Samstag, Und Semir?
Als die Männer weit genug von der Straße entfernt waren, um noch gesehen zu werden, schlugen sie Semir mit ihren Waffen nieder und schossen zwei Mal dicht neben seinem bewusstlosen Körper in den Waldboden.
Sie gingen wieder in Richtung Straße, um den Anschein zu erwecken, Semir im Wald getötet zu haben.
Dann fuhr der Wagen mit Andrea los.
„Das wird sie glauben lassen, er sei tot. Dann ist sie sich jetzt dem Ernst ihrer Lage bewusst. Was machen wir mit ihm?“ – „Hier liegen lassen können wir ihn nicht, da ist er innerhalb von 2 Stunden wieder in der Stadt, er muss für mehr als zwei Tage aus dem Weg.“
Sie zerrten Semir, der gerade wieder zu sich kam, aber recht schwindelig und schwankend auf den Beinen stand, nachdem sie ihn vom Waldboden hochgezogen hatten, zum Auto und setzten ihn auf die Rücksitzbank des Audis.
Semir war halb wach und halb in einer Art Dämmerzustand, sein Kopf dröhnte, und öffnete er seine Augen, fing die Umgebung an zu rotieren; er konnte keinen festen Punkt fixieren. Ihm wurde schlecht. Also schloss er seine Augen wieder, was deutlich angenehmer zu ertragen war und zudem seine Entführer glauben machte, er wäre nicht wach. Wo brachten Sie ihn jetzt hin? Was hatten sie mit ihm vor? Umbringen wohl nicht, dazu wäre gerade eben die beste Gelegenheit gewesen. Was haben Sie mit Andrea vor? Hatte Kenan die Wahrheit gesagt, als er meinte, ihren Kindern würde nichts passieren? Dann würden sie schon bald in Sicherheit sein. Er hoffte zumindest dieses zutiefst. Er muss bald ihren Aufenthaltsort erfahren, und Andreas. Mein Gott, Andrea! Sie musste glauben, er sei tot. Was mag sie nur jetzt durchmachen? Sie war eine Kämpferin, eine Löwin, wenn es um ihre Familie ging, das wusste er und hoffte, sie würde stark genug bleiben, die Situation durchzustehen, bis er sie, wo auch immer sie sein mag, rausgeholt hätte. Im Augenblick konnte er sich allerdings nicht vorstellen, in der Lage zu sein, auch nur zwei Schritte geradeaus zu gehen, aber das musste er, er durfte jetzt nicht aufgeben.
Die Fahrt führte etwa zwei Stunden übers Land. Semir erholte sich langsam von dem Schlag, der Schwindel ging, der Schmerz blieb. Aber seine Konzentrationsfähigkeit kam allmählich zurück, und er war wieder in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen.
Semir blinzelte und bemerkte, dass der Mann, der neben ihm auf der Rücksitzbank saß, seine Augen kaum offen halten konnte und seine Waffe, die er auf Semir gerichtet hatte, nur noch locker in der Hand hielt. Als der Wagen langsamer wurde, weil ein vor ihnen fahrender Traktor aufgrund der schmalen Straße nicht überholt werden konnte, sah er seine Chance gekommen. Jetzt oder nie.
Er entriss seinem Nachbarn blitzschnell die Waffe, schlug ihm damit auf den Kopf, so dass der Entführer in sich zusammen sackte. Der Beifahrer, der sofort reagierte und sich mit seiner Waffe umdrehte, erhielt von Semir einen Schuss in seinen Unterarm, bevor er selber abdrücken konnte. Er ließ seine Waffe fallen, die Semir an sich nahm, und wurde ebenfalls von diesem niedergeschlagen. Dann wandte sich Semir nun dem Fahrer zu: „Hände ans Lenkrad, oder ich knall dich ab! Und jetzt rechts ran!“ Der Fahrer tat, wie ihm geheißen, er hatte auch keine andere Wahl, mit einer Waffe im Genick und eine in der Seite. Dass Semir ohne Zögern davon Gebrauch machen würde, das hatte er gerade eindrücklich bewiesen. Semir stieg aus, als das letzte sie überholende Auto vorbei war und zerrte nun den Fahrer aus dem Auto und in den trockenen Straßengraben. Dort schlug er auch ihn KO. Dann legte er auch die beiden Beifahrer in den Graben. Im Kofferraum des Wagens fand er ein Bündel Kabelbinder, die er nun dazu nutzte, seine Peiniger zu fesseln.
Anschließend setzte sich Semir in den Audi, startete den Motor, wendete und brauste davon. Er musste nach Hause, kam aber nicht weit, die Schmerzen im Kopf und die aufsteigende Übelkeit zwangen ihn nach einigen Kilometern zu einem Stopp auf einem kleinen Parkplatz. Er schaltete den Motor aus und schloss für einen kurzen Moment die Augen, um die Schmerzen „wegzuatmen“. Als er wieder zu sich kam, waren drei Stunden vergangen. Semir schreckte auf. Mist, er wollte nicht einschlafen, so viel Zeit, um Pause zu machen, hatte er nicht. Er fuhr langsam zu seinem Haus.
Man hatte ihm zwar seine Waffe und sein Handy abgenommen, aber nicht den Schlüssel für den BMW und darin lag die „Eintrittskarte“ für Leos Club. Er stellte den Audi vor seinem Haus ab, schloss die Haustür auf und ging in das stille leere Haus. Einen kurzen Augenblick lang hatte er gehofft, das ganze wäre ein Alptraum gewesen und ihn würde Kinderlachen empfangen, aber das Haus war still und leer. Semir ging zuerst ins Badezimmer, um dem Medizinschrank ein Röllchen mit Schmerztabletten zu entnehmen, er nahm gleich drei Stück und steckte die anderen in seine Tasche. Dann ging er zu seinem Tresor, öffnete die Zahlenkombination und entnahm ihm seine Waffe und Ersatzmunition. Er trank noch ein Glas Wasser, sah dabei auf die Bilder am Kühlschrank, Schnappschüsse aus dem Sommer. „Ich hole euch da raus!“, sagte er zu den Gesichtern seiner Lieben.
Dann verließ er wieder sein Haus und setzte sich in seinen BMW. Auf dem Beifahrersitz lag das T-Shirt von Bens Band. Er zog seine Jacke aus und das T-Shirt von Bens Band über sein Poloshirt. Jetzt auf zu Leos Club. Es war schließlich mittlerweile deutlich nach 20:00 Uhr.
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