Montag, 14:45 Uhr
Peter Wiese
Inzwischen erreichten Dieter und Jenny das Krankenhaus, im Schlepptau Thomas Schuhmann, Phantombildzeichner der Polizei, und im Gepäck ein Laptop mit der von Susanne aufgespielten Kartei der einschlägig vorbestraften Verbrecher. Peter Wiese sollte sowohl ein Phantombild der Tankstellenräuber anfertigen lassen, als auch die Fotokartei durchblättern. Vielleicht waren die Täter ja schon polizeilich bekannt. Das würde die Fahndung deutlich erleichtern.
Erik Johannsen, der jetzt seit einigen Stunden vor dem Krankenzimmer saß, wurde zurück in die Dienststelle geschickt, die nächste Schicht würden Dieter und Jenny übernehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt war nichts vorgefallen, kein Besuch, keine unbekannten Personen auf der Station.
Jenny nahm den Platz von Erik ein, und Dieter und Thomas betraten das Zimmer von Peter Wiese. Ein blasser Patient schaute sie aus seinem Bett an. „Wie geht es Ihnen, Herr Wiese? Meinen Sie, Sie könnten uns eine Beschreibung der Tankstellenräuber geben? Das ist Herr Schuhmann, der wird die Personen zeichnen, so wie Sie sie beschreiben“, sprach Dieter den Kranken an. „Schlecht. Mir tut alles weh! Aber wir können es gerne versuchen. Wie geht es Herrn Gerkan?“ – „Besser als Ihnen. Der ermittelt schon wieder und braucht dafür jetzt Ihre Hilfe“, antwortete ihm der Uniformierte.
„Herr Wiese“, ergriff jetzt Thomas das Wort, „ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn wir jetzt anfangen könnten, sie haben beide Räuber gesehen, wir erstellen also zwei Phantombilder. Vorher sollten Sie sich allerdings die Fotokartei auf diesem Laptop anschauen, vielleicht erübrigt sich dann auch das Zeichnen. Sind Sie dazu in der Lage?“ – „Ich versuche es“, war die müde Antwort des Bettlägerigen und er betätigte die Fernbedienung für das Bett, um seinen Oberkörper in eine aufrechte Sitzposition zu bringen.
Dieter hatte inzwischen die Bilder auf dem Laptop geöffnet und stellte ihn so auf den Nachttisch, dass Peter Wiese den Bildschirm im Blick hatte und mit der Maus durch die Fotos navigieren konnte. Bei dem einen oder anderem Bild stockte er kurz, verwarf seinen Gedanken aber gleich wieder und klickte zum nächsten Foto. Nach 15 Minuten brach er ab. „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren, können wir das vielleicht morgen weiter führen?“ – „Herr Wiese, es ist sehr wichtig, ihre Erinnerung kann uns der Ergreifung der Täter näher bringen“, versuchte Dieter ihn zur weiteren Mitarbeit zu bewegen, aber Peter Wiese hatte die Augen bereits wieder geschlossen.
„Wir lassen Ihnen den Laptop hier, vielleicht fühlen Sie sich am Abend in der Lageein paar weitere Fotos zu betrachten“, sagte der Phantombildzeichner, „Ich komme dann morgen früh wieder wegen der Zeichnung, bitte notieren Sie sich vorab besondere Merkmale der Personen, falls ihnen welche einfallen, dann legen wir morgen mit der Zeichnung los. Vielen Dank, dass Sie sich wenigstens bemüht haben.“ Thomas stand auf, gab Peter Wiese die Hand zum Abschied, sagte auch Dieter Auf Wiedersehen und verließ das Krankenzimmer.
Familienzeit
Ben hielt wie angekündigt vor Aydas Grundschule an. „Fast pünktlich“, bemerkte er mit Blick auf seine Armbanduhr, „kurz vor drei!“.
„Ihr haltet mich auf dem Laufenden?“, wollte Semir wissen, „und keine Alleingänge, wir wissen wie so etwas enden kann“ – „Ja, Semir, und jetzt raus. Sonst wird deine Familie noch ein schwererer Fall als der Tankstellenraub. Wir melden uns …“ Nachdem Semir das Auto verlassen hatte, fügte er leise hinzu „... bei dir heute auf gar keinen Fall!“
Ben sah seinem Freund und Partner hinterher, drehte sich dann zu Alex um. Er räusperte sich und fing an zu reden:
„Ich erzähle dir jetzt mal was von deinem neuen Partner. Es gibt zwei große Lieben in seinem Leben. Die Erste ist seine Familie, die Zweite seine Arbeit. Seine Familie musste er schon oft wegen unserer Einsätze vernachlässigen. Heute wärees auch fast soweit gewesen. Wäre nicht zufällig heute dein erster Arbeitstag bei uns, säße ich jetzt mit Semir im Büro, und wir würden den Pfeffersprayer vernehmen und uns durch den Aktenberg wühlen. Das hätte er nicht mich alleine machen lassen. Letztes Jahr hat er sogar die Einschulung seiner Tochter verpasst.“ – „Echt?“, fragte Alex nach, „da habt ihr wohl auch an einem sehr schweren Fall gesessen?“ – „Ohne „Fall“. Wir haben nur gesessen“, erläuterte Ben und dachte an den unfreiwilligen Gefängnisaufenthalt zurück. „Das hat ihn und seine Frau schwer belastet, damals, darum sind Tage wie diese umso wichtiger. Ich möchte dich bitten, sorge bitte auch in Zukunft dafür, dass er ausreichend Familienzeit wahrnimmt, denn wenn der Haussegen im Hause Gerkan erst einmal schief hängt, ist Semir nicht wirklich zu etwas zu gebrauchen. Es wäre also auch in deinem eigenen Interesse“ – „Heißt das, dass bei ihm zuhause seine Frau die Hosen anhat?“
Jetzt musste Ben schmunzeln und legte sich die Wörter für seine Antwort gut zurecht:
„Sagen wir‘smal so, Semir hat schon die Hosen an, aber Andrea bestimmt,wohin siegehen.“
Damit beendete Ben seine Ausführungen und gab Gas. In der PAST wartete der Pfeffersprayer auf seine Vernehmung.