15. Wo bleiben sie denn?
Andrea blickte auf ihre Uhr, 16:45 Uhr. „Na, so allmählich … sag‘ mal, hatte Ben gesagt, wann sie zurückkommen wollten?“ – „Er hat was von einer Bandprobe heute um 20:00 Uhr gesagt“, antwortete Semir, blickte aber nicht von seinem Buch auf. „Sollten sie dann nicht langsam ..“, zweifelte Andrea. „Hmm…. Wir warten noch eine halbe Stunde“ – „Und dann?“ – „Dann fange ich an, mir Gedanken zu machen.“
Die Zeit verstrich. „Jetzt rufe ich an. Sie müssten doch nun wirklich bald hier sein.“ Andrea wurde allmählich unruhig. Sicher, bei dem schönen Wetter sei es ihnen gegönnt, jede Minute auszukosten, aber Ben hatte „Nachmittags“ gesagt, weil er abends noch den Termin mit seiner Band hatte. Jetzt war es bereits viertel nach fünf. Sie griff zu ihrem Handy und wählte Bens Nummer aus ihrem Telefonbuch. Es klingelte. Einmal. Zweimal. Dreimal. Nach dem sechsten Rufton meldete sich Bens Stimme „Sie haben den Anschluss von Ben Jäger gewählt. Ich bin leider zurzeit nicht in der Lage, persönlich mit Ihnen zu sprechen, darum hinterlassen Sie doch bitte eine Nachricht nach dem Signalton. Ich rufe Sie dann umgehend zurück.“ – „Ja, Ben, hier ist Andrea. Ich mache mir langsam Sorgen. Melde dich doch bitte bei uns.“ Andrea beendete das Gespräch. „Nur die Mailbox, Semir.“ – „Vielleicht hat er sein Handy in seinem Rucksack und hört es nicht klingeln“, vermutete Semir. Langsam machte er sich auch Gedanken, wo sein Freund und Ayda blieben. „Ben? Das glaube ich nicht, das Handy ist doch in seiner Hand festgewachsen.“ Semir nickte. „Du hast Recht. Das ist wirklich merkwürdig. Vielleicht ist sein Akku leer?“ Diese Vermutung war ebenso aus der Luft gegriffen. Der Zeltplatz lag zwar mitten im Wald, es gab aber einen kleinen Sanitärbereich, und da gab es Steckdosen. Und Ben vergaß bestimmt nicht, sein Handy zu laden. Semir stand aus seinem Gartenstuhl auf. „Komm Andrea, wir sehen nach. Schreib eine Notiz, sie sollen sich bei uns melden, wenn sie zwischenzeitlich hier ankommen.“ Er ging ins Haus, griff sich die Autoschlüssel und seine Brieftasche und trat wieder auf die Veranda. Andrea befestigte einen Zettel mit ein paar Zeilen an der Tür. Ihr war dabei mulmig zumute und sie musste schlucken. Semir trat hinter seine Frau, umarmte sie und zog sie an sich. „Mach dir nicht zu viele Sorgen. Du wirst sehen, es klärt sich alles auf. Die beiden haben bestimmt nur die Zeit vergessen und trudeln hier ein, sobald wir unterwegs sind. Vielleicht hat Ben seine Probe heute Abend auch abgesagt, um mehr Zeit mit Ayda zu haben. Wir fahren jetzt zum Zeltplatz.“
Eine Hauptstraße verlief in einem weiten Bogen um den See herum. Es gab lediglich drei Stichstraßen, welche die Bezeichnung „Weg“ eher verdient hätten, die von dieser Hauptstraße hinab zum See führten: eine zur Ferienhaussiedlung, in der sich Andrea und Semir eingemietet hatten, eine zum Zeltplatz, den sich Ben für das Camping-Abenteuer mit Ayda ausgesucht hatte und eine dritte, die zu einem kleinen Ankerplatz für kleinere Segel- und Motorboote führte. Direkt am Ufer, manchmal auch hinter der ersten Baumreihe verlief ein Wanderweg um den gesamten See. Von der Ferienhaussiedlung waren Ben und Ayda auf diesem Wanderweg fast 8 km gewandert, um den Zeltplatz zu erreichen. Wären sie weitere 10 km gegangen, kämen sie zu dem besagten Ankerplatz und nach weiteren 7 km wieder zur Ferienhaussiedlung. Der Weg mit dem Auto war da deutlich länger. Etwa 20 km fuhr Semir allein, bis er den Zeltplatz erreichte.
Er hielt neben einem älteren VW Golf an und betrat den Rasen gemeinsam mit Andrea. Hier standen drei Zelte, ein silbernes, ein grünes und ein blaues. Vor dem blauen Zelt saß ein junges Pärchen mit einem Kleinkind beim Abendessen. Semir ging auf die junge Familie zu. „Guten Abend, entschuldigen Sie die Störung, ich suche einen Freund von uns, er hat hier mit unserer Tochter gezeltet, etwa so groß“, Semir deutete die Größe mit seiner Handfläche an, „lange, dunkle Haare.“ Der junge Familienvater blickte Semir an. „Heißt Ihr Freund Ben?“ – „Ja, wissen Sie, wo wir ihn finden?“, fragte nun Andrea. „Nein, heute Morgen wollten sie noch auf dem See paddeln“, er deutete auf das Kanu, das am Ufer lag, „dann sind wir zum Einkaufen gefahren und haben sie seitdem nicht mehr gesehen. Sein Zelt steht da noch.“ Er zeigte auf das grüne Zelt.
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Da ihr morgen auf ein neues Kapitel verzichten müsst, gibt es zur Entschädigung eine kleine Werbepause
http://www.youtube.com/watch?v=EaXgFeb6tZs
und ein schönes Musik-Video
http://www.youtube.com/watch?v=zqv4F98JjaQ