte er wissen. Sein Partner zog die Schultern hoch. Nicht, weil er keine Antwort wusste, sondern weil er Semir die Lockerheit, die er gerade rüber brachte, nicht abkaufte. „Nun ja, es ist wie du dir sicher denken kannst langweilig im Büro. Thilo sichtet die Akten von dir und er hat sogar etwas gefunden.“ Semir nickte und sah ihn erwartungsvoll an. „Und was hat unser junge Kollege wichtiges gefunden?“ Paul lächelte leicht. „Die Tochter von Frank Reich. Es wäre gut möglich, dass sie hinter dem Anschlag steckt.“ Mutmaßte er. Semir stöhnte leise auf. „Warum? Wie kommst du oder besser Thilo darauf?“ Paul atmete tief ein. „Semir, wir treten auf der Stelle. Wir haben nichts über den oder die Täter.“ Semir nickte. „Ja, das weiß ich auch. Aber mein Gegner auf dem Friedhof war ein Mann! Das war keine Frau! Das war ein Mann!“ Semir presste die Worte heraus und man hörte deutlich, dass er wütend war. Paul zog die Schultern hoch. „Hast du etwas dagegen, wenn wir sie dennoch überprüfen?“ Nun schüttelte Semir den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Aber ich denke du irrst dich.“ Paul sah sich suchend um. Andrea und die Kinder waren nicht zu sehen. „Sag mal, wo ist Andrea denn?“ Semir wies mit dem Kopf zum Fenster. „Sie sind im Garten mit Jenny. Die Kinder mussten einfach mal raus.“ Paul ging zum Fenster und sah hinaus. Von hieraus konnte er den Garten sehen und auch seine Kollegin und die Familie von Semir. „Alles klar. Sie sollten aber nicht zu lange draußen bleiben. Wir wissen immer noch nicht, wer da was von dir will. Aber seine Aktionen, die er bisher gezeigt hat, sagen deutlich, dass er keine Rücksicht nimmt. Was ist denn mit Dana? Hast du da schon eine Ahnung, wann sie aufgeweckt wird?“ Semir schüttelt den Kopf. „Leider nein. Aber sie ist weiterhin stabil und das ist schon ein gutes Zeichen. Ich habe auch schon darüber nachgedacht, wer mir da ans Leder will. Aber es ist wie verhext. Ich weiß nicht, wer es sein könnte. Absolut nicht.“ stöhnte der Hauptkommissar. „Hast du noch mehr SMS bekommen?“ fragte Paul ohne ihn anzusehen. „Nein, seit ich hier drin bin nicht mehr. Ich freu mich schon, wenn ich hier rauskomme. Ich hasse dieses Nichtstun.“ Paul lachte leise auf. „Du kannst es wohl nicht erwarten, die Jagd auf die Kerle zu starten oder? Aber eigentlich kannst du doch froh sein, hier mal etwas Ruhe zu bekommen. Weißt du was auf den Straßen los ist? Die Hölle, sag ich dir. Ich habe heute Vormittag allein 18 Schwerverbrecher gefangen.“ Semir sah ihn erstaunt an. „Du willst mich jetzt verarschen, oder?“ Sein Partner riss die Augen auf. „Was denkst du denn von mir? Sowas würde ich nie tun.“ Doch dann lachten beide.

    Thilo stutzte. „Wieso sollte Semir abhauen?“ Er sah Paul erstaunt an. „Nun, ich kenne meinen Partner und wenn er eine Möglichkeit hat, einer Bewachung zu entziehen, dann nutzt er sie auch. Hast du schon was?“ Thilo sah auf seinen Zettel. „Nicht sehr viel.“ Er machte sich wieder an die Arbeit und schwieg. Paul beobachtete den jungen Mann bei der Arbeit und musste feststellen, dass Thilo sehr genau damit war. Er notierte sich einige Dinge, die ihm und Semir scheinbar nicht beachtungswürdig war, doch plötzlich wurde Thilo unruhig. Er suchte in seinen Taschen und sah Paul fragend an. „Was ist denn?“ „Ich suche mein Handy. Ich hatte es im Krankenhaus noch, aber jetzt kann ich es nicht mehr finden.“ erklärte der junge Polizist. „Hast du es vielleicht liegen lassen?“ Thilo stand auf. „Das kann sein. Ich fahre nur eben schnell hin und hole es, wenn du damit einverstanden bist.“ Paul nickte und Thilo verschwand. Paul war sehr neugierig auf das, was der junge Kollege herausgeschrieben hatte und warf einen Blick auf das Blatt. In Gedanken las er: Tochter von Reich prüfen. „Wo ist Sandberg?“ riss Kim Krüger ihn aus den Gedanken. Paul drehte sich um und sah seine Vorgesetzte in der Tür stehen. „Ach Frau Krüger, er hat sein Handy wohl im Krankenhaus vergessen und holt es gerade. Sie wissen doch, wie die Jugend mit dem Handy umgehen. Das ist ein Heiligtum.“ grinste er. Kim Krüger nickte. „Dann sollte er sich beeilen. Wie sieht es bei Gerkhan aus?“ Paul atmete tief durch. „Ich werde ihn am Freitag abholen und mit ihm ermitteln. Er wird am Abend bei mir auf dem Boot sein und dort kommt niemand unangemeldet rein.“ erklärte Paul. „Also gut. Besser als wenn er allein auf Tour geht. Frau Schäfer und die Kinder werden aber ins Savehouse gehen, oder?“ Paul nickte und machte sich wieder an die Arbeit. Er ging diesmal die Aussage der alten Frau durch, die bei Andrea im Haus wohnte. Thilo brauchte fast eine Stunde, bis er wieder in der PAST war und Paul sah ihn strafend an. „Hör mal, du kannst doch nicht eine Stunde wegbleiben. Ich musste mir schon Ausreden einfallen lassen, weil die Krüger wissen wollte wo du bist.“ tadelte er den jungen Mann. „Aber, ich ähm…ich habe doch nu ...“ stammelte Thilo. „Schon gut, ich habe ihr gesagt, dass du dein Heiligtum verloren hast. Hast du es denn wieder?“ Thilo nickte. „Ja, es war bereits im Schwesternzimmer abgegeben worden.“ Die Erleichterung darüber war deutlich zu hören.

    Paul sah Thilo an. „Okay, was hast du?“ Thilo nahm seinen Zettel hoch. „Also ich habe mir die Akte von diesem Frank Reich vorgenommen und da ist mir aufgefallen, dass der ja eine Tochter hat. Die wäre heute 26 Jahre alt.“ las er vor. Paul nickte. „Und?“ wollte er wissen. „Nun ja, ich habe es aufgeschrieben.“ „Ja, aber das muss doch einen Grund haben.“ versuchte Paul weiter heraus zu finden. Thilo sah ihn an. „Also gut, wir haben keinen Hinweis wer der Täter ist und was, wenn es kein Mann ist, sondern eine Frau?“ Paul setzte sich gerade hin. Der Hinweis seines jungen Kollegen war gar nicht so falsch. „Okay, das ist ein guter Ansatz. Was machen wir jetzt?“ Thilo dachte nach. „Nun, wir könnten in dem Heim, in dem die Kleine damals gebracht wurde nachhören, ob sie adoptiert und vor allem wohin sie adoptiert wurde. Dann den Namen und die Frau einfach mal befragen.“ erklärte er. Paul nickte anerkennend. „Sehr gut. Dann weißt du ja, was du zu tun hast. Ich fahre jetzt noch mal zu Semir.“ Thilo lachte leise. „Warum willst du denn zu ihm? Ich meine, er ist doch eh bald bei dir auf deinem Boot. Wie heißt das überhaupt? Und wo liegt der Kahn?“ Paul zog seine Augenbrauen zusammen. „Pass mal auf, du Grünschnabel! Die Bounty ist kein Kahn, ist das klar? Das ist eine wunderbare alte Lady!“ verteidigte er seinen Besitz. Thilo lachte. „So meine ich das doch gar nicht. Ich finde es echt klasse. Kann ich dich nicht doch mal besuchen?“ Paul dachte kurz nach. „Nun, ich denke die Leute im Rheinauhafen machen noch keine Gesichtskontrolle. Also, wenn was ist, bin ich erreichbar.“ Thilo nickte. „Grüß mir Semir.“ Paul verschwand. Thilo sah seinem Kollegen nach und wartete noch einen Moment, doch dann rief er sein Mailprogramm auf. Er prüfte seinen Posteingang und fing dann an auch einige der Mails zu beantworten. Immer wieder sah er sich verstohlen um, damit sein Tun nicht aufflog.

    Thilo sah auf den Bildschirm und war so vertieft darin, dass er nicht mitbekam wie Paul wieder ins Büro kam. „Was machst du da?“ riss er Thilo aus dem Tun heraus und der junge Mann zuckte so heftig zusammen, dass die Wasserflasche, die auf dem Schreibtisch stand umkippte. Etwas unbeholfen hielt Thilo sie gerade noch fest, bevor sie vom Tisch rollte. Der junge Mann war ziemlich nervös. „Ich ähm … ich … nichts … ich meine, natürlich tue ich etwas. Ich habe mich nur sehr auf dem Bildschirm konzentriert.“ stammelte der junge Polizist und Paul lächelte leicht. „Mir scheint du hast ein schlechtes Gewissen.“ grinste Paul. „Quatsch! Warum sollte ich denn. Was ich dich noch fragen wollte, kann ich Jenny nicht im Savehouse unterstützen? Diese Aktenarbeit liegt mir einfach nicht.“ Paul schüttelte den Kopf. „Nein, ich brauche dich hier! Die Akten müssen gesichtet werden, denn ich bin mir sicher, dass wir dort den feigen Täter finden, der Kinder über den Haufen schießt.“ „Paul, ich sehe es genau wie du. Die Typen müssen festgenagelt werden. Aber wie kann die Büroarbeit dazu beitragen?“ Paul atmete tief durch und setzte sich. „Sieh mal, wir haben außer den Akten nichts, was wir verfolgen können. Da gibt es auch ein paar Ungereimtheiten und ich würde sie gern mal mit dir besprechen.“ Thilo lächelte und nickte. „Klar, was für Ungereimtheiten?“ hakte er sofort nach. „1. Warum hast du Semir angelogen? Und 2. Warum warst du ausgerechnet dann nicht da, als der Doc versucht hat, Semir zu entführen? 3. Hast du die Mappe ausgetauscht? 4. Wer ist Alexandra und wer Gertrude?“ Thilos Grinsen verschwand. „Sag mal, hast du sie noch alle? Hältst du mich für den Täter oder was? Denkst du, ich stecke mit den Tätern unter einer Decke? Denkst du, ich habe Freude daran, wenn Kinder an- oder erschossen werden? Hast du mein Handy überwacht?“ Thilos Stimme wurde lauter. „Beantworte mir meine Fragen! Und ja, ich habe dein Handy überwacht. Jenny sagte mir, dass du pausenlos SMS geschrieben hast und ich will wissen mit wem!“ forderte Paul ihn auf. „Okay, wenn es dazu beiträgt, dass du mir vertraust, dann sollst du deine Antworten bekommen. 1. Ich habe Semir nicht davon erzählt, weil ich es für einen Fehler gehalten habe. Immerhin war die Gefahr für Jenny weg und wenn ich den Wagen getroffen hätte, dann wäre vermutlich nur ein größerer Unfall entstanden. Vielleicht wären dann Menschen gestorben. Davor hatte ich Angst!“ Paul sah ihn schweigend an.

    Thilo stand auf und ging zum Fenster. Er sah hinaus und stöhnte leise auf. „Ich habe schon einmal auf ein Fahrzeug geschossen, was sehr üble Folgen hatte. Damals wurde ein Unfall ausgelöst, der zwei Todesopfer forderte. Eine Frau und ihrem Baby starben noch am Unfallort. Damals habe ich von meinem Dienstvorgesetzten ein Donnerwetter zu hören bekommen. Ich hätte nicht schießen dürfen, weil es nicht notwendig war. Ich habe gedacht, dass es diesmal auch wieder so rüberkommt. Ich … Paul, ich wollte nicht wieder schuld am Tod von Unschuldigen sein. Ich hatte große Angst, das Semir mir die Leviten liest und mir ein Disziplinarverfahren angehängt wird, weil es sich wiederholt hat.“ Er sah Paul flehend an. „Wirklich! Ich habe nur Angst gehabt, weil … ich…“ „Okay, diese Erklärung erkenne ich erst einmal an. Du weißt ja auch, dass ich es nachprüfen kann. Was war im Krankenhaus?“ Thilo zog die Schultern hoch. „Ich weiß es nicht. Ich habe plötzlich starke Bauchschmerzen bekommen und musste einfach zur Toilette. Ich habe doch nicht gewusst, dass ein falscher Arzt dann ins Zimmer geht und Semir holen will. Es ist einfach ein dummer Zufall gewesen.“ Paul nickte nachdenklich. „Und was ist mit dem Arzt, der erst in der Mappe war und dann plötzlich nicht?“ Thilo zog die Schultern hoch. „Ich weiß es nicht. Ehrlich, ich habe keine Ahnung wie die Mappe ausgetauscht werden konnte.“ Thilo setzte sich wieder und bemerkte, das Paul ihn eindringlich musterte. „Wer ist Alexandra?“ Thilo seufzte. „Das ist meine Schwester in Amerika. Sie will zum Geburtstag unserer Mutter nach Deutschland kommen und konnte mir noch nicht sagen, wann ihre Maschine landet, damit ich sie abholen kann. Meine Mutter, das ist Gertrude, weiß nichts davon. Die beiden haben sich seit acht Jahren nicht mehr gesehen.“ Paul regte sich nicht und sah ihn nur an. „Du glaubst mir nicht?“ Paul lehnte sich vor. „Ich weiß es nicht. Es sind etwas zu viele Zufälle, die aufgekommen sind.“ Thilo atmete tief ein und streckte sich im Bürostuhl. „Okay, wie kann ich es dir beweisen?“ Paul sah seinen jungen Kollegen ernst an. „Ganz einfach. Du wirst die Akten durcharbeiten und dir das notieren, was du denkst, dass es uns hilft.“ Thilo nickte. „Okay, und was machst du?“ „Ich werde dir noch etwas helfen und dann noch mal zu Semir fahren.“ Thilo lächelte und machte sich wieder an die Arbeit, doch nicht lange und er unterbrach die Stille im Büro. „Wo ist eigentlich die Schutzwohnung, wo Andrea und die Kinder sind?“ „Warum willst du das wissen?“ hakte Paul sofort nach und sein Misstrauen war wieder geweckt. „Nur reine Neugier. Ich meine, ich bin euer Kollege und ich habe die Familie ja auch kennen gelernt.“ Paul nickte leicht. „Das ist schon möglich, aber selbst ich weiß nicht, wo die Wohnung ist. Das ist normal.“ Thilo sah ihn an. „Okay, verstehe. Holst du Semir am Freitag ab?“ Paul grinste leicht. „Ja, das werde ich tun. So kann ich nämlich verhindern, dass er sich aus dem Staub macht.“

    Paul fuhr zur PAST zurück. Susanne empfing ihn mit einem fragenden Blick. „Gibt es was Neues? Wie sieht es bei Dana aus?“ fragte sie sofort. „Sie ist scheinbar über dem Berg. Wenn ich es richtig verstanden habe. Zumindest ist die kritische Zeit wohl um. Aber man lässt sie noch im Tiefschlaf, damit der Körper heilen kann. Andrea und die Kleinen werden am Freitag entlassen. Sie werden von Jenny ins Savehouse gebracht und sie wird auch bei ihnen bleiben.“ Susanne atmete auf. Sie war, genau wie Paul, erleichtert, dass es nun aufwärts ging. „Das sind doch mal gute Nachrichten. So etwas brauchen wir. Was ist denn mit Semir?“ Paul zog die Schultern hoch und lächelte gequält. „Du kennst ihn doch. Der lässt sich nicht kaltstellen. Ich habe mit Krüger vereinbart, dass er mit mir ermitteln darf.“ Auch Susanne lächelte leicht. „Ja, das ist wohl wahr. Du musst gut auf ihn aufpassen.“ „Das werde ich auch. Nach Feierabend wird er bei mir auf dem Boot bleiben und wenn es sein muss, werde ich ihn anketten.“ grinste Paul. „Das ist wirklich eine sehr gute Idee. Nur mit den Ketten würde ich mir überlegen. Semir kommt auf den Trichter und schrottet dein Zuhause, wenn er sich befreien will.“ lachte Susanne und machte sich wieder an die Arbeit. Paul ging ins Büro, wo Thilo immer noch damit beschäftigt war, die Akten von Semir zu sichten. Zu seinem Erstaunen hatte der junge Kollegen bereits vier Akten durchgearbeitet. Paul setzte sich auf seinen Stuhl und ließ den PC hochfahren. „Du wohnst auf einem Boot?“ fragte Thilo. Paul sah ihn erstaunt an. „Woher weißt du das?“ stellte er mit einem sehr misstrauischen Ton die Gegenfrage. „Du hast es doch eben zu Susanne gesagt. Hey, ich habe sehr gute Ohren. Was ist das denn für ein Kahn?“ Pauls lächeln verschwand und sah den jungen Mann ernst an. „Die Bounty ist kein Kahn! Das ist eine richtig tolle Jacht. Sie hat drei Kajüten und eine Kombüse!“ verteidigte er sein Zuhause. Thilo lachte auf und hob die Hände. „Hey, das war doch nicht böse gemeint, Paul. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es richtig toll ist, auf so einem Boot zu wohnen.“ Paul nickte. „Ja, das ist es auch.“ Thilo arbeitete weiter. „Wo liegt deine Bounty denn?“ Paul sah auf. „Warum willst du das wissen?“ stellte er nun die Gegenfrage. „Ich könnte dich doch mal besuchen. Weißt du, ich liebe das Meer und ich liebe es, auf Booten zu fahren. Mein Vater hatte auch eine kleine Jolle. Damit sind wir in den Ferien immer wieder auf diversen Flüssen gefahren.“ Paul dachte nach. Irgendwie wuchs seine Skepsis, wenn Thilo doch mit den Gangstern, die Semir bedrohten, unter einer Decke stecken, dann würde er ihm jetzt in die Hand spielen. „Sorry, aber ich möchte dir noch nicht sagen, wo das Boot liegt. Vielleicht irgendwann mal.“ lehnte er es nun entschlossen ab.

    Kim Krüger kam nur kurz nach Paul ins Büro und machte ihm ein Zeichen, dass sie mit ihm sprechen wollte. Paul stand auf und kam zu ihr. Nur wenig später waren sie bei Kim im Büro. „Ich habe mit den ehemaligen Vorgesetzten von Herrn Sandberg gesprochen. Er hat ihn in den höchsten Tönen gelobt. In seinen Augen ist Sandberg loyal und zuverlässig. Sandberg hat vor einem knappen halben Jahr sogar einen korrupten Kollegen auffliegen lassen.“ Paul nickte nachdenklich. „Das klingt zwar sehr gut, aber wir müssen auch davon ausgehen, dass er die Rache von langer Hand geplant hat und jetzt kurz vor seinem Ziel steht.“ Kim Krüger atmete tief durch. „Ich weiß, deshalb bin ich auch der Meinung, dass wir ihn nicht allzu sehr in den Ermittlungen einbinden.“ Paul sah sie an. „Ich sehe es genauso. Dennoch will ich, dass er mich bei den Ermittlungen unterstützt. Wenn er bei mir ist, kann ich auf ihn aufpassen.“ Kim erwiderte seinen Blick. „Und wenn Sie mit Gerkhan auf Ermittlungstour sind, soll er auch mit?“ fragte sie. „Nein! Er wird hier im Büro Dienst tun. Semir und ich werden normal ermitteln. Er wird nicht erfahren, wo das Savehouse ist oder wo der Unterschlupf von mir und Semir sein wird. So kann er nichts verraten.“ Kim Krüger atmete tief durch. „Sie wollen draußen allein ermitteln?“ hakte sie nach. „Ich bin nicht allein. Semir wird bei mir sein und er wird alles daranlegen, die Kerle zur Strecke zu bringen.“ Paul sah sie ernst an, denn Kims Blick verfinsterte sich. „Denken Sie, dass Sie Gerkhan im Griff haben? Was machen Sie, wenn er die Kontrolle verliert?“ Paul schüttelte energisch den Kopf. „Semir ist schon viel zu lange Polizist und es ist nicht das erste Mal, dass seine Familie bedroht wurde und er die Täter gestellt hatte. Er verliert die Kontrolle nicht.“ nahm er seinen Partner in Schutz. „Herr Renner, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass Gerkhan jetzt befangen ist. Er ist persönlich involviert und in diesem Fall muss ich ihn suspendieren. Er darf eigentlich nicht ermitteln.“ Paul grinste leicht. „Das wird er nicht. Er fährt nur mit mir, damit ich auf ihn aufpassen kann.“

    Für Paul war die Nacht kurz. Um sechs riss Hartmut ihn aus dem Traum. „Ja?“ fragte Paul müde. „Ich bin es. Hör mal, ich habe das Handy von diesem Sandberg überprüft. Das ist negativ. Harmlose SMS an eine Alexandra in den USA. Anrufe in die USA und nach Dormagen. In Dormagen ist es eine Gertrude Sandberg. Vom Alter her würde ich glatt denken, dass es seine Mutter ist.“ Paul stieß einen Seufzer aus. Einerseits war er froh darüber, dass Thilo nicht mit SMS Informationen weitergab, die niemand wissen sollte, dennoch war da ein fader Beigeschmack. „Danke Hartmut.“ Paul beendete das Gespräch und ging duschen. Da er nach Absprache erst gegen Mittag zum Gefängnis konnte, zog er das Krankenhaus vor und ließ sich um Zehn Uhr bei dem Personalleiter anmelden. Es dauerte nur wenige Minuten bis er dem Mann gegenüber saß. „Hubert Orthmann, bitte nehmen Sie Platz. Was kann ich für die Autobahnpolizei denn tun?“ wollte er von Paul wissen und wies auf einen bequemen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er lächelte Paul freundlich an. „Herr Orthmann, es geht darum, dass in einer Mappe, in der eigentlich nur Mitarbeiter der Klinik sein sollten, ein Mann mit dem Namen Dr. Michael Fendler vorhanden war. Nach Angaben des Stationsarztes ist aber dieser Arzt nicht bekannt.“ Hubert Orthmann hörte Paul aufmerksam zu und nickte ab und an. „Ich verstehe Ihr Problem, Herr Renner. Aber Sie werden sicher verstehen, dass ich Ihnen keine Personaldaten geben kann. Der Datenschutz wird in unserem Hause großgeschrieben.“ Paul stöhnte leise auf. „Hören Sie, ich kann auch auf eine andere Tour die Daten erhalten. Wie wäre es, wenn ich mit einem Durchsuchungs-beschluss in einigen Augenblicken wiederkomme und dann mit 30 Kollegen das Krankenhaus auf dem Kopf stelle?“ drohte er indirekt und es schien zu wirken. „Also wissen Sie, so eine Publik kann die Klinik nun wirklich nicht brauchen. Ich schaue ja schon nach!“ Orthmann hämmerte auf der Tastatur seines PCs herum und er sah immer wieder auf den Monitor. „Also ein Arzt mit dem Namen Fendler ist wirklich nicht in den Akten. Es gibt bei uns keinen Arzt mit diesem Namen.“ Paul nickte, denn mit diesem Ergebnis hatte er gerechnet. „Können Sie mir meine eigentliche Frage jetzt beantworten?“ Orthmann schien etwas verwirrt. „Welche Frage denn?“ „Die Frage, wie ein Arzt, der keiner ist in die Mappe kam. Er hat die Mappe aus dem Personalbüro zu meiner Kollegin gebracht?“ „Nun, wir haben hausinterne Post. Das heißt, wenn hier etwas auf den Stationen verteilt wird, dann sind meistens die Schwesternschülerinnen dafür zuständig. Oder die Auszubildenden. Aber es kann auch jeder Andere in der Abteilung gewesen sein. Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass eine von den Angestellten irgendwas fälscht!“ erklärte der Personalleiter des Krankenhauses. „Es wurde aber manipuliert. Kennen Sie diesen Mann?“ Paul legte ihm das Phantombild des falschen Arztes vor. Orthmann sah es sich an und schüttelte mit dem Kopf. „Danke für Ihre Hilfe.“ Paul erhob sich und machte sich auf den Weg zu Semir, um zu sehen, wie es seinem Partner ging.

    Paul betrat den Fahrstuhl und ließ sich auf die Station fahren, wo Semir und seine Familie untergebracht waren, auch um zu sehen, wie Semir das nächtliche Geschehen verarbeitet hatte. Doch erst musste er warten, denn die Ärzte waren gerade zur Visite im Zimmer. Die Besprechung dauerte fast eine halbe Stunde und Paul saß bei Jenny und Mark vor der Tür. „Ist die Nacht ruhig gewesen?“ fragte er. „Ja, alles ruhig. Ich habe die Schwester, die mir die Mappe gegeben hat, angesprochen. Sie sagte mir, dass sie die auf dem Tisch liegen hatte und sie einfach nur weitergereicht hat.“ gab Jenny von sich. Paul sah sie an. „Hast du ihren Namen?“ Jenny nickte. „Ja, Schwester Marianne.“ „Okay, danke…“ Die Ärzte kamen raus und Paul ging rein. Er sah Semir am Tisch sitzen und warf ihm einen Blick zu. „Alles in Ordnung?“ wollte er wissen. Semir nickte leicht. „Bei uns schon. Dana ist stabil, das hat mir der Doc eben gesagt. Wir dürfen in vier Tagen nach Hause.“ Paul nickte leicht. „Gut, denn Krüger hat sich bereits um das Savehouse gekümmert. Die Krüger hat gesagt, dass du ebenfalls dort sein wirst, bis der Täter gefasst wurde.“ Semir sah ihn an und zog die Augenbrauen runter. „Dann kannst du ihr ausrichten, dass ich mich nicht kaltstellen lasse! Ich werde dieses Schwein selbst verhaften!“ fauchte er und machte Paul klar, dass er auf gar keinen Fall ins Savehouse ging. Die Tür ging auf und eine Schwester trat ein. „Ich möchte nur eben die Betten machen.“ lächelte sie. Paul sah zu Andrea, doch die zog nur die Schultern hoch. „Ich weiß Semir und das habe ich der Krüger auch gesagt. Ich habe ihr vorgeschlagen, dass du mit mir ermittelst und unter meinem Schutz stehst. Außerdem wirst du auf meinem Boot übernachten und keinen Schritt ohne mich machen.“ Semir nickte kurz. „Also gut, Andrea, du und die Kleinen werdet im Savehouse untergebracht und steht unter ständiger Bewachung. Jenny wird immer bei dir und den Kindern sein! Semir, du wirst mit mir auf der „Bounty“ sein und dort unter meinem persönlichen Schutz stehen.“ Andrea nickte ebenfalls. Die Schwester war mit dem Bettenmachen durch und verabschiedete sich mit einem leisen „Auf Wiedersehen“ aus dem Zimmer.

    Paul fuhr nach Hause, als Thilo längst gegangen war. Er grübelte über das, was bisher passiert war und kam zu dem Entschluss, dass er eigentlich nichts in den Händen hatte. Auch die Frage, Thilo zu vertrauen und wie weit er dort gehen würde, ließ ihn grübeln. Zu viele Vorfälle, die ein schlechtes Licht auf den neuen Kollegen warfen. Das erste war, dass er Semir angelogen hatte, was Paul allerdings nicht wirklich viel beimaß. Schlimmer war, dass er im Krankenhaus ausgerechnet zu dem Zeitpunkt auf Toilette musste, als Semir aus dem Krankenhaus entführt werden sollte. Außerdem hatte Jenny ihm berichtet, dass Thilo mehr mit seinem Handy beschäftigt war und dann das Verschwinden des falschen Arztes aus der Akte. Und auch die Liste mit den Namen, den Jenny gelesen haben wollte, wurde ausgetauscht. Thilo hatte die Chance dazu, als Jenny der Krankenschwester geholfen hatte, Semir wieder auf das Bett zu legen. Thilo war der einzige, der vor dem Zimmer war und die Möglichkeit hatte es zu tun. Doch lag er mit seinem Verdacht wirklich richtig? Helfen könnte das Handy von Thilo. Er griff zum Handy und wählte Hartmut an, der tatsächlich auch noch in der KTU war. „Hartmut, ich bin des. Hör mal, ich möchte dich bitten, das Handy von Thilo Sandberg überprüfen? Mir geht es vor allem darum zu erfahren, mit wem er SMS schreibt. Kriegst du das hin?“ „Klar, aber reicht es dir morgen? Ich war gerade dabei Schluss zu machen und müsste jetzt den PC noch mal hochfahren. Hast du für diese Aktion denn auch den gerichtlichen Wisch?“ Paul atmete tief durch. „Hör mal, es geht doch um Semir. Ich besorge dir den Wisch morgen, das verspreche ich dir. Man wollte Semir heute aus dem Krankenhaus entführen. Er hat sich gewehrt und konnte sich befreien. Sandberg war genau zu diesem Zeitpunkt nicht an seinem Platz.“ berichtete Paul und Hartmut schwieg einen Augenblick. „Warum sagst du mir das erst jetzt? Ich mach mich direkt an die Arbeit.“ gab der Techniker von sich.

    Auf dem Zimmer der Gerkhans fing der Tag um sieben Uhr an. „Guten Morgen, das Frühstück ist da…“ gab die Krankenschwestern von sich, als sie das Zimmer von Familie Gerkhan betrat. Semir sah sie müde an und Andrea bemerkte natürlich sofort, dass etwas nicht stimmte. Während sie frühstückten, erzählte Semir, was am Vorabend noch vorgefallen war. „Was will der Kerl von uns? Warum tut er das? Er hätte unsere Kinder fast umgebracht und bei Dana…“ Andrea schwieg. Semir nickte. „Andrea, ihr werdet sicher bald entlassen und dann bringen wir euch im Savehouse unter, bis der Kerl geschnappt ist, das verspreche ich euch.“ sagte er und Andrea wusste genau, dass er es ernst meinte. „Du wirst also auf die Jagd nach ihm gehen?“ Semir nickte. „Was denkst du denn? Ich lasse es nicht zu, dass jemals noch einer so nahe an euch rankommt.“ drohte er. Andrea lächelte leicht. „Da ich weiß, dass ich dich nicht aufhalten kann, werde ich es erst gar nicht versuchen. Aber kannst du mir verraten, wie der Kerl hier einfach in unser Zimmer kommen kann? Ich dachte Jenny und ihr Partner sitzen vor der Tür.“ Semir nickte. „Das tun sie auch, aber der Arzt hatte einen Ausweis und der stand samt Bild in der Akte, die Jenny hatte. Ihr ist kein Vorwurf zu machen.“ nahm Semir seine Kollegin in Schutz. „Das ist mir klar, aber wieso taucht ein falscher Name in der Liste auf? Da muss doch einer vom Krankenhauspersonal dahinterstecken. Hast du Paul damit schon beauftragt?“ Semir lachte leise. „Andrea, Paul weiß genau was er zu tun hat. Ich bin mir sicher, er wird mir heute Nachmittag erklären, was es damit auf sich hat.“ Lilly kam zu ihm und griff seine Hand. „Papa, ich will nach Hause…“ Semir und Andrea sahen sich an. „Ja mein Schatz, wir fahren bald wieder nach Hause. Ganz bestimmt.“ Andrea nahm ihre kleine Tochter in den Arm und strich ihr sanft über den Kopf, auch Ayda schmiegte sich an ihre Mutter. Semir ging zu ihnen und nahm alle in den Arm. Er sagte nichts und hielt sie einfach nur fest. Andrea bemerkte, dass er weinte und strich ihm sanft über den Rücken. Doch auch Ayda schien es zu bemerken. Sie drückte ihren Vater ein wenig weg und sah ihn an. „Papa, warum weinst du? Ist das wegen Dana?“ „Ich weine nicht, mein Schatz…“ schluchzte Semir sehr unglaubwürdig und lächelte gequält. „Doch das tust du. Du hast doch immer gesagt, dass Helden nicht weinen. Aber ich finde das gar nicht schlimm. Helden müssen auch einmal traurig sein.“

    Paul setzte sich Kim gegenüber. Sie sah ihn fragend an. „Was für ein Problem?“ wollte sie wissen. „Es wurde auf die Familie von Semir geschossen. Alle seine Familienmitglieder und er wurden verletzt. Dana fast getötet, denken Sie wirklich, dass er sich einfach wegsperren lässt? Wir wissen doch, was dann passiert, wenn er eine Chance bekommt zu verschwinden. Er wird auf eigene Faust ermitteln und dann in noch größere Gefahr kommen, als er es schon war.“ erklärte Paul. Kim Krüger stöhnte auf. Sie wusste sehr wohl, dass er damit Recht hatte. „Und was schlagen Sie vor?“ Sie sah Paul skeptisch an. „Nun, Sie und ich werden ihn nicht von den Ermittlungen abhalten können und das Beste wäre, wenn er mit mir ermittelt. Ich könnte ihn dann beschützen und er kommt nicht auf dumme Gedanken. Jenny könnte in der Zeit mit Mark die Familie im Savehouse beschützen.“ Kim dachte kurz nach und nickte dann ergeben. „Also gut.“ Paul lächelte leicht. „Sehr schön. Ich werde mir jetzt mit Thilo die Akten vornehmen und hoffe, dass wir etwas finden.“ Kims Blick veränderte sich. „Denken Sie, dass es gut ist, Sandberg in die Ermittlungen einzunehmen? Ich meine, wenn er wirklich mit den Tätern zusammenarbeitet, dann wäre es sehr kontraproduktiv.“ Paul lächelte leicht und senkte Kopf. „Das ist richtig, aber dieses Risiko muss ich eingehen. Ich schaffe es nicht allein und mir ist es lieber, wenn er hier bei mir ist, als bei Semir.“ Kim nickte nachdenklich. „Okay. Wie wollen Sie jetzt vorgehen?“ „Nun, ich werde noch die Akten weiter durchgehen und in vier Stunden Feierabend machen. Das gleiche gilt für Thilo und dann fahre ich morgen früh zum Gefängnis, wo Frank Reich verstarb. Ich möchte wissen, was an den Gerüchten dran ist. Danach werde ich zum Krankenhaus fahren und den Leiter nach diesem vermeintlichen Arzt zu fragen. Ich weiß, dass es keiner war, aber irgendwie muss das Bild ja in die Akte gekommen sein.“ „Also gut. Ich werde dann mal sehen, was ich über unseren neuen Kollegen herausfinde.“

    Paul verließ das Büro und ging zu Thilo zurück, der zu seiner Überraschung sehr akribisch eine Akte durchging. „Hast du Spaß dran?“ unterbrach Paul ihn. „Nein, aber es muss gemacht werden und ich habe schon in der Ausbildung Aufgaben übernehmen müssen, die Andere nicht machen wollten und ich bin es gewohnt, diese auch vernünftig durchzuführen.“ erklärte der junge Mann. Paul setzte sich auf seinen Stuhl und sah Thilo an. „Gilt das für alle Arbeiten, die dir aufgetragen werden?“ Thilo nickte. „Paul was ist los? Traust du mir nicht?“ „Wie kommst du denn darauf? Ich muss mit dir zusammenarbeiten und muss wissen, woran ich bin.“ Thilo schloss die Akte. „Hör mal, Paul. Ich bin jung und sicher nicht so erfahren wie du, aber ich bin nicht blöd. Was wird hier gespielt. Du hast mich aus dem Krankenhaus geholt, obwohl du vorher noch gesagt hast, dass die Bewachung jetzt wichtiger ist. Du überträgst mir dann Aufgaben, die du sicher schon längst ausgeführt hast. Diese Akten sind ja nicht erst seit heute in deinem Büro, oder?“ Paul stieß einen tiefen Atemzug aus. „Thilo… ich glaube, du liegst falsch. Ich kann nicht alle Akten durchsehen. Du hast recht, die Akten lagen schon ein paar Tage hier, aber ich kann sie nicht alle durchsehen. Semir und ich haben angefangen und jetzt sitze ich allein davor. Ich habe mit mir gerungen, ob ich es dir zumuten kann. Du bist unerfahren, wie du eben schon selbst erkannt hast. Ich denke, du bist mir hier eine größere Hilfe als im Krankenhaus.“ gab Paul von sich. Thilo senkte den Kopf und schüttelte ihn gleichzeitig. „Du willst mir als nicht wirklich etwas sagen. Okay, es ist jetzt zehn und ich denke, wir könnten Feierabend machen. Bitte vergiss nicht, dass ich bereits eine Schicht von sieben Stunden im Krankenhaus hatte.“ sagte er und in seiner Stimme konnte Paul einen resignierenden Ton erkennen. Irgendwie bekam er ein schlechtes Gewissen, seinem jungen Kollegen nicht die Wahrheit erzählt zu haben, doch er wusste noch nicht, woran er war. Sein Handy klingelte und er meldete sich. „Ja?“ fragte er kühl. „Ich bin es. Ich habe mal ein bisschen vorgearbeitet und mein Phantombild in den PC eingescannt. Es gibt keine Übereinstimmung. Das heißt, der Kerl ist nicht in der Kartei und damit nicht vorbestraft.“ hörte er Jenny sagen. Paul schloss die Augen. „Danke Jenny…“ sagte er und beendete das Gespräch. Thilo sah ihn an. „Und?“ „Du kannst das Phantombild vergessen.“

    Paul sah Jenny an. „Hör mal, wenn Mark seinen Dienst antritt dann solltest du zum Zeichner gehen und ein Bild von dem Arzt erstellen lassen. Wir müssen wissen, wie der Mann ausgesehen hat.“ Bat er seine junge Kollegin. „Ja, mach ich und wer macht meinen Job hier? Ich will nicht daran schuld sein, dass Semir oder den Kindern was passiert.“ Paul nickte. „Klar, ich lasse Dominik noch kommen. Die Beiden sollten dann ausreichen.“ Schlug er nun vor. Jenny nickte und lächelte leicht. „Gut, sobald Dominik hier ist, fahre ich zum Zeichner und werde meine grauen Zellen anstrengen, damit ich den Doc beschreiben kann. Hoffentlich fällt mir das noch ein.“ Paul legte ihr die Hand auf die Schulter. „Ganz sicher. Also bis später.“ Paul fuhr nachdem die Verstärkung eingetroffen war, mit Thilo zurück zur PAST wo dieser in seinen neuen Job eingewiesen wurde. Als Paul endete, hob Thilo die Hand. „Also, nur um sicher zu gehen, dass ich es richtig verstanden habe. Ich soll mir die Personalakten vom Krankenhaus vornehmen und jeden Arzt, jede Schwester, jeden Pfleger und jede Putzfrau, die hier drin steht überprüfen?“ Er sah Paul fragend an und dieser nickte. „Paul, damit bin ich bestimmt bis zum Feierabend beschäftigt und morgen auch noch!“ beschwerte Thilo sich. Paul lächelte leicht. „Thilo, Feierabend wirst du heute sicher sehr spät haben und dann möchtest du nur noch schlafen. Glaub mir, ich habe diesen Job schon mehrfach gemacht. Aber wir müssen möglichst schnell alles untersuchen und überprüfen, damit wir Semir und seine Familie effizient schützen können und diesen Kerl, der das getan hat, festsetzen. Außerdem wird Jenny auch noch eine Weile beim Zeichner sitzen. Das ist auch nichts zu lachen.“ Thilo nickte. „Das ist mir klar, aber was bringt uns das? Ich meine, es kann doch ...“ Er schwieg als Paul ihn mit ernster Miene ansah. „Komm mir bitte nicht mit einem Zufall. Jenny sagt, er befand sich in der Akte und einen Arztkittel findet man auch nicht an jeder Ecke! Sobald das Phantombild fertig ist, wirst du auch noch das prüfen! Der wollte Semir entführen und ich will ihm nicht noch einmal eine Chance geben, sein Werk zu vollenden!“ Thilo zog sich zusammen. „Ist ja gut. Ich mache mich sofort an die Arbeit.“ knurrte er. „Okay, und wenn du da durch bist, dann nimmst du dir diese Akten vor und gehst sie ebenfalls durch. Ich bin bei einer der Akten und muss mich noch um andere Dinge kümmern.“ Thilo sah auf die Akten. „Okay, also ist heute Büroarbeit angesagt. Worauf soll ich achten?“ Paul lächelte. „Du wirst die Akten durchlesen und dir Dinge notieren, die du glaubst es wert sind, überprüft zu werden. Alles was dir nicht koscher vorkommt.“ Thilo stöhnte leise auf. „Verstanden und was machst du?“ „Ich muss noch mit Krüger sprechen. Und danach werde ich dir helfen.“ Thilo setzte sich auf Semirs Stuhl und nahm sich die Personalakte des Krankenhauses vor. Paul ging zu Kim Krüger ins Büro.

    Kim Krüger sah auf, als Paul eintrat. Sie wusste bereits über den Entführungsversuch und sah ihn ernst an. „Wissen Sie, was passiert ist?“ wollte sie wissen. Paul nickte und brachte Kim Krüger auf den neuesten Stand. Sie überlegte kurz. „Das heißt, der Arzt war in der Akte als er ins Zimmer ging und als Semir wieder auf der Station war, nicht mehr. Was ist mit einem Phantombild? Wie kommen Sie denn darauf, dass Sandberg etwas damit zu tun hat?“ Paul atmete tief durch. „Jenny sitzt bereits beim Zeichner. Bis sie wieder ins Krankenhaus kommt, ist Mark da und wird von Dominik unterstützt. Es sind diverse Dinge, die nicht passen. Auf der Feier zum Beispiel, hat er Semir angelogen als er von dem Anschlag auf Jenny berichtete. Dann heute im Krankenhaus war er zufällig auf dem Klo, als Semir entführt werden sollte und bevor Jenny mir die Akte gezeigt hat, saß er allein am Tisch, denn Jenny hatte Semir mit in sein Zimmer gebracht. Er hätte die Möglichkeit gehabt, dieses Bild wieder raus zu nehmen.“ Kim nickte nachdenklich. „Gut, ich werde mich bei seinem ehemaligen Vorgesetzten informieren. Auch wenn es Zufälle sein könnten.“ Paul sah sie an und an dem Blick war zu erkennen, dass er an keine Zufälle glaubte. „Klar, es könnten Zufälle gewesen sein, dass der Kerl wusste in welchem Zimmer Semir lag. Einen Arztkittel findet man nicht an jeder Ecke. Ich glaube nicht daran. Jenny erzählte mir auch, dass Thilo ständig Nachrichten versendet hat. Wer der Gesprächspartner war, weiß ich noch nicht.“ „Dann finden Sie es heraus. Wer unterstützt Frau Dorn bei der Bewachung?“ „Ich habe Mark Ringer damit beauftragt. Dem vertraue ich nämlich.“ Kim nickte. „Okay, ich nehme an, dass Sie morgen sicher wieder zu Gerkhan fahren, oder?“ Paul lächelte leicht. „Davon können Sie ausgehen. Ich will morgen noch mal nach ihm und seine Familie sehen. Semir macht sich schwere Vorwürfe und leider kann ich sie ihm nicht nehmen.“ Kim nickte nachdenklich. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es nicht leicht für ihn ist. Richten Sie ihm aus, dass sobald die Familie entlassen wird in eine Schutzwohnung gehen. Und zwar alle! Ich habe bereits ein Savehouse für sie. Das ist ein Einfamilienhaus in Lengerich auf der Longericher Straße 8. Behalten Sie die Adresse bitte für sich. Solange es nicht sicher ist, dass Sandberg mit drinsteckt, sollte er nicht wissen, wie wir weitermachen. Das Gelände am Savehouse ist durch Mauern und Videoüberwachung gesichert. Und lassen Sie das Handy von Sandberg überwachen.“ bat sie ihn. Paul nickte und senkte den Kopf. „Das mit dem Savehouse klingt gut, aber ich denke, dass es ein Problem geben wird.“

    @silli passt die Länge wieder ? :D

    Paul sah zu Thilo, der am Tisch saß und den Flur entlang sah. Seine Hände hatte er in die Tasche gesteckt und er saß ziemlich gelangweilt auf seinem Stuhl. Paul wandte sich wieder an Jenny. „Ist dir denn irgendwas aufgefallen?“ Jenny schüttelte den Kopf. „Außer das mit dem Handy nicht.“ „Okay, pass auf! Ich werde mit Thilo jetzt ins Büro fahren und dann die Akten durchsehen. Lass uns zu ihm gehen!“ Jenny nickte und gemeinsam gingen sie wieder zu dem jungen Kollegen, der aufsah als sie zu ihm traten. Paul erwiderte den Blick des jungen Kollegen. „Ich muss mich glaube ich, auch bei dir entschuldigen. Versteh mich bitte nicht falsch, aber ich habe verdammt große Angst um die Familie dort hinter der Tür. Ich würde dich gern in die Ermittlungen einbinden und hoffe, dass du mir da wirklich besser helfen kannst. Das heißt für dich, dass du gleich, wenn deine Ablösung hier ist, mit mir ins Büro fahren wirst und dich dort mit den alten Akten von Semir befassen wirst. Ich brauche Unterstützung!“ Paul ließ seine Stimme eindringlich klingen. Thilo sah ihn erstaunt an und setzte sich auf. „Wirklich? Wieso ich?“ hakte er nach und Paul wechselte kurz einen Blick mit Jenny. „Ich habe die Hoffnung, dass du etwas in den Akten findest, was Semir und ich übersehen haben. Außerdem müssen alle Angestellten hier im Krankenhaus überprüft werden. Und das ist deine erste Aufgabe! Du wirst alle Personen, die sich in der Mappe befinden, abchecken! Jedes noch so kleine Detail kann uns helfen, okay?“ Thilo nickte und streckte seine Brust vor. „Das klingt nach einer sehr wichtigen Aufgabe. Aber auch danach, dass ich im Büro sitze, oder?“ Paul nickte leicht. „Richtig, aber das ist auch Polizeiarbeit.“

    Dean zuckte zusammen als sein Handy klingelte. Bastian war am anderen Ende. „Verdammt wo warst du denn?“ fauchte er, denn Bastian hatte ihn hängenlassen, als er den Bullen aus dem Krankenhaus holen wollte. „Ich habe verpennt, sorry. Hast du ihn?“ Dean atmete tief durch. „Nein, er konnte mich überwältigen.“ gab er zu. „Moment, der Kerl war doch verletzt! Wie kann ein Verletzter dich überwältigen?“ Dean schloss die Augen. „Was willst du eigentlich? Wenn du dagewesen wärst, dann hätten wir ihn jetzt! Wo warst du denn? Du wolltest doch als Fahrer fungieren, aber du bist nicht gekommen und deshalb musste ich es allein machen! Hast du dich wieder voll laufen lassen?“ gab er genauso wütend zurück. „Okay, schon gut. Ja, ich habe etwas zu viel getrunken. Weißt der Boss schon davon?“ fragte Bastian. „Nein, ich wollte ihm gerade schreiben. Der wird sicher ganz schön toben. Ich melde mich bei dir.“ versprach Dean und beendete das Gespräch. Als er in seiner Wohnung war ging er direkt an seinen PC und sah, dass er Nachrichten bekommen hatte. „Was sollte das? Es war alles perfekt geplant!“ stand dort. „Sorry, ich habe mich überwältigen lassen. Mache es wieder gut.“ schrieb Dean zurück. „Okay, du wirst noch eine Chance bekommen. Ich werde dich informieren, sobald ich mehr weiß. Jetzt ist erst einmal Ruhe.“ schrieb der Boss zurück. Dean stöhnte leise auf. Er war gekränkt, dass ein Bulle, noch dazu ein verletzter Bulle ihn in die Flucht schlagen konnte und schwor sich, dafür die Quittung noch zu verteilen. Sobald er ihn hatte, würde er ihn bearbeiten und erfahren was es heißt ihn als Feind zu haben. Dean holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf die Couch fallen. Er sah sich noch einen Film an und ging dann ins Bett.