Beiträge von Yon

    Ramm

    Semir machte bald Feierabend und lenkte seinen Wagen zu Thorsten Ramms Adresse. Als er in dessen Wohnstraße einbog, fielen ihm sofort die in der Straße abgestellten Einsatzwagen der Feuerwehr ins Auge. Auch ein Rettungswagen mit geschlossenen Türen und ein Streifenwagen standen auf dem Gehweg. Aus den zerborstenen Fenstern des Hauses mit der Nummer 14 quollen schwarze Rauchwolken. Semir beschlich ein ungutes Gefühl. Ohne die Anschrift mit seinen Unterlagen abgeglichen zu haben, war er sich sicher, dass dieses das Zuhause von Thorsten Ramm war. Er kam zu spät. Die Feuerwehr war bereits damit beschäftigt ihre Utensilien zusammenzupacken und die Schläuche zusammenzurollen.

    Semir ging zielstrebig auf seinen uniformierten Kollegen zu und wies sich aus: „Gerkan, Kripo Autobahn. Wo ist der Hausbesitzer? Thorsten Ramm?“ – „Drews, guten Abend. Das wissen wir noch nicht, die Kollegen der Feuerwehr sind noch drin, aber zumindest ist das Feuer schon gelöscht.“ – „Haben Sie die Spurensicherung gerufen?“, fragte Semir. „Nein, dazu bestand bisher kein Anlass, aber der Brandermittler wird seine Arbeit heute noch aufnehmen. Wir sperren das Grundstück noch ab und sind dann fertig hier.“

    In dem Moment trat ein Feuerwehrmann auf die Polizisten zu. „Wir haben etwas entdeckt, können Sie mal mitkommen?“ Der Uniformierte winkte ab. „Ich nicht, ich habe gerade eine Bronchitis hinter mir, ich dürfte nicht einmal hier in der Nähe des Hauses sein.“ – „Dann rufen Sie die Spurensicherung an. Ich gehe mit rein“, beschloss Semir und folgte dem Feuerwehrmann in Richtung Haus. Dieser drückte ihm am Einsatzwagen noch eine Atemmaske und eine kleine Sauerstoffflasche in die Hand. Anschließend marschierten die zwei in das ausgebrannte Haus. Semir musste seinem Begleiter vertrauen, er alleine hätte der Treppe, über die sie nun in die zweite Etage gelangten, die Stabilität nicht zugetraut. Auch hier war der Putz durch die Hitze des Feuers von der Decke gefallen, die Holzvertäfelung verkohlt. Der Feuerwehrmann zeigte Semir den Weg in ein Zimmer am Ende des Flurs, der Raum war hier ohne Zwischendecke bis in die Dachspitze offen, freiliegende Balken gaben ihm ein rustikales Aussehen. Als sie sich umschauten, schreckte Semir zurück. Da hing er! An einem Strick, der an einem der Deckenbalken befestigt war, hing ein Mann. Obwohl er schwarz verkohlt und nicht mehr erkennbar war, wäre Semir jede Wette eingegangen: Das war Thorsten Ramm! Erhängt und verbrannt im eigenen Haus.

    Semir streckte seinen Arm zur Seite aus und hinderte so den Feuerwehrmann am Näherherantreten an den Leichnam. Er zeigte nach hinten, raus hier, sollte das bedeuten. Unten nahm er seine Maske an. „Keiner betritt mehr das Haus, das ist jetzt ein Tatort und ein Fall für die Spurensicherung“, bestimmte er. Auf dem Weg zum Einsatzwagen schnappte er die Stimme einer Schaulustigen auf. „Und das ausgerechnet der nette Herr Ramm. Der hat doch Zeit seines Lebens an seinem Elternhaus gehangen.“ – „Glauben Sie mir, das tut er auch jetzt noch“, konnte sich Semir nicht verkneifen zu antworten.

    Er wartete noch auf die Kollegen der Spurensicherung und äußerte seinen Verdacht. „Im ersten Stock hängt eine Person, ich bin mir sicher, dass es sich um den Hausbesitzer handelt, Thorsten Ramm. Ich möchte, dass ihr seine Identität nachweist und jedes noch so kleine Indiz findet, welches auf Fremdverschulden hindeuten könnte, ich habe einen begründeten Verdacht, dass es kein Selbstmord war. Wenn ihr mir dann bitte euren Bericht zukommen lassen würdet?“ Dann ging Semir zu seinem BMW, um nach Hause zu fahren, aber vorher nahm er sein Telefon zur Hand und rief Kim Krüger an, um ihr vom Ableben des nächsten Mannes von Torres‘ Liste zu erzählen. Er riet der ehemaligen Dienststellenleiterin der PAST sich umgehend um Personenschutz zu bemühen und sich sofort bei ihm, Alex oder Ben zu melden, wenn ihr etwas verdächtig vorkommen sollte.

    Telefonat mit Dana

    Semir entschied sich, noch am Montagabend Dana anzurufen, um ihr vom Auffinden von Sophies Leiche zu berichten. Solch eine Nachricht sprach sich schnell rum, und er wollte sichergehen, dass sie keine Information aus zweiter oder dritter Hand, sondern die Wahrheit von ihm persönlich erfuhr. All die Hoffnung, die sie seit Freitagnacht hegten, war mit einem Schlag, mit dem Öffnen eines Kofferraumdeckels zunichte gemacht worden. Dana legte die ganze aufgestaute Frustration in ihre erste Reaktion: „Scheiße!“ – „Es tut mir sehr leid, aber ich wollte, dass du es von mir erfährst und nicht morgen aus der Zeitung.“ – „Hatte sie einen Unfall?“ Aus Danas Stimme glaubte Semir den verzweifelten Versuch herauszuhören, Sophies Tod könnte doch noch erklärbar sein, ein Unfall war irgendwie noch leichter zu fassen als ein Verbrechen. ‚Erst nach ihrem Tod‘, dachte Semir, verkniff sich diese Bemerkung als in dieser Situation zu sarkastisch aber und sagte stattdessen: „Sie lag in einem Kofferraum, als wir sie fanden, Dana. Nein, wir können nicht von einem Unfall ausgehen, wissen aber auch noch nichts Genaueres. Aber wir werden die Sache schon aufklären.“ – „Das musst du auch, Papa!“

    Semir hörte Dana am anderen Ende der Telefonleitung die Luft geräuschvoll ausstoßen, gefolgt von einem leisen Schniefen. „Das verspreche ich dir, Dana. Kannst du heute wieder zu deiner Oma gehen? Ich möchte nicht, dass du dich alleine in deinem Zimmer im Hotel verkriechst, ja? Ich hole dich am Freitag ab, ich habe mir ein paar Stunden Pause in meinen Dienstplan eingetragen, ab wann hast du frei?“ – „Mittags um eins.“ – „Ich werde da sein“, antwortete Semir bestimmt. Es trat eine Pause ein, Semir wollte schon das Telefonat beenden, da drang die Stimme seiner Tochter erneut an sein Ohr.

    „Du, Papa?“ – „Dana?“ – „Können wir am Wochenende zu meinem Elternhaus fahren? Ich möchte es noch einmal sehen, bevor es verkauft wird.“ – „Bist du dir sicher?“ – „Ja, ich habe darüber nachgedacht. Ich könnte nie in dem Haus glücklich werden. Aber ich möchte es gerne noch einmal sehen.“ – Semir nickte, wurde sich aber umgehend bewusst, dass Dana seine Kopfbewegung nicht sehen konnte und sagte stattdessen verständnisvoll: „Dann machen wir das am Wochenende.“ Semir rang Dana noch das Versprechen ab, den Abend bei ihrer Großmutter zu verbringen und legte dann auf.

    „Wie hat sie es aufgefasst?“, wollte Andrea später im Bett von ihm wissen. „Ich weiß nicht, es geht ihr nah, aber ich glaube, etwas anderes beschäftigt sie noch mehr.“ – „Das wäre?“ – „Das Haus. Der endgültige Abschied von ihrem Elternhaus steht ihr bevor. Sie will es noch einmal sehen.“ – „Du fährst mit ihr hin?“ – „Ja, am Wochenende.“

    Nach einer Pause, in der Semir und Andrea ihren eigenen Gedanken nachgingen, meinte Andrea leise: „Das Haus ist auch der Ort, an dem du erfahren hast, dass du eine dritte Tochter hast.“ Sie erhielt keine Antwort und hakte nach: „Semir?“ – „Hmm“, war die einzige Reaktion, die von ihrem Mann zu hören war. Andrea beschloss, es dabei bewenden zu lassen.

    Der Weg in das Haus wird für beide, für Dana und für Semir, kein leichter werden.

    Ja, warum Mia gestorben ist, weiß ich auch nicht, wenn es an dem Chip gelegen haben sollte, wäre der Zeitpunkt mir zu zufällig, wenn die Aufregung in dem Augenblick dazu geführt haben sollte, fehlt mir irgendein Hinweis in der Story.
    Aber nun sind die Helden mit Nicole im Tourbus unterwegs. Fährt die Band in einem anderen Bus? Oder sitzen die auch mit drin?

    Dienststelle

    Als Semir in die PAST zurückkehrte, waren Alex und Ben sowie Bonrath und Jenny bereits an ihren Arbeitsplätzen. Er ging zielstrebig in sein Büro, griff sich die Akte von Mario Torres, die Susanne ihm auf seinen Schreibtisch gelegt hatte, und blätterte sie fast bis zum Ende durch. Was er suchte, fand er schließlich auf einer der letzten Seiten: die Namensliste, die sie im Frühjahr in einer von Mario Torres‘ Wohnungen gefunden hatten. Sieben Namen standen darauf, zwei waren durchgestrichen: Walter Paulsen und Klaus Heinrich. Die anderen fünf Namen lauteten: Kim Krüger, Alexander Brandt, Semir Gerkan, Thorsten Ramm und – Uwe Neugebauer. In Gedanken strich Semir auch diesen Namen durch.

    Alle diese Personen waren vor nunmehr fast zwei Jahren an der Jagd nach Mario Torres, einem bolivianischen Drogenboss, beteiligt gewesen, der damals in Südamerika gestellt werden konnte und bei dem Versuch der Verhaftung vermeintlich ums Leben gekommen war. Vor einem halben Jahr war er wieder in Deutschland aufgetaucht und hatte begonnen, grausam Rache zu üben. Walter Paulsen war in seiner Wohnung erstochen worden, Klaus Heinrich mitsamt seiner Frau und seinem Sohn erschossen, was einer Hinrichtung nahekam. Bevor er seinen Racheplan vollenden konnte, gelang es Alex, Semir und Ben, ihm auf die Schliche zu kommen. In einem abschließenden Gefecht wurde Mario Torres von Ben Jäger erschossen. ‚Ben‘, überlegte Semir, ‚musste er Ben jetzt nicht auch auf diese Liste setzen?‘ Wenn jemand gekommen war, die Rache von Mario Torres fortzusetzen, würde er dann nicht auch seinem Mörder nachstellen? Er musste dringend mit seinen Partnern sprechen. Und Kim Krüger musste er über die Feststellung in Kenntnis setzen, außerdem Thorsten Ramm ausfindig machen und warnen. Sie sollten jetzt alle zusammen arbeiten.

    Er schaute kurz in seinen Computer. Thorsten Ramm arbeitete noch immer beim BKA. Dann wusste er wahrscheinlich bereits vom Tod seines Kollegen Uwe Neugebauer und war bereits vorgewarnt. Semir wählte trotzdem seine Telefonnummer. Nachdem er es gefühlte 20 Mal hatte klingeln lassen, gab er auf. Der Anruf bei Ramms Vorgesetzten brachte ich auf den aktuellen Stand der Dinge: Thorsten Ramm hatte noch bis übermorgen Urlaub. Semir ließ sich seine Privatadresse geben und beschloss nach Feierabend dort vorbei fahren, um mit dem BKA-Beamten zu sprechen. Dann nahm er die Akte und ging rüber zu Ben und Alex ins Büro, die ihre Arbeit unterbrachen, als ihr Chef durch die Tür schritt.

    „Was war denn das heute Mittag?“, entrüstete sich Ben gespielt, „so schnell weg und freiwillig selbst die Todesnachricht überbringen, das kennen wir ja gar nicht von dir. Oder,“, sein Tonfall wurde ernst, „kanntest du das Mädchen oder seine Eltern?“
    Semir nickte. „Nicht persönlich bzw. erst seit Samstag. Sophie Ziegler war eine Mitschülerin von Nadine, ihr wisst schon, der Tochter unserer Nachbarn, und Dana. Sie wurde seit Freitagabend vermisst. Andrea und ich waren gerade von dem Konzert nach Hause gekommen, Nadine hatte auf Ayda und Lilly aufgepasst, als Sophies Mutter, Isolde Ziegler, sie anrief und fragte, ob sie ihre Tochter gesehen hätte oder wüsste, wo sie sein könnte. Ich habe noch in der Nacht begonnen, nach ihr zu suchen, sie war mit Erlaubnis ihrer Eltern auf einer Feier, dort zur ausgemachten Zeit aufgebrochen, in den Bus gestiegen, aber nicht bis nach Hause gefahren, sondern schon vorher ausgestiegen. Jens Jensen vom Innenstadtrevier hat mich unterstützt, aber unsere Nachforschungen waren erfolglos. Wir fanden keine heiße Spur.“ – „Dann verstehe ich, dass du heute gleich wusstest, wer die Tote war und die Nachricht persönlich überbringen wolltest“, antwortete Ben.

    „Schon was aus der KTU oder der Gerichtsmedizin?“, wollte Semir wissen.„Als du kurz an der Unfallstelle warst, habe ich versucht, den Weg des Unfallfahrers nachzuvollziehen. Auf der anderen Seite der Böschung waren frische Fußspuren, die KTU hat einen Abdruck genommen, es handelt sich um Sportschuhe der Firma Adifix in Größe 45, ein gängiges Modell, nichts Besonderes, allerdings weist die Sohle des rechten Schuhs eine kleine Macke auf, so als wäre der Besitzer mit seinem Schuh in eine Glasscherbe getreten und habe diese wieder aus der Sohle gezogen, so hinterlässt der Schuh einen individuellen Abdruck. Wir müssen also nur diesen Schuh und seinen Besitzer finden, dann haben wir den Autofahrer. Wir haben auch einen Stofffetzen gefunden, die KTU ist aber noch dran, die Fasern zu untersuchen, und es ist auch nicht klar, ob er von unserem Fahrer stammt. DNA konnten wir keine entdecken. Die Gerichtsmedizin hat uns ihren Bericht so schnell wie möglich versprochen, was das heißt, weißt du. Bislang noch nichts zur Todesursache, nur so viel: es waren keine Spuren äußerlicher Gewalteinwirkung zu entdecken, keine Hämatome, Stich- oder Schussverletzungen, und das Mädchen ist auch nicht sexuell missbraucht worden. Keine Abwehrspuren, keine fremde DNA unter den Fingernägeln. Wir müssen uns also noch gedulden.“

    „Etwas zum Auto?“, fragte Semir. „Es ist zugelassen auf einen Ralf Kreisel, das wusstest du ja schon. Da der Wagen mit einem Schlüssel gestartet wurde, dachten wir, es wäre das Beste, direkt bei dem Besitzer vorbei zu schauen. Dass er der Fahrer ist, schließen wir aufgrund der Zeugenaussagen aus. Die Augenzeugen beschreiben den geflüchteten Fahrer als jung und sportlich. Ralf Kreisel dagegen ist fast achtzig Jahre alt.“ – „Das mache ich selbst“, beschloss Semir, „wo wohnt er?“ – „In Lindenthal.“ Ben reichte Semir einen Zettel mit der Anschrift. „In Lindenthal, sagtest du?“, hakte Semir nach – „Ja, wieso?“ – „In Lindenthal verlor sich die Spur von Sophie Ziegler. Ich werde mal mit diesem Ralf Kreisel sprechen und mir die Umgebung näher ansehen. Sonst noch was zu dem Fall?“ – „Nein. Was gab es sonst in Düsseldorf? Krüger noch bei Laune?“

    „Ja, die Krüger war in Hochform. Freitag ab Mittag bis Mitternacht Großkontrolle am Rastplatz Frechen, jeder verfügbare Beamte muss vor Ort sein, und in der Nacht von Samstag auf Sonntag muss ein Schwertransport durch NRW geleitet werden, wir übernehmen die Strecke von Krefeld bis Euskirchen, das bedeutet eine weitere Extraschicht für zwei Wagen, denn die übrige Besetzung darf da nicht drunter leiden. Der Transport fährt etwa 35 km/h, hat Überlänge und Überbreite und kann nur von PKWs überholt werden, für unsere Strecke werden 4-5 Stunden veranschlagt.“ – „Wir auch? Beide Nächte?“, fragte Ben. „Freitag auf jeden Fall, Samstag mal sehen. Moment. Susanne!“, rief er in das Großraumbüro, „kannst du mal eben mit dem Dienstplan für diese Woche kommen?“

    Susanne griff sich die rote Mappe mit den Dienstplänen und trat zu ihren Kollegen. Nach einer längeren Beratung stand fest, dass Ben und Alex mit Bonrath, Jenny und weiteren 4 Kollegen von der Streife an der Großkontrolle am Freitag teilnehmen werden, und diese 4 Kollegen auch die Nacht von Samstag auf Sonntag mit der Begleitung des Schwertransports beschäftigt sein würden. Ben und Dieter würden in der Nacht im Revier bleiben und Bereitschaft haben. Semir würde ebenfalls bei der Großkontrolle aushelfen, kündigte allerdings schon an, seine Tochter zwischendurch aus Aachen abholen zu wollen. Mit der Bitte, diese Schichten im Plan zu vermerken, schickte Semir Susanne zurück an ihren Schreibtisch.

    „Gut, nachdem wir das geklärt haben, habe ich noch eine schlechte Nachricht für euch“, kam Semir jetzt zu dem Punkt, der ihm auf dem Herzen lag. „Schlimmer als die zwei Zusatzschichten?“, fragte Ben. „Ja, viel schlimmer als zwei Zusatzschichten, Ben.“
    Semir ging zur Tür und schloss sie. Dann zog er sich einen Stuhl heran und nahm Platz. „Du machst es spannend, was ist denn los, Semir?“ – „Am Freitag wurde aus dem Rhein eine Leiche geborgen.“ – „Schrecklich. Aber wieso betrifft uns das? Das ist doch Sache der Wasserschutzpolizei.“ – „Ja, Alex, grundsätzlich ja. Aber es handelt sich um Uwe Neugebauer.“ – „Uwe Neugebauer? Müssten wir den kennen?“ – „Du vielleicht nicht, aber Alex sicher.“ Semir schaute Alex in dessen ratloses Gesicht, schlug Torres‘ Liste in der Akte auf der und erklärte seinen Kollegen die Zusammenhänge. „Uwe Neugebauer stand auf der Liste von Mario Torres“, schloss er seine Ausführungen, „und deshalb betrifft es uns. Ich glaube nicht, dass Neugebauer einfach so ins Wasser gefallen ist. Da ist nachgeholfen worden, da bin ich mir ganz sicher.“

    „Dann solltet ihr auf der Hut sein, eure Namen stehen auch auf der Liste, wissen die Krüger und dieser Thorsten Ramm schon Bescheid?“, fragte Ben. „Nein, den Ramm werde ich gleich versuchen zuhause anzutreffen, er hat noch Urlaub. Und die Krüger rufe ich auch an“, antwortete Semir, „aber auch du solltest vorsichtig sein, Ben“ – „Ich? Wieso?“ – „Na ja, wenn wirklich jemand Torres‘ Liste weiter abarbeiten will, warum sollte er ausgerechnet vor der Person, die die tödlichen Schüsse auf ihn abgegeben hat, haltmachen?“ Alex räusperte sich: „Hm, was ich auch sehr bedenklich finde, ist die Vielseitigkeit. Paulsen wurde erstochen, Heinrich erschossen, Neugebauer erschlagen, was kommt als nächstes? Worauf müssen wir uns einstellen?“

    Den Tod von Mia habe ich jetzt auch nicht verstanden, hoffentlich erfahren wir noch, wie es dazu kam. Ist der Weg nach draußen jetzt frei für Semir, Alex und Nicole. Und vergiss deine Waffe nicht, Semir!

    Gestolpert bin ich über diesen Satz:

    Semir versuchte sich deshalb soweit es ging zu entspannen, um es ihm angenehmer zu machen.

    Warum will Semir es denn Luis angenehmer machen? :/ Ich weiß, du meinst dass Semir es sich selbst angenehmer machen will, aber warum schreibst du das dann nicht?

    Da weiß Ben genau, dass sich Semir und Alex in Gefahr begeben, um Nicole zu retten, und was macht der? Schaut sich ein Video seines Auftritts an! Sollte der Polizei-Job schon so weit in den Hintergrund gerückt sein, dass er kein Gespür für die Gefahr mehr hat, in der seine Freunde schweben.
    So schnell es auch ging, Nicole zu finden, bei dem Versuch, sie aus dem Haus zu schaffen, stellt sich ihnen ein großes Problem in Gestalt von Luis in den Weg.

    Todesnachricht

    Isolde Ziegler goss sich gerade einen Tee auf, als sie durch das Küchenfenster den silberfarbenen BMW erblickte, der auf ihre Auffahrt bog und dem keine Minute später der Polizist entstieg, der bereits am Wochenende bei ihnen gewesen war und der ihr versprochen hatte, ihnen Sophie, ihr einziges Kind, zurückzubringen. Nein, wenn sie ehrlich war, war es kein Versprechen, aber er hatte ihnen zugesagt, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, ihre geliebte Tochter wieder nach Hause zu holen, die mittlerweile seit 60 Stunden unauffindbar war. Aber er kam alleine. Sie beobachtete ihn auf seinem Weg zur Haustür und meinte, seine Körpersprache deutlich lesen zu können, so als stünde sie für sie deutlich erkennbar vor ihrem Auge geschrieben. Die Worte, die sie in ihren Gedanken las, verhießen nichts Gutes. Jede Zuversicht, die Danas Vater am Samstag noch ausgestrahlt hatte und die er versucht hatte, auf sie und ihren Mann zu übertragen, war verschwunden. Kurz dachte Isolde Ziegler daran, ihr Haus durch die Gartentür zu verlassen, überzeugt davon, dass eine Nachricht, die ihr nicht überbracht werden konnte, auch nicht wahr sein durfte. Aber sie machte sich nichts vor. Das würde nicht funktionieren, sie konnte dem Folgenden nicht ausweichen.

    „Verflixt!“, fluchte sie plötzlich, als sie merkte, dass das heiße Wasser auf die Arbeitsplatte floss. Schnell stellte sie den Wasserkocher auf die Seite und warf einen Lappen auf die heiße Wasserpfütze, bevor sie in den Hausflur schritt, um Semir die Tür zu öffnen. Er lächelte nicht zur Begrüßung, sondern blieb ernst. „Guten Tag, Frau Ziegler, darf ich einen Moment hereinkommen?“, begann er leise, „ich …“ – „Sie kommt nicht wieder, oder?“, fiel ihm Sophies Mutter ins Wort, die merkte, wie sich ein heiß-kalter Schauer den Weg ihren Rücken hinunter bahnte und sie zu zittern begann. Sie schaute Semir eindringlich ins Gesicht, so als hoffte sie auf ein positives Zeichen, ein Aufflackern in seinen braunen Augen. Doch Semirs Blick blieb gesenkt, als er bedauernd mit dem Kopf schüttelte.

    „Nein, Frau Ziegler. Es tut mir sehr leid. Wir haben Sophie gefunden. Lassen Sie mich kurz rein?“ – „Ja, entschuldigen Sie.“ Sie trat einen Schritt zur Seite und ließ Semir eintreten. Hinter ihm schloss sie die Haustür. „Hatte sie einen Unfall?“, ihre Stimme fing an zu zittern. „Ist ihr Mann zu Hause?“ Isolde Ziegler bejahte. „Ich rufe ihn.“ Semir hatte genug Erfahrung, um zu erkennen, dass sie im Begriff stand, ihre Fassung zu verlieren. Die Nachricht, dass ihre Tochter tot war, nie mehr nach Hause kommen würde, begann langsam ihr Bewusstsein zu erreichen. Lange würde sie nicht mehr standhalten. „Harald!“, rief sie in den hinteren Bereich des Hauses, „kommst du mal!“

    Harald Ziegler, dem man die nahezu schlaflosen letzten Tage noch deutlicher ansah als seiner Frau, gesellte sich zu ihnen und nahm Frau Ziegler wortlos in seinen Arm. „Sie ist tot, Harald“, stammelte sie, „Sophie ist tot!“ - „Sie haben Sophie gefunden?“, fragte Harald Ziegler und setzte, nachdem Semir stumm genickt hatte, nach: „Können wir sie sehen? Wo ist sie? Was ist passiert? Hat sie gelitten?“ – „Können wir uns kurz setzen?“, fragte der erfahrene Polizist, „dann erzähle ich es Ihnen.“ – „Ja, gehen wir ins Wohnzimmer.“

    Das Ehepaar Ziegler nahm auf dem Sofa Platz, Semir setzte sich vorsichtig auf einen Sessel, nahm dabei nur das vordere Drittel der Sitzfläche ein. Dieses würde keine gemütliche Plauderrunde werden, soviel stand für alle fest. „Frau Ziegler, Herr Ziegler, wir haben Ihre Tochter heute nach einem Unfall auf der Autobahn leblos im Kofferraum eines Unfallbeteiligten gefunden. Die näheren Umstände sind noch nicht geklärt. Die Gerichtsmediziner versuchen zur Stunde die Todesursache festzustellen. Kennen Sie einen Ralf Kreisel?“ Harald Ziegler wog seinen Kopf überlegend hin und her, schüttelte dann aber entschieden seinen Kopf. „Nein, der Name sagt mir gar nichts. Dir, Schatz?“ – „Nein“, kam leise von Isolde Ziegler, „wer soll das sein?“

    Dass die Eltern der toten Sophie nach einer solchen Nachricht so lange ihre Fassung wahren konnten, wunderte Semir, Andrea und er würden wahnsinnig werden, hätte ihnen jemand die Nachricht überbracht, einer ihrer Töchter wäre etwas zugestoßen, und das nicht erst nach Minuten, sondern auf der Stelle. Aber er kannte dieses Phänomen bereits, oft dringt die Tragweite einer Schreckensnachricht nur langsam zum Kern des Bewusstseins vor.

    „Auf Ralf Kreisel ist der Wagen zugelassen, in dem wir Sophie gefunden haben. Der Fahrer ist geflohen, daher wissen wir noch nicht, ob Fahrer und Halter identisch sind.“ – „Wo ist Sophie jetzt? Wir wollen sie noch einmal sehen.“ – „Sie ist in der Gerichtsmedizin. Ich lass es Sie sofort wissen, wenn Sie zu ihr können. Kann ich irgendetwas für Sie tun, jemanden benachrichtigen vielleicht?“ – „Nein. Ich glaube, meine Frau und ich wollen jetzt alleine sein.“ Semir legte noch seine Visitenkarte auf den Tisch. „Noch mal mein Beileid. Es tut mir wirklich leid, ihre Tochter nicht schon Freitagnacht oder Samstag gefunden zu haben. Ich finde alleine raus.“

    Er wandte sich zum Gehen und ließ das Ehepaar Ziegler in seinem Schmerz allein.

    Ein Schoko-Croissant und ein Tetrapak Kakao aus der hinteren Hosentasche? Lecker! Was hat Kevin denn für Hosen an? Aber egal, für Hartmut ist das Bestechung genug, seine Programmierung zu unterbrechen und sich den Fingerabdrücken auf der Sprühdose und dem Molotow-Cocktail zu widmen. Das Ergebnis kann Kevin überhaupt nicht gefallen. Bin gespannt, wie Annie reagiert, wenn er sie damit konfrontiert.

    Sascha

    Dieter rief Jenny zu sich, zog dann sein Handy hervor und drückte eine Kurzwahlnummer. „Alex? Beeilt euch, zur Fahrerflucht ist jetzt auch noch ein Leichenfund gekommen … Wie, schon 12 km Stau? Dann beeilt euch einfach noch mehr.“ Nachdem er bei Susanne auch noch die Spurensicherung und einen Leichenwagen angefordert hatte, begann er die Jacke der toten Frau zu durchsuchen. Er fand ein Portemonnaie mit Personal- und Schülerausweis und legte es auf den Körper. Da würden sich Ben und Alex gleich drum kümmern. Dieter Bonrath verglich das Passbild der Ausweise mit dem Antlitz der Toten und nickte zu seiner eigenen Bestätigung. Ohne Zweifel! Die Identität des Mädchens stand fest.

    Auf der Standspur bahnte sich ein großer Abschleppwagen mit gelben Warnleuchten seinen Weg zur Unfallstelle, und hielt in Höhe des Streifenwagens an. Jenny ging ihm entgegen. Der Fahrer kurbelte die Scheibe hinab und beugte sich zu Jenny hinab: „Guten Morgen, Jenny! Soll ich beide Wagen abschleppen?“ – „Hi Sascha, nein, erstmal nur den Audi, der Fahrer sitzt drin. Der Passat muss zur KTU gebracht werden, aber erst, wenn die Spurensicherung durch ist.“

    Der Abschleppwagen fuhr neben den Audi. Jetzt stieg der Fahrer aus und ging vorne um seinen Wagen herum zum Unfallfahrer, der mittlerweile rauchend neben seinem demolierten Audi stand. „Morgen!“, begrüßte er ihn und streckte seine Hand aus, „Sascha Mirnov, vom Autohof Mirnov. Pech gehabt?“ – „Wie man’s nimmt“, entgegnete der Audi-Fahrer und ergriff Saschas Hand, „bin geschnitten worden. Keine Chance. Jürgen Maier mein Name.“

    „Ich werde Ihnen erklären, was wir machen, Herr Maier. Ich lade ihren Audi auf und nehme Sie mit zum Autohof. Dort machen wir den Papierkram, Sie bekommen einen Leihwagen, der Audi geht in die Werkstatt und in ein paar Tagen können Sie ihn wieder eintauschen. Oder haben Sie eine Wunsch-Werkstatt? Sind sie in einem Automobil-Club oder anderweitig versichert? Wir rechnen mit jeder Versicherung ab und übernehmen den ganzen Schreibkram.“ – „Ich möchte eigentlich nur weg hier. Ich komme aus Kiel, ist das denn ein Problem wegen Leihwagen und Werkstatt?“ - „Aus Kiel? Die Heimat des THW, wie schön. Ich bin Handballfan, müssen Sie wissen. Für mich existieren keine Probleme, Herr Maier, wir besprechen das alles unterwegs.“

    Während Sascha sich an die Arbeit machte, den Audi mit Hilfe seines Krans auf die Ladefläche des Abschleppwagens zu heben, ging Jürgen Maier zu Jenny und Dieter, die sich im Gespräch mit den Fahrern am Stauanfang befanden, denen sie kurz die Ursache für die Vollsperrung erklären mussten. Sobald Sascha den Audi von der Standspur entfernt hätte, würden sie den Verkehr um den Passat herumleiten. Sie baten die Autofahrer um Geduld. „Brauchen Sie mich noch?“, fragte Maier, „oder kann ich gleich mitfahren?“ Dieter drehte sich zu ihm um. „Ihre Daten haben wir?“, Maier nickte, „Dann können Sie los. Ihre Aussage können Sie auch bei einer Polizeidienststelle ihres Wohnorts zu Protokoll geben. Wir melden uns. Gute Heimfahrt.“ Mit diesen Worten entließ der hochgewachsene Kommissar der Autobahnpolizei den Unfallbeteiligten und wartete auf Ben und Alex.

    Alex und Ben

    „Wohin ist der Unfallfahrer geflohen?“, fragte Ben, nachdem Bonrath ihm den Unfallhergang dargelegt hatte, und Dieter wies auf die gegenüber liegende Böschung. „Da drüben zwischen den Büschen soll er die Böschung überquert haben“, antwortete dieser. „War schon jemand dort? Dieter?“- „Nein, Ben. Wer denn auch? Jenny und ich sind alleine hier in diesem Chaos und hatten mit Absperrung und Umleitung des Verkehrs genug zu tun. Sascha war auch schon da und hat den beteiligten Audi und seinen Fahrer mitgenommen.“ – „Schon gut, Dieter. Hast es ja in einigen Tagen hinter dir“, versuchte Alex den hochgewachsenen Uniformierten zu beschwichtigen und deutete damit die bevorstehende Pensionierung des Kommissars in Uniform an, „aber wir brauchen noch seine Aussage und die Spuren am Auto, oder Ben? – Ben?“ Alex wandte sich nach seinem Partner um, der aber nicht mehr neben ihm stand, sondern bereits seinen Weg auf die andere Seite der Autobahn angetreten hatte.

    Bens Gedanken waren: Ein Autofahrer, der mit einer Leiche im Kofferraum einen Unfall baut, welcher sicher eine Folge seines Mangels an Konzentration und seiner Nervosität war, sucht, da sein Wagen nicht mehr fahrbereit ist, sein Heil in der Flucht, lässt dabei die Leiche im Kofferraum zurück, klar, er hätte sie sich ja nicht über die Schultern werfen können, ein solcher Flüchtige hinterlässt bestimmt Spuren, verliert etwas bei der Überquerung der Böschung. Jetzt zur Mittagszeit, war die Autobahn nicht ganz so stark befahren, so dass Ben keine Mühe hatte, in einer Lücke über die Fahrbahn zu spurten und über die Leitplanke zu steigen.

    Auch vor Semir staute sich der Verkehr. Im Radio war von einem Auffahrunfall als Ursache die Rede. Er setzte sein Blaulicht ein, um an den wartenden Autos vorbei zu fahren, bis er Dieter, Jenny und Alex erreichte. „Hi Alex, gut dass ich euch hier treffe, wir haben einiges zu besprechen, wenn ihr wieder in der PAST seid. Was ist hier passiert?“ – „Ein Unfall, eine Fahrerflucht und eine Leiche im Kofferraum“, setzte Dieter seinen Chef kurz und bündig über den Unfall und den Leichenfund in Kenntnis. „Leiche?“ Semir wurde ganz anders, als er sich dem mit offenem Kofferraum dastehenden Passat näherte. „Ja“, erläuterte Alex, „weiblich, 16 Jahre, schwarzer Rock, rote Jacke, wir haben Ausweispapiere gefunden. Das Mädchen hieß-„ Semir rutschte zunehmend das Herz in die Magengegend. Sollte hier auf der Autobahn jede Hoffnung, die er am Wochenende versucht hatte, am Glimmen zu halten, zum Erlöschen kommen? „Sophie Ziegler? Aus der Mommsenstraße?“ – „Woher weißt du?“ – „Erkläre ich euch nachher. Etwas zur Todesursache?“ – „Nein, der Unfall war es nicht, keine äußerlichen Verletzungen, wir müssen auf das Gutachten der Mediziner warten. Die müssten eigentlich gleich hier sein.“ – „Was sagt das Kennzeichen?“ – „Der Wagen gehört einem Ralf Kreisel aus Köln.“

    Jetzt bemerkte Semir die Abwesenheit von Ben. „Wo ist eigentlich Ben?“ – „Der schaut sich dort drüben um, wo der Fahrer verschwunden ist. Jemand muss es ihren Eltern sagen, Semir.“ – „Das übernehme ich“, bestimmte Semir, „ihr kommt dann ins Büro, wenn ihr hier fertig seid.“ Damit setzte sich Semir zurück in seinen BMW und ließ einen verwunderten Alex an der Unfallstelle zurück. Dass er sich so darum bemühte die Todesnachricht zu überbringen, wunderte ihn, war das doch der unbeliebteste Teil ihres Jobs. „War das eben Semir?“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Ben blickte den sich entfernenden Rücklichter hinterher. „Ja“, sagte Alex leise, „und er kannte die Tote.“ – „Echt?“ – „Ja, er sagte uns ihren Namen, bevor wir ihm die Papiere gezeigt haben. Und er war so … hmm … merkwürdig.“