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Ein lautes Dröhnen durchbrach die Stille der Nacht, gefolgt von einer Polizeisirene. Mit atemberaubendem Tempo rasten ein Audi und ein Passat über die vierspurig ausgebaute B 14. Semir versuchte, den Abstand zu verringern, was aufgrund des Leistungsunterschieds jedoch nicht einfach war. Auf der Rücksitzbank saß Benedikt. Mit der einen Hand hielt er sich am Türgriff fest, mit der anderen umklammerte er sein Handy. „Herr Häberle, die Sache ist schiefgelaufen! Julia und Simone wurden entdeckt und entführt. Gerkhan verfolgt den Entführer auf der Hauptstätter Straße.“ Ein rotes Licht blitzte vor dem Audi auf. „Und jetzt haben wir auch ein Beweisfoto für die Entführung!“ Semir grinste. „Das gibt bestimmt ein paar Punkte in Flensburg. Lächeln, Chefin!“ Auch der Passat wurde von der stationären Radarfalle erfasst. Nach einer Unterführung verengte sich die Fahrbahn auf eine Spur und mündete in eine Linkskurve. Der Audi musste abbremsen, Semir konnte aufholen.
„Wo könnte der hinwollen?“ fragte Kim Krüger in Benedikts Richtung. „Raus aus der Stadt wahrscheinlich.“ Semir schaltete wieder hoch. „Dann müssen wir ihn vorher schnappen, auf der Autobahn haben wir keine Chance gegen den Schlitten.“ – „Wenn er den Heslacher Tunnel nimmt, haben wir noch eine Chance.“ Semir spitzte seine Ohren. „Wieso?“ Sie fuhren an der nächsten Kreuzung vorbei. Benedikt versuchte sich nach vorne zu beugen, aufgrund Semirs Tempo fiel ihm dies sichtlich schwer. „Im Tunnel gibt es eine Kreuzung, die ist ampelgeregelt. Die Ampel ist die ganze Nacht durch an.“ – „Und wenn die Ampel grün ist?“ – „Ich muss da öfters durch. Die ist nie grün!“ schrie Benedikt nach vorne, da ihn die letzte Kurve schon wieder in den Sitz gedrückt hatte. Vor ihnen tat sich bereits das Tunnelportal auf. „Na dann hoffen wir mal, dass Sie recht haben.“
Semir schaltete erneut, als sie in den Tunnel einfuhren, der sich nach einer leichten Rechtskurve gerade durch den Stuttgarter Südhang schlängelte. „Da vorne!“ rief Benedikt. Schon von Weitem erkannte Semir die Ampel. Sie zeigte rot. Vier Autos warteten geduldig, weiterfahren zu dürfen. Der Audi bremste scharf ab, die Reifen quietschten. „Jetzt haben wir ihn!“ rief Benedikt freudig aus. Doch der Audi scherte nach links aus und fuhr auf der Gegenfahrbahn des einröhrigen Tunnels weiter. In diesem Moment schaltete die Ampel auf Grün, die Fahrzeuge setzten sich langsam in Bewegung. Stölzles Audi fuhr jedoch bereits neben der Warteschlange. Eine Lichthupe durchbrach das eintönige Weißgelb der Neonlampen. Auch in der Gegenrichtung hatten Fahrzeuge auf die nun angebrochene Grünphase gewartet. Der Audi bremste wiederum scharf ab. Ein ohrenbetäubendes Hupen erklang durch die Röhre und wurde von den Tunnelwänden reflektiert. Da bog der Audi nach links in einen Seitentunnel ab. „Verdammt!“ schrie Benedikt. „Was ist?“ – „Er ist jetzt auf der Gegenfahrbahn der Ausfahrt.“ – „Das bedeutet?“ – „Die ist nicht breit genug für zwei Fahrzeuge. Jetzt darf keiner entgegen kommen.“ – „Und jetzt?“ – „Hier rechts raus, da kommen wir zur gleichen Straße.“ Semir fuhr nach rechts in den Seitentunnel ein. Sie hörten einen Knall, der eindeutig aus dem anderen Seitentunnel kam…