Krügers Wohnung
Wie verabredet saß Kim Krüger in ihrem Auto und erwartete Semir und Alex. „Sind Sie sicher?“, fragte Semir und ging zum Kofferraum. Dort bewahrten Alex und er ein Satz schusssichere Westen auf. „Ja, ich sah den Vorhang sich bewegen, und bin mir sicher, heute Morgen kein Fenster aufgelassen zu haben. Da muss jemand in der Wohnung sein.“ Sie rüsteten sich mit den Westen auf, luden ihre Waffen noch einmal nach und waren gerade bereit zum Aufbruch, als Ben mit quietschenden Reifen in seinem Privatwagen hinter ihnen zum Stehen kam. Auch er war in Kürze einsatzbereit.
Der Eindringling kauerte hinter dem Wohnzimmerfenster und spähte die Straße hinunter. Kim Krüger war überfällig, wie ihm ein kurzer Blick auf seine Uhr verriet. Sie hätte bereits vor einer knappen Stunde hier eintreffen sollen. Er ärgerte sich jetzt darüber, dass er sich für das zu spritzende Gift entschieden hatte, aber er wollte sicher gehen, dass sie es war, der er es verabreichte. Die Tropfen, die ihm stattdessen angeboten worden waren, hätte er in wenigen Sekunden im Kühlschrank in eine Getränkeflasche füllen können, wäre damit aber das Risiko eingegangen, dass nicht nur Kim Krüger selbst, sondern auch ein unbeteiligter Gast zu Schaden kommen könnte, dem Kim Krüger einen Schluck zum Trinken anbieten wollte. Und das wollte er wenn möglich vermeiden.
So musste er in Krügers Wohnung auf ihre Heimkehr warten. Vielleicht war sie noch einkaufen? Oder hatte eine Freundin getroffen? Oder konnte nicht pünktlich aus dem Büro? Er musste sich in Geduld üben. Seine Zeit würde schon kommen. Eine Bewegung vor dem Fenster ließ ihn zusammenzucken und aufmerksam lenkte er seinen Blick auf den Weg vor der Haustür. Polizei? Mist! Zwei Männer näherten sich der Tür. Er musste schnell aus dieser Wohnung raus. Sie kamen in geduckter Haltung auf das Haus zu.
Ben und Semir hatten sich noch am Wagen von Kim und Alex getrennt. Sie wollten die Wohnung durch das Treppenhaus, ihre Kollegen vom Garten aus betreten. Kim hatte eine von außen zu öffnende Terrassentür, das kam ihnen jetzt sehr gelegen. Gleichzeitig stürmten sie mit gezogenen Pistolen die Wohnung der Krüger und trafen sich im Flur.
Nur einen Augenblick vorher war ihre Zielperson durch den Flur ins Nebenzimmer gerannt und hatte über die dort befindliche Treppe den oberen Schlafraum erreicht, dessen Fenster auf das Dach der benachbarten Garagen führte. Durch den Luftzug, der durch das gleichzeitige Öffnen von Wohnungs- und Terrassentür entstanden war, klapperte das offene Fenster im Obergeschoss, das Geräusch zog sofort Semirs Aufmerksamkeit auf sich. Zwei Stufen auf einmal nehmend erklomm er schnell das obere Stockwerk der Wohnung, langsamer gefolgt von Alex, während Ben und Kim die untere Etage checkten und schnell zu dem Ergebnis kamen, dass die Wohnung verlassen war.
Semir erreichte das offene Fenster nach zwei Schritten und sah eine Gestalt gerade den Rand des Garagendaches erreichen, wo sie gerade in die Knie ging, um sich anschließend am Dach hängend auf den Asphalt herabzulassen. „Alex! Ben! Er ist raus über die Garagen“, rief er noch und hatte sich schon auf das Fensterbrett geschwungen, um es dem Fliehenden gleich zu tun. Auch er überquerte im Laufschritt die Garagen und sprang auf den Garagenhof. Er blickte sich schnell um, es gab nur eine Richtung, in die ihr Gegner verschwunden sein konnte, die andere war eine Sackgasse. Die Zeit war zu knapp gewesen, als dass er sich in einer der Garagen hätte verstecken können, das Geräusch des Schwingtores hätte Semir gehört. Er rannte los.
Alex machte kehrt und verließ mit Ben das Haus durch die Terrassentür, um Semir von der anderen Seite zu Hilfe zu eilen oder dem Fliehenden den Weg abzuschneiden. Während Alex das Auto holte, steuerte Ben seine Schritte in Richtung der Garagenhöfe.
Semir kam an eine Querstraße und sprang plötzlich entsetzt zurück, beinahe hatte ihn ein schwarzer Jaguar erwischt, der mit hoher Geschwindigkeit auf die Hauptstraße zusteuerte. Das musste er sein, vermutete Semir und merkte sich das Kennzeichen. Er hörte Ben aus der Querstraße rufen: „Das war er! Wo bleibt Alex mit dem Wagen?“
Als hätte er die Frage gehört, brachte Alex just in diesem Moment den Mercedes neben ihnen zum Stehen. Ben und er waren gerade eingestiegen, da griff Semir schon zum Funkgerät und setzte sich mit der Zentrale in Verbindung. „Zentrale für Cobra 11! Wir verfolgen einen schwarzen Jaguar mit dem amtlichen Kennzeichen K – AK 381 auf der Kölner Straße in Richtung B264. Bitte um Verstärkung und einen Streifenwagen und die Spusi zur Wohnung von Kim Krüger.“ Er wandte sich Alex zu. „Alex, gib Gas!“
Sie nahmen die Verfolgung auf und ließen eine durch den Eingriff in ihre Privatsphäre verstörte Kim Krüger zurück, die nun alleine in ihrer Wohnung auf das Eintreffen der Streife und der Spurensicherung wartete.