Beiträge von Yon

    Dienstag, 10:00 Alltag

    „Was machst du gerade?“, fragte Semir seinen Partner Alex, der ihm gegenüber saß, gelangweilt, als er von seinem PC aufblickte, und gähnte. Sie saßen an ihren aufgeräumten und leeren Schreibtischen. Die Berichte des letzten Falls waren erstellt und abgegeben. Die Ruhe war schon fast gespenstig. Seit Tagen waren sie in der Routine gefangen, kein aktueller Fall war zu klären. „Nichts!“, war deshalb auch die einsilbige Antwort des dunkelblonden Hauptkommissars Alex Brandt, die etwa eine halbe Minute auf sich warten ließ. „Nichts?“, fragte Semir ungläubig und streckte sich, „bist du gestern nicht fertig geworden?“

    „Ach komm, lass uns ein wenig rumfahren, vielleicht ergibt sich ja was auf der Straße“, meinte Alex nach weiteren fünf Minuten und stand schon auf, um seine Jacke anzuziehen. Semir tat es ihm gleich und so verließen sie das Büro, um auf der Autobahn ihre Runde zu drehen.

    Während der Fahrt klingelte Semirs Handy. Er blickte aufs Display und lächelte. „Andrea, mein Schatz, was gibt es? – Was? Diesen Sonntag? Muss das sein? – Ja, natürlich mag ich deine Mutter, aber … -- Ja, ok, ich sage ihm ab – Ciao“, er beendete das Gespräch und fluchte „Scheiße!“ Alex sah kurz zu seinem Partner. „Alles in Ordnung? Was ist?“ „Ach, Andreas Mutter feiert am Sonntag ihren Geburtstag, und wir müssen schon zum Frühstück hin, damit ist das ganze Wochenende für mich gelaufen, ich wollte mich eigentlich am Sonntag mit Ben treffen, das kann ich jetzt knicken.“ Seine Laune näherte sich ungebremst mit rasender Geschwindigkeit seinem heutigen Tiefpunkt.

    Mit Ben meinte er natürlich Ben Jäger, seinen ehemaligen Partner und Alex‘ Vorgänger. Dieser hatte vor einigen Monaten der Polizei den Rücken gekehrt, um sich ausschließlich seiner Musiker-Karriere zu widmen. Und das mit Erfolg: Gerade hatte seine Band und er die erste Tour als Profis hinter sich gebracht, nahezu alle Konzerte waren ausverkauft, eine neue CD ist in Arbeit. Jetzt am Sonntag wollten Ben und Semir endlich mal wieder einen Männerausflug unternehmen, denn die letzten Monate waren bei beiden komplett verplant gewesen. Und ausgerechnet jetzt kam Andrea mit der Geburtstagsfeier ihrer Mutter, zu der sie, wie sie sich unmissverständlich ausdrückte, absolut nicht gewillt war, alleine mit den Kindern zu fahren. Und sie hatte eine unwiderstehliche, unnachahmliche Art, ihn spüren zu lassen, dass jeder Widerspruch zwecklos sei. Den Sonntagsausflug mit Ben konnte Semir getrost abhaken.

    Kurze Zeit später fuhr Alex auf den Standstreifen und hielt hinter einem liegengebliebenen VW Käfer älteren Baujahres an. Alex und Semir stiegen aus, und der Jüngere begrüßte den Fahrer, der etwas hilflos neben seinem Wagen stand: „Guten Morgen, Brandt, von der Autobahnpolizei, Ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere bitte. Sind Sie liegengeblieben?“ – „Ja, der Motor ist einfach ausgegangen“, erhielt er zur Antwort, während er seine Brieftasche hervorholte und die gewünschten Papiere in Semirs ausgestreckte Hand legte. Dieser drehte sich sogleich um und schritt zur Überprüfung der Angaben zum Mercedes der Beamten zurück, „Ich wollte gerade zur Notrufsäule laufen und den ADAC anrufen“ – „Sparen Sie sich den Weg, ich rufe den ADAC über Funk“, sagte Semir noch auf dem Weg zum Wagen. „Wann ist denn das passiert?“, wollte Alex weiter wissen. „Vor ein paar Minuten erst“ – „Der Tank ist noch voll?“ – „Ja, es muss am Motor liegen“ Jetzt schlenderte Semir heran und bemerkte trocken: „Da habt ihr Käferfahrer doch Glück. Ihr habt immer einen Ersatzmotor hinten im Kofferraum. Der ADAC weiß Bescheid, Sie stellen bitte noch ein Warndreieck auf, und wir sind hier fertig.“ Er gab die Papiere zurück. „Komm Alex, wir fahren!“ - „Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag, der ADAC wird sicher gleich da sein“, verabschiedete sich Alex von dem Käfer-Fahrer, ging kopfschüttelnd hinter Semir zum Mercedes und setzte sich wieder hinter das Lenkrad seines Dienstwagens.

    „Na, deine Laune ist heute wohl endgültig stiften gegangen“, meinte er zu seinem älteren Kollegen. „Ist das ein Wunder?“, lautete Semirs einziger Kommentar zu Alex‘ Feststellung. Sie läuteten zunächst die Mittagspause ein, machten Station in der PAST und begaben sich in ihr Büro. Alex hatte sich Essen warm gemacht und der Duft füllte den Raum. „Hat Mutti wieder gekocht?“, fragte Semir auf seinem Brot kauend seinen jüngeren Kollegen, der mit vollem Mund nickte. Obwohl Alex mittlerweile seine eigene Wohnung in Köln gefunden hatte, war er doch oft bei seinen Eltern zum Essen und bekam die Reste mit. Semir glaubte mittlerweile, dass Alex‘ Mutter extra eine Portion mehr kocht, weil sie verhindern will, dass ihr einziger Sohn sich nur von Fast Food und Tiefkühl-Pizza ernährt. Alex konnte dieser Service nur recht sein.

    Susanne steckte den Kopf in das Büro der Hauptkommissare: „Kommt ihr mal eben zur Chefin?“ Gesagt, getan, Semir und Alex gingen in das Büro von Kim Krüger, die gleich zur Sache kam: „Wenn ich es richtig mitbekommen habe, haben Sie zurzeit nicht ganz so viel zu tun. Jenny und Erik sind seit den frühen Morgenstunden in unserer Großkontrolle auf der A 57 im Einsatz und sollten für ein paar Stunden abgelöst werden. Und ich komme mit, um mich vor Ort kurz nach den Neuigkeiten zu erkundigen. In fünf Minuten vor der PAST?“ – „Okay, Chefin.“

    http://www.youtube.com/watch?v=K36zqhSIsyY

    Ich gebe euch Recht, das mit dem Nicht-Auffallen eines solchen Einbruchs bezieht sich auf die Diebstähle, denen nicht das vor der Tür abgestellte Auto zum Opfer gefallen ist. Hätte ich vielleicht noch einen Halbsatz drauf ¨verschwenden¨ können.

    Deins liegt mir auf der Zunge, aber es will nicht rauskommen... kleiner Tipp?

    Nein, noch nicht, aber die Fortsetzung des Zitats:

    Bonrath: "Wie bitte??"
    Hotte: "Salami, Leberwurst, gekochten Schinken, ..."
    Bonrath: "Ja das hab ich schon verstanden! Was meinst du überhaupt wie lange wir hier bleiben?? Bis 2012??"

    Sarah ist entführt worden und Ben entsprechend aufgeregt, so dass er von Semir zur Ruhe gezwungen werden muss. Schnell ist die Verbindung zu Sharpov hergestellt.
    Ich hoffe nur, Ben dreht nicht durch und lässt sich wieder zu irgendwelchen Alleingängen hinreißen.

    Spannend und klasse geschrieben! :thumbup:

    Klasse Namenswahl, Ellie! Ich glaube "Prottengeier" hat größte Chancen zum "Fiction-Nachnamen des Monats" gekürt zu werden! :thumbup:

    Lasse kann also kaum glauben, dass Gloria etwas von den Operationen wusste, aber irgendwie muss sie ja damit etwas zu tun und die Drogen verabreicht bekommen haben, denn bislang kann sich keiner vorstellen, dass sie die selbst genommen hat.
    Ich bin gespannt, wie es weiter geht und was unsere Helden noch so in dieser Klinik ermitteln können.

    Dienstag, 10:00 Einbruch

    Petra Grundtal, eine blonde, sportlich gekleidete Frau, betrat die Garderobe von Leos Club am frühen Vormittag und entnahm der Schublade der Kommode den Bund mit den Schlüsseln zu Paulsens Anwesen, um sich anschließend in ihren unscheinbaren grünen Opel Corsa zu setzen und zu der Adresse zu fahren, die Annika auf den Schlüsselanhänger geschrieben hatte. In einer Seitenstraße fand sie ein kleines Parkhaus, in dem sie ihren Opel abstellte. Dann ging sie etwa eine viertel Stunde durch die einsamen, von Stadtvillen gesäumten Wohnstraßen, bis sie vor der vermerkten Adresse stand. Von Leo wusste sie, dass die Bewohner um diese Uhrzeit nicht zu Hause waren, weil sie sich um ihr Autohaus kümmerten. Auch der Gärtner und die Putzfrau hatten an diesem Tag frei.

    Ohne Spuren zu hinterlassen, verschaffte sie sich Zutritt zu dem Anwesen und dem Haus. Sie deaktivierte die Alarmanlage mittels eines Schlüssels, der sich ebenfalls an dem Bund befand. Routiniert schaute sie sich in aller Ruhe im gesamten Haus um, fand im Bade- und Schlafzimmer Schmuck und nahm auch den Tresor in Augenschein, der in diesem Fall einen kleineren Stapel Bargeld und Goldmünzen und allerhand Geschäftspapiere enthielt, die sich nicht zu Geld machen ließen. Die Paulsens bewahrten keine Reichtümer in ihrer Villa auf, wahrscheinlich hatten sie noch ein Schließfach bei einer Bank oder ein Konto in der Schweiz. Aber Petra Grundtal war dennoch zufrieden mit ihrer Beute und verließ die Villa wieder durch die Haustür, die sie sorgfältig hinter sich verschloss.

    Da es keine Einbruchspuren gab, hatte dieser Diebstahl gute Chancen unentdeckt zu bleiben, bis irgendwann das gestohlene Schmuckstück oder die anderen Gegenstände vermisst werden. Aber dann wäre es zu spät, sie wäre längst über alle Berge und keiner würde herausfinden, wie der Dieb sich Zugang zum Grundstück und Haus verschaffte.
    Und wenn es besonders gut läuft, so wie heute, kann Petra sogar den Wagen des Opfers mitnehmen.

    Sie entfernte sich mit einem älteren, aber top gepflegten, roten Mercedes SL Cabrio vom Anwesen der Paulsens, fuhr mit diesem in das Parkhaus und stoppte neben ihrem Opel Corsa, sie hatte Glück, der Nachbarparkplatz war noch frei. So konnte sie beide Kofferraumdeckel gleichzeitig öffnen. Dann befestigte sie falsche Nummernschilder, die sie aus dem Kofferraum des Kleinwagens holte, mit Hilfe von Magneten auf den Originalnummernschildern des Mercedes‘ und holte noch einen schwarzen Lederkoffer aus dem Opel. Hierin verstaute sie die weitere Beute des heutigen Tages, Schmuck und Bargeld, legte den Koffer auf den Beifahrersitz des Cabrios und verließ mit ihm das Parkhaus.

    Ihren Opel Corsa würde sie zu einem späteren Zeitpunkt abholen.

    http://www.youtube.com/watch?v=cVt9bte2a_g

    Foto

    Leo traf Murat im kleinen Büro seiner Angestellten und ließ sich von ihm von der letzten Schlüsselbeschaffung berichten. „Chef, ich glaube, der Türke macht langsam Probleme, wir sollten allmählich den Druck erhöhen.“ – „Was schlagen Sie vor? Wir brauchen ihn für die Kopien.“ – „Gerade deshalb sollten wir uns seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitarbeit sicher sein, ich denke er würde weiterhin hochmotiviert für uns weiterarbeiten, wenn wir ihn wissen ließen, wie lang unser Arm sein kann!“ – „Sie meinen …?“, wollte Leo nachfragen. „Seine Familie, genau.“

    Leonard Kunze ließ sich den Vorschlag seines Mitarbeiters durch den Kopf gehen und meinte dann: „Okay, ein wenig Druck kann ja nicht schaden. Übernehmen Sie das, Murat?“ Der Angesprochene nickte. „Geht klar Chef, ich lasse mir etwas einfallen.“

    Murat hörte sich unauffällig im Viertel des Schlüsseldienst-Inhabers um und erfuhr nicht nur, dass dessen Frau und sein Sohn zwar zurzeit in der Türkei weilten, sondern auch dass er auch einen Bruder mit Familie besaß. Zwar war der Kontakt zwischen den Brüdern nicht wirklich existent, aber diese Familien hielten doch immer zusammen und er würde sicher nicht das Leben von Angehörigen aufs Spiel setzen. Murat brachte zusätzlich in Erfahrung, wo dieser Bruder lebte, aber leider auch, dass er bei der Polizei arbeitete. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Da musste er doppelt vorsichtig sein, wenn die Brüder Kontakt aufnähmen, wäre der ganze Coup in Gefahr. Mitwisser und besonders welche, die auf der anderen Seite des Gesetzes stehen, konnten sie gar nicht gebrauchen. Murat telefonierte mit seinem Bruder Kenan und veranlasste, dass dieser sich auf die Fersen dieses Bruders machte.

    Kenan fuhr am nächsten Tag in seinem dunklem Audi zunächst am Haus der Gerkans vorbei. Jetzt in den frühen Morgenstunden schien Licht aus nahezu allen zur ruhigen Wohnstraße liegenden Fenstern. Die Familie schien noch komplett zuhause zu sein, denn auf der Auffahrt standen zwei Wagen, ein grauer Skoda Octavia und ein silberner BMW. Er suchte sich einen unauffälligen Parkplatz in der Nähe und packte seine Kamera aus. Das 300mm-Objektiv sollte für diesen Zweck ausreichen. Er stellte noch ISO, und die Blendenautomatik ein, um trotz der Dämmerung kurze Belichtungszeiten zu ermöglichen und machte einige Probeaufnahmen vom Haus und den Autos. Als er das Ergebnis auf dem Monitor der Kamera begutachtete, nickte er zufrieden.

    Gegen 7:30 Uhr verlöschte das Licht im Haus und die Haustür wurde geöffnet. Kenan schmunzelte, er hatte Glück, die gesamte Familie verließ das schmucke Einfamilienhaus gleichzeitig. Schnell hatte er einige Schnappschüsse von den Eltern und den beiden Töchtern angefertigt. Er sah Semir nach der Verabschiedung von seiner Familie in den BMW steigen, während Andrea die Mädchen in den Skoda einsteigen ließ und der Kleinen beim Befestigen des Gurtes ihres Kindersitzes half.

    Kenan beschloss, der Frau hinterherzufahren, um noch einige weitere Fotos zu schießen, was er dann auch vor der Schule und dem Kindergarten tat. Dann machte er sich auf den Weg zurück zu Murat, um seine Ergebnisse zu präsentieren und auszudrucken.

    http://www.youtube.com/watch?v=aju5zPurgas

    Wie gut, dass Sahras Kollegin sich gleich an Ben wendet, so können die gleich die Ermittlungen aufnehmen.
    Bin gespannt, wann und wie sie jetzt Irina finden und wie sich Sharpov meldet.
    Jetzt darf Ben nur nicht die Nerven verlieren.