5. Der Plan
Der Reichtum von Haukes Großmutter lenkte Werners Gedanken in eine ganz bestimmte Richtung…
Nachdem Hauke und Werner sich von Haukes Oma verabschiedet hatten, gingen sie noch eine Runde Billardspielen. Dabei versuchte Werner unauffällig, mehr über das Vermögen von Emma Krause zu erfahren. Hauke erzählte, dass sie neben ihrem Bungalow auch das Haus besaß, in dem Haukes Eltern in Dortmund wohnten und zwei Mietshäuser in der Düsseldorfer Innenstadt. Außerdem hatte sie mehrere Schließfächer, Bankkonten und Sparbücher.
„Und du hast eine Vollmacht, um für sie die Geschäfte zu erledigen? Dann muss sie dir ja mächtig vertrauen.“ – „Das tut sie auch“, gab Hauke zu, „ich habe aber nur eine kleine Vollmacht und auch nur für das eine Sparbuch bei der Post“, fügte er hinzu, „noch ein Spiel?“, fragte er gleich darauf, nachdem er die letzte Kugel in der Seitentasche des Tisches versenkt hatte. „Aber klar, ich hole uns noch ein Bier“, stimmte Werner zu und machte sich auf den Weg zum Tresen. In seinem Kopf arbeitete es, seine Habgier war geweckt. „Was meinst du mit „kleiner Vollmacht“? Was ist das?“, wollte er von seinem Kumpel wissen. „Meine Oma hat sie begrenzt auf 1.500 Euro pro Monat. Ich kann meiner Großmutter also nicht das Konto plündern. Würde ich ja auch nie machen, aber so ist es für beide Seiten sicherer.“
Ob sich da nicht was machen ließe, dachte Werner. Ein Bruchteil des Vermögens der Oma Krause, und er hätte auf einen Schlag keine Sorgen mehr. Nur wie sollte er das anstellen? Das Geld liegt ja schließlich nicht in Koffern auf ihrem Dachboden herum, sondern gut gesichert auf der Bank oder angelegt in Immobilien. Er musste gleich Uwe und Jörg anrufen, um einen Plan auszuarbeiten. Zu dritt würde ihnen schon was einfallen.
Nach dem zweiten Billardspiel, welches Werner gewinnen konnte, verabschiedete er sich von Hauke und ging nach Hause in seine kleine Wohnung. Von dort aus rief er Jörg und Uwe an, mit denen er schon seit seiner Jugend befreundet war, und verabredete sich mit ihnen für den nächsten Tag. Sie sollten zu ihm kommen, er hätte etwas mit ihnen zu besprechen.
Bei einem Bier und einer TK-Pizza beschrieb Werner den beiden Besuchern die Vermögensverhältnisse von Haukes Großmutter. Genau wie er selbst waren auch Jörg und Uwe nicht abgeneigt, sich das gewisse Kleingeld auf einem Nebengleis abseits von Recht und Gesetz zu besorgen. Als er ihnen eröffnete, dass locker 2 Mio. bei der Oma Krause zu holen seien, waren sie schnell Feuer und Flamme für den Plan, sich bei er alten Frau zu bedienen. Jetzt hieß es, einen Plan zu erarbeiten.
Nachdem die drei Freunde mehrere Alternativen diskutiert hatten, entschieden sie sich dafür, Hauke zu entführen und das Geld zu erpressen. Geldübergabe, Austausch und fertig. Alles klang ganz einfach. Werner selbst dürfte Hauke nicht zu Gesicht bekommen, da sie sich kannten. Außerdem könnte Werner, da er jetzt auch das Vertrauen der Oma Krause genoss, als Helfer bei der Suche mitwirken und die Familie darin bestärken, die Polizei außen vor zu lassen und genau das zu tun, was die Entführer von ihr verlangten.
„Okay, bislang alles schön und gut“, sagte Werner zu später Stunde, „dann lasst uns nochmal zusammenfassen: Wann?“ – „Morgen Abend, wenn er auf dem Heimweg ist.“ – „Wo?“ – „Auf dem Verbindungsweg zwischen der Badstraße und dem Wiesengrund, dort wo der kleine Parkplatz ist.“ – „Wie?“ – „Kurz niederschlagen und ins Auto packen, wenn kein anderer Mensch in der Nähe ist.“ – „Wenn doch?“ – „Wird die Aktion verschoben.“ – „Wohin?“ – „In den Partykeller meiner Eltern. Bis Montag sind sie noch im Urlaub. Solange haben wir freie Bahn.“ – „Super, scheint so, als hättet ihr alles verstanden, bereitet den Keller gut vor, Fesseln, Knebel, alles, was ihr braucht. Und einer von euch bleibt immer bei Hauke, lasst ihn nicht alleine. Ich werde mich um den Erpresserbrief kümmern und darum, dass ich Kontakt zur Familie habe, wenn sie ihn bekommen. Wegen der Geldübergabe werde ich mir auch Gedanken machen. Jetzt los, und vermasselt es morgen nicht!“, verabschiedete er seine Freunde.
6. Die Umsetzung
Hauke Krause machte um 17:00 Uhr Feierabend und ging seinen gewohnten Heimweg. Den im Verbindungsweg abgestellten grauen Opel Omega Kombi nahm er wohl wahr, beachtete ihn aber nicht weiter. „Entschuldigen Sie“, wurde er plötzlich von der Seite angesprochen, „kennen Sie sich hier aus?“ Hauke fuhr herum und stand einem großen Mann gegenüber. Das „Ja“ blieb ihm im Hals stecken, als er sah, dass sein gegenüber eine Strumpfmaske trug und die Kapuze seines Pullovers tief ins Gesicht gezogen hatte. Diesen kurzen Augenblick der Verwirrung nutzte Uwe aus, trat von hinten an Hauke heran und gab ihm mit einem kurzen Holzknüppel einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf.
Hauke sackte in sich zusammen, wurde von Jörg und Uwe aufgefangen und in den Kofferraum gelegt, sie fesselten ihm noch Hände und Füße mit Klebeband und klebten auch einen Streifen über seinen Mund. Dann zogen sie das Rollo, welches zur Laderaumabdeckung diente, zu, klappten den Kofferraum zu und stiegen vorne in das Auto. Den Weg zu Uwes Elternhaus dehnten sie durch Umwege aus, so dass Hauke, sollte er zwischenzeitlich das Bewusstsein wiedererlangen, den Weg nicht nachvollziehen konnte und so nicht ahnen konnte, dass sie sich nur drei Straßen vom Tatort der Entführung befanden, als Jörg den Wagen rückwärts die Auffahrt zu Uwes Elternhaus hochfuhr.
Am Ende der Auffahrt befand sich die Außentreppe zum Keller. Sie schleppten den noch benommenen Hauke Krause die steile Betontreppe hinab und brachten ihn in den Partyraum, wo sie ihn auf das vorbereitete Bett fallen ließen. Hier fesselten sie ihn an Kopf- und Fußteil und verbanden ihm auch die Augen, so dass eine Flucht ausgeschlossen war. Uwe und Jörg nahmen auf der Couch Platz. Nach einer Weile stand Jörg auf und verließ den Raum, um Werner anzurufen und den Erfolg der Aktion mitzuteilen.