Beiträge von Elvira

    Paul sah zum Arzt, der Semir gerade versorgte und dieser schüttelte stumm den Kopf. „Hey Partner, was ist denn überhaupt passiert?“ Er griff zu, als Semir nur unter Schmerzen aus dem Rettungswagen kletterte. „Paul, Dana ist schwer verletzt. Ich will zu ihr! Hilf mir bitte…“ Paul sah ihn prüfend an. „Bist du sicher, dass du es schaffst?“ Semir nickte. „Das ist nur ein Streifschuss.“ gab Semir von sich. „Das ist eine tiefe Wunde, die chirurgisch versorgt werden muss, aber Ihr Kollege lässt es nicht zu.“ Paul nickte. Ihm war klar, dass Semir seine eigene Verletzung runterspielte und ihm war auch klar, dass sein Partner sich nicht aufhalten ließ. „Na komm, dann bringe ich dich hin.“ schlug er vor und stützte seinen Partner. Nur langsam ging es zu dem Rettungswagen in dem Dana behandelt wurde. Doch gerade als sie am Heck des Wagens ankamen, in dem Dana behandelt wurde, sah Semir wie der Notarzt den Defibrillator ansetzte. „Weg vom Patienten!“ warnte der Arzt. Semir blieb stehen und starrte auf das Geschehen. Er stand nur da und starrte auf das, was im Wagen passierte. Erst als Danas Körper wie von unsichtbarer Hand angehoben wurde, ahnte er, wie ernst es war. „NEIN!!!“ schrie er und brach weinend zusammen. Sofort griffen Paul und einer der Sanitäter zu. „DANA!! DANA!“ schrie Semir und wollte in den Rettungswagen. Er wehrte sich verzweifelt gegen den Sanitäter und seinem Partner, die ihn eisern festhielten. In diesem Augenblick schien Semir über Kräfte zu verfügen, die den Beiden sehr zu schaffen machte. Erst jetzt bekam einer der Rettungskräfte bei Dana mit, dass der Vater alles mit ansah und schloss die Türen. In diesem Augenblick brach Semir zusammen und weinte hemmungslos. Immer wieder sah er zum Rettungswagen, in dem Dana lag und um ihr Leben kämpfte. „PAUL! Sie darf nicht sterben! Bitte, sie darf nicht sterben!“ wimmerte er. Paul sah zum Sanitäter und nickte. Dieser verschwand und kam nur wenig später mit dem Arzt wieder, der ihm eine Beruhigungsspritze gab. „Wir bringen ihn wieder in den Wagen.“ legte der Doc fest und Paul zog Semir hoch. Jetzt gab es keine Gegenwehr von ihm und er ließ sich ohne Weiteres in den Wagen bringen. „Sie wird nicht sterben…“ erklärte er und hoffte inständig, dass er damit Recht behielt.


    Nachdem Semir wieder im Rettungswagen lag und dank der Beruhigungsspritze in einer Art Dämmerzustand fiel, konnte Paul sich darum kümmern, den Einsatzleiter zu befragen. „Renner, Kripo Autobahn. Herr Gerkhan ist mein Dienstpartner und Freund. Was ist mit dem Streifenwagen, der hier vor der Tür zur Wache stand?“ wollte er wissen und zeigte seinen Ausweis vor. „Brenner, 14. Revier Köln. Wir haben den Streifenwagen gesehen. Leider sind die Kollegen tot. Scheint als wären sie erdrosselt worden und das heißt für uns, dass es mindestens zwei Täter waren. Die Spurensicherung ist bereits dran. Anschließend wird das Haus unter die Lupe genommen.“ Paul nickte leicht. „Okay, wer hat Sie informiert? Waren es die Nachbarn?“ Brenner schüttelte den Kopf. „Nein, es war Herr Gerkhan selbst. Wir vermuten, dass die Schützen mit Schalldämpfer gearbeitet haben und die Nachbarn davon gar nichts mitbekommen hat. Aber sicher ist es erst, wenn wir sie befragt haben.“ Paul sah den Rettungswagen nach, die gerade abfuhren. „Ich muss unsere Vorgesetzte noch informieren. Würden Sie mir den Bericht zukommen lassen?“ bat er den Kollegen der Stadtwache und dieser nickte leicht. „Ich hoffe, die Kleine kommt durch.“ Meinte Brenner und Paul sah ihn an. „Das hoffe ich auch.“ Er stieg in seinen Wagen und fuhr zu Kim Krüger, um sie über den Vorfall zu informieren. Es dauerte eine Weile, bis seine Vorgesetzte die Tür öffnete. Sie war sehr erstaunt, dass Paul Renner vor ihr stand. „Was machen Sie denn hier?“ wollte sie verschlafen wissen. „Ich komme gerade von Semir. Man hat auf ihn und seiner Familie geschossen. Alle sind verletzt.“ Kim glaubte nicht richtig zu hören. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und war sichtlich geschockt. „Oh mein Gott! Kommen Sie rein!“ Sie gab die Tür frei und folgte Paul ins Wohnzimmer. Die Müdigkeit war bei Kim verschwunden. „Was genau ist passiert?“ Paul zog die Schultern hoch. „Ich weiß nicht viel. Semir rief mich an und sagte mir, dass man auf ihn und seiner Familie geschossen hat. Als ich dort eintraf, lagen alle bereits in den Fahrzeugen der Rettung. Bei Dana sieht es sehr kritisch aus, glaub ich. Sie musste reanimiert werden. Ayda hat einen Streifschuss am Arm, Andrea eine Kugel in der Schulter, Semir einen Streifschuss an der Hüfte. Lilly hat eine Verletzung an der Hand, aber der Schock sitzt tief.“ Kim ließ sich auf die Couch fallen. „Sie wurden alle in die Uniklinik gebracht.“ Kim nickte. „Das ist ja grausam! Dann fahren wir jetzt erst einmal zur Klinik!“ legte sie fest und verschwand nur kurz im Schlafzimmer. Wenig später fuhren sie zur Klinik und fragten sich nach Familie Gerkhan durch.

    Paul schreckte auf, als sein Handy klingelte. Es war kurz nach 2 Uhr in der Nacht und er war schon eingeschlafen. Mit müden Augen sah er auf das Handy und erkannte Semirs Nummer. „Semir! Was ist los? Kannst du nicht schlafen?“ Er hörte seinen Kollegen schluchzen. „Was ist passiert?“ „Paul … man … man hat auf uns geschossen. Ayda, Lilly, Andrea und Dana sind verletzt …“ hörte er seinen Kollegen sagen. Paul war hellwach. Er sprang aus dem Bett und zog sich an. „Semir! Ich bin gleich bei dir! Hörst du? Ich komme sofort!!“ schon beendete er das Gespräch und rannte aus seiner Wohnung. Alles in Allem brauchte er keine zehn Minuten, um bei Andrea aufzuschlagen. Als er dort ankam, sah er schon von weitem die Blaulichter mehrerer Rettungswagen und der Kollegen von der Stadtpolizei. Er hielt an und stieg aus. Einer der uniformierten Beamten hielt ihn auf. „Sie können hier nicht rein!“ blaffte er ihn an. Paul hob seinen Ausweis. „Ich bin ein Freund der Familie!“ „Okay, kommen Sie!“ war die Antwort und Paul betrat nur wenig später das Haus. Er schluckte schwer, als er die Verwüstung sah. Die Fensterscheiben im Wohnzimmer waren zersplittert, die Bilder an der Wand zerfetzt. Die Glasscherben knirschen unter seinen Füßen und dann sah er die Blutlache auf dem Teppich im Wohnzimmer. „Oh mein Gott…“ stieß er aus. Er ging zu einem der Kollegen. „Wo ist Herr Gerkhan?“ Der Mann sah ihn an. „Der ist im Rettungswagen!“ gab dieser zurück und Paul rannte zu den Rettungswagen. In dem ersten traf er auf Andrea, die mit Ayda und Lilly. Ayda lag scheinbar schlafend auf der Liege, Andrea trug einen Verband an der Schulter und Lilly hatte ihre rechte Hand verbunden. Sie weinte leise und sah ihn mit panisch wirkenden Augen an. „Andrea, bist du in Ordnung?“ Die Exfrau seines Partners sah ihn mit verweinten Augen an. Sie schüttelte den Kopf. „Ayda wurde getroffen. Lilly ist an der Hand verletzt, Dana ist sehr schwer verletzt und Semir ist auch angeschossen…“ schluchzte sie. „Okay, es wird alles gut…glaub mir, es wird alles gut…“


    Semir setzte sich auf und drückte die Hand vom Arzt, der seine Wunde versorgen wollte weg. „Ich muss zu meiner Tochter!“ erklärte er und wollte aufstehen. „Herr Gerkhan, lassen Sie sich erst einmal versorgen und dann können Sie zu Ihrer Tochter. Bleiben Sie nur einen Augenblick noch liegen.“ bat er ihn eindringlich, doch Semir schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut. Ich muss wissen, was mit meiner Tochter ist!“ wiederholte er und stand auf. Doch kaum stand er, spürte er direkt wieder die Schmerzen und stöhnte auf. Er legte seine Hand auf die Wunde und dann ging er zum Heck des Wagens um diesen zu verlassen, doch das wollte der Arzt nicht zulassen. „Ich kann einen Kollegen zu Ihrer Tochter schicken. Lassen Sie sich die Wunde bitte versorgen.“ Semir sah den Mediziner an. „Hören Sie, ich habe schon öfter eine Schusswunde gehabt. Daran werde ich nicht sterben, aber ich muss zu meiner Tochter!“„Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich versorge die Wunde und dann dürfen Sie zu Ihrer Tochter. Aber erst die Wunde. Sein Sie doch vernünftig.“ Semir sah ihn skeptisch an und nicke dann ergeben.Er legte sich wieder auf die Trage und ließ sich versorgen, doch als der Arzt ihm einen Zugang legen wollte, zog er seine Hand zurück. „Nein!“ fauchte er und sah den Arzt wütend an. „Hey Partner“ kam von der Hecktür und Semir sah kurz auf. „Paul! Hilf mir! Ich muss zu Dana! Sie stirbt!“ Semir fing an zu weinen. „Das wissen Sie doch gar nicht. Die Kollegen tun sicher alles, was in deren Macht ist.“ versuchte der Arzt ihn zu beruhigen. „Das reicht nicht! Sie braucht mich! Ich muss zu ihr! Paul hilf mir!“ wiederholte Semir und sah seinen Partner an. Dieser kam nun in den Wagen. „Du bist auch verletzt?“ „Ja, aber das ist nur eine Fleischwunde. Nichts Großes.“ wiegelte Semir direkt ab.

    Semir kroch zu der Seite, wo sich die Tasten für die Außenjalousien befanden und schaffte es tatsächlich sie zu drücken. Jetzt verfluchte er es, so sorglos gewesen zu sein und seine Familie nicht direkt in eine Schutzwohnung gebracht zu haben. Doch jetzt war es zu spät und jetzt musste er alles machen, damit der Schaden nicht noch größer wurde. Langsam ging der Sichtschutz runter. Viel zu langsam für ihn und er sah sorgenvoll zu seinen kleinen Kindern, die unter dem Fenster kauerten und sich ängstlich umklammerten. Andrea lag nach wie vor auf dem Boden und bewegte sich nicht. Auch von Dana konnte er nichts sehen, doch er wusste, dass sie hier sein musste. Er atmete tief durch und wandte sich wieder an seine Kinder. „Ayda! Lilly! Hört mir jetzt genau zu. Legt euch auf den Boden und kriecht in den Flur. Habt ihr gehört? Bleibt am Boden und kriecht in den Flur!“ befahl er sanft. Doch seine Kinder rührten sich nicht. Lilly weinte und rief nach Andrea. Semir hörte ein leises Stöhnen und sah, das Andrea sich bewegte. Sein Blick ging durch den Raum und jetzt erkannte er einen weiteren Körper, der am Couchtisch lag. Das konnte nur Dana sein und für einen Augenblick war er erleichtert, sie gefunden zu haben. Die kleine Stehlampe in der Ecke spendete nicht viel Licht und so konnte er nicht erkennen, wie schwer sie verletzt war. „Dana!?“ rief er fragend, doch seine große Tochter bewegte sich nicht. Dafür wurde Andrea klarer. „Andrea! Hilf mir! Kümmere dich um die Kleinen!“ schrie er und seine Exfrau, die wieder klar war, kroch, nachdem sie realisiert hatte, was passiert war, zu den Beiden während Semir zu Dana kroch. „Kriecht in den Flur! Aber sorg dafür, dass sie unten bleiben!“ bat er und hatte nun Dana erreicht. „Dana? Hey, Schatz…“ Vorsichtig drehte er seine Tochter auf den Rücken und bemerkte, dass der Bauch von Dana nass war. Die Flüssigkeit war warm und klebrig und er ahnte, was da an seiner Hand war. „DANA! NEIN!! DANA!!“ Seine Tochter regte sich nicht. Sie hatte die Augen fest geschlossen. Wieder ging eine Salve durch das Wohnzimmer und Semir warf sich schützend auf Dana, obwohl sie nicht in Gefahr war. Nach wenigen Augenblicken löste er sich und kroch wieder zum Fenster. Das Feuer konnte er nicht erwidern, denn zum einen wusste er nicht, mit wie vielen Schützen er es zu tun hatte und auch nicht, wo diese saßen. Draußen war es dunkel und das einzige was er machen konnte, war die zweite Jalousie runter zu lassen, damit das Zimmer vollständig sicher war. Er wartete auf eine Gelegenheit und brachte sich dann mit einem gewagten Sprung in die Nähe der Taste für die zweite Jalousie. Doch während er durch die Luft flog, spürte er plötzlich einen harten Schlag an der Hüfte und hörte einen Schuss. Hart fiel er zu Boden doch durch den Adrenalinstoß, der gerade durch seinen Körper floss, schaffte er es, die Taste zu betätigen. Als die Jalousie runter war, kehrte Ruhe ein und die Staubwolke, die durch das zerschossene Mauerwerk entstanden war, legte sich. Semir saß am Boden und schloss erleichtert für einen Augenblick die Augen. Erst jetzt kamen die Schmerzen auf und er griff sich an die Hüfte. Als er die Hand wegzog, war sie voller Blut.


    „Andrea! Seid ihr in Ordnung?“ wollte er nach einer Weile wissen und kroch wieder zu Dana. Die Schüsse waren verstummt. „Dana…. Komm schon mein Schatz… wach auf.“ bat er sie, doch sie regte sich nicht. Er konnte sie nur laienhaft untersuchen, doch jetzt erkannte er, dass sie einen Bauchschuss hatte. „Dana! Nein! Andrea! Ich brauche deine Hilfe! Dana ist schwer verletzt!“ rief er nach hinten. Andrea kam zu ihm. Er zog sein Shirt aus und sah Andrea an. „Drück es ihr auf den Bauch! Sie hat einen Bauchschuss. Ich rufe die Rettung an! Bleib du bitte bei ihr!“ Andrea nickte. Sie hielt sich den linken Arm und Semir erkannte, dass auch sie verletzt war. „Nicht so schlimm!“ lächelte sie ihn mit einem schmerzverzehrtmn Gesicht an. Semir legte das Shirt auf die Wunde und Andrea drückte so gut es ging zu. Er selbst kroch, obwohl der Schütze ihn nicht mehr sehen konnte zum Telefon und setzte den Notruf ab. Anschließend kroch er wieder zu Dana. Seine Hüfte schmerzte bei jeder Bewegung und am liebsten hätte er laut geschrien. „Was ist mit den Kleinen?“ wollte er wissen, als er wieder bei Dana war und das Abdrücken der Wunde übernahm. „Ayda hat einen Streifschuss am Arm. Sie blutet stark. Lilly hat eine Glasscherbe in der Hand.“ gab Andrea von sich. „Was ist mit dir?“ wollte er nun wissen. „Die Schulter. Ich glaub, ich habe mir auch eine Kugel eingefangen.“ Dana schlug die Augen auf und sah ihn an. „Papa…“ stöhnte sie. Sie wollte aufstehen, doch Semir hielt sie am Boden. „Ganz ruhig liegen bleiben, Dana. Der Arzt kommt gleich. Du musst durchhalten, okay?“ Seine Stimme erstickte fast, denn er wusste, wie gefährlich der Bauchschuss sein konnte. „Es tut so weh…“ Dana weinte leise. Semir strich ihr sanft über den Kopf. Er zog sich eines der Kissen von der Couch zu sich und legte es unter Danas Kopf. „Ich weiß, ich weiß Dana. Aber du musst durchhalten! Bitte! Du musst durchhalten!“ gab er von sich und hatte mit Tränen zu kämpfen. Die Sirenen waren zu hören und nur wenig später kümmerte sich der Notarzt um Dana, die es am schwersten erwischt hatte.

    Jenny nutzte die Gunst der Stunde mit Semir zu sprechen, als Thilo sich mit Paul unterhalten wollte. Sie ging zu ihm und stieß ihn kurz an. Dann legte sie die Hände auf dem Rücken. „Na, alles gut?“ wollte sie von ihm wissen. Semir grinste leicht. „Alles bestens. Was hat der Doc eigentlich gesagt? Hast du irgendwelche Verletzungen von dem Unfall?“ hakte er nach. „Außer ein paar blaue Flecken ist alles bestens. Was hat Thilo dir denn so erzählt?“ Semir sah sie an. „Ach da sitzt der Hase im Pfeffer. Du möchtest wissen, ob dein neuer Partner etwas über dich gesagt hat? Ich muss dich enttäuschen. Wir haben nur über ihn gesprochen. Er hat mir seine Lebensgeschichte erzählt und wollte von mir wissen, ob er sich heute richtig verhalten hat.“ Jenny nickte. „Er ist noch frisch aber irgendwas stört mich an ihm. Er hat nicht wirklich Interesse an den Job. Genau wie er heute auf den Wagen geschossen hat, der mich umfahren wollte. Der hat sein ganzes Magazin verballert.“ Semir stutzte. „Er hat geschossen? Bist du sicher?“ Jenny lächelte. „Ich höre noch sehr gut. Er hat aber wohl nicht getroffen. Warum?“ Semir drehte sein Glas in der Hand. „Weil er mir gesagt hat, dass er sich nicht traute, zu schießen und er wollte von mir wissen, was ich getan hätte.“ Jenny lachte auf. „Du hättest die Karre von der Straße gefegt.“ meinte sie glucksend. Doch Semir blieb ernst. „So würde ich das nicht sehen. Aber ich hätte den Kerl sicher nicht entkommen lassen. Ich frage mich nur, warum er lügt.“ Nachdenklich sah er zu Paul und Thilo, die nicht weit von ihnen standen. Auch Jenny wurde wieder ernst und wandte sich den Beiden zu. „Ja, ich sag ja. Er ist sehr sonderbar. Er hätte sich eigentlich das Kennzeichen merken müssen, oder aber die Farbe, das Modell. Irgendwas! Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwas stört mich an ihm.“ Semir nickte leicht. „Pass bitte auf dich auf, Jenny. Du kannst dich vielleicht nicht auf ihn verlassen, wenn es darauf ankommt.“ mahnte er seine junge Kollegin.

    Die Party war sehr schön und als die ersten Gäste gingen, bedankte Semir sich für deren Kommen und für die Geschenke die der eine oder Andere noch mitgebracht hatte. Andrea brachte Ayda und Lilly gegen acht ins Bett und die Party ging noch bis zum elf weiter. Als alle fort waren, ging es ans Aufräumen. Paul und Dana packten die Bänke wieder in den Schuppen und anschließend fuhr auch Paul nach Hause. Wenig später saßen Andrea, Semir und Dana in der Küche und ließen den Abend ausklingen. „Mama, Lilly und ich haben noch Durst!“ ertönte aus dem Hintergrund. Ayda und Lilly standen in der Küchentür und sahen Semir mit großen bettelnden Augen an. „Lilly, Ayda, ihr müsst schlafen! Es ist schon sehr spät!“ mahnte Andrea. „Wir können noch nicht schlafen. Bitte Mama, noch fünf Minuten mit Papa und Dana. Bitte…“ flehte Ayda und auch Lilly fing an zu betteln. Semir ging zu seinen Töchtern und hockte sich hin. „Seid ihr denn gar nicht müde?“ wollte er wissen. Doch bevor die Kinder antworteten konnten, ertönte draußen ein Feuerwerk. Man sah deutlich wie die Leuchtkugel aufflammten. Die Kinder rannten ins Wohnzimmer zum Fenster und versuchen etwas zu erkennen, doch mehr als den farbigen Schein gab es nicht. „Dana, würdest du bitte kurz darauf achten, dass sie keinen Unsinn machen?“ bat Semir seine älteste Tochter und diese nickte. Sie verließ die Küche und ging ins Wohnzimmer, doch keine zwei Minuten später klirrte es plötzlich mehrmals und Semir ließ alles fallen, was er in den Händen hielt. Ihm war klar, was passierte. Man schoss auf das Haus. Die Kinder schrien panisch auf. Semir und Andrea rannten beide sofort los und bevor Semir handeln konnte, rannte Andrea zu Ayda und Lilly, die am Fenster im Wohnzimmer am Boden lagen. Semir wollte sie halten, doch er schaffte es nicht und sah wie Andrea im Wohnzimmer wie von unsichtbarer Hand herumgeschleudert wurde. „ANDREA!!“ schrie er panisch. Immer wieder schlugen Kugeln ein. Die Bilder wurden getroffen und fielen zu Boden. Die Glasscheibe in der Vitrine zerbrach in tausend Stücke und er sah wie einige auf Lilly fielen die direkt unter dem Fenster lag. Panik ergriff ihn. Er warf sich zu Boden und robbte ins Zimmer. „DANA!!! AYDA!!! LILLY!!!“ schrie er verzweifelt.


    So liebe Leser, jetzt wird eine kleine Pause kommen. Ist ja schon wieder Weihnachten. Ich wünsche euch ein ruhiges besinnliches Weihnachtsfest und am 27. geht es dann weiter. :D

    Thilo sah Semir prüfend an. „Weißt du, ich bin noch nicht sehr lange Polizist, aber ich habe schon einiges mitgemacht. Da war ein Überfall, als ich 9 war. Mein Vater war Wachmann in einer Bank und ich wollte ihn einmal zum Dienst begleiten. Er hat es gemacht und es war ja auch ungefährlich. Ich konnte mich in der Bank frei bewegen. Sogar in den Tresorraum hat er mich gelassen.“ Thilo lachte leise auf und er schien für einen Augenblick völlig in der Erinnerung zu versinken. Semir nickte leicht. „Du stehst deinem Vater sehr nahe, oder?“ Thilo senkte den Kopf und seufzte leicht. „Wir standen uns sehr nahe. An diesem Tag, als ich mit ihm in der Bank war, wurde diese überfallen. Mein Vater hat versucht die beiden Räuber unschädlich zu machen und einen von ihnen erschossen. Den Anderen konnte er so überwältigen. Als die Polizei kam, wurde der Mann abgeführt. Mein Vater ging dann noch mal in die Bank, weil ich mich versteckt hatte. Und als er nach mir rief, bin ich raus. Dieser Kerl, den er glaubte erschossen zu haben, bewegte sich. Ich habe gesehen, wie er auf meinen Vater anlegte und wollte ihn warnen, doch da war es zu spät. Ich habe gesehen, wie mein Vater erschossen wurde. Hast du schon mal einen Menschen erschossen?“ Semir nickte. Sein Gesicht war ernst. „Ja, das ist manchmal leider nicht zu verhindern.“ Thilo atmete tief durch. „Und tat es dir auch leid? Ich meine, wenn du jemanden erschossen hast, hast du dich dann gefragt, was mit der Familie passierte? Mit Kindern oder so? Oder wenn du einen Kollegen durch einen Verbrecher verlierst und weißt, dass dort Kinder waren?“ Semir Gerkhan setzte sich gerade hin. „Thilo, ich bin Polizist aus Überzeugung. Natürlich tut es mir leid, wenn ich höre, dass Frau und Kinder zurückbleiben, aber meine Aufgabe ist es, Verbrechern ihre Strafe zuzuführen. Das galt vermutlich auch für deinen Vater und es tut mir wirklich leid, dass du eine solche Erfahrung machen musstest. Was ist mit deiner Mutter?“ Thilo senkte den Kopf.

    Semir war ein wenig entsetzt, was er von Thilo hören musste. So ein Erlebnis, wie er es eben schilderte, rief eine Gänsehaut hervor. „Sie ist bei meiner Geburt gestorben und meine Großeltern sind schon länger tot. Es gab keine Verwandten und so musste ich in ein Heim. Dort blieb ich dann bis ich 18 war und habe seit diesem Tag gewusst, dass ich Polizist werde. Ich wollte solche Menschen, die glauben mit Verbrechen sich bereichern zu können, hinter Gitter sehen.“ Semir lächelte sanft. „Das ist ein sehr trauriger Grund, aber ich denke nein, ich weiß, dass du ein guter Polizist sein kannst. Das du für deinen Partner einstehst, hast du heute schon bewiesen.“ Thilo lächelte nervös. „Weißt du, dass du der erste bist, mit dem ich darüber spreche? Ich fühle mich befreit und… heute, als dass mit Jenny passierte, da waren diese Erinnerungen, die ich verdrängen wollte, die ich nie wiederhaben wollte, wieder da. Ich hatte Angst um meine Partnerin. Hast du schon mal einen Partner verloren?“ Nun seufzte Semir leise auf. „Ja und nicht nur einen. Ich habe mittlerweile drei Partner verloren. Zwei wurden erschossen und einer davon starb in meinen Armen. Ein weiterer Partner starb in einem Einsatz, weil er abstürzte. Das Schlimme daran ist, dass es alles gute Freunde waren.“ Thilo lächelte leicht. „Danke, dass du mir zugehört hast.“ Semir kniepte ein Auge zu. „Es war mir eine Ehre, dass du mir das erzählt hast. Wenn du mal wieder Bedarf hast, mir etwas zu erzählen, dann komm zu mir.“ Thilo versprach es und ging wieder zu Jenny, die gerade von der Tanzfläche kam.

    Semir sah seinen jungen Kollegen an. „Wie meinst du das?“ Thilo nahm einen Schluck aus der Bierflasche. „Nun ja, ich meine, es waren doch sicher auch Menschen dabei, die Familie hatten. Hattest du je Mitleid mit denen? Mit den Kindern, die zurückbleiben mussten, meine ich.“ Semir atmete tief durch. „Ich muss ganz ehrlich sagen, ja, das hatte ich schon manchmal. Aber ich bin nicht für die Verbrechen der Menschen verantwortlich und muss meinen Job machen. Mir ist klar, dass es für Angehörige sicher nicht einfach ist, wenn sie es mitmachen. Besonders nicht für die Kinder. Aber ich übe nur meinen Beruf aus und muss persönliche Meinungen und Gefühle in den Hintergrund stellen. Ich habe es schon sehr oft gehabt, dass Frau und Kinder von Verhafteten weinten und mich anflehten es nicht zu tun, aber das geht leider nicht.“ Thilo nickte. „Weißt du, ich hatte mal einen Einsatz, wo ich einen 16jährigen festnehmen musste. Er hatte eine alte Oma übelst zusammengeschlagen und beraubt. Er hat sich gegen die Verhaftung gewehrt und ich hätte ihn am liebsten die gleiche Behandlung zukommen lassen, wie er es der Oma angetan hat. Ich habe es natürlich nicht getan und seine Mutter hat mir dann erzählt, dass er von seinem Vater verlassen wurde und…“ Semir hörte dem jungen Kollegen zu und als er endete legte er den Arm auf die Schulter von Thilo. „Thilo, du musst eines lernen. Halte deine persönlichen Gefühle aus deinem Dienst möglichst raus! Ich weiß, dass es nicht einfach ist, aber du musst es lernen. Das ist sehr wichtig. Vor allem für dich!“ erklärte er sachlich.


    Jenny sah, dass Thilo sich sehr angeregt mit Semir unterhielt und wollte nicht stören. Sie zuckte zusammen als sie jemand an der Schulter berührte. „Alles klar?“ wollte Paul, der nun neben ihr stand, wissen. „Ja danke. Es geht mir gut.“ Paul wies auf Thilo. „Dein neuer Partner scheint schon mal die richtige Richtung einzuschlagen. Er hat dir das Leben gerettet.“ Jenny lächelte und senkte den Kopf. „Ja. Paul, ich weiß noch nicht mal was das sollte. Ich habe doch keine Feinde, die meinen Tod wollen. Aber wenn Thilo nicht gewesen wäre, dann wäre ich jetzt nicht hier. Aber irgendwas ist mit ihm. Ich meine, er will alles über mich wissen, aber über sich selbst will er nicht sprechen.“ Paul lachte leise. „Ihr seid doch erst kurz zusammen, also als Partner. Vielleicht braucht er einfach mehr Zeit. Irgendwann wird er dir sicher erzählen, warum er so ist, wie er ist. Las sie ihm doch einfach.“ schlug er vor. Jenny sah ihn an und lächelte. „Du hast Recht. Aber er scheint in Semir Vertrauen zu fassen.“ Paul zog die Schultern hoch. „Nun ja, Semir ist sehr erfahren und vielleicht braucht unser neuer Kollege ein wenig Unterstützung von ihm. Semir weiß vieles und er ist im Gegensatz zu dir ein Mann.“ Jenny sah ihn ernst an. „Was soll das denn jetzt heißen? Das man mir nichts anvertrauen kann? Dass ich alles weitergebe?“ hakte sie sofort nach. Paul hob abwehrend die Hände. „Nein! Das wollte ich nicht sagen. Aber vielleicht hat Thilo ein Thema, wo du ihm halt nicht helfen kannst. Ich meine, es gibt immer so Dinger zwischen Männer, wenn du weißt was ich meine.“ Jenny lachte auf „Ja schon klar. Ich habe es verstanden. Wollen wir ein wenig tanzen?“ fragte sie und zog Paul auf die kleine Tanzfläche, die er und Semir aufgebaut hatten.

    Also dieser Thilo....was soll ich nur von dem halten. Für mich ist der als Polizist völlig ungeeignet. Erst kann er sich nicht mal die Farbe (geschweige denn das Kennzeichen, bzw. Autotyp) von dem Fluchtfahrzeug merken, nein, jetzt vergisst er auch noch , dass er auf die Karre gefeuert hat.

    Gut aufgepasst Silli, die Erklärung kommt noch :D Bist echt schon fast ein Bulle oder eine Bullin?

    Die nächsten Tage vergingen, ohne dass weitere Nachrichten des Unbekannten eingingen oder aber sonderbare Begegnungen passierten. Semir wurde lockerer und hielt diese Angelegenheit für ausgestanden. Die Ermittlungen des Vorfalls mit Jenny brachten gar nichts. Heute sollte seine Geburtstagsparty im Garten stattfinden. Alle Kollegen waren eingeladen und man freute sich darauf. Die Sonne strahlte von einem blauen, wolkenlosen Himmel. Gegen vier war diesmal Dienstschluss und Semir fuhr mit Dana zeitig zu Andrea, um alles vorzubereiten. Um sieben sollten die Kollegen und Freunde kommen. Semir war natürlich für den Grill zuständig, auch wenn er den Lehrgang noch nicht gemacht hatte. „So, Dana du wirst bitte ein wenig auf die Kleinen achten! Nicht das sie mir zu nahe an den Grill gehen.“ Dana verdrehte die Augen leicht, doch Semir wusste genau, dass sie auf Ayda und Lilly achtete. Um sechs kam Paul bereits zu ihnen und half noch ein wenig die Tische und Bänke aufzustellen. Die engsten Kollegen trafen nach und nach ein und Jenny brachte Thilo mit. Semir begrüßte sie und sie sah ihn an. „Ich hoffe, es ist dir Recht, das Thilo auch dabei ist. Ich meine, er ist ein Teil von uns.“ Semir nickte. „Klar ist das in Ordnung. Er gehört doch zu uns. Herzlich willkommen. Ja, also die Würste brauchen noch ein wenig, aber ihr könnt euch ja schon was zum Trinken nehmen.“ bot er an. Jenny und Thilo gingen zu Andrea und begrüßte sie und die Kinder. Paul trat zu Semir. „Ein hübsches Paar oder?“ Semir sah ihn an. „Der ist doch viel zu jung für Jenny. Ich glaub, sie hat ihn nur mitgebracht, weil er ihr das Leben gerettet hat. Mein Bruder hat leider abgesagt. Er ist krank.“ mutmaßte er und grinste leicht. „Na, ich denke, da steckt doch eine große Menge Potential drin und Jenny wird ihm sicher das eine oder Andere beibringen. Schade, dass dein Bruder nicht kommt.“ Semir nickte nur.


    Der Abend schritt voran und alle aßen von der Wurst, den Salaten und anderen Köstlichkeiten, die Andrea und Semir aufgefahren hatten. Natürlich durfte auch das Baklava nicht fehlen. Als alle versorgt waren, kam Thilo, der Jenny begleitete, zu Semir und sah ihn an. „Herr Gerkhan, darf ich Sie mal etwas fragen?“ Semir sah ihn prüfend an und nickte. „Klar! Aber eines vorweg. Ich bin Semir, nicht Herr Gerkhan, okay?“ Thilo lächelte und wurde leicht rot. „Okay, Herr…. Ähm Semir… Ich würde gern etwas von Ihnen wissen. Ich meine, Sie sind der erfahrenste Polizist auf der Station und…“ Thilo druckste herum und Semir bemerkte dies natürlich. „Na komm, setzen wir uns!“ forderte er den jungen Kollegen auf und gemeinsam gingen sie zu der Bank. „Also, was bedrückt dich?“ Thilo knetete nervös die Finger und schien in Gedanken. „Wissen Sie…also… heute auf der Autobahn. Denken Sie, dass ich falsch gehandelt habe? Ich meine, hätte ich schießen sollen? Oder den Wagen verfolgen sollen? Was wäre richtig gewesen?“ Semir lächelte und nickte. „Ich kann sehr gut verstehen, dass du dir Vorwürfe machst, aber was hättest du denn tun sollen? Wenn du Jenny nicht zur Seite gestoßen hättest, wäre sie überfahren worden. Und bitte nicht Sie, ich bin Semir und du.“ Thilo lächelte leicht. „Weißt du Semir, ich habe Angst meine Waffe zu benutzen. Ich denke, ich hätte auf den Wagen schießen müssen, aber ich habe es nicht getan. Ich habe den Wagen einfach entkommen lassen. War das nicht falsch?“ Semir zog die Schultern hoch. „Was heißt falsch? Nein, das würde ich nicht so sagen. Du hast vermutlich unbewusst abgewogen, ob es notwendig ist auf den Wagen zu schießen, wenn die Gefahr bereits gebannt ist. Der Wagen war ja schon von Jenny weg. Dumm natürlich, dass du dir weder Kennzeichen noch Typ gemerkt hast, aber das wirst du noch lernen.“ Thilo lächelte und sah zu Boden. „Danke… Es tut gut mit jemanden zu sprechen, der einen nicht direkt ablehnt. Du hast sicher schon einige böse Finger hinter Gitter gebracht, oder? Hast du das irgendwann bereut?“

    Paul kam nach knappen zwei Stunden zurück ins Büro und sah Semir nach wie vor am Schreibtisch sitzen. Er ging zu Susanne. „Und?“ wollte er wissen und wies auf seinen Partner. „Er starrt, seit du weg bist, auf den Monitor. Ich habe versucht ihn abzulenken, aber irgendwie ist kein rankommen an ihn.“ Paul nickte und ging zu Semir. „Hey Partner. Alles okay? Was machst du da?“ Semir sah nicht auf. „Ich versuche den Unterschied zu finden. Auch wenn ich weiß, dass es vermutlich keinen gibt. Aber es ist wie verhext. Ich finde gar nichts.“ Paul nickte und stellte Semir eine Tasse mit Kaffee hin. „Wie du schon sagtest, Ayda beschreibt dir Ben, wie sie ihn kennt. Trink!“ befahl er freundlich. Semir rieb sich die Augen. „Mach mal eine Pause. Wir werden schon herausfinden, was das alles soll. Wir könnten ja diese Bedienung noch mal befragen. Immerhin war sie sich nicht mehr sicher, als du ihr ein Bild von Ben vorgelegt hast. Und somit muss es einen Unterschied geben.“ schlug Paul nun vor. Semir setzte sich gerade hin. „Die Bedienung wollte sich doch nur wichtigmachen.“ Paul nickte. „Das ist gut möglich, aber ich habe noch eine andere Idee. Wie wäre es, wenn wir zu Hartmut fahren und den mal gucken lassen? Der hat doch sicher irgendein Programm, was uns dabei helfen kann.“ schlug er vor. Semir sah ihn an. „Das wäre eine Chance. Ich hoffe, er hat wirklich so ein Programm. Okay, fahren wir!“ Sofort stand Semir auf und Paul griff sich den Laptop. Sie brauchten gute 10 Minuten bis sie in der KTU waren. „Mensch, ihr habt aber sehr oft Sehnsucht nach mir. Was ist diesmal?“Paul erklärte das Anliegen und Hartmut sah ihn erstaunt an. „Also, von so einem Programm habe ich noch nicht gehört. Aber natürlich kann ich mir die Bilder einmal anschauen. Obwohl, der PC vergleicht ja die Bilder.“ stellte er richtig. Semir sah ihn an. „Der PC vergleicht die Bilder, ob sich eine solche Person in unserem PC befindet. Bei dem Bild hat er Ben gezeigt, aber der ist nicht hier!“


    Hartmut sah Semir lächelnd an und blieb ruhig, obwohl der Hauptkommissar laut wurde. „Semir, ich weiß, dass du gerade in einer ziemlich blöden Situation steckst, aber ich kann mir die Bilder auch mit einer Lupe ansehen, wenn du es wünscht. Es wird nicht anders sein, als wenn der PC es macht. Ayda hat doch sicher die Beschreibungen so abgegeben, wie sie Ben kennt und nicht wie sie den Mann gesehen hat. Das heißt im Klartext, dass du keine Unterschiede sehen wirst.“ Bevor Semir etwas sagen konnte, klingelte sein Handy und er zuckte zusammen. Sein Blick ging zu Paul und dieser sah ihn an. „Gib mir dein Handy!“ forderte er und Semir tat es. „Du hast eine SMS von Jenny.“ erklärte er und nahm Semir wieder sein Handy. Er las die Nachricht und stieß ein „Oh verdammt! Jenny wurde heute fast überfahren.“ Paul drehte sich zu ihm um. „Bitte was? Haben wir eine Beschreibung? Kennzeichen oder sonst was?“ Semir sah ihn an. „Nein. Thilo hat sie in letzter Sekunde zur Seite gestoßen. Allerdings konnte er sich weder das Kennzeichen noch die Automarke oder Farbe nennen. Abgesehen davon hat er auch nicht gesehen, ob eine Frau oder ein Mann am Steuer saß.“ Paul nickte nachdenklich. „Und du meinst, das hat mit dir zu tun?“ Semir setzte sich gerade hin. „Wie kommst du denn darauf? Nein, das denke ich nicht. Es war sicher nur ein Zufall.“ Es hörte sich allerdings nicht sehr überzeugend an. „Und wenn nicht?“ Semir schluckte sichtlich. „Du denkst, der Typ will jetzt meine Freunde angreifen, um mich in die Knie zu zwingen?“ Paul zog die Schultern hoch. „Wäre das so abwegig?“ Semir zog scharf Luft ein. „Ich hoffe du irrst dich. Du weißt doch genau, was das heißt. Nicht nur meine Familie wäre in Gefahr, sondern auch meine Freunde.“ Paul nickte. „Das hat man doch mit dem Vorfall von Ayda bemerkt. Semir, wir müssen herausfinden, wer dich da auf dem Kicker hat. Machen wir weiter!“ Semir rieb sich die Augen. Paul hatte Recht. Sie mussten die Akten durchgehen. Irgendwo in diesen Akten, steckte die Antwort auf die Frage, wer dahintersteckte. Sie hatten die PAST erreicht und gingen ins Büro und waren sichtlich erleichtert, das Jenny und Thilo im Büro waren. „Seid ihr wirklich in Ordnung? Jenny, hast du dich untersuchen lassen?“ „Mir geht es gut. Dank Thilo…“ lächelte Jenny. Semir und Paul gingen in ihr Büro, doch kaum saßen sie, klingelte Semirs Handy erneut. Paul sah ihn an. „Eine SMS?“ Semir nickte. „Was steht drin?“ hakte Paul weiter nach. „Hi Semir, weißt du schon, wer mit meinem Gesicht durch Köln läuft? Gruß Ben.“ las er laut vor und war sichtlich erleichtert, dass es keine SMS von Tom Kranich war.

    Dean sah auf das Häuschen, wo die Frau des Polizisten wohnte. Er kletterte über den kleinen Zaun und sah sich zunächst im Garten um.Die Wohnung der Familie lag im Erdgeschoss und hatte Zugang zu dem Garten. Hier standen überall Sträucher und kleinere Bäume, die es ihm leicht machen würden sich hier zu verstecken und zuzuschlagen. Hier würde er sich auf die Lauer legen und dann warten, bis es eine günstige Gelegenheit gab, dem Bullen den Hinweis zu geben, dass es ernst war. Er öffnete mit Leichtigkeit die Terrassentür und betrat die Wohnung. Sie war sehr sauber und ging über zwei Etagen. Unten befanden sich Wohnzimmer, Küche und ein Bad. Er ging die Treppe hoch. Hier waren drei weitere Zimmer. Er betrat das erste. Der Einrichtung nach lebte eines der Kinder. Er mutmaßte, dass es sich um ein Mädchen handelte, da hier viele Mädchenspielsachen herumstanden. Das nächste Zimmer schien ebenfalls eines der Kinder zu beherbergen. Hier schien das Mädchen älter zu sein, denn ein Laptop stand auf dem Schreibtisch und diverse Schulbücher standen im Regal. Bevor er das dritte und letzte Zimmer einsehen konnte, hörte er ein Lachen, welches ihn zusammenzucken ließ. Sofort ging er zur Treppe und sah, dass die Familie zurückkam. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt zu verschwinden, dachte er sich, als die Frau und die Mädchen in die Küche verschwanden. Sofort rannte er auf leisen Sohlen ins Wohnzimmer und verließ die Wohnung auf dem gleichen Weg wie er sie betreten hatte. Vor der Tür, sah er nun einen Streifenwagen. Als er auf der Straße war, griff er zum Handy. „Ja, ich bin es. Also ich habe mir das Haus betrachtet, wo die Familie wohnt. Alles sehr einfach. Aber es wird bewacht. Wir können nur von hinten ran. Vom Garten aus, kannst du das Wohnzimmer überblicken. Große Fensterfront.“ erklärte er Bastian. „Alles klar. Ich habe die Waffe bereits hier.“ „Das ist gut, aber der Boss will noch einen Job erledigen. Hör mir genau zu, das hängt nämlich auch mit dem Bullen zusammen! Mach es sofort! A 3 Kilometer 26,7!“ Er erklärte Bastian genau, was seine Aufgabe war.


    Jenny und Thilo waren gerade dabei, das Radargerät einzupacken, als ein Fahrzeug auf sie zugeschossen kam. „JENNY!!!“ schrie er und stieß seien Kollegin gerade noch zur Seite, bevor sie erfasst werden konnte. Er zog seine Waffe und schoss auf den vorbeirasenden Wagen. Doch dieser raste an der Ausfahrt direkt wieder auf die Autobahn. Er ging zu Jenny und zog sie hoch. „Bist du verletzt?“ wollte er besorgt von ihr wissen. „Nein, ich glaube nicht. Was zum Teufel war das denn?“ Sie stand auf und klopfte sich den Dreck von der Hose. „Keine Ahnung. Der ist einfach hier rauf und hat dich umfahren wollen. Ich habe das Kennzeichen nicht sehen können, aber das war ganz schön knapp und ich hatte wirklich das Gefühl, dass der Fahrer mit voller Absicht auf dich zugefahren.“ Thilo sah seine Kollegin besorgt an. „Ich hoffe du hast dich nicht verletzt, als ich dich weggestoßen habe. Das wollte ich nämlich nicht.“ Jenny sah ihn an und kam auf die Beine. „Das werde ich schon überleben Hey, du hast mir das Leben gerettet! Da machen ein paar blaue Flecke doch nichts aus. Danke Thilo…“ lächelte sie. „Wir sollten hier abbrechen und dann musst du dich auf jeden Fall untersuchen lassen, nicht das irgendwo versteckte Verletzungen sind.“ mahnte er sie und half ihr, die Geräte im Wagen zu verstauen. Jenny humpelte nur etwas, da sie sich am Knie verletzt hatte, doch sie war froh, dass Thilo sie zur Seite gestoßen hatte. „Hast du dir das Nummernschild gemerkt? Oder gesehen, wer am Steuer saß?“ wollte sie wissen. Thilo schüttelte den Kopf. Nur wenig später fuhren sie zur PAST zurück und statteten Bericht ab.

    Etwas frustriert fuhr Paul mit Semir wieder zur PAST. „Ich habe es dir doch gesagt. Die Fahrt hätten wir uns sparen können.“ Paul sah ihn kurz an und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. „Ich hatte echt mehr erhofft. Da muss doch ein Unterschied gewesen sein.“ Semir nickte leicht. „Es gibt nur einen Ben Jäger und der Kerl, der mit Ayda unterwegs war, war es nicht!“ meinte er nur. „Du hattest Recht. Sie hat Ben beschrieben, wie sie ihn kannte. Das hast du mir doch auch prophezeit. Ich glaube nicht, dass sie den Mann wirklich so beschrieben hat, wie er war. “ mutmaßte Paul. Semir sah ihn an. „Das kann schon sein. Nur wo sollen wir anfangen? Ich meine, wir haben nichts! Ben sagt, er war es nicht, Ayda sagt er war es. Ich vertraue meiner Tochter, aber ich vertraue auch meinem Freund.“ stöhnte Semir. Sie hatten den Parkplatz erreicht und stiegen aus. Nur wenig später waren sie in ihrem Büro und Semir ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Zeig mir das Bild noch mal.“ bat er Paul, der mit dem Laptop zu ihn kam. Er sah sich das Bild, welches nach Angaben seiner Tochter entstanden war, noch einmal an. „Das ist eindeutig Ben.“ Paul nickte. „Klar, deine Tochter kennt Ben und für sie ist sicher kein Unterschied zu erkennen. Was ist mit Tom, also den, den du gesehen hast. War irgendwas anders?“ Semir dachte kurz nach. „Nein, mir würden jetzt nichts einfallen. Aber es war auch dunkel und das Licht auf dem Friedhof war nicht besonders gut. Ich glaube, er war etwas dicker, aber das wäre auch normal. Ich meine, es ist ja schon Jahre her.“ Paul nickte nachdenklich. „Was ist mit der Schriftprobe?“ Nun hob Semir wieder den Kopf und sah ihn an. „Schriftprobe?“ hakte er fragend nach. „Du hast doch gesagt, er hat seinen Namen und das Geburtsdatum aufgeschrieben. Hast du den Zettel noch?“ Sofort sprang Semir auf und durchsuchte seine Taschen. Leider ergebnislos und so schüttelte er den Kopf. „Klar, der Kerl wird den Zettel eingesteckt haben, damit wir ihn nicht anhand seiner Handschrift identifizieren können. Der Kerl ist ein Perfektionist, aber er scheint nur über dich und Tom wirklich Bescheid zu wissen. Bei Ben Jäger macht er Fehler.“ dachte Paul laut nach.


    „Paul, der Kerl will doch was von mir! Ich zermartere mir die ganze Zeit den Kopf, was es sein kann und mir fällt nichts ein!“ stieß Semir aus. Er stützte seinen Kopf mit seinen Händen auf dem Schreibtisch ab, während Paul auf seiner Tastatur herumtippte. Semir sah ihn erstaunt an. „Was machst du denn da? Könntest du mich in deinen Gedankengängen involvieren?“ Paul grinste leicht. „Nun, ich habe das Bild jetzt mal eingescannt und lass es mit der Datenbank vergleichen. Vielleicht haben wir ein Match.“ Semir stieß einen undefinierbaren Laut aus. „Gute Idee, wirklich gut. Und was sagt der Kollege Computer?“ Paul sah zum Monitor. „Noch läuft er.“ Ein Piepton ertönte und enttäuscht sah Paul Semir an. „Ben Jäger.“ gab er von sich.Semir stand auf und sah sich die Meldung des PCs an. „Du hast Recht, der Kerl ist ein Perfektionist. Er achtet vermutlich auf jede Kleinigkeit, dennoch bin ich mir sicher, dass es einen Unterschied gibt. Wir müssen ihn nur finden!“ Paul sah auf die Uhr. „Verdammt! Semir, ich muss noch mal weg. Ich habe einen Termin beim Doc. Aber ich bin gleich zurück und du wirst hier warten, haben wir uns verstanden? Du wirst nirgendwo hinfahren und dich mit irgendeinem toten Partner treffen! Und damit du dich daranhältst, werde ich Susanne damit beauftragen, dich zu bewachen.“ warnte er seinen Partner, der sah ihn kurz an. „Ich werde mich nicht von der Stelle bewegen. Auch ohne Aufpasser. Ich werde das Bild noch einmal vergleichen. Es muss einen Unterschied geben. Egal wie klein der ist.“Paul sah ihn ernst an. „Okay, ich vertraue dir. Bis gleich!“ Paul verschwand und Semir zog sich den Laptop heran und besah sich das Bild genau.

    Semir spielte mit seinen Fingern. „Wir wissen es ehrlich gesagt nicht. Aber als Tom mir gestern schrieb, dass er sich mit mir treffen wollte, bin ich hin und ich schwöre dir, ich habe Tom vor mir gesehen! Er war es!“ Andrea strich ihm sanft über die Wange. „Semir, Tom ist doch tot. Er kann nicht die Person gewesen sein, die du gesehen hast. Was redest du denn da?“ Sie sah Paul fragend an, doch der zuckte mit den Schultern. „Ich habe es auch versucht ihm zu erklären, aber er ist ziemlich stur.“ Sofort warf Semir ihm einen wütenden Blick zu. „Ich weiß auch, dass er es nicht gewesen sein kann, aber er sah so aus. Und er sprach mit der Stimme. Als ich ihm einen Zettel und Stift gab, schrieb er mit links, genau wie Tom. Alles stimmte! Und plötzlich wurde ich von hinten niedergeschlagen. Der Mann hat mir gedroht und als heute Ayda…“ Andrea strich ihn sanft über die Schulter. Sie sah, dass Semir innerlich aufgewühlt war. „Beruhige dich erst einmal. Ayda ist nichts passiert und sie wird es sicher nicht noch einmal tun.“ versprach sie. „Andrea, dieser Tom… dieser falsche Tom. Er weiß alles über mich und Tom. Er weiß, dass wir im Gefängnis waren, dass wir zusammen im Urlaub waren. Er weiß alles! Und ich habe Angst um euch. Ich will nicht, dass jemanden von euch etwas passiert. Paul hat deshalb eine Streife abgestellt, die Tag und Nacht vor dem Haus Wache hält. Wenn ihr zur Arbeit und zur Schule geht, dann werdet ihr von denen gefahren und ihr werdet auch abgeholt. Bitte, versteh mich. Ich will euch beschützen.“ Andrea nickte nachdenklich. „Das werden wir schon gemeinsam hinbekommen.“ versprach sie.


    „Weißt du denn, was der Unbekannte von dir will? Sollst du was für ihn tun?“ Semir schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Gestern habe ich alles für einen Scherz gehalten. Aber so langsam wird es unheimlich. Ben findet das auch nicht lustig, dass jemand mit seinem Gesicht herumläuft und Kinder entführt. Und so wie ich ihn kenne, wird er sich in das nächste Flugzeug packen und herkommen. Der Kerl, der hat mir nur gesagt, dass ich in kürze erfahren würde, was es heißt, ihn als Gegner zu haben. Holst du mir bitte jetzt Ayda?“ Andrea nickte und verschwand. „Papa, was ist denn?“ wollte das Mädchen wissen. „Ayda, du musst uns jetzt mal helfen. Ich habe dir doch gesagt, das Ben nicht mit dir Eis essen gegangen sein kann.“ Ayda nickte. „Ja, weil Ben in Amerika ist.“ Semir lächelte leicht und strich seiner Tochter über den Kopf. „Genau. Wir müssen aber wissen, wer der Mann ist und deshalb hat Paul hier den Laptop. Da ist ein ganz tolles Programm drauf, mit dem man Gesichter basteln kann und du musst uns helfen.“ Ayda sah kurz zu Paul und nickte dann. „Okay… aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Ich meine, ich habe Ben gesehen und wie er aussieht, weißt du doch.“ Semir sah zu Andrea und nickte dann. „Ja, ich weiß wie er aussieht. Aber es war nicht Ben und deshalb muss etwas anders an ihm gewesen sein. Versuch es bitte. Wir kommen ohne deine Hilfe nicht weiter, mein Schatz.“ Ayda ging zu Paul, der den Laptop startete und sie anlächelte. „Ayda, ich bin sicher, dass du es schaffst. Du bist doch schon ein großes Mädchen. Schau mal, du hast den Mann gesehen, der wie Ben ausgesehen hat. Aber, wie der Papa eben sagte, war das nicht Ben. Bist du bereit?“ Ayda nickte. „Was soll ich denn machen?“ fragte sie wissbegierig und mit Paul Hilfe gingen sie das Programm durch. Nach einer guten Stunde war das Bild fertig. „So sah der Mann aus?“ fragte Semir erstaunt, als er das Bild ansah. „Das ist wirklich Ben.“ wandte er sich an Paul. Auch Andrea sah sich das Bild an. „Also das ist wirklich erstaunlich. Das heißt, dass der Kerl eine perfekte Maske getragen hat.“ stieß sie aus. „Genau. Ayda, denk bitte noch einmal nach. Ist das auf dem Bild wirklich der Mann mit dem du Eis essen warst?“ Ayda sah hin. „Ja…“ gab sie fest entschlossen von sich. „Denk nach! War es der Mann? War er es wirklich?“ wiederholte Semir seine Frage. Doch auch jetzt bestätigte Ayda das Bild.

    Semir sah seinen Partner an. „Paul, Ayda ist gerade zehn. Meinst du sie kann Unterschiede erkennen? Sie ist sich sicher, dass Ben vor ihr stand und sie wird dir Ben bis ins Detail beschreiben.“ Paul erwiderte seinen Blick mit ernster Miene. „Denkst du wirklich, dass deine Tochter sich so täuschen lässt? Ich glaube du unterschätzt Ayda gewaltig. Ein Versuch ist es wert. Außerdem hast du doch selbst gesagt, er kann es nicht gewesen sein. Also muss es ein Unterschied geben.“ Dieser Äußerung konnte Semir nichts entgegensetzen und stand auf. „Gut, versuchen wir es. Ich halte es aber völlig sinnlos.“ Nur wenig später fuhren sie erneut zu Andrea. Diese sah sie erstaunt an, als sie die Tür öffnete. „Was macht ihr denn schon wieder hier?“ Semir sah sie an. „Ist Ayda in ihrem Zimmer?“ wollte er wissen. Andrea nickte. „Dann hol sie bitte. Wir müssen nach ihren Angaben ein Phantombild von diesem Ben erstellen.“ bat er sie. Andrea sah ihn forsch an. „Erst sagst du mir, was los ist!“ forderte sie ihn auf. „Andrea bitte, wir können später über alles reden, jetzt brauche ich Ayda. Es ist sehr wichtig.“ „Nein! Semir, du wirst mir jetzt erzählen, was los ist! Ist Ayda in Gefahr?“ Andrea ließ nicht locker und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie bewegte sich nicht ein Stück. Semir sah zu Paul und dieser nickte. „Also gut. Können wir uns in die Küche setzen?“ bat er seine Exfrau. Andrea nickte und ging mit den beiden Polizisten in die Küche. „Also, ich höre!“ „Ich bekomme seit gestern Nachrichten von Tom.“ Andrea stutzte. „Von Tom? Welcher Tom?“ Semir atmete tief durch. „Tom Kranich.“ Seine Exfrau schüttelte den Kopf. „Der ist doch tot! Was hat das mit Ayda zu tun?“


    Dean zuckte zusammen als eine Mail einging. Er war gerade so im Spiel vertieft, dass er gar nicht damit gerechnet hatte. „Wie ist es bisher gelaufen?“ las er und wusste sofort wer der Absender war. „Wir haben ihm eine erste Lektion erteilt. Auf dem Friedhof wurde er mit Tom Kranich konfrontiert und wir haben seine Tochter in die Irre geführt. Bastian ist als Ben Jäger mit ihr essen gegangen. Danach war er in heller Aufruhr.“ schrieb er zurück. „Sehr gut. Am Wochenende wird es den nächsten Denkzettel geben. Er feiert seinen Geburtstag und all seine Freunde werden dort sein. Es wird ernst, aber er darf nicht sterben! Noch nicht!“ kam als Antwort zurück. „Verstanden. Was sollen wir tun?“ schrieb Dean zurück. „Ihr werdet euer Können als Schützen beweisen! Ich will, dass seine Familie stirbt! Sein Bruder, seine Freunde! Seine Kinder! Seine Frau! Alle!“ schrieb der unbekannte Boss. „Verstanden, wir werden es tun und ich werde berichten!“ versprach er schriftlich und beendete das virtuelle Gespräch. Er griff zum Handy und schrieb Bastian via Chat an. „Es wird ernst. Der Boss will, dass wir die Familie umlegen. Aber nur die Familie, er soll überleben!“ Er sah, dass Bastian eine Antwort schrieb. „Wirklich alle? Was ist mit dem kleinen Mädchen? Sie war richtig süß und die zweite ist auch ein heißer Feger. Ich würde mir die Beiden gern…“ „NEIN!“ schrieb Dean zurück und in diesen Worten, die er alle groß schrieb, war die Wut deutlich zu lesen. „Du wirst keines der Mädchen anfassen! Wir werden das tun, was der Boss sagt! Und mehr nicht! Hast du mich verstanden?“ Bastian schien etwas beleidigt, denn jetzt schrieb er nur kurz und knapp. „Ja, habe ich. Ich werde die Waffe besorgen.“ Dean beendete den Chat und zum ersten Mal verfluchte er, dass er Bastian mit den Aufgaben betraut hatte.

    „Frank Reich? Ja, ich erinnere mich. Der wurde damals von mir und Tom verhaftet. Reich hatte ein kleines Mädchen entführt, missbraucht und anschließend getötet. Juliette Staben war im Alter von Ayda heute. Sie kam auch von der Schule und wurde auf dem Weg nach Hause von Reich ins Auto gelockt. Danach verlor sich die Spur. Die Schultasche und die Kleidung des Mädchens wurden auf einem Rastplatz an der A1 abgelegt. Nur drei Tage nach der Entführung fand man die Leiche. Weggeworfen wie ein Stück Dreck in einer Mülltonne. Man konnte zum Glück DNA Spuren sichern, die dem Reich, der bereits wegen zweifacher Vergewaltigung vorbestraft war, zugeordnet werden konnten.“ erinnerte Semir sich auch an diesem Fall. „Auf dem Nachhauseweg? Genau wie bei Ayda heute!“ Paul sah seinen Partner an. Semir stöhnte leise auf. „Ja, aber Reich wurde im Gefängnis von den Mithäftlingen zu Tode geprügelt. Weißt du, im Gefängnis bist du auch nicht sicher. Schon gar nicht wenn du Kinder oder Frauen missbraucht und umgebracht hast. Im Knast gibt es eigene Gesetze und nach Aussage der Beamten dort, wurde Reich bei einem tragischen Unglück getötet.“ widersprach Semir. „Frank Reich hatte eine Tochter, die zum damaligen Zeitpunkt neun Jahre war. Da er alleinerziehend war und es keine anderen Familienmitglieder gab, wurde das Mädchen in ein Heim gesteckt.“ Semir nickte leicht. „Ja, ich weiß. Ich habe die Kleine damals selbst ins Heim gebracht und es war nicht witzig. Sie hat immer nach ihrem Vater geschrien. Es hat mir das Herz gebrochen und …“ Semir atmete tief durch. „Okay, das ist jetzt gute 17 Jahre her. Reich gehörte zu den ersten, die ich mit Tom ins Gefängnis gebracht habe.“ Paul nickte nachdenklich. „Was ist denn mit Mädchen?“ Sein Partner zog die Schultern hoch. „Ich hoffe sehr, dass sie in eine gute Familie kam und ihre Kindheit genießen konnte.“


    Semir fuhr mit den Händen durch sein Gesicht. „Okay, die Frage ist, wie machen wir weiter. Ich meine, der Kerl hat scheinbar mehrere Gesichter. Auf dem Friedhof erscheint er als Tom Kranich, an der Schule als Ben Jäger. Was hat der Kerl vor? Und wer war oder ist sein Komplize? Die Stimme hast du definitiv als die von Tom bestätigt. Ayda scheint den Mann auch mit Bens Stimme angetroffen zu haben. Das heißt, der Täter ist ein Stimmenimitator. Woher kann er die Stimmen deiner Partner haben?“ dachte Paul laut nach und sah Semir fragend an, doch der zog nur die Schultern hoch. „Ich weiß es nicht Paul. Ich weiß es einfach nicht.“ „Hast du schon mal daran gedacht, deine Familie bewachen zu lassen?“ Nun hob Semir den Kopf und sah seinen Partner an. „Du denkst an ein Savehouse?“ „Zum Beispiel, ja“ stimmte Paul zu. „Nein, aber wir können ein Team vor Andreas Haus postieren. Vielleicht versucht der Kerl noch einmal an eines meiner Mädchen zu kommen.“ Paul lächelte leicht. „Gut, das ist auch eine Idee obwohl ich eher für ein Savehouse wäre. Ich werde das mit Krüger abstimmen und du wirst noch einmal in dich gehen und über den Feind nachdenken, den du hast.“ Paul stand auf und verließ das Büro. Semir rief sich noch einmal die Akte Reich auf. Er las sich den Verlauf des Falles durch, doch er kam zu keinem neuen Ergebnis. Reich schied aufgrund seines Todes als Täter aus. Paul kam zurück. „Okay, Berger und Lauch werden die Bewachung deiner Familie übernehmen und sofort hinfahren. Was ist mit Dana?“ „Sie ist doch bei mir und ich denke nicht, dass der Kerl in meine Wohnung einbricht, um an Dana ran zu kommen.“ „Das mag sein, aber du bist tagsüber hier und es kann nicht schaden auch dort eine Person aufzustellen. Thomas Lindberg hat sich bereit erklärt vor deiner Haustür zu wachen.“ Semir lächelte nervös. „Danke Paul. Nur wie machen wir jetzt weiter?“ Paul hob einen Laptop hoch. „Den habe ich vom Erkennungsdienst. Hier befindet sich das Programm für Phantombilder drauf und ich denke Ayda wird uns helfen, von dem Mann mit dem sie Eis essen war, ein Bild zu bekommen.“