Dienstag, 19:00
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Ben bog ab auf das Industriegelände und näherte sich den Gebäuden, unter denen sich auch das von Susanne markierte Haus befand. Dann stand Ben vor dem Schutthaufen, öffnete die Autotür in Zeitlupe und stieg ebenso langsam aus seinem Mercedes aus. Er sah auf den Bagger, der direkt an der zusammengefallenen Wand stand. ‚Das glaube ich nicht‘, dachte er bei sich, dann stieg Panik in ihm auf. „SEMIR! ALEX! „Er lief auf den Schuttberg zu und versuchte irgendwo einen Blick ins Innere des Gebäudes zu werfen. Von dieser Seite hatte er keine Chance, er umrundete das Haus. Auf der Vorderseite stand die Wand noch und die Fensteröffnungen gaben den Blick nach innen frei. Die gesamte Grundfläche war von der Decke und den Zwischenwänden der ersten Stocks bedeckt, aber er konnte etwas zwischen den Steinen und Betonbrocken ausmachen: ein Rücklicht und ein Teil Blech in … schokoladenbraun.
Ben wusste, dass es unvernünftig war, aber er stieg durch die Fensteröffnung und ging näher an das verschüttete Auto heran. „SEMIR! ALEX!“, wiederholte er seine Rufe von eben, „Seid ihr hier irgendwo?“ – Keine Antwort. Ben verließ die Halle, um zu telefonieren. Sein Handy hatte auch hier draußen sehr wenig Empfang, funktionierte aber. „Susanne? Pass auf, ich habe den Wagen entdeckt, ich brauche hier schweres Bergungsgerät, THW, Feuerwehr, RTW auf Verdacht, das ganze Paket. Das Gebäude ist hier eingestürzt, der Wagen ist verschüttet und Semir und Alex wahrscheinlich auch. Beeil dich!“
Semir meinte etwas gehört zu haben, ein Ruf vielleicht, und lauschte noch angestrengter. Alex rührte sich nicht. Als der Ruf sich aber nicht wiederholte, meinte er schon, es sich nur eingebildet zu haben.
Ben wartete auf die Rettungskräfte, das Haus konnte jederzeit vollends einstürzen, es war zu gefährlich alleine weiterzusuchen. ‚Hoffentlich haben die beiden ein sicheres Loch gefunden‘, hoffte Ben, als mit lautem Martinshorn die Einsatzwageneintrafen.
Ein Feuerwehrmann besah sich das eingestürzte Gebäude. „Guten Abend, Horst Pfeifer mein Name, ich bin hier der Einsatzleiter. Konnten Sie die Verschütteten schon aufspüren?“ Ben schüttelte mit dem Kopf. „Wir beginnen mit dem Auto“, entschied der Feuerwehrmann.
Inzwischen war auch Kim Krüger vor Ort eingetroffen und gesellte sich zu Ben. Auch ihr stand die Angst um ihre Kollegen ins Gesicht geschrieben. Zur Untätigkeit verbannt, standen die beiden vor dem Abrisshaus.
Pfeifer beriet sich mit seinen Kameraden von der Feuerwehr und dem THW. Gemeinsam entschieden Sie, den Wagen per Winde aus dem Haus zu ziehen und vorher einige Stützen anzubringen, um das Haus notdürftig vor dem völligen Einsturz zu bewahren und die Decke über dem BMW soweit anzuheben, dass der Wagen herausgezogen werden konnte.
Semir und Alex bekamen die Aktion mit, konnten sich aber aufgrund der lauten Maschinen nicht bemerkbar machen. Aber sie waren sich jetzt sicher, dass man nach ihnen suchte und sie retten würde.
Alle hielten den Atem an, als die Winde mit der Arbeit begann und den Dienstwagen aus seinem Gefängnis befreite und kreischend nach draußen zog. Keiner traute sich an den zusammengedrückten BMW heran, bis Pfeifer tief durchatmete, an die Seite des Autos trat und durch einen Spalt in der Tür hineinsah. Er schaute Ben und Kim Krüger an und schüttelte mit dem Kopf. Der Wagen war leer.
Bens Handy klingelte. Er schaute auf das Display „Andrea“ stand dort, ‚Scheiße, was soll ich ihr bloß sagen? ‘, fragte er sich und ging ran. „Hallo Andrea“, sagte er tonlos, er konnte seine schlechte Stimmung nicht unterdrücken. „Hallo Ben, ist Semir in der Nähe und kannst du ihn mir mal geben?“ – „Ja und Nein“ Ben entfernte sich etwas vom Bergungsort, um besser hören zu können. „Was soll das heißen? Ben?“, fragte Andrea besorgt. „Ich gehe davon aus, dass Semir in der Nähe ist, aber ich kann ihn nicht dir nicht geben.“ Ben wusste, dass Andrea nachhaken würde, also entschied er sich, ihr gleich zu erzählen, in welcher Situation sich ihr Mann gerade befand und dass sie derzeit nur hoffen konnten, ihn und Alex lebend zu finden. „Andrea, es tut mir leid, ich melde mich, sobald ich mehr weiß“ Er wählte Susannes Anschluss: „Susanne, kannst du bitte sofort zu Andrea fahren, sie sollte jetzt nicht alleine sein“ Ben lehnte sich an einem THW und fuhr sich mit seinen Händen übers Gesicht.
Die Bergungsaktion zog sich hin. Als die Maschinen kurz ruhig waren, machten sich Semir und Alex durch Rufe bemerkbar „Hier! Hier sind wir, im Keller!“ Es war oben kaum zu hören, aber ein junger Feuerwehrmann machte Horst Pfeifer auf die Geräusche aufmerksam. „Im Keller, sagst du?“, fragte dieser und fügte, als sein junger Kamerad bejahte, hinzu „Jungs! Wir bilden eine Kette und räumen die Kellertreppe leer, sie sind da unten!“
Ben konnte nicht mehr untätig herumstehen und half mit, die Kellertreppe Stein um Stein, Brocken um Brocken leer zu räumen und den Weg in den Kellerraum zu ebnen. Die Arbeit zog sich noch fast zwei Stunden hin.