Beiträge von Elvira

    Semir hatte eine Schmerzspritze bekommen und ein leichtes Betäubungsmittel, damit die Wunde versorgt werden konnte. Jetzt hatte er die Augen geschlossen und fühlte sich, als hätte er etwas getrunken. „Hey Partner. Bist du in Ordnung?“ wollte Paul wissen, der nun an seinem Bett stand. Semir sah ihn mit einem müden Blick an. „Die Naht ist wieder aufgegangen. Der Doc hat mir eine leichte Betäubung gemacht und die Wunde geklammert. Mir geht es entsprechend.“ bat Semir leise. Paul sah ihn ernst an. Wieder schloss er die Augen. „Was ist passiert, Semir?“ drang Pauls Stimme an sein Ohr. „Ich wurde wach, weil mich jemand berührte und da stand der Kerl dann. Er sagte, wenn ich nicht mitgehe, würde er meiner Familie etwas antun. Ich wollte sie in Sicherheit wissen und bin mit ihm gegangen. Vor der Tür habe ich Jenny noch versucht einen Hinweis zu geben, aber sie hat es nicht verstanden.“ Semir schloss kurz die Augen. „Hast du Schmerzen?“ fragte Paul. „Nein, ich bin nur etwas erschöpft. Ich konnte in der Tiefgarage den Kerl in die Flucht schlagen und habe mich dann wieder in den Fahrstuhl auf die Station geschleppt.“ Paul nickte nachdenklich. „Der Doc kennt diesen Kerl nicht. Hast du ein Kennzeichen?“ Semir nickte leicht. „K-DK 43 und dann noch zwei Zahlen, aber die fallen mir nicht ein. Ich gehe davon aus, dass es geklemmt ist. Die denken an alles. Aber irgendwie muss der an seine Sachen gekommen sein. Ausweis und so…“ Paul legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Schlaf du jetzt und erholt dich.“ „Paul … bitte. Meine Familie muss in Sicherheit. Ich brauche Hilfe.“ bat er leise. Paul nickte. „Es ist alles gut. Vor Danas Zimmer sitzen zwei Beamte. Und dein Zimmer wird auch bewacht. Aber ich werde Thilo ablösen. Ich werde gleich auch mit dem Chefarzt sprechen, dass er nur noch einen Arzt und maximal zwei Krankenschwestern bei dir reindürfen. Du ruhst dich aus und vor allem schlaf. Du brauchst jetzt Zeit, damit du Gesund wirst.“ Semir nickte nur. Es kamen keine Widerworte und Paul legte seinem Partner die Hand auf die Schulter. „Wir kriegen das hin. Und du wirst ruhig bleiben und dich erholen, okay?“ Semir antwortete nicht. „Semir! Ist das angekommen?“ Erst jetzt nickte der Hauptkommissar.

    Paul verließ Semirs Zimmer und wandte sich noch einmal an Jenny. „Von wem hast du die Mappe?“ Jenny sah ihn an. „Schwester Marianne hat sie mir gegeben und sie hat gesagt, dass ich dort alle Personen finde, die hier auf der Station arbeiten. Ich konnte doch nicht wissen, dass dieser Kerl nicht hier arbeitet. Ich meine, er war in der Mappe und er trug Arztkleidung und einen Ausweis der Klinik.“ versuchte Jenny ihr Handeln zu begründen. Paul nickte leicht. „Ich weiß, entschuldige, dass ich eben so ausgerastet bin. Du hast einen guten Job gemacht, weil du mich direkt informiert hast. Komm doch mal kurz.“ bat er sie und ging ein Stück vom Tisch. Thilo sah ihn etwas enttäuscht an, dass er nicht in das Gespräch eingezogen wurde. „Mir werden die Zufälle etwas zu viel. Erst lügt er Semir an, dann ist er zufällig auf der Toilette, wenn hier etwas passiert. Ich will ihn aber nicht stutzig werden lassen. Ganz klar ist, dass du jemand anderen zur Unterstützung bekommst. Thilo wird von mir mit den Ermittlungen betreut und eines kann ich dir versprechen. Sollte mir da etwas auffallen, dann wird er ein böses Erwachen haben!“ versprach Paul und der Ton in seiner Stimme ließ hören, dass er es ernst meinte. „Wenn du ihn ermitteln lässt, dann kann er seine möglichen Komplizen doch warnen!“ gab Jenny zu bedenken. „Ja ich weiß, aber dann habe ich ihn unter Kontrolle. Nur keine Sorge, mir wird da schon was einfallen. Ich werde außerdem die Krüger in meinen Verdacht einbinden.“ Jenny nickte. „Okay, wen willst du mir schicken?“ Paul dachte kurz nach. „Mark! Er ist erfahren und kann dich sehr gut unterstützen.“ Jenny nickte leicht. „Alles klar. Übrigens, bevor dieser Arzt auftauchte, hat Thilo sehr viele SMS geschrieben. Die dürften auf dem Handy sein.“ Paul nickte nachdenklich.

    Thilo kam zurück zu Jenny und zog seine Hose noch gerade. „Das hat ja ganz schön lange gedauert.“ meinte sie und musterte ihn genau. „Ja sorry, ich habe mich noch mit Schwester Julia unterhalten. Alles okay?“ Jenny stand auf und nickte. „Das weiß ich nicht genau. Hast du Semir gesehen?“ Thilo sah sie erstaunt an. „Aber der ist doch wohl in seinem Zimmer oder?“ Jenny schüttelte den Kopf. „Nein, er wurde eben von einem Arzt abgeholt, weil er zur Toilette musste. Das kam mir schon seltsam vor und deshalb habe ich auch Paul informiert. Er wird gleich hier sein.“ Sie stand auf und ging in die Richtung, in der Semir und der Arzt verschwunden war. Der Rollstuhl stand vor dem Fahrstuhl und ihr war klar, dass sich ihr Kollege in großer Gefahr befand. Thilo kam ebenfalls zu ihr. „Verdammt! Bleib vor dem Zimmer und sorge dafür, dass keiner reingeht!“ fauchte sie ihn wütend an. Thilo nickte und verschwand wieder. Jenny drückte den Fahrstuhlknopf und wartete ungeduldig, dass er endlich auf der Etage war. Es gab ein kurzes Klingelgeräusch und die Türen öffneten sich. Jenny sah Semir am Boden kauern. „SEMIR!“ stieß sie aus und half ihren Kollegen auf die Beine. Sie bemerkte, dass die Wunde wieder offen war und er stark blutete. Langsam brachte sie ihn zurück zum Zimmer und sah sich nach einer Schwester oder einem Arzt um. „Thilo! Hol den Doc!“ rief sie ihrem Kollegen zu, der sie erstaunt ansah. Sofort rannte er los und kam nur wenig später mit der Nachtschwester zurück. Während die Schwester sofort reagierte und den Arzt per Pieper rief, legten sie Semir auf eines der Betten, die im Flur standen. Nur wenig später war der Arzt da und besah sich die Wunde. „Die Naht ist an zwei Stellen wieder offen.“ Er forderte von der Schwester diverse Dinge und schon wenig später war die Wunde versorgt. Jenny sah ihn besorgt an. „Semir, was ist passiert?“ Semir sah sie mit schmerzverzerrtem Gesicht an. „Das war kein Arzt. Er wollte mich aus dem Krankenhaus bringen. Ruf bitte Paul an. Bitte Jenny, ruf ihn an!“ „Ganz ruhig, Paul wird sicher gleich hier sein. Ich habe ihn schon angerufen.“

    Paul rannte die Treppen zur Station von Semir hoch und sah noch, wie der Arzt und die Schwester ihn versorgten und nur kurz darauf ins Zimmer schoben. Er zog Jenny zur Seite. „Was ist passiert?“ wollte er wissen. „Jemand wollte Semir aus dem Krankenhaus entführen. Er konnte sich befreien, aber die Wunde ist wieder aufgegangen. Der Arzt hat sie eben wieder verschlossen.“ brachte Jenny ihn auf den aktuellen Stand. „Wie konnte das passieren? Ich habe dir doch gesagt, dass du niemanden, der nicht auf der Liste steht, ins Zimmer lässt!“ fauchte Paul wütend los. Jenny sah ihn erschrocken an. „Aber ich habe auf die Liste geschaut und ich habe den Ausweis abgeglichen! Ich habe keinen Fehler gemacht!“ verteidigte sich Jenny und nahm die kleine Mappe mit der Personalliste hervor. „Hier! Ich zeige dir den Arzt, der mit Semir das Zimmer verlassen hat!“ fauchte sie wütend und blätterte in der Akte. Doch jetzt war er nicht mehr zu finden. Wieder blätterte sie. „Aber er war doch hier drin! Ich habe ihn doch gesehen!“ kam irritiert von Jenny. „Hast du noch den Namen?“ „Dr. Michael Fendler!“ nickte Jenny. Der Arzt kam wieder aus dem Raum. „Alles soweit in Ordnung. Die Wunde war an zwei Stellen wieder aufgegangen. Wir haben sie jetzt geklammert.“ erklärte er und Paul war erleichtert. „Doc, wo ist Dr. Fendler?“ Der Arzt sah ihn an. „Dr. Fendler? Wer soll das sein?“ kam irritiert von dem Mediziner. „Der Arzt, der versucht hat, meinen Kollegen aus dem Krankenhaus zu entführen!“ Paul war sichtlich wütend. „Tut mir leid, aber ein Kollege mit diesem Namen ist mir absolut unbekannt.“ Paul sah zu Jenny und Thilo. „Danke…“ knurrte er. Er sah Thilo an. „Was hast du zu sagen?“ fauchte er. „Ich war gerade auf Toilette. Ich musste mal und als ich wiederkam, war alles schon passiert.“ gab er von sich. „Du warst auf Toilette? Wie lange hat das gedauert, bis Semir wieder da war?“ Er sah Jenny ernst an. „Also es waren vielleicht fünfzehn oder zwanzig Minuten nachdem ich mit dir telefoniert hatte.“ erinnerte sie sich. Paul sah zu Thilo. „Und du warst mehr als fünfzehn Minuten auf dem Klo? Was hast du da getan?“ Thilo räusperte sich und wollte zur Antwort ansetzen, doch Paul hob nur die Hand. „Vergiss die Details!“ Paul betrat das Zimmer von Semir.

    Semir sah sich unauffällig um. Doch um diese Zeit schien der Flur des Krankenhauses völlig leer zu sen. Klar, die Meisten lagen in ihrem Bett und ruhten längst. Das war eine Zeit, wo die Pflegekräfte ihre Berichte schrieben und vielleicht diverse Arbeiten erledigten, die sie in der normalen Zeit nicht erledigen konnte. Er zuckte zusammen, als der falsche Arzt ihn packte und aus dem Rollstuhl zerrte. Mit einer groben Bewegung wurde er gegen die Wand gedrückt. Nur wenig später spürte er den Atem des Manns dicht an seinem Ohr. „Denk an deine Familie! Nur ein Trick und deine Weiber glauben daran. Eine nach der Anderen und ich meine es auch so! Ist das angekommen?“ Semir nickte leicht. Er wehrte sich nicht, denn die Angst, dass sein Gegner seiner Familie noch mehr antat, als schon passiert war, war einfach zu groß. Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich und der Arzt stieß ihn rein. Semir stöhnte leise auf, als er mit der Fahrstuhlwand Kontakt bekam. Der Mann drückte den Knopf zur Tiefgarage, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Noch einmal, keine Tricks!“ Semir nickte langsam. Sollte der Mann ruhig glauben, dass er klein beigab. Aber er wusste, dass er spätestens in der Tiefgarage handeln musste, wenn er entkommen wollte. Der Fahrstuhl fuhr ohne einen Halt in die Tiefgarage und dort wurde Semir wieder am Arm gepackt und aus den Fahrstuhl gezerrt und vorwärts gestoßen. Semir tat, als würde er stolpern, doch dabei zog er sich einen scharfen Schmerz in der frisch operierten Wunde zu und stöhnte auf. „Nur keine Sorge, die Schmerzen, die du jetzt hast, sind nichts im Gegensatz was dich erwartet! Los! Weiter!“ fauchte der Mann ihn auf und stieß ihn nach wenigen Minuten gegen ein Auto. Dann nestelte er die Schlüssel aus der Tasche und Semir explodierte regelrecht.

    Dean grinste leicht. Dass es so einfach war, den Bullen aus dem Krankenhaus zu bekommen, wunderte ihn schon ein wenig. Aber gut, besser für ihn und die Tussi, die vor dem Zimmer Wache schob, würde erst einmal keinen Verdacht schöpfen. Höchstens wenn eine Stunde vergangen war und der Patient nicht wieder auf sein Zimmer kam. Doch bis dahin, war er schon längst über alle Berge. Er gab dem Bullen einen Stoß und dieser stolperte. Natürlich sah Dean auch, dass er Schmerzen hatte, doch darauf konnte und wollte er keine Rücksicht nehmen. Er stieß den Polizisten gegen seinen Wagen und holte die Schlüssel aus der Tasche. Doch gerade als er den Wagen öffnen wollte, bekam er einen harten Schlag in die Magengegend. Der Polizist, den er für wehrlos hielt, hatte den Ellbogen nach hinten schnellen lassen und seinen Solarplexus getroffen. Dean spürte Übelkeit auftreten und ging würgend in die Knie. Der Polizist wollte fliehen, doch Dean packte ihn am Bein und brachte ihn zu Fall. Er warf sich auf den Mistkerl und versuchte ihn zu überwältigen, doch der Bulle schien trotz der Verletzungen unbändige Kraft zu haben. Er empfing Dean mit angezogenen Beinen und ließ ihn regelrecht durch die Tiefgarage fliegen. Dean konnte den Schwung, den er durch den Tritt bekommen hatte nicht abmildern und knallte gegen einen der parkenden Fahrzeuge. Sofort ging die Alarmanlage los und Dean hatte alle Mühe zu verschwinden. Der Kidnappingversuch ging gründlich schief und er war froh, als er aus der Tiefgarage raus war, bevor die Kollegen von Gerkhan eintrafen. Er bekam so nicht mit, dass Gerkhan sich aufraffte und taumelnd in den Fahrstuhl stieg.

    lso in unseren Krankenhäusern sind die Zimmertoiletten Rollstuhlgerecht.

    Hier gibt es noch zwei Krankenhäuser, wo das nicht so ist. Zumindest die orthopädischen Stationen in den Krankenhäusern. Aber das liegt wohl eher daran, dass diese schon sehr alt sind und der Umbau noch nicht vollzogen ist.

    Nachdem er sich herumgewälzt hatte, konnte Semir für ein paar Augenblicke Ruhe finden. Doch dann bemerkte er, dass sich die Tür zum Zimmer öffnete. Aus den halb geöffneten Augen vernahm er einen weißen Schein und ging davon aus, dass die Nachtschwester noch einmal nach dem Rechten sah. Er drehte sich um und wollte den Bewegungen der Schwester folgen, doch dann bemerkte er, dass die vermeintliche Schwester an seinem Bett stehen blieb. Semir öffnete die Augen und sah einen Arzt vor seinem Bett stehen. Irgendwie machte sich Argwohn in Semir breit. Seine Intuition sagte ihm, dass etwas nicht stimmte und bevor er fragen konnte, bekam er es auch schon zu spüren. Der Mann presste ihm die Hand auf den Mund und seine andere ging in die Kitteltasche. Semir versuchte den Klingelknopf zu erreichen. Bevor er diesen allerdings drücken konnte, spürte er eine Waffe am Kinn und zog die Hand zurück. Er lag wie erstarrt da und starrte den Mann an. „Eine weise Entscheidung. Ich werde gleich die Hand wegnehmen. Du wirst keinen Ton von dir geben ist das klar?“ Semir nickte leicht. „Sehr gut. Wenn du es doch machst, dann ist die kleine Maus da im Kinderbett dran.“ warnte der falsche Arzt. Die Hand verschwand und Semir leckte sich über die Lippen. „Steh auf und setz dich in den Rollstuhl!“ kam der Befehl, den er sofort ausführte. Für ihn war es wichtig, dass er aus der Reichweite seiner Familie kam. „Wir werden das Zimmer jetzt gemeinsam verlassen. Sollte die Bullentussi vor der Tür etwas sagen, dann wirst du ihr erklären, dass du zur Toilette musst, ist das klar?“ Wieder nickte Semir. Als er im Rollstuhl saß, sah er auf Andrea, die scheinbar nichts mitbekam. Auch die Kinder schliefen tief und fest. „Wer sind Sie?“ fragte Semir leise, doch es wunderte ihn nicht, dass keine Antwort kam. Der Rollstuhl wurde an die Tür gefahren und Semir wurde aufgefordert die Tür zu öffnen. Als sie auf den Flur rollten, sah Jenny ihn an. „Semir, ist alles in Ordnung?“ In diesem Augenblick spürte er einen harten Druck im Nacken. Es konnte zwar nicht die Waffe sein, denn die hätte Jenny sicher gesehen, dennoch entschied Semir sich, Jenny nicht in Gefahr zu bringen und nickte leicht.

    Jenny sah auf ihren Kollegen, der von dem Arzt mit dem Rollstuhl aus dem Zimmer geschoben wurde. „Ja, ich muss nur zur Toilette.“ gab Semir von sich, als sie fragte, ob alles in Ordnung war. Jenny stutzte. „Aber ihr habt doch eine Toilette auf dem Zimmer.“ meinte sie nachdenklich. „Da passt der Rollstuhl nicht rein. Wo ist denn Thilo?“ antwortete Semir und sah sich suchend um. „Der ist auch gerade auf der Toilette.“ Jenny lächelte ihren Kollegen an. „Soll ich euch begleiten?“ fragte sie, doch dann verzog Semir kurz das Gesicht. So als hätte er starke Schmerzen. „Nein, pass auf meine Familie auf, ja?“ Es hörte sich flehend an und Jenny nickte nachdenklich. „Ja, klar.“ Der Arzt schob den Rollstuhl in Richtung Fahrstuhl, wo sich die Toiletten befanden und nur wenig später waren sie aus dem Sichtfeld. Jenny zog ihr Handy hervor und wählte Paul an. „Hör mal, ich glaub hier stimmt was nicht. Semir wurde gerade aus dem Zimmer geholt. Der Arzt ist in der Akte, aber irgendwie ist Semir merkwürdig.“ erklärte sie. „Okay, bin gerade noch in der PAST und wollte eh noch zu Semir. Halt sie im Auge!“ Jenny stöhnte leise, denn von Thilo war nichts zu sehen und sie konnte die Tür unmöglich unbewacht lassen. „Das geht nicht! Thilo ist nicht hier und wenn ich gehe, dann kann jeder zu Andrea und den Kindern!“ „Okay, verstehe. Gut, ich bin gleich bei dir!“ Paul beendete das Gespräch und Jenny sah besorgt in die Richtung in der Semir mit dem Arzt verschwunden war. In ihr wurde der Drang nachzusehen immer größer, doch sie wusste auch, dass es zu leichtsinnig war. Es konnte immerhin ein Trick sein, an Semirs Familie zu kommen. Sie musste einfach warten, bis Thilo oder besser noch Paul hier war.

    Nachdem die Psychologin sich mit Lilly befasst hatte, kehrte im Krankenzimmer der Gerkhans Ruhe ein. Semir war am frühen Abend noch einmal bei Dana gewesen, aber es gab nach wie vor keine Veränderung. Dennoch saß er fast drei Stunden am Bett seiner Tochter und hielt ihre Hand. Auch Andrea ließ es sich nicht nehmen, zu ihrer Stieftochter zu gehen und Semir zu unterstützen. Nun war es bereits schon später Abend und Ayda und Lilly schliefen bereits tief und fest. Auch Andrea spürte eine große Müdigkeit. „Schatz, wollen wir nicht auch schlafen? Ich bin sehr müde.“ bat Andrea ihn. Semir sah sie an und nickte. „Ich kann noch nicht schlafen, aber ich lösche das Licht.“ gab er zu verstehen und drückte den entsprechenden Knopf. Da im Zimmer immer ein Nachtlicht leuchtete, war es immer noch hell genug um die Umrisse zu erkennen. Semir legte sich ins Bett. Das Kopfteil hatte er in einer halbliegenden Position gebracht und es sich so bequem gemacht, wie es nur möglich war. Er legte die Hände hinter den Kopf und sah einfach nur zur Decke. Die Gedanken kreisten in seinem Kopf und er fragte sich warum geschah das alles? Was wollte der Kerl von ihm? Warum zeigte er sich ihm nicht einfach und stellte sich? Die Fragen quälten ihn sehr, doch noch mehr die Tatsache, dass er keine Antwort darauf wusste. Vielleicht sollte er noch einmal zu Dana gehen und nach dem Rechten schauen? Doch würde man ihn jetzt noch zu ihr lassen? Immerhin war es spät am Abend und gerade die Patienten auf der Intensivstation brauchte ihre Ruhe. Nach einer weiteren Stunde bemerkte er dann doch, dass er müde wurde. Er ließ das Kopfteil runter und war nur wenig später eingeschlafen. Es war ein unruhiger Schlaf und er wälzte sich hin und her. Immer wieder öffnete er kurz die Augen, sah sich um und versuchte erneut einzuschlafen.

    Thilo und Jenny wurden am Nachmittag abgelöst und traten ihren Wachdienst am Abend wieder an. Auch jetzt beobachtete Jenny ihren jungen Kollegen sehr genau. Ihr fiel auf, dass er ständig mit dem Handy Nachrichten schrieb und hin und wieder umspielte ein leichtes Grinsen seine Lippen. „Was machst du eigentlich da? Den ganzen Tag bist du am Handy und schreibst was.“ fragte sie und stellte sich hinter ihm. Doch Thilo schien nicht zu wollen, dass sie etwas sah und steckte das Handy ein, bevor Jenny etwas erkennen konnte. „Das ist nichts Wichtiges. Einfach nur zum Zeitvertreib.“ gab er zurück. Bevor Jenny etwas sagen konnte, trat Schwester Marianne an den Tisch. „Ich sollte Ihnen die Personalmappe geben.“ erklärte sie und reichte Jenny eine dünne Mappe. Jenny lächelte und bedankte sich. Der Abend schritt voran und gegen zehn sah Thilo nervös auf die Uhr. Jenny hatte den Eindruck, dass er immer hibbeliger wurde und gegen neun erhob er sich und sah sie an. „Jenny, ich geh mal eben für kleine Tiger, ja? Kommst du einen Moment allein klar?“ wollte er wissen. Sie sah ihn an und nickte. „Klar, kein Problem.“ stimmte sie zu und schon verschwand Thilo. Jenny sah ihm nach und schüttelte nur den Kopf doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit auf einen Arzt gezogen, der zu Semirs Familie ins Zimmer wollte. „Mmmhmm, Moment“ hielt sie ihn auf und sah ihn mit ernster Miene an. „Darf ich Ihren Ausweis sehen?“ bat sie freundlich und doch fordernd. „Ja natürlich…“ lächelte er und reichte ihr einen Ausweis. Jenny glich ihn mit der Mappe ab und fand tatsächlich seinen Namen und Bild in der Mappe. Noch einmal sah sie sich Bild und Mann an. „In Ordnung…“ lächelte sie und gab ihm den Ausweis zurück. „Danke, darf ich Ihnen ein Kompliment machen?“ lächelte er sie an. Jenny nickte. „Klar, warum denn nicht?“ Der Arzt holte Luft. „Sie machen einen sehr guten Job. Ich finde es sehr schön, wenn Kollegen füreinander da sind. Ich kenne Berufszweige, da ist jeder nur auf sich selbst gestellt. Keiner auf den man sich verlassen könnte. Ich bewundere den Job des Polizisten. Leider habe ich mich aber für einen anderen Weg entschieden. Wissen Sie, als Polizist oder auch Polizistin muss man eine verdammt harte Haut haben. Man beschützt die Schwachen und Hilflosen und wird dann zum Dank beschimpft.“ Jenny senkte den Kopf und lächelte. Sie spürte eine leichte Röte austeigen „Danke, das haben Sie sehr schön gesagt. Aber es ist ein Job, wie jeder andere.“ erklärte sie und versuchte kühl zu sein. Der Arzt schien über diese Reaktion erstaunt. „Schon gut, ich wollte einfach nur ein Lob loswerden.“ Er öffnete nun die Tür zum Zimmer. Leise schloss er die Tür wieder und Jenny wandte sich wieder dem Rätsel zu, welches sie löste, während sie hier ihren Dienst schob.

    Zurück in der PAST nahm sich Paul zum wiederholten Male die Akte von Frank Reich vor. Der Mann hatte ein kleines Mädchen vergewaltigt und getötet. Der Obduktionsbericht des Mädchens ließ Paul übel werden. Reich hatte das Mädchen übel zugerichtet und bekam seiner persönlichen Meinung nach viel zu wenig an Strafe. Der Mann wurde nach Angaben von Semir, von Häftlingen umgebracht, jedoch stand als Todesursache etwas ganz Anderes auf den Totenschein und auch der Bericht von den Justizvollzugsbeamten war davon nichts zu lesen. Nach Angaben der Gefängnisleitung gab es einen Duschunfall. Nachdenklich ließ er die Akte sinken. Warum sollte Semir behaupten, dass es nicht so war? Das konnte eigentlich nur der Gefängnisdirektor erklären und so fuhr er nun dorthin. In der Pforte musste er seine Waffe und sein Handy abgeben und wurde direkt zum Direktor gebracht. „Herr Renner, was kann ich für Sie tun?“ lächelte der Mann ihn an. „Herr Richard, es geht um einen Vorfall, der schon etwas länger zurückliegt. Erinnern Sie sich an Frank Reich?“Der Mann sah ihn an und dachte nach. „Also der Name sagt mir im Augenblick gar nichts. Wann soll er denn hier eingesessen haben?“ „Laut Akte 2003, verurteilt zu 12 Jahren Haft.“ Michael Richard nickte nachdenklich. „Also da muss ich erst einmal die Akten sichten. Einen Moment…“ Er ging an seinen PC und gab den Namen ein. „Ah ja, der Kinderschänder. Nun, der Mann ist beim Duschen ausgerutscht und mit dem Kopf auf den Fliesen geschlagen. Der Arzt konnte eine starke Schädigung des Schädelknochens feststellen, welcher dann zu einer Gehirnblutung und zum Tode führte.“ las er vor.

    Paul sah den Mann an. „In der Akte steht aber, dass der Tod durch Herzstillstand zustande gekommen war. Wurde die Todesursache genau untersucht?“ hakte Paul nach. „Natürlich. Sehen Sie Herr Renner, dieser Reich war ein Kinderschänder und Kindermörder. Hier im Gefängnis gibt es eigene Gesetze. Und manchmal … manchmal können auch wir Beamte nichts dagegen tun.“ Der Gefängnisdirektor lächelte leicht. „Sie meinen, es ist nicht schade um Reich?“ hakte Paul nach. Richard atmete tief durch. „Nun, ich denke die Insassen sehen es so. Manchmal sind wir eben auch machtlos. Wir können nicht jeden einzelnen Gefangenen rund um die Uhr beaufsichtigen. Die Jungs sind hart, glauben Sie mir und das hilft den einen oder Anderen eine gewisse Position zu erreichen. Reich war ganz unten. Er war Abschaum und ja, ich weiß, dass die Gerüchte um Reichs Tod die Runde machen. Ich kann und will auch nicht das Gegenteil beweisen.“ erklärte der Direktor und gab Paul gegenüber indirekt zu, dass es durchaus kein Unglücksfall war. „Wird Mord hinter Gitter nicht auch geahndet?“ fragte Paul daher. „Hören Sie, es ist schon schlimm genug, was man mit Reich gemacht hatte. Aber er war ein Kinderschänder und –mörder. Ich weiß was er mit dem kleinen Mädchen gemacht hat. Das ist hier Abschaum und wird auch so behandelt. Wir haben natürlich auch Ermittlungen angestellt, nur sind hier genügend Zeugen, die gesagt haben, dass er beim Duschen ausgerutscht ist.“ Paul nickte und verließ nur wenig später das Gefängnis wieder. Er stand nach wie vor am Anfang. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es schon 18 Uhr war. Die Zeit raste und er wollte doch noch zu Semir fahren, doch das konnte er sich heute noch abschminken. Bis er im Krankenhaus war, würde es Acht durch sein und dann war dort Ruhe. Dennoch wollte er nicht nach Hause fahren. Er musste die Hintergründe aufdecken.

    Die nächste Akte die Paul sich vornahm, war die von Axel Höhle, der damals eine Bank überfiel und von Semir angeschossen wurde. Leider bekam er durch seine Recherche heraus, dass Axel Höhle seit einem Schlaganfall schon drei Monate im Koma lag und somit als direkter Täter ausschied, aber damit war auch möglich, dass ein Angehöriger, sich an Semir rächen wollte. Er bat Susanne herauszufinden, in welchem Krankenhaus der Mann lag. Nach zehn Minuten bekam er die Information und fuhr auch direkt los. Was er von Höhle wusste war, dass es drei Kinder gab und so gab es auch drei Verdächtige. Im Krankenhaus „Dreifaltigkeit“ fragte er sich zu Axel Höhle. Nur wenig später stand er im Zimmer und sah, eine ca. 30jährige Frau am Bett sitzen. „Ich werde Frau Stock fragen, ob sie einverstanden ist, dass Sie eintreten.“ erklärte die Krankenschwester und Paul nickte. Er sah wie die Schwester mit der Frau sprach und diese Paul durch das Fenster ansah. Sie nickte leicht, stand auf und kam zu Paul. „Hallo, ich bin Sybille Stock. Was möchten Sie von meinem Vater?“ fragte sie sofort und streckte ihm die Hand hin. „Renner, Kripo Autobahn. Es geht derzeit um einen Fall, wo das Leben von fünf Personen in Gefahr ist. Wie geht es Ihrem Vater?“ Sybille Stock sah durch das Fenster auf ihren Vater. „Wir rechnen jeden Tag damit, dass es vorbei ist.“ Die Stimme klang traurig. Paul sah zu Boden. „Das tut mir sehr leid, Frau Stock. Kennen Sie Semir Gerkhan?“ Sybille Stock schüttelte den Kopf. „Nein. Wer ist das?“ „Das ist der Mann, der Ihren Vater vor einigen Jahren ins Gefängnis gebracht hat.“ erklärte Paul direkt. Jetzt nickte Sybille Stock. „Ja, jetzt erinnere ich mich. Mein Vater erzählte mir von dem Ganzen.“ „Können Sie sich vorstellen, dass einer Ihrer Geschwister jetzt Rache an Herrn Gerkhan nehmen will?“ Sybille sah ihn an. „Herr Renner, mein Vater hat uns verboten an Rache zu denken. Er hat seinen Fehler eingesehen und seine Strafe abgesessen. Er selbst kann gar nichts mehr machen. Meine Brüder sind beide schon vor vier Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Ich bin die Einzige, die übrig ist. Und ich habe ganz sicher andere Dinge zu erledigen, als mich an einem Mann zu rächen, der nur seinen Job getan hat. Ich muss wieder zu ihm.“ entschuldigte sie sich und ging erneut in den Raum.

    Der Nachmittag kam und während Paul wieder eine Akte zur Seite legen konnte, saß Semir in seinem Zimmer und kümmerte sich um Lilly, die immer noch verängstigt war. „Lilly, Schatz, willst du denn gar nicht zu Papa kommen?“ Lilly reagierte nicht. Sie spielte ein in Semirs Auge sinnloses Spiel. Es bestand daraus, dass sie erst einen Turm aus bunten Holzbausteinen aufbaute und dann wieder umstieß. Völlig ratlos ging er wieder zu Andrea. Es klopfte und Semir sah erwartungsvoll und doch mit einem unsicheren Gefühl zur Tür. Er dachte daran, wie er wohl reagieren würde, wenn der Arzt nun hereinkam und ihm erklärte, dass Dana doch eingeschlafen war. Doch als die Tür sich öffnete steckte eine ihm unbekannte Frau den Kopf hinein. „Familie Gerkhan?“ fragte sie. Semir nickte unsicher. „Wer sind Sie?“ „Dr. Wilhelmsdorf. Ich bin Kinderpsychologin und der Stationsarzt sagte mir, dass Ihre Tochter Emily mich braucht.“ Semir stand auf und reichte der Frau die Hand. „Gerkhan. Das ist meine Frau Andrea, Ayda schläft wieder und das ist Lilly, ich meine Emily. Sie hat seitdem das passiert ist, nicht mehr gesprochen und sitzt einfach nur in der Ecke und spielt.“ Sie nickte leicht. „Das ist ganz normal.“ erklärte sie und ging zu Lilly. „Hey Lilly, ich bin die Anita.“ Lilly sah sie an und ging dann wieder zum Spielen über. „Lilly, ich möchte gern mit dir etwas spielen, hast du Lust?“ Semirs Tochter reagierte nicht. Anita setzte sich auf die Decke auf der auch Lilly saß und fing an Puppen aus dem mitgebrachten Karton zu holen. Sie legte diese sehr bewusst in Lillys Nähe und wie geplant, fing Lilly an die Puppen zu nehmen. Sie suchte sich gezielt Puppen heraus und stellte sie an verschiedenen Stellen der Decke. Doch am schlimmsten schockierte Semir es, als sie eine Puppe nach der anderen umkippte.

    Paul sah die Frau an und zog sofort das Phantombild hervor, das er mit Hilfe von Ayda angefertigt hatte. Außerdem ein Foto von dem echten Tom Kranich und legte es ihr vor. Brigitte Sommerlath sah sich die Bilder mit einer Lupe an und tippte dann auf Tom Kranich. „Das sieht dem Mann ähnlich, aber der war es nicht.“ erklärte sie entschlossen. Paul steckte das Phantombild ein. „Sind Sie sicher?“ „Ja, das Bild ist ihm sehr ähnlich. Wirklich sehr ähnlich, aber die Nase war nicht so krumm. Die hatte nicht diesen Höcker.“ erklärte sie weiter. „Haben Sie denn auch das Auto von dem Mann gesehen?“ „Ja, das war ein roter Porsche. Wissen Sie, mein Mann hatte vor seinem Tod mal eine Sammlung von Porschefahrzeugen. Also nur Nachbildungen. Der Mann hat einen Porsche Panamera in einem wundervollen feurigen Rot. Leider habe ich das Kennzeichen nicht gesehen.“ Paul verneigte sich kurz und bedankte sich bei der Zeugin. Endlich hatte er etwas womit er arbeiten konnte. In der PAST gab er das Fahrzeug ein und ließ sich die Besitzer anzeigen, die Ähnlichkeit mit dem Bild von Tom Kranich hatte. Leider gab es keine Übereinstimmung. Paul ließ die Seite mit den Besitzern ausdrucken und sah sie sich einzeln an. Er überprüfte die Namen der Besitzer, doch keiner von denen war schon mal auffällig geworden. Es war wie verhext. Diese Kerle schienen verdammt gut vorbereitet und vermieden alles, damit die Polizei keine Hinweise bekam. Es klopfte und er hob den Kopf. Susanne stand im Türrahmen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“ wollte sie wissen und er nickte dankbar. „Ja, Thilo ist gerade mal für Königstiger. Könntest du mal seinen Bericht über den Vorfall mit Jenny lesen? Ich würde gern wissen, ob der den Schusswaffengebrauch vermerkt hat.“ bat er sie und Susanne machte kehrt. Thilo kam zurück. „Man, ich glaub ich habe was Falsches gegessen.“ stöhnte der junge Mann. Paul bemerkte, dass er ziemlich blass war. „Willst du nach Hause?“ hakte er nach, doch Thilo schüttelte den Kopf. „Nein, so schlimm ist es nicht. Wir haben noch genügend Arbeit.“ Paul nickte und nahm sich erneut die Akten von Semir vor, die sie schon herausgesucht hatten. Er fing mit Heinz Uhlen an. Heinz Uhlen war geboren am 16.04.1968 in Koblenz, doch in der Akte standen keine Familienangehörigen. Das hieß jedoch nicht, dass er nicht doch irgendwo Verwandte hatte. Immerhin konnte seine Frau die Scheidung eingereicht haben und somit nicht in der Akte auftauchen, doch auch im Einwohnermeldeamt gab es kaum Informationen von Uhlen. Paul wandte sich dem zweiten Kandidaten zu. Bevor er jedoch anfangen konnte, klingelte sein Telefon. Er sah, dass Susanne ihn anrief. „Ja?“ fragte er kurz. „Der Schusswaffengebrauch ist vermerkt.“ gab Susanne bekannt und Paul bedankte sich. Nachdenklich legte er auf und sah wieder zu Thilo. Irgendwas hatte der junge Mann zu verbergen und er war entschlossen es heraus zu finden.

    Dean schrieb dem unbekannten Boss die Nachricht, dass er alles erledigt hatte, doch das schien der Unbekannte anders zu sehen. >> Ich hatte befohlen, alle zu töten! Warum habt ihr so lange gewartet? << Dean schloss die Augen. Er hatte geahnt, dass der Boss nicht zufrieden war und bastelte an der Antwort. >>Ich hielt es für besser, nicht alle zu töten. Aber die Kinder von ihm wurden alle verletzt. Ich glaube, eine ist tot. << Er sah, dass der Boss ihm antwortete. >>Das war schlecht geplant. Niemand ist tot! Nur eine Person ist schwer verletzt, aber sie wird überleben. Es wird Zeit für den zweiten Schritt, bevor die Kollegen von ihm wach werden! Du wirst ihn aus dem Krankenhaus holen und in die alte Gießerei nach Longerich bringen! << stand als Antwort da. Dean stand auf und überlegte kurz. Was dachte sich der Boss denn, wie er das anstellen sollte? Doch dann antwortete er dem Unbekannte. >> Was, wenn der Bulle und seine Familie bewacht werden? << Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. >> Ich kümmere mich darum. Du wirst keine Probleme haben, zu ihm zu kommen. << Dean lachte leise auf. >> Wie soll ich denn an ihn rankommen? Ich bin kein Bulle, aber ich kann mir vorstellen, wie die arbeiten. Sie werden Wachen abstellen und keinen Fremden zu ihm lassen. << Doch auch jetzt wusste der Boss die Lösung. >> Ich weiß, dass Wachen vor der Tür stehen. Aber die werden dich nicht aufhalten. Du wirst morgen ein Arztkittel bekommen und ich werde dafür sorgen, dass du in der Personalakte auftauchst. Enttäusche mich nicht noch einmal! << Der Boss war scheinbar auf alles vorbereitet und er wusste alles. Nun musste er nur warten. Es klingelte an der Tür und er öffnete. Bastian stand davor. „Und?“ wollte er wissen. Dean grinste und zeigte ihm die Nachricht vom Boss. „Okay, das wird ein Spaß. Soll ich den Wagen fahren?“ Dean nickte. „Ja, wir werden in der Tiefgarage parken. Ich werde den Burschen allein aus dem Zimmer holen und dann werden wir ihn in der Gießerei versorgen. Der Boss will sich ihm vornehmen. Ich kenne den Boss nicht, aber er ist verdammt clever. Der weiß alles, was die Bullen eventuell machen könnten. Er berechnet sogar die Eventualitäten. Gezahlt hat er auch schon. 5000 für jeden.“ Bastian schluckte. „Wenn das so weitergeht, dann kann ich bald meinen Traum erfüllen. Eine Kneipe auf Malle.“ grinste er. „Warte lieber ab, bis der Job erledigt ist. Der nächste Teil wird nicht einfach werden. Und du solltest kein Geld ausgeben, das du noch nicht hast. Für den letzten Teil unserer Arbeit gibt es noch einmal 8.000 für jeden.“ Bastian sah ihn an. „Was ist der letzte Teil?“ Dean grinste böse. „Wir werden Herrn Gerkhan ein Grab herrichten.“

    Paul und Hartmut fuhren zu Andreas Wohnung und sahen sich noch einmal bei Tageslicht um. Doch auch jetzt ließ sich nicht viel herausfinden, was sie nicht auch schon am Abend gesehen hatte. Nur das Blut auf dem Teppich im Wohnzimmer ließ Paul frösteln. „Also hier ist nichts zu erkennen. Zumindest nichts Neues. Tut mir echt leid, Paul. Ich wünschte, ich könnte dir helfen.“ Paul sah den Techniker an. „Das kannst du vielleicht wirklich. Semir und ich waren gerade dabei seine alten Fälle zu checken, aber in jeder Sache wusste Semir, dass es nicht der Täter sein kann. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie glaube ich ihm nicht. Ich meine, klar, die Täter sind alle älter geworden und es musste jemand geben, der Semir beobachtet hat. Somit scheiden die aus, die noch einsitzen. Aber was ist mit denen, die schon entlassen sind. Die Semir seit der Zeit nicht mehr aus Augen gelassen haben? Ich meine, Ben Jäger war vor 4 Jahren und Tom Kranich ist schon länger her. Das würde zumindest auf die Theorie passen, dass es jemand ist, der einen Grund hat, sich zu rächen.“ dachte Paul laut nach. „Der Täter muss ja nicht der gewesen sein, der eingesessen hat. Es könnte doch auch ein Angehöriger gewesen sein. Die Frau, die Tochter oder der Sohn. Eine Schwester, ein Bruder. Da ist doch alles möglich.“ warf Hartmut ein und Paul sah ihn an. „Du hast recht! Wir haben uns bisher auf die Personen konzentriert, die uns bekannt sind. Aber es könnten auch Familienangehörige sein. Okay, pass auf…. Wir befragen jetzt die Nachbarn ob die was gehört oder gesehen haben und dann fahre ich zurück zur PAST um dort die Akten noch einmal zu sichten. Wenn du wirklich Zeit hast, dann kannst du gern dazu stoßen.“ Hartmut lachte leise. „Ich denke, du wirst mit dem Fall jetzt weiterkommen. Du weißt doch, dass ich für die Ermittlungen nicht der Beste bin. Technik ist mein Steckenpferd.“ lehnte Hartmut ab.

    Paul drückte die Klingel beim unmittelbaren Nachbarn von Andrea. Eine ältere Frau öffnete ihn nur einen Spalt und sah ihn misstrauisch an. „Egal was Sie vertreten, ich kaufe nichts!“ sagte sie und wollte die Tür schon schließen. „Ich verkaufe Ihnen nichts. Ich bin von der Polizei.“ erklärte Paul schnell. Die Augen der Alten zogen sich zusammen. „Das ist doch ein Trick!“ knurrte sie. „Nein, das ist kein Trick. Ich bin Paul Renner von der Kripo Autobahn und wir ermitteln in dem Fall des Anschlags auf Ihrer Nachbarin Frau Schäfer.“ „Oh, ich habe davon gehört, warten Sie, zeigen Sie mir erst Ihren Ausweis!“ forderte sie ihn nun auf und Paul hielt ihr diesen hin. Akribisch prüfte sie ihn und nickte. „Scheint echt. Kommen Sie rein, aber ich glaube nicht, dass ich helfen kann. Ich habe nämlich gar nichts gehört.“ Paul lächelte leicht. „Haben Sie denn etwas gesehen?“ „Nein, ich habe auch nichts gesehen. Wissen Sie, ich höre nicht mehr so gut und nachts schalte ich mein Hörgerät aus. Ich habe tief und fest geschlafen und gar nichts mitbekommen. Nicht einmal das Blaulicht. Aber ich habe gehört, dass es ganz schlimm steht. Wie geht es Frau Schäfer und den Kleinen denn?“ Paul hörte die Sorge in der Stimme und lächelte leicht. „Es geht ihnen gut. Sie werden sicher schon bald wieder entlassen werden. Frau…?“ Er sah sie an. „Sommerlath … wie die schwedische Königin. Aber wir sind nicht verwandt…leider…“ lächelte sie. Paul nickte. „Frau Sommerlath, ist Ihnen in den letzten Tagen etwas aufgefallen? Waren hier Personen am oder im Haus, die Sie noch nie gesehen haben?“ fragte er weiter. Sie nickte. „Ja, vor ungefähr zwei Wochen war ein junger Mann hier. Er hatte sich verfahren und wollte den genauen Weg wissen.“ „Okay, und wie er aussah wissen Sie nicht oder?“ Die Frau sah ihn wütend an. „Junger Mann, ich bin vielleicht alt, aber mein Gedächtnis funktioniert noch einwandfrei. Der Mann war ungefähr 175 cm groß, hatte grün-graue Augen und einen leichten Bartansatz, aber nicht sehr ausgeprägt. Dann hatte er leicht schwarze Haare, aber die waren sich gefärbt, das hat man gesehen. Ich habe ja den Blick dafür, denn ich war Friseurin.“ berichtete die alte Dame.

    Für Semir und seiner Familie verging die Zeit nur sehr langsam. Nach dem Mittagessen legten sich Ayda, Lilly und Andrea hin und versuchten zu schlafen. Semir ging noch einmal zu Dana, doch dort gab es keine Neuigkeiten und die Schwestern schickten ihn nach guten zwei Stunden wieder in sein Zimmer. Dort angekommen setzte er sich auf sein Bett und starrte einfach nur aus dem Fenster. Andrea schlug die Augen auf und sah ihn an. Sie spürte an seiner Haltung das etwas nicht stimmte und setzte sich auf. „Semir, ist was mit Dana?“ fragte sie leise. „Nein, es gibt nichts Neues. Sie ist stabil aber sie ist noch immer nicht über den Berg. Andrea, wenn … wenn sie es nicht schafft, dann…“ Er stieß einen Seufzer aus und Andrea kam zu ihm. Sie setzte sich und nahm ihn in den Arm. „Sie wird es schaffen! Du wirst sehen, in spätestens einer Woche wird sie sein, wie gestern. Erinnerst du dich noch, als ich diesen Bauchschuss hatte?“ Semir nickte stumm. „Damals hast du auch gedacht, dass ich nicht durchkomme. Aber ich habe es geschafft, weil ich stark war und Dana ist auch stark. Sie wird es schaffen! Sie hat deine Gene.“ Semir stand auf und ging zum Fenster. „Denkst du wirklich, dass es gut ist, wenn wir wieder zusammenziehen?“ Er sprach leise und wagte es nicht, sie anzusehen. Andrea kam zu ihm und legte ihren Kopf auf seine Schultern. „Du meinst, weil wir dann wieder in Gefahr geraten könnten? Weil wir dann und wann mal in eine Schutzwohnung gebracht werden, unter Schutz stehen? Semir ich habe dich damals geheiratet, weil ich dich liebe, wie du bist. Ich tue es immer noch und ich würde einiges dafür geben, wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte. Du hast den Wink, den ich dir vor dem Scheidungsrichter gegeben haben, vermutlich nicht verstanden. Ich wollte die Scheidung nicht mehr.“ gab sie von sich. Semir lächelte verbittert. „Ich habe ihn schon verstanden. Aber ich war verletzt. Sehr verletzt.“ sagte er. Andrea nickte. „Das verstehe ich auch. Aber wir gehören zusammen. Wir sind eine Familie und dazu gehört auch Dana. Sie wird auch wieder zu uns zurückkommen, da bin ich mir sicher. Du wirst sehen, morgen gibt es sicher gute Nachrichten von ihr.“ Sie griff mit der gesunden Hand zu seinem Kinn und zwang ihn sanft, sie anzusehen. Als er den Kopf gedreht hatte, sah sie die Tränen in seinen Augen. Sie küsste ihn sanft. „Ich liebe dich Semir. So wie du bist.“ flüsterte sie.

    Auf der Intensivstation ging Marianne in das Schwesternzimmer und traf dort auf ihre Kollegin und beste Freundin Julia. „Marianne, kannst du die Betten auf Zimmer Acht schon machen. Ich muss mich erst um Dana kümmern.“ Marianne nickte. „Dana? Wer ist Dana?“ wollte sie wissen. „Das ist der Neuzugang aus der letzten Nacht. Ein 18jähriges Mädchen, welches angeschossen wurde. Bauchschuss und es sieht nicht wirklich gut aus. Die Werte sind zwar stabil, aber du kennst es ja. Es kann kippen.“ „Oh mein Gott, wie schrecklich…“ gab Marianne zurück. „Ja, komm mal. Ich zeige sie dir.“ Sie gingen zusammen in das Zimmer mit der Nr. 108. Als Marianne vor dem Bett von Dana stand sah sie auf das Mädchen, welches an Schläuchen angeschlossen war und von den medizinischen Geräten überwacht wurde. „Mein Gott, sie ist noch so jung…“ Julia ging auf die andere Seite und strich Dana über die Wange. „Ja, das ist sie und ich hoffe inständig, dass sie kämpfen wird und vor allem, dass sie den Kampf gewinnt. Ihr Vater würde zugrunde gehen, habe ich das Gefühl, wenn sie es nicht schafft. Der ist nämlich auf Station mit den anderen Familienmitgliedern in einem Zimmer. Alle, bis auf er, haben etwas abbekommen. Ich kümmere mich jetzt um sie und du machst die Betten im Nebenraum, bitte.“ Marianne nickte und verschwand. Julia wandte sich wieder Dana zu. „Hey Dana, ich werde dich jetzt ein wenig waschen und dann kannst du auch weiterschlafen. Und ich würde mich riesig freuen, wenn du bald die Augen aufschlägst. Du bist noch so jung. Viel zu jung um zu sterben. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir und ich mag es einfach nicht, wenn meine Patienten nicht kämpfen, verstehst du? Kämpfe Mädchen! Kämpfe!!“ sprach sie mit der Patientin während sie ihre Arbeit verrichtete. Immer wieder warf sie einen Blick auf die Monitore, über die das Mädchen überwacht wurde. Marianne kam nach einigen Minuten zurück. „Ich bin fertig. Kann ich dir hier noch helfen?“ Julia schüttelte den Kopf. „Weißt du denn was mit ihr passiert ist?“ hakte Marianne nach und sah sie an. Julia zog die Schultern hoch. „Wie gesagt, es wurde auf ihr geschossen. Auch ihre Geschwister und ihre Mutter sind angeschossen worden. Sie sind auf Station 4. Ihr Vater ist Polizist. Aber mehr weiß ich leider auch nicht.“ Schrecklich…“ gab Marianne von sich. Sie war sichtlich bestürzt über das, was Dana zugestoßen war.

    Paul sah seine junge Kollegin an. „Was ist denn? Warum tust du so geheimnisvoll?“ wollte er von ihr wissen. Jenny sah noch einmal zu ihrem neuen Partner, der sich mit seinem Handy beschäftigte. „Hältst du Thilo für den richtigen Mann zur Bewachung?“ stellte sie die Gegenfrage. Paul zog die Schultern hoch. „Ich wüsste nicht, was dagegensprechen sollte. Erkläre es mir!“ forderte er auf. „Hat dir Semir nicht gesagt, dass er ihn angelogen hat?“ Paul schüttelte den Kopf. „Nein, was meinst du denn?“ hakte er nach. Jenny holte Luft und sie war sichtlich nervös, was Paul sofort bemerkte. „Als ich fast angefahren wurde. Er hat mich zur Seite gestoßen und ich bin dadurch zu Boden gegangen. Er hat auf den Wagen geschossen! Er hat seine Waffe komplett geleert, ohne zu treffen.“ fing sie an. Paul zog die Schultern hoch. „Gut, das passiert schon mal. Und dass er so oft schießt, ist auch verständlich. Immerhin ging es hier um den Partner. Ich hätte es sicher auch gemacht und ja, vielleicht hätte ich den Wagen getroffen. Was ist denn so sonderbar daran?“ Jenny sah wieder zu Thilo. „Das mag so sein, aber gestern hat er mit Semir gesprochen und gefragt, ob es richtig war, nicht zu schießen. Verstehst du? Er hat gesagt, er hätte nicht auf den Wagen geschossen, aber er hat es getan.“ Jetzt ahnte Paul auch worauf Jenny hinaus wollte. „Okay…“ zog er lang und sah zu Thilo. „Denkst du, er hat mit diesem feigen Anschlag zu tun?“ Jenny zog die Schultern hoch. „Ich hoffe nicht. Ich meine, wir sind gemeinsam von der Party weg und er hat mich nach Hause gebracht. Wenn wir davon ausgehen, wann der Anschlag stattgefunden hat, dann könnte er es geschafft haben, von meiner Wohnung zurück hier her und hat sich dann auf die Lauer gelegt. Das wäre überhaupt kein Problem gewesen. Oder aber er hat Komplizen, die für ihn die Drecksarbeit gemacht haben und er spielt jetzt das Unschuldslamm.“ „Wie kommst du denn darauf, dass er Semir etwas antun will?“ Nun war Jenny es, die die Schultern hochzog. „Ich weiß es nicht. Es ist nur ein Gefühl.“ Paul lächelte leicht. „Wir können uns nicht auf die Gefühle verlassen. Hör zu… wir können es einfach herausfinden. Du und er werden die Wache machen und sollte etwas passieren und er sich irgendwie sonderbar verhalten, dann gibst du mir Bescheid. Und sollte er etwas damit zu tun haben, dann werde ich ihn persönlich auseinandernehmen, das verspreche ich dir.“ Jenny nickte. „Also gut. Ich werde darauf achten.“ versprach sie. Paul sah auf die Uhr. „Ich muss jetzt noch zu Hartmut.“ Jenny nickte nur und ging zu Thilo zurück, der nach wie vor am Tisch vor Semirs Tür saß.

    Paul fuhr zur KTU, wo Hartmut ihn ansah, als er eintrat. „Ah! Auf dich habe ich schon gewartet. Leider kann ich dir keine guten Nachrichten geben. Ich war schon im Garten bei Andrea und habe mir die Hecke vorgenommen, von der aus der Schütze seine Schüsse abgegeben haben muss. Also, ich habe tatsächlich Blutspuren gefunden und sie analysieren lassen. Es ist kein menschliches Blut. Vermutlich war es ein Hund, der sich im Garten an den Sträuchern gestochen hat.“ Paul sah ihn an. „Aber weder Andrea noch Semir haben einen Hund.“ Hartmut lächelte. „Natürlich, das weiß ich doch. Aber es ist vermutlich ein Streuner gewesen, oder aber der Hund vom Nachbarn. Auch wenn der Garten eingezäunt ist, heißt es nicht, dass ein Hund da nicht reinkommt. Bei der Waffe ist ebenfalls keine Vergangenheit festzustellen. Sie wurde bei noch keinem Verbrechen eingesetzt ist aber auch nicht registriert.“ Paul nickte nachdenklich. „Also keine Hinweise. Nun ja, wäre ja auch zu schön gewesen. Diese Typen sind sehr genau und scheinen zu wissen, wie wir vorgehen, oder wie wir Spuren auswerten können. Vielleicht ist Jennys Verdacht doch nicht so falsch.“ meinte er nachdenklich und sofort sah Hartmut ihn an. „Welcher Verdacht?“ hakte er sofort nach. „Jenny meint, dass Thilo, ihr neuer Partner damit drinsteckt. Allerdings gibt es nicht wirkliche Beweise. Wie können wir denn jetzt weitermachen?“ Er sah Hartmut fragend an und dieser zog die Schultern hoch. „Ich fahre gleich noch mal zur Wohnung von Andrea und betrachte mir den Tatort bei Tageslicht. Vielleicht finde ich dann doch etwas. Versprechen tu ich aber nichts. Wie sieht es bei Dana aus?“ Paul stöhnte leise auf. „Sie hat die Nacht überlebt, aber es gibt wohl immer noch keine Entwarnung. Der Arzt meint, es könnte noch alles kippen.“ Hartmut sah betroffen zu Boden. „Oh man, das muss schon echt schlimm sein. Hoffentlich schafft sie es, denn sonst würde vor allem für Semir eine Welt zusammenbrechen. Er hat so für Dana gekämpft, als ihre Mutter verstorben war, dass sie bei ihm bleiben konnte. Der macht sich doch extreme Vorwürfe, wie ich ihn kenne.“ Paul sah ihn an und nickte. „Du kennst ihn wirklich gut. Ich habe ihm jetzt Wachen vor das Krankenzimmer gesetzt. Danas Zimmer wird ebenfalls bewacht. Ich frage mich nur, was der Kerl von ihm will. Der muss doch bei dem Feuerwerk gestern verdammt viel Lärm gemacht haben und die Nachbarn müssen was gehört haben.“ Hartmut stutzte. „Du hast recht und Semir hätte auch Schüsse hören müssen. Hat er dir davon berichtet?“ Paul schüttelte den Kopf. „Wenn Semir keine Schüsse gehört hat, dann muss der Schütze Schalldämpfer genutzt haben.“ gab der Techniker nachdenklich von sich. Paul zog die Schultern hoch. „Davon gehe ich aus. Dennoch werde ich die Nachbarn befragen. Wir fahren zusammen zur Wohnung!“

    Paul ging zum Fahrstuhl, der ihn auf die Intensivstation bringen sollte, doch als die Türen sich öffneten, sah er Semir im Rollstuhl darinsitzen. „Hey Partner…“ sagte er und Semir sah ihn traurig an. „Ist alles in Ordnung? Ist was mit Dana?“ fragte Paul geschockt, als er seinen Partner sah. „Nein, es ist alles okay. Wenn man davon sprechen kann.“ Gab Semir leise zur Antwort. Paul stellte sich hinter den Rollstuhl und schob ihn in eine Besucherecke. Er drehte den Rollstuhl so, dass er Semir gegenübersaß. „Wie geht es dir?“ fragte er, doch Semir antwortete nicht. Er schien an ihm vorbei zu sehen. „Semir, was ist mit Dana? Rede mit mir!“ forderte er seinen Partner auf. Langsam richtete Semir seine Augen auf ihn. „Nein, Dana schläft. Es ist alles gut. Habt ihr etwas gefunden?“ Die Stimme von ihm klang müde. „Hartmut hat einige Dinge gefunden, die er untersuchen will. Darunter auch ein Projektil, was er aus der Wohnzimmerwand gepult hat. Semir, was genau ist passiert? Die Kollegen, die die Wohnung bewachten, sind beide tot. Sie wurden erdrosselt und damit ist klar, dass es nicht nur ein Gegner sein kann.“ „Wir waren gerade in der Küche. Und als die Kinder glaubten ein Feuerwerk zu hören, da sind sie ins Wohnzimmer und … .“ erzählte Semir und Paul nickte. „Gut, das hat mir Andrea auch gesagt. War irgendwas davor? Hast du wieder eine SMS erhalten? Irgendetwas, das darauf hindeutet?“ hakte Paul nach doch Semir schüttelte stumm den Kopf. Es dauerte eine Weile, bis er wieder das Wort ergriff. „Ich bin mir sicher, dass es der Kerl war, der mich auf dem Friedhof niedergeschlagen hat. Er hat mir ja gesagt, dass ich noch erfahren werde, wie es ist, ihn als Feind zu haben. Paul, ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Paul hörte die Verzweiflung in der Stimme. „Die nächsten Tage wirst du gar nichts tun. Ich bearbeite den Fall und ich werde alles tun um den Kerl zu bekommen.“ Semir nickte und schaute etwas abwesend zum Fenster hinaus. „Wie geht es dir denn?“ wollte Paul nun wissen und langsam drehte sein Partner wieder den Kopf in seine Richtung. „Ich bin okay…“ gab er leise von sich, doch Paul bemerkte, dass das ganz sicher nicht die Wahrheit war. „Wirklich? Du musst vor mir nicht den harten Kerl vorspielen.“ Ein verbittertes Lächeln erschien auf Semirs Mund. „Willst du wirklich wissen, wie es mir geht? Ich habe eine Scheißangst! Ich weiß nicht, wer auf uns geschossen hat oder ob er es noch einmal versucht. Ich hätte meine Familie direkt in eine Schutzwohnung bringen sollen! Ich habe Schuld, dass das hier alles passiert ist! Verstehst du? Ich hätte meine Familie schützen müssen und was tue ich? Ich bringe sie in Gefahr! Wie sollen Dana und die Anderen jemals wieder Vertrauen zu mir haben? Wie kann ich meine Familie beschützen?“ Paul griff seine Hand. „Dafür werde ich sorgen. Wir wissen in der Tat nicht, ob der Täter noch einmal zuschlägt und deshalb sind zwei Beamte abgestellt worden, die das Zimmer von Dana bewachen und auch vor eurem Zimmer stehen Wachen. Ich habe Jenny und Thilo darum gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen.“ Semir nickte leicht. Paul stand auf und fuhr seinen Partner wieder in das Familienzimmer, wo Semir von seiner Familie begrüßt wurde. „Ich werde mich um alles kümmern.“ versprach Paul und wandte sich zur Tür. „Paul…!“ rief Semir und er drehte sich um. „Danke Partner…“

    Als Paul aus dem Zimmer der Gerkhans kam, traten Thilo und Jenny gerade aus dem Fahrstuhl. „Paul, wie geht es Semir?“ wollte Jenny sofort wissen. „Den Umständen entsprechend. Mehr kann ich nicht sagen.“ brachte er sie und Thilo auf den aktuellen Stand. „Bei Dana ist es die Nacht zwar ruhig gewesen, aber es kann immer noch kippen, sagt der Arzt.“ Thilo schluckte und Paul bemerkte genau wie Jenny, dass er blass wurde. „oh mein Gott! Ich hoffe sehr, dass seine Tochter überlebt.“ Gab er geschockt von sich. Jenny sah ihn etwas skeptisch an. „Du bist ja ganz blass.“ Meinte sie. Thilo nickte. „Das schlägt mir, glaub ich, auf den Magen. Ich meine, ich habe gestern noch mit Dana getanzt und jetzt … jetzt … jetzt liegt sie hier und ringt mit dem Tod. Haben wir denn schon Spuren? Wissen wir wer dahintersteckt?“ er sah Paul an. „Das weiß ich nicht, denn sonst würde ich den Kerl in alle Einzelteile zerlegen. Ich werde jetzt zu Hartmut fahren und danach die Nachbarn verhören. Vielleicht haben die was gehört. Ihr lasst keinen rein, der nicht wie Pflegepersonal aussieht. Ich habe den Arzt gebeten, eine Mappe zusammen zu stellen, mit Leuten die hier arbeiten. Sie wird euch im Laufe des Tages gegeben. Passt bitte gut auf. Wenn etwas ist, bin ich auf Handy zu erreichen.“ erklärte Paul eindringlich. Thilo nickte. „Wenn du Hilfe brauchst, dann sag mir Bescheid, ja? Die Bewachung kann ja auch jemand anderer machen.“ Paul sah ihn streng an. „Die Bewachung ist derzeit das Wichtigste! Wir wissen nicht, wer diesen Anschlag auf Semir und seine Familie gemacht hat und auch nicht, ob sie es noch einmal versuchen, wenn sie erfahren, dass sie noch leben. Deshalb seid wachsam!“ Thilo nickte nachdenklich. „Ich verstehe. Hast du denn irgendeinen Verdacht?“ Paul atmete tief durch. „Nicht wirklich, aber die letzten Tage wurde Semir von Unbekannten gestalkt. Meist via SMS und Anrufe. Dieser jemand stellt sich als alter Partner vor, Partner der längst tot ist und ich nehme an, dass dieser Kerl auch dafür verantwortlich ist. Also, ich will, dass niemand zu ihnen kommt. Niemand außer dem Pflegepersonal und da achte bitte unbedingt darauf, dass sie wirklich Ärzte oder Schwestern sind!“ instruierte er den jungen Kollege. „Wie soll ich denn erkennen, dass es keine Ärzte sind? Ich meine, die laufen hier alle in Weiß rum!“ Paul nickte. „Genau, alles ist weiß. Du musst dir die Gesichter von dem Personal merken. Lass dir von der Personalabteilung Fotos geben. Das dürfte den Leiter des Krankenhauses nicht stören. Wenn jemand rein will, den du nicht in der Liste hast oder nicht zuordnen kannst, dann informierst du mich! Jenny wird dich unterstützen.“ Thilo nickte und setzte sich auf einen Stuhl vor der Tür. Jenny sah zu Paul. „Darf ich dich kurz sprechen, Paul?“ bat sie ihn. Sie gingen ein Stück in den Flur wo Thilo ihr Gespräch nicht mehr verfolgen konnte.

    Andrea sah auf, als Paul eintrat. Sie lag im Bett und hatte ein Buch in der gesunden Hand. „Paul!“ stieß sie aus. Er sah, das Ayda, die ebenfalls eine Schlinge um den verletzten Arm trug in der Eckte mit Lilly spielte, die ihre Hand verbunden hatte. Die Kinder sahen ihn nur kurz an und spielten wieder. Er ging zu ihnen und hockte sich hin. „Na ihr zwei. Geht es euch gut?“ Ayda sah ihn an und in den Augen lag die Antwort, die er auch ohne Kenntnisse gut deuten konnte. Er strich Ayda und Lilly über den Kopf und ging dann zu Andrea ans Bett. „Hey, wie geht es dir?“ Sie sah ihn an und sofort liefen die Tränen. „Wie soll es einem schon nach so einem Anschlag gehen. Hast du schon eine Spur?“ wollte sie wissen. Paul nahm sie in den Arm. „Nein, aber ich werde diese Schweine bekommen, das verspreche ich dir. Die werden nicht ungeschoren davonkommen. Wo ist Semir?“ Andrea wischte sich die Tränen weg. „Er ist gerade bei Dana. Bei ihr sieht es nicht gut aus und er will bei ihr sein. Ich kann es nur zu gut verstehen. Lilly spricht seit gestern kein Wort mehr und Ayda hat Angst ans Fenster zu gehen.“ Sprudelte es aus ihr heraus. Paul nickte und sah kurz zu den Kindern. „Kannst du mir genau erzählen, was gestern passiert ist?“ fragte er. Andrea dachte kurz nach und nickte dann. „Wir waren in der Küche und haben noch das Geschirr gespült und ich wollte das die Kinder ins Bett gehen. Aber die haben wohl ein Feuerwerk gehört und sind ins Wohnzimmer, weil man es nicht von der Küche aus sehen konnte. Dana sollte auf sie aufpassen. Und dann ging es auch schon los. Semir und ich waren noch in der Küche. Wir sind sofort hin und sahen, dass die Mäuse unter dem Fenster lagen. Ich bin völlig kopflos rein und bekam die Kugel ab. Das nächste was ich wieder mitbekommen habe war, dass Semir die Jalousien geschlossen hatte und dann hat er Dana gesehen. Paul, da war so viel Blut. Ich… ich habe da schon mit dem Schlimmsten gerechnet.“ Andrea machte eine Pause und Paul bemerkte wie sie zitterte. „Hast du jemanden gesehen, der sich vielleicht in der Hecke versteckt hat?“ Andrea schüttelte den Kopf. „Denkst du, dass es dieser Kerl war, der Ayda von der Schule abgeholt hat? Und der, der Semir auf dem Friedhof niedergeschlagen hat? Was will der von uns? Wie kann er auf Kinder schießen? Paul, du musst es herausfinden! Bitte Paul und wenn du diese Kerle hast, dann lass mich nur fünf Minuten mit ihnen allen.“ flehte sie regelrecht. Paul lächelte leicht und strich ihr über die unverletzte Schulter. „Ich werde tun, was ich kann.“ versprach er. „Jetzt gehe ich mal zu Dana, okay?“ Andrea verzog die Mundwinkel und quälte ein Lächeln hervor. Dann nickte sie ihm zu.

    Semir saß in seinem Rollstuhl am Bett seiner ältesten Tochter. Dana war an diversen Überwachungsgeräten angeschlossen und überall sah er nur Schläuche. Das gleichmäßige Piepen und dieses monotone Geräusch der Beatmungsmaschine erfüllten den Raum.Er schluckte schwer und kämpfte mit Tränen. Für ihn war es kaum ertragbar, seine Tochter so zu sehen. Dana hatte ihre Augen fest geschlossen und nur zögerlich nahm er ihre Hand. Er strich ihr über die Wange und küsste die Hand. „Dana mein Engel. Bitte werde wieder gesund. Bitte, du bist ein Teil von mir und ich will dich nicht verlieren. Du gehörst doch zu meinem Leben. Du gehörst zu uns.“ schluchzte er. Immer wieder sah er auf ihre Hand und hoffte einen kleinen Gegendruck zu spüren, doch es kam nichts. Eine Schwester kam herein. „Guten Morgen Herr Gerkhan. Es ist soweit alles in Ordnung. Dana schläft und sie war die ganze Nacht ruhig.“ Semir nickte. Er hörte die tröstenden Worte, doch für ihn war nicht alles in Ordnung. Wie konnte etwas in Ordnung sein, wenn er eines seiner Kinder hier auf diesem Bett liegen sah? Angeschlossen an Maschinen, die sie am Leben hielten? „Wird sie wieder aufwachen?“ fragte er und die Angst schwang in der Stimme mit. „Natürlich wird sie das. Es ist kein richtiges Koma. Wir geben dem Körper doch nur die Unterstützung, die er benötigt um sich zu regenerieren. Dana ist sehr jung und sie wird es ganz sicher schaffen. Aber Sie müssen jetzt auch wieder gehen. Sie brauchen doch auch Ruhe.“ Semir nickte. Langsam stand er auf und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Dann beugte er sich über Dana und küsste ihre Stirn. „Bis bald mein Engel.“ sagte er leise.Er setzte sich wieder und drehte den Rollstuhl. Gerade als er das Zimmer verlassen wollte, kam der Arzt herein. Er sah ihn an. „Sagen Sie mir bitte die Wahrheit. Wie sieht es bei ihr aus.“ Der Arzt schaute kurz auf die Instrumente und dann auf die Akte. „Die Werte sind stabil und sie war in der Nacht ruhig. Aber noch kann ich keine Entwarnung geben denn es kann alles noch kippen. Sie hat sehr viel Blut verloren und die Verletzung ist nicht ganz ohne. Lassen Sie ihr die Zeit, die sie braucht.“ erklärte der Mediziner. Semir nickte und sah noch einmal auf Dana. „Danke Doc. Sie halten mich doch auf dem Laufenden, oder? Ich liege ja hier auf der Station 6 und…“ Der Arzt lächelte leicht. „Ich weiß, Herr Gerkhan. Sie werden der erste sein den ich informiere, dass verspreche ich Ihnen. Jetzt gehen Sie wieder auf Ihr Zimmer und ruhen sich auch aus.

    Ein frohes neues Jahr! Ich hoffe ihr seid alle genauso gut rein gekommen wie ich.

    Hartmut sah sich aufmerksam in Semirs Wohnung um. „Paul, also ich habe bisher nichts was uns weiterbringen könnte. Die Briefe, die er hier auf dem Tisch hat, sind keine Drohbriefe. Auch sonst scheint niemand hier irgendwie eingedrungen zu sein. Die Wohnung ist sauber.“ Paul nickte. „Wäre ja auch zu einfach. Diese Kerle sind scheinbar wirklich gut organisiert. Ich überlege gerade, ob es was bringt, die Nachbarn zu befragen.“ Hartmut sah ihn skeptisch an. „Was sollte das bringen? Dass was geschehen war, ist in Andreas Wohnung passiert und nicht hier. Ich denke nicht, dass du die Nachbarn fragst, ob sie hier fremde auffällige Personen gesehen haben. Damit kannst du nämlich auch nichts anfangen. Hast du dir mal die Fälle von Semir vorgenommen? Hast du da eine Ahnung, was es sein könnte?“ Paul nickte nachdenklich. „Wir vermuten dass es mit Tom Kranich zu tun hat. Der ist Semir ja auf dem Friedhof erschienen und er hat Geschenke zum Geburtstag bekommen, die ebenfalls an Tom Kranich erinnern. Ich habe mir die ersten Akten bereits vorgenommen, aber irgendwie bringt mir das auch nichts.“ Hartmut sah, dass Paul ziemlich niedergeschlagen war, weil er keine Spur hatte. „Weißt du was, ich mache dir jetzt mal einen Vorschlag. Warum fährst du mich nicht zur KTU zurück und ich untersuche die Kugeln und du könntest die die Akten nochmal vornehmen.“ Paul lächelte leicht. „Gute Idee.“ Sie verließen die Wohnung und Paul fuhr den Techniker zur KTU zurück. Hartmut machte sich sofort an die Arbeit und untersuchte die Hülsen und Kugeln, die er gesichert hatte. Er legte die Hülse auf seinen Scanner und speicherte es in dem PC. Anschließend ließ er es im Suchlauf mit anderen Kriminalfällen überprüfen. Da dies einige Stunden dauern konnte, machte er sich einen starken Kaffee, denn an Schlaf wollte er in dieser Nacht nicht denken.

    Paul selbst fuhr zur PAST und nahm sich noch einmal diverse Akten von Semir vor. Doch es brachte ihn einfach nicht weiter. Irgendwann schlief er am Schreibtisch ein und wachte erst wieder auf, als Susanne ihn an die Schulter packte. Er schreckte hoch und sah sie verwirrt an. „Hey, hier ist ein Kaffee. Scheint als könntest du ihn gebrauchen. Was machst du denn schon hier? Und warum ist Semir nicht hier?“ wollte die Sekretärin wissen und Paul brachte sie auf den laufenden Stand. Susanne wurde blass und sah ihn geschockt an. „Oh mein Gott!“ stieß sie aus und in diesen drei Worten lag alles, was sie empfand. „Wie geht es den Vieren?“ wollte sie wissen. „Semir, Andrea, Ayda wurden angeschossen. Sie sind relativ leicht verletzt. Am besten ist Lilly weggekommen. Bei Dana sieht es nicht so gut aus. Sie musste gestern noch reanimiert werden.“ Susanne wurde immer blasser und setzte sich. „Das ist ja schrecklich. Hoffentlich schafft sie es.“ Paul nickte leicht. „Ich hoffe, dass sie die Nacht überstanden hat. Dann hat sie nämlich laut Arzt eine Chance. Ich fahre gleich ins Krankenhaus und werde mich nach ihr erkundigen.“ Susanne stand auf. „Möchtest du vorher frühstücken? Ich habe ein paar Brötchen mitgebracht.“ Paul nickte dankbar. Gemeinsam gingen sie in die Küche und frühstückten. „Ist die Krüger denn auch schon da?“ „Nein, bisher noch nicht. Willst du auf sie warten, oder soll ich ihr was ausrichten?“ hakte Susanne nach, doch Paul schüttelte den Kopf. Als er mit dem Frühstück fertig war stand er auf und sah sie an. „Ich fahre ins Krankenhaus und bin über Handy erreichbar. Wenn was ist, ruf an!“ Susanne nickte. „Bestell allen von mir gute Besserung und sag Andrea, dass ich heute Nachmittag noch rumkomme.“ Paul versprach es auszurichten und verschwand. Nur wenig später war er im Krankenhaus und erfuhr von der Schwester, dass alle außer Dana auf der normalen Station in einem Familienzimmer untergebracht waren. Er fuhr auf die genannte Station und suchte das Zimmer der Gerkhans auf. Er klopfte an und hörte nur wenig später ein leises: „Ja bitte?“ Paul öffnete die Tür und betrat das Zimmer in dem sein Partner und dessen Familie lagen.

    Paul wählte Hartmut über Handy an und der Techniker meldete sich mit einer verschlafenden Stimme. Doch als Paul ihm erzählte, was passiert war, war auch Hartmut hellwach. „Ich erwarte dich!“ versprach er. Paul fuhr direkt zum Haus des Technikers, der bereits Kaffee gekocht hatte und Paul eine Tasse von dem Gebräu nicht ablehnen konnte. „Weißt du was genau passiert ist?“ Paul atmete tief durch. „Ich weiß nur, dass alle vier verletzt sind. Bei Dana ist es besonders schwer. Sie hat einen Bauchschuss abbekommen. Lilly hatte sich leicht verletzt. Andrea und Ayda wie auch Semir, haben Streifschüsse erwischt. Sie sind derzeit alle im Krankenhaus und werden dort bewacht.“ „Kann ich irgendwas tun?“ wollte Hartmut betroffen wissen. „Ja, das kannst du. Sobald es hell ist, möchte ich, dass du dir den Tatort ansiehst. Vielleicht findest du etwas, was die Leute der Spusi der Kollegen von der Stadtwache übersehen haben.“ bat Paul leise. „Warum warten wir bis es hell ist? Wir können direkt loslegen. Wir fahren zur KTU und ich packe ein, was ich brauche. Danach können wir uns alles ansehen.“ Bot Hartmut an. Paul sah ihn an. „Es ist noch dunkel. Wie willst du denn da was sehen?“ Hartmut lächelte leicht. „Das überlass mir ruhig. Auf geht es!“ Er stand auf und nur wenig später waren sie auf dem Weg zur KTU, wo Hartmut diverse Dinge einpackte. Anschließend ging es zu Andreas Haus. Paul hatte mittlerweile auch die Zusage der Kollegen vom zuständigen Revier erhalten, dass er sich in der Wohnung und im Garten umsehen konnte. Sie brauchten nicht lange, bis sie beide im Garten standen und Hartmut Scheinwerfer aufstellten. „Oh mein Gott, das ist ja ein Massaker gewesen!“ stieß der Techniker aus, als er die Seite sah, die einmal die Terrasse von Andreas Wohnung war. Glasscherben lagen überall herum und es knirsche, als sie über die Steine liefen. Hartmut ging auf die Hecke zu und leuchtete alles aus. Immer wieder bückte er sich und sammelte etwas auf. Paul kam zu ihm. „Hast du was?“ „Ja, ich habe dort hinten an der Berberitzenhecke jede Menge Hülsen gefunden. Ich dachte die Kollegen waren schon hier?“ Er sah Paul fragend an. „Der Kollege sagte mir, dass sie es uns überlassen. Sie sind überlastet, weil derzeit wohl eine Einbruchserie in der Stadt ausgebrochen ist.“ Hartmut schüttelte den Kopf. „Als ob Einbrüche schlimmer sind, als das, was hier passiert ist.“


    Hartmut ging in die Wohnung und sah sich dort um. Er schaute sich die Wand an, wo die meisten Kugeln eingeschlagen waren und sah dann aus dem Fenster zum Zaun und zur Hecke. „Das deckt sich mit dem Fundort der Hülsen. Die Schützen standen dort in der Hecke. Ich habe eine Kugel aus der Wand gepult, die zwar stark deformiert ist, aber damit kann ich trotzdem ein Abgleich machen. Das Kaliber ist 45.“ Paul hörte ihm zu und sah zur Hecke. „Was ist denn mit Fußabdrücken? Hartmut schüttelte den Kopf. „Da sind Betonplatten. Die Büsche sind in einem kleinen schmalen Beet gepflanzt. Fußspuren sind da nicht zu nehmen. Fingerabdrücke kannst du auch vergessen. Der Busch, hinter dem wir die Hülsen gefunden haben ist, wie schon gesagt eine Berberritze. Die hat Stacheln in einer Länge von 3 – 5 cm, da packst du nicht rein.“ Paul sah in Richtung Busch und schluckte leicht. „Also auch keine nutzbaren Spuren?“ Hartmut atmete tief durch. „Das würde ich nicht sagen. Wir könnten die Stacheln untersuchen. Es ist gut möglich, dass der Täter doch in den Busch gegriffen und sich verletzt hat. Dann müssten wir Blutspuren oder aber Hautpartikel finden, nur wird das eine ganze Weile dauern.“ Paul nickte nachdenklich. „Mach es trotzdem!“ bat er den Techniker. „Okay, mache ich, aber das geht nicht vor morgen früh. Ich brauche dafür Helligkeit und vor allem Hilfe. Nur bis dahin sollte niemand mehr dort hingehen.“ legte Hartmut fest. „Sag mal, wie steht die Chance denn wegen Dana?“ Paul seufzte leicht. „Wenn sie die Nacht überlebt, dann kann sie es schaffen, aber das ist nicht sicher.“ Hartmut nickte. „Was machen wir jetzt?“ Paul hob den Kopf und sah ihn an. „Ich werde mir gleich noch Semirs Wohnung vornehmen. Vielleicht finde ich dort noch irgendwelche Hinweise auf die Täter.“ Hartmut nickte leicht. „Kann ich dir da helfen?“ Paul stimmte dankbar zu. Sie fuhren zu Semirs Wohnung und sahen sich um. Doch hier war nichts zu sehen. Der Täter wusste genau, wo Semir sich an diesem Abend befand und das hieß, dass er unter Beobachtung stand. Doch wer war der Gegner?


    Ich wünsche all meinen Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr und ein glückliches, erfolgreiches Jahr 2017. Bleibt mir als Leser treu :D

    Als Paul und Kim im Krankenhaus ankamen mussten sie sich zu den Gerkhans durchfragen und wurden auf die Notaufnahme geschickt. Hier wurden sie von einer sehr resoluten Schwester in den Wartebereich geschickt, wo sie geschlagene vier Stunden auf den Arzt warten mussten. Kim sprang sofort auf, als der Mediziner zu ihnen kam. „Sind Sie die Kollegen von Herrn Gerkhan?“ wollte er wissen. Kim Krüger sah den ca. 60jährigen Mann an und nickte. Sie holte ihren Ausweis hervor und zeigte ihn. „Mein Name ist Kim Krüger. Ich bin die Dienstvorgesetzte von Herrn Gerkhan. Das ist mein Kollege Renner. Wie sieht es aus? Können Sie uns schon etwas sagen?“ Der Arzt zog scharf Luft ein. „Dr. Werner. Wie man es nimmt. Fangen wir klein an. Bei der kleinen Emilie mussten wir eine Glasscherbe aus der Hand holen und ein paar Schnittwunden im Gesicht behandeln. Das sind Wunden, die schnell und komplikationslos heilen sollten. Schlimmer als die körperlichen Verletzungen sind die Seelischen. Der Schock sitzt sehr tief.“ Paul schluckte und sah zu Kim. „Bei Ayda Gerkhan mussten wir einen Streifschuss am linken Oberarm behandeln. Die Wunde wurde mit drei Stichen genäht. Sie hat viel Blut verloren und liegt derzeit auf der Intensivstation, da bei Kindern ein Blutverlust schwerwiegender ist, als bei einem Erwachsenen. Auch bei ihr sitzt der Schock tief. Bei Frau Gerkhan haben wir eine Kugel aus der linken Schulter geholt. Die Kugel steckte im Schlüsselbein. Sie wurde operiert. Auch das sind Wunden, die schnell und komplikationslos heilen sollten. Das Gleiche gilt für Herrn Gerkhan, der eine tiefe Fleischwunde an der Hüfte hat. Auch hier konnten wir die Wunde ohne Probleme schließen.“ Der Arzt machte eine kurze Pause. Paul sah ihn an. „Was ist mit Dana?“ „Bei Frau Wegner sieht es leider nicht sehr gut aus. Die Kugel ist in den Unterleib gedrungen und hat einen ziemlichen Schaden angerichtet. Sie hat innere Blutungen, die in einer Operation erfolgreich gestoppt werden konnten. Einer der Eierstöcke wurde von der Kugel zerfetzt und musste entfernt werden. Im Augenblick liegt sie im künstlichen Koma, damit der Körper sich regenerieren kann. Allerdings will ich auch nichts beschönigen. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, aber es gibt Dinge, die wir leider auch nicht aufhalten können.“ Paul sah kurz zu Kim und atmete tief ein und aus. „Okay, was für eine Überlebenschance hat sie?“ fragte er sehr unsicher. Der Arzt nahm sich die Brille ab und rieb sich die Augen. „Wenn sei diese Nacht überlebt, dann könnte sie es schaffen. Aber das ist nicht sicher.“ Kim schluckte schwer. „Oh mein Gott. Weiß Herr Gerkhan, wie es um sie steht?“ Der Arzt schüttelte den Kopf. „Noch haben wir es ihm nicht sagen können. Wie schon gesagt, wurde er auch operiert und erholt sich von der Narkose.“ endete Dr. Werner. „Dürfen wir zu ihm?“ bat Paul. „Nein, heute ganz sicher nicht. Wie schon gesagt, schläft er und seine Frau wie auch seine Kinder brauchen jetzt erst einmal Ruhe. Kommen Sie morgen wieder.“ In der Stimme des Arztes lag ein Befehlston, der Kim und Paul nur nicken ließ. „Können wir nur ganz kurz zu Frau Gerkhan? Wir müssen wissen, was passiert ist. Bitte…“ flehte Kim, doch Dr. Werner blieb hart. „Sie würden von ihr heute eh keine vernünftige Antwort erhalten. Warten Sie bis morgen. Ich habe noch zu tun.“ Der Arzt drehte sich um und verschwand wieder in einen der vielen Räume.


    Kim und Paul verließen besorgt das Krankenhaus. „Wir werden jetzt zur Wohnung von Andrea fahren und den Tatort in Augenschein nehmen!“ erklärte Paul während er sich in den nächtlichen Verkehr einfädelte. Kim saß nachdenklich auf dem Beifahrersitz und knetete ihre Hände. „Das hätte nicht passieren dürfen. Wir haben diese ganzen Sachen, die vorgefallen sind, auf die leichte Schulter genommen und bekommen jetzt die Quittung. Denken Sie auch, dass es mit diesem ominösen Tom Kranich zu tun hat?“ Paul nickte kurz. „Das ist sehr gut möglich. Die Frage ist nur, warum? Semir ist sich nicht bewusst, dass er irgendwen vor kurzem auf die Füße getreten ist und die Typen, die wir aus den alten Fällen gezogen haben, sind von ihm ausgeschlossen worden.“ Kim warf ihm einen kurzen Blick zu. „Das heißt nicht, dass sie nicht doch da drinhängen. Es muss etwas mit Tom Kranich zu tun haben. Diese Fälle müssen alle gesichtet werden!“ legte sie fest. „Wir müssen wissen, was diese Schweine von Gerkhan wollen. Es scheint auf jeden Fall um Rache zu gehen, denn sonst kann ich mir nicht erklären, dass man auf Kinder schießt.“ Paul zog die Schultern hoch. „Nicht einmal Semir weiß, was diese Typen von ihn wollen. Aber auf dem Friedhof, wo er niedergeschlagen wurde, sagte einer der Gegner, dass er bald erfahren würde, was es heißt, diesen Typen als Feind zu haben, oder so. Vielleicht finden wir einen Hinweis am Tatort.“ Die Wohnung von Andrea war von den Kollegen bereits versiegelt worden und eigentlich durften sie diesen Tatort nicht mehr betreten, dennoch gingen Kim und Paul in den Garten und sahen sich dort um. Vor der Terrasse sahen sie sich um. „Das bringt heute nichts. Wir kommen nicht in die Wohnung ohne eventuelle Spuren zu vernichten. Wir müssen warten, bis zum Morgen und dann mit den Kollegen der Stadtpolizei sprechen.“ Kim nickte. „Sehe ich auch so. Da drinnen scheint ein ziemliches Chaos zu herrschen.“ Paul stöhnte leise auf. „Ich habe einen kurzen Blick hineinwerfen können, als Semir mich informiert hatte. Es sieht grausam aus. Hartmut soll sich morgen dort mal umsehen und auch im Garten. Vielleicht findet er etwas, das uns hilft. Ich werde gleich zu ihm fahren, wenn ich Sie wieder zuhause abgesetzt habe.“ Kim sah ihn erstaunt an. „Denken Sie wirklich, dass ich mich jetzt ins Bett lege und schlafe? Ich werde mir die Akten vornehmen. Außerdem werden wir Wachen abstellen, die vor Gerkhans Zimmer wie auch vor Danas Zimmer aufpassen werden.“ legte sie fest. Paul nickte leicht.