Dienstag, 13:00 Abkürzung
Auf dem Weg zur Großkontrollstelle fiel ihnen ein Wagen auf, der in einer auf 100 km/h beschränkten Zone mit knapp 180 Sachen an ihnen vorbei rauschte. „Na, den schauen wir uns mal näher an, was meinst du?“, murmelte Alex. Das war eine rein rhetorische Frage, denn er war schon auf die linke Spur gewechselt und beschleunigte seinen Dienstwagen. Semir schaltete auch die Videoüberwachung ein. Mit 195 km/h brausten sie am nächsten 100 km/h-Schild vorbei. „Ich glaube, wir geben uns mal zu erkennen und ziehen sie raus“, beschloss Semir, aktivierte das Blaulicht und den `Polizei´-Schriftzug in seiner heruntergeklappten Sonnenblende.
Der Fahrer des dunklen Sportwagens registrierte, dass er von der Polizei verfolgt wurde, machte aber keinerlei Anstalten anzuhalten. Ganz im Gegenteil: Er zog rasant auf die rechte Spur, um im allerletzten Moment noch die Abfahrt zu nehmen; dabei fuhr er mit seinem linken Reifenpaar schon über die Grünfläche, kam kurz ins Schleudern, fing den Wagen aber wieder ab und fuhr die Ausfahrt zur Bundesstraße hoch. Alex machte eine Vollbremsung, drehte rasant auf dem Standstreifen hinter der Ausfahrt, musste etwa 150 Meter gegen den fließenden Verkehr fahren, um ebenfalls die Abfahrt zu nehmen. Dank des hohen Verkehrsaufkommens auf der Bundesstraße konnten sie den Sportwagen noch beim Abbiegen sehen und wussten so, in welche Richtung er fuhr. Sie überholten mit eingeschaltetem Martinshorn die wartende Autoschlange und rasten hinter dem Flüchtigen her.
Plötzlich und für Semir und Kim völlig überraschend bog Alex in einen kleinen unscheinbaren Seitenweg ein. „Was machst du?“, fragte Semir mit lauter Stimme, „willst du hier etwa Pause machen?“ – „Nein, warte ab, die Bundesstraße beschreibt hier einen großen Bogen und wenn wir diesen Weg nehmen, können wir uns direkt vor ihn setzen. Diese Abkürzung ist genial. Wirst sehen!“, begründete Alex seine Fahrentscheidung. Und richtig, keine drei Minuten später konnten sie die Bundesstraße wieder neben sich sehen, doch nach einem letzten 90°-Knick des Wegs in Richtung Hauptstraße blockierte plötzlich eine nagelneue rot-weiße Schranke ihre Weiterfahrt. Alex trat in die Eisen und brachte den Mercedes gerade noch rechtzeitig vor dem Hindernis zum Stehen. Zum Greifen nah, aber dennoch für sie unerreichbar fuhr jetzt der verfolgte Sportwagen an ihnen vorbei. Hätte er keine getönten Scheiben gehabt, Semir und Alex hätten das hämische Grinsen des Fahrers sehen können. „Ganz toll, Alex! Ganz tolle Abkürzung! Ich bin begeistert!“, fluchte Semir. Er war sauer.
Kim Krüger nahm das ganze schweigend hin und musste über das Verhalten ihrer Kommissare schmunzeln. „Mal verliert man und mal gewinnen die anderen“, meinte sie mit einem Lächeln, „wenn sie jetzt zu unserer Großkontrolle fahren könnten, wäre ich Ihnen sehr verbunden. Auf direktem Weg und ohne Abkürzungen, bitte.“ – „Jawohl, Chefin“, antwortete Alex kleinlaut und brummelte in seinen nicht vorhandenen Bart: „Die Schranke war letztes Wochenende noch nicht da!“
***
Nicht weit von meinem Wohnort (ca. 20 km) wird heute die fünfte Jahreszeit eingeläutet: das Wacken Open Air beginnt, kurz W:O:A! Das Dorf Wacken wird für vier Tage zur drittgrößten Stadt Schleswig-Holsteins. Um euch einen kleinen Eindruck von diesem Ereignis zu geben, habe ich dieses kleine Video rausgesucht.
http://www.youtube.com/watch?v=uZjNhF-HPsE