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Ein beißender Geruch von Gummi und Benzin stieg Ben und Stechele in die Nase, als sie die Halle von „Richies Tuningwerkstatt“ in der Uhlbacher Straße in Stuttgart-Untertürkheim betraten. Ein kahlrasierter Zwei-Meter-Hüne steckte bis zum Hals im Motorraum eines weinroten Mercedes CLS, aus der hinteren Ecke der Halle heulte ein Motor auf. Richie, der Besitzer der Werkstatt, putzte seine ölverschmierten Finger an einem ebenso ölverschmierten Lappen ab und reichte Ben und Stechele die Hand. „Mike!“ rief er den Hünen herbei, der im Gegensatz zu seinem muskulösen Äußeren äußerst kindliche Gesichtszüge hatte und ebenso ölverschmierte Finger wie Richie. „Mike Danner, auch Thunder-Mike genannt, was kann ich für Euch tun? Tieferlegen, aufmotzen, Chip entfernen?“ – „Das letzte habe ich gerade geflissentlich überhört.“ zückte Stechele seinen Dienstausweis. Das Lachen wich aus Mikes Gesicht.
„Aber deswegen sind wir nicht hier. Sie kannten Sonja Kandel?“ – „Sunny? Klar, aber wieso ‚kannte‘?“ – „Können wir das irgendwo in Ruhe besprechen?“ Mike führte die Polizisten in einen kleinen Lagerraum und schloss die Tür. „Sonja Kandel ist tot. Sie wurde gestern Nachmittag erschossen. Sie kannten Sie näher?“ – „Erschossen? Aber wie…“ Aus Mikes Gesicht war jegliche Farbe verschwunden. „Von ihren Mitbewohnerinnen erfuhren wir, dass Sie mit, wie Sie sie wohl nennen, ‚Sunny‘ näher befreundet waren?“ Nur zögerlich antwortete Mike: „Ja, sie war ein leckeres Mädle und wir haben uns ein paar Mal getroffen. Doch als sie mitbekommen hat, dass ich an Autos rumschraube, hat sie plötzlich überreagiert. Nur, weil ich halt kein 3-Liter-Spießerauto fahre so wie sie. Bei ihr war immer alles sauber und öko. Sunny hatte da einen echten Tick. Alles musste umweltbewusst sein, nur nicht unnötig Benzin verbrauchen und da haben wir uns vorgestern komplett gezofft. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Und: nein, ich hab sie nicht umgebracht.“
Ben begann mit dem Routineprogramm: „Herr Danner, wir müssen Sie das trotzdem fragen: Wo waren Sie gestern Vormittag?“ – „Ich hab eine Probefahrt mit dem CLS hier gemacht. Richie wird Ihnen das bestätigen können. Wir sollen den für einen guten Kunden mit ein paar kleinen Extras aufmöbeln, und gestern wollte ich das Baby mal ausfahren. Hat nicht viel gebracht, nachdem der Drackensteiner Hang ja schon wieder dicht war.“ Ben wusste nur zu gut, warum. „Und seit vorgestern hatten Sie keinen Kontakt mehr?“ – „Nein, Sunny ist abgezischt. Ich wollte sie eigentlich zur Versöhnung ins Kino einladen, aber sie ist einfach abgehauen.“ – „Fluch der Karibik 4?“ fragte Ben wie selbstverständlich. „Ja, wieso?“ – „Sie war im Kino, vorgestern Abend, die Kinokarte haben wir bei ihr gefunden. Und Sie waren nicht zufällig auch dort?“ – „Nein, ich bin dann noch n bisschen rumgefahren, um den Frust loszuwerden.“ – „Und dafür gibt es keine Zeugen?“ – „Nein. Gegen Mitternacht war ich wieder daheim und bin dann in die Falle. Alleine.“ Ben und Stechele sahen Mike skeptisch an…