Beiträge von thommyn

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    Ein beißender Geruch von Gummi und Benzin stieg Ben und Stechele in die Nase, als sie die Halle von „Richies Tuningwerkstatt“ in der Uhlbacher Straße in Stuttgart-Untertürkheim betraten. Ein kahlrasierter Zwei-Meter-Hüne steckte bis zum Hals im Motorraum eines weinroten Mercedes CLS, aus der hinteren Ecke der Halle heulte ein Motor auf. Richie, der Besitzer der Werkstatt, putzte seine ölverschmierten Finger an einem ebenso ölverschmierten Lappen ab und reichte Ben und Stechele die Hand. „Mike!“ rief er den Hünen herbei, der im Gegensatz zu seinem muskulösen Äußeren äußerst kindliche Gesichtszüge hatte und ebenso ölverschmierte Finger wie Richie. „Mike Danner, auch Thunder-Mike genannt, was kann ich für Euch tun? Tieferlegen, aufmotzen, Chip entfernen?“ – „Das letzte habe ich gerade geflissentlich überhört.“ zückte Stechele seinen Dienstausweis. Das Lachen wich aus Mikes Gesicht.

    „Aber deswegen sind wir nicht hier. Sie kannten Sonja Kandel?“ – „Sunny? Klar, aber wieso ‚kannte‘?“ – „Können wir das irgendwo in Ruhe besprechen?“ Mike führte die Polizisten in einen kleinen Lagerraum und schloss die Tür. „Sonja Kandel ist tot. Sie wurde gestern Nachmittag erschossen. Sie kannten Sie näher?“ – „Erschossen? Aber wie…“ Aus Mikes Gesicht war jegliche Farbe verschwunden. „Von ihren Mitbewohnerinnen erfuhren wir, dass Sie mit, wie Sie sie wohl nennen, ‚Sunny‘ näher befreundet waren?“ Nur zögerlich antwortete Mike: „Ja, sie war ein leckeres Mädle und wir haben uns ein paar Mal getroffen. Doch als sie mitbekommen hat, dass ich an Autos rumschraube, hat sie plötzlich überreagiert. Nur, weil ich halt kein 3-Liter-Spießerauto fahre so wie sie. Bei ihr war immer alles sauber und öko. Sunny hatte da einen echten Tick. Alles musste umweltbewusst sein, nur nicht unnötig Benzin verbrauchen und da haben wir uns vorgestern komplett gezofft. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Und: nein, ich hab sie nicht umgebracht.“

    Ben begann mit dem Routineprogramm: „Herr Danner, wir müssen Sie das trotzdem fragen: Wo waren Sie gestern Vormittag?“ – „Ich hab eine Probefahrt mit dem CLS hier gemacht. Richie wird Ihnen das bestätigen können. Wir sollen den für einen guten Kunden mit ein paar kleinen Extras aufmöbeln, und gestern wollte ich das Baby mal ausfahren. Hat nicht viel gebracht, nachdem der Drackensteiner Hang ja schon wieder dicht war.“ Ben wusste nur zu gut, warum. „Und seit vorgestern hatten Sie keinen Kontakt mehr?“ – „Nein, Sunny ist abgezischt. Ich wollte sie eigentlich zur Versöhnung ins Kino einladen, aber sie ist einfach abgehauen.“ – „Fluch der Karibik 4?“ fragte Ben wie selbstverständlich. „Ja, wieso?“ – „Sie war im Kino, vorgestern Abend, die Kinokarte haben wir bei ihr gefunden. Und Sie waren nicht zufällig auch dort?“ – „Nein, ich bin dann noch n bisschen rumgefahren, um den Frust loszuwerden.“ – „Und dafür gibt es keine Zeugen?“ – „Nein. Gegen Mitternacht war ich wieder daheim und bin dann in die Falle. Alleine.“ Ben und Stechele sahen Mike skeptisch an…

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    Mürrisch goss Ben die schwarze Plörre, die die ebenso mürrische Frühstückskellnerin unverdienterweise als Kaffee bezeichnet hatte, in seine mit Blümchen verzierte Tasse. „Meint ihr, wir überleben das hier?“ fragte er in die müden Gesichter von Semir und der Chefin. Semir starrte, ganz in Gedanken versunken, auf seinen Teller, auf dem ein halbes „Weggle“ sein Dasein fristete. „Hä?“ gab er Ben als Antwort. „Hallo, Erde an Cobra 11. Kommt mein türkischer Hengst heute gar nicht in die Hufe?“ – „Sorry, ich hab mir die halbe Nacht Gedanken gemacht, was hinter dem Mord wohl stecken könnte, bin aber auf keinen grünen Zweig gekommen. Das mit dem Handy lässt mir einfach keine Ruhe. Warum war es unter dem Sitz festgeklebt? Hatte die Kandel irgendetwas geahnt? War ihr bewusst, dass sie verfolgt wird?“ – „Herr Gerkhan, vielleicht überrascht Sie Häberle heute mit richtig großem Tatendrang. Stechele müsste uns sowieso gleich abholen.“ – „Mmh.“ bekam Kim Krüger als einzige Antwort. Zehn Minuten später fuhr Stechele mit seinem Dienstpassat auf den Hof.

    „Morgen!“ Häberle wirkte ausgeschlafen und putzmunter. Er war frisch rasiert, trug ein frisches Hemd und hatte seinen Drehstuhl mit zwei Holzklötzen verstärkt. „Mir hän scho die erschte Ergebnisse von der KTU!“ Augenblicklich wurden die Augen von Ben und Semir wacher. Zur Erleichterung von Ben und Semir übernahm Stechele das Wort. „Der Telefonspeicher und der Nachrichtenspeicher waren leer. Sie hat wohl alle Nachrichten und Kontakte gelöscht. Wir haben aber Benedikt auf die Sache angesetzt…“ – „Benedikt?“ Semir schaute etwas misstrauisch. „Unser Technikfreak hier.“ erläuterte Stechele. „Wenn irgendeiner gelöschte Daten wiederherstellen kann, dann er. Benedikt versucht, ob er etwas wieder lesbar machen kann.“

    Sandra Schmidt stand in der Tür und ergänzte: „Und die beiden Studentinnen aus der WG haben heute Morgen angerufen. Sie wussten nicht, ob es interessant sein könnte und ihnen ist es nach dem Schock erst in der Nacht wieder eingefallen, aber Sonja Kandel hatte wohl einen Verehrer, den sie erst vor ein paar Tagen hat eiskalt abblitzen lassen.“ Sie wedelte mit einem Notizzettel. „Hier ist die Adresse: Mike Danner, arbeitet in einer Autowerkstatt in Untertürkheim.“ Sie beratschlagten sich noch eine Weile und beschlossen, dass Ben und Stechele zu Danner fahren würden, während Semir in Zusammenarbeit mit diesem Benedikt das Handy weiter untersuchen würde…

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    Demmler blickte ungeduldig in den Morgenhimmel. Er hatte kaum geschlafen und fühlte einen pochenden Schmerz in der Schläfe. Und das, obwohl er neben der vierten Zigarette auch schon das zweite Schmerzmittel hinter sich hatte. Der Laptop war nicht aufzutreiben. In der Wohnung war er nicht. Und wenn er im Jeep war, konnte er nur hoffen, dass nichts in falsche Hände geriet. Der Anruf hatte sein Konzept dann vollends über den Haufen geworfen und er war Stölzle dankbar, dass dieser ihm noch am Abend eine Lösung präsentierte, wie dieser ärgerliche Zwischenfall auf elegante Weise zu lösen war, der Deserteur beseitigt und alle Spuren verwischt werden konnten. Der Plan war absolut genial. Niemand würde ihn verdächtigen, keine Spur würde mehr zu ihm führen und außerdem war ihm dieser Kerl sowieso lästig geworden.

    Stölzle war wirklich tüchtig und er überlegte, ob er ihn nicht im Sommer in sein Chalet in Südfrankreich einladen sollte. Zwei Wochen Erholung, die Berge und das Meer vor der Haustür und der benachbarte Wirt hatte den besten Rotwein der Gegend im Keller. Doch vorher musste er diese Sache endlich zu Ende bringen. Er war auf dem besten Wege dazu.

    Es klopfte. Stölzle verkündete, dass er alles vorbereitet hätte und steckte den Schlüssel, den Demmler schon zu Beginn des Projektes hatte nachmachen lassen, wieder in Demmlers Manteltasche. Erst dann zog sich Stölzle die Einmalhandschuhe aus und warf sie in den Abfalleimer der Büroküche. Sauber, pflichtbewusst und ohne Spuren zu hinterlassen, so hatte er seinen Privatsekretär in den vergangenen zwei Jahren zu schätzen gelernt. Das mit Südfrankreich war wirklich eine gute Idee.

    „Bleibt es bei 12 Uhr?“ – „Es bleibt dabei“. Demmler holte das Mobiltelefon aus der abgeschlossenen Schreibtischschublade. Selbstverständlich handelte es sich um ein Prepaid-Handy, so dass man den Anruf nie würde zurückverfolgen können, und morgen würde er das Handy sowieso entsorgen. Und derjenige, mit dem er jetzt telefonierte, würde den heutigen Tag sowieso nicht überleben…

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    Der Konferenzraum des Polizeireviers von Geislingen war mit den gleichen tristen 70er-Jahre-Möbeln eingerichtet wie Häberles Büro. In Ermangelung seines eigenen Drehstuhls musste sich auch Häberle in einen der viel zu engen Konferenzstühle quetschen, was ihm selbiger sichtlich verübelte. Häberle eröffnete die Runde, berichtete von seinen und Krügers Telefonaten mit dem familiären Umfeld von Sonja Kandel in Brandenburg, konnte aber weder sensationelle noch sonst verwertbare Neuigkeiten vermelden. Dann berichteten Ben und Stechele von ihrem Besuch in der WG. Als Stechele von der Schießerei berichtete, wurde Häberles Kopf wieder röter. „Zuständ hän mir hier inzwische. Als ich jung war, hän die Leit no Reschpekt g’hätt vor die Polizischtn.“ Ben und Semir versuchten, sich ein erneutes Lachen über Häberles Dialekt zu verkneifen, aus dem Augenwinkel konnte Ben erkennen, dass es seiner Chefin ähnlich erging.

    Semir rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Er konnte es nicht erwarten, endlich das Handy zu untersuchen. Überhaupt ging ihm das alles hier viel zu langsam, das musste er schon bei der Spurensicherung am Rasthof feststellen. Er – der in seinem Leben immer einen Schuss Action brauchte, egal ob auf der Autobahn oder zuhause bei seinen Töchtern, fühlte sich hier in der Provinz einfach nicht wohl. Ob es Ben ebenso erging? Der schien das Abenteuer bisher relativ locker wegzustecken. Endlich war Semir an der Reihe und präsentierte stolz das gefundene Handy. Doch anstatt jetzt in Tatendrang zu verfallen, erhob sich Häberle langsam von seinem Stuhl. „Herr Gerkhan, mir wäret des untersuche lasse vo unsara technische Leit.“ – „Wie? Ich dachte, wir rufen jetzt einfach mal die letzten Nummern durch?“ Semir sah Häberle verständnislos an. „Herr Gerkhan, für so was bezahled mir hochbezahlte Techniker. Die prüfed des, suched die letzschte Nümmerle raus und jaget die glei durch die Fahndungsdingschda.“ „Fahndungscomputer.“ vervollständigte Krüger den Satz resigniert. „Hän I doch g’sagt. Also meine Herre, mir gänget jetschd hoim, morgen sehed mir weida.“ schloss Häberle wie selbstverständlich die Sitzung.

    Stechele begann, seelenruhig seine Tasche zusammenzupacken. Ben versuchte, Semir zu unterstützen: „Wie? Sollen wir seelenruhig zusehen, wie da draußen womöglich ein Mörder frei rumläuft? Ich glaube kaum, dass die beiden Kamikazefahrer die Kandel nur so aus Langeweile abgeknallt haben. Da muss mehr dahinter stecken!“ – „Des glaubet mir aa, aber des wäred mir heute aa nimma lösed. Bis morgen.“ – „Aber das Handy…“ setzte Semir erneut an. „Mir untersuched des!“ schnauzte Häberle zurück. „Stechele, bringet se die drei ins Kaiser. Bis morgen!“ Häberle wartete bereits an der geöffneten Tür. Kim Krüger, Ben und Semir schauten gleichsam betreten aus der Wäsche. „Also, meine Herren, Aufbruch.“ gab Krüger schließlich nach.

    Mit Stecheles Dienstpassat wurden die drei keine zehn Minuten später vor einer wenig einladenden dunkelroten Fassade in der Stuttgarter Straße abgesetzt. „Des beschte Häusle im Städtele…“ versuchte Ben Häberle zu imitieren. „Der Häberle hat wohl vergessed zu erwähned, dass es das ‚beschte Häusle‘ ist, weil es das ‚einzigschte Häusle‘ im ‚Städtele‘ ist.“ kommentierte er mit Blick auf den Landgasthof Kaiser, dessen Eingangsstufen von zwei grinsenden Gartenzwergen mit roten Zipfelmützen und „Herzlich Willkommen“-Schildern bewacht wurden. „Naja, sieht vielleicht nur von außen so schlimm aus.“ Die drei traten ein. „Stimmt, Partner, sieht nur von außen schlimm aus. Innen ist es viel schlimmer.“ – „Denk einfach, Du bist im Metropol.“ versuchte Semir Ben erneut zu besänftigen. „Wie denn, bei dem Anblick?“ Ben deutete mit einem leichten Kopfnicken auf die Angestellte an der Rezeption, die mit ihren ungekämmten Haaren und ihren weit mehr als 100 Kilo wie eine Mischung aus Angela Merkel und Dienststellenleiter Häberle wirkte. „Ist halt eine praktische Frau. Im Winter wärmt sie, im Sommer wirft sie Schatten.“ – „ Auf des Schättele ko i gern verzichtad.“ schwäbelte Ben erneut. „Bitte, nicht Du auch noch, der Tag war schlimm genug.“ stöhnte Semir.

    Fünf Minuten später verabschiedete sich Kim Krüger aus dem mit einer absolut hässlichen rot-orange gestreiften Plüschtapete ausstaffierten Flur in ihr Einzelzimmer. Ben und Semir blieben an der benachbarten Tür stehen, öffneten und steckten ihren Kopf in das, was das Angela-Merkel-Häberle-Double ihnen als „einzigschtes Doppelzimmer mit getrennte Bette“ verkauft hatte. Es bestand aus einem schmalen Bett, welches in der Ecke stand, darüber ein Bild, auf dem ein Hirsch seinen Kopf in die Höhe reckte, und einer ausgezogenen Schlafcouch. Ben und Semir sahen sich an. „Okay, ich bin der Dienstältere, also steht mir das Bett zu.“ - „Das ist gemein“, entgegnete Ben, „lass uns wenigstens Schnick-Schnack-Schnuck machen.“ Nach vier Runden mit je zwei Steinen hatte Semirs Papier schließlich Bens Stein eingewickelt. Er zog die Schuhe aus und warf sich auf das Bett, was dieses ihm mit einem ohrenbetäubenden Knarzen dankte. „Au!“ schrie Semir, der nicht erwartet hatte, dass die Matratze überhaupt nicht nachgab. „Ein Brett ist ein Himmelbett dagegen.“

    Ben grinste, als Semir ihm entgegenkam. „Platz da, wir tauschen!“ – „Nee, nee, so nicht!“ versuchte Ben, seine soeben erspielte Schlafcouch zu verteidigen. Nach drei weiteren Runden Schnick-Schnack-Schnuck verzog er sich grummelnd auf das Bett und versuchte, sich vorsichtig darauf zu setzen. „Naja, wenigstens hat das Brett keine Nägel oben drauf…“

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    Aus Semirs Jackentasche dröhnte “Highway to Hell”. Semir fluchte leise und beschwor sich erneut, dass er den Klingelton seines Handys ändern würde, sobald er die Einstellung hierfür in den vielen verwirrenden Menüs seines iPhones, welches er sich selbst zu seinem letzten Geburtstag gegönnt hatte, wiederfinden würde. „Ben, was gibt’s?“ – „Hallo Partner, na, bist Du noch fleißig am Benzinpreise studieren?“ – „Sehr witzig! Den Wagen von der Kandel haben wir schnell gefunden, irgendwann fiel auch der Spurensicherung auf, dass hier ein Auto zu viel rumstand. Netterweise ist es genau der Fiesta, über den der Mörder drüber gelaufen ist.“ – „Klasse, dann können wir ihn ja vielleicht daran identifizieren.“ – „Zumindest seine Schuhgröße wissen wir jetzt, 45, aber ich glaube kaum, dass uns das wirklich weiterhilft.“

    „Und die Überwachungsvideos von der Tankstelle?“ – „Sind wir auch durch. Die waren schlau, auf keiner Kamera ist auch nur der Ansatz eines Gesichtes zu sehen. Aber man kann erkennen, dass sich der Fahrer des Jeeps am Auto von der Kandel zu schaffen gemacht hat.“ – „Wie jetzt? Wollten die eigentlich das Auto klauen, und haben die Kandel nur so ganz nebenbei umgebracht?“ – „Wohl eher nicht. Während der eine ihr in die Tankstelle folgte, schlug der andere die Scheibe der Beifahrertür ein und nahm eine schwarze Tasche aus dem Auto. Und bevor Du fragst, nein, wir konnten noch nicht erkennen, was darin war. Die von der KTU werden in dem Jeep nach einer schwarzen Tasche suchen, sobald sie den von der Felswand gekratzt haben. Aber wie gesagt, das kann dauern… Hast Du was Brauchbares, Partner?“

    „Die WG von der Kandel und ihren Freundinnen ist in ihrem jetzigen Zustand zu ziemlich wenig zu gebrauchen. Wir haben zwei weitere Männer auf der Flucht, und die Spurensicherung untersucht grad noch eine Patrone, die hier in der Wohnzimmerwand steckt. Aber auch das kann dauern.“ – „Moment mal, Ben, die Welt braucht mich!“, unterbrach Semir ihn. Ben hörte, wie sich Semir im Hintergrund mit einem der schwäbischen Spurensicherer unterhielt, konnte aber nichts verstehen. „Ben, bist Du noch dran?“ – „Klar!“ – „Es gibt doch noch was Neues! Die Spurensicherung hat das Handy von der Kandel gefunden, es war unter den Fahrersitz geklebt.“ – „Geklebt? Wieso das denn“ – „Das hat mir das Handy noch nicht gesagt.“ Ben wurde ungeduldig. „Schon recht, Spaßvogel.“ – „Du, bevor ich Dir jetzt auf dem einen Handy erzähle, was ich in dem anderen lese, lass uns doch gleich bei Häberle treffen, dann können wir das Handy gleich gemeinsam untersuchen und weder Häberle noch die Krüger fühlen sich übergangen. Bis nachher!“ Semir legte auf. Jetzt haben wir schon zwei Chefs, die wir informieren müssen, dachte er und betrachtete das gefundene Handy…

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    Julia und Simone hatten sich ein Glas Wasser geholt und bekamen langsam wieder Farbe in ihre Gesichter, nachdem ihnen Stechele und Ben die Nachricht vom Tod ihrer Mitbewohnerin übermittelt hatten. „Wir fragen uns nur, was die bei Euch gesucht haben könnten. Was könnt Ihr uns über Sonja erzählen?“ – „Nicht viel, sie wohnt…“ Julia wischte sich erneut die Tränen aus den Augen „wohnte ja erst seit zwei Semestern hier. Wir studieren alle drei Agrarwirtschaft an der Uni Hohenheim, wir beide im fünften Semester, Sonja, wie gesagt, im zweiten.“ – „Künftige Diplom-Bäuerinnen“, unkte Ben und blickte in zwei schmollende Gesichter. „Schon mal was von ökologischem Landbau gehört?“ schnaubte Julia ihn an. „Oder erlegen Sie Ihre Currywurst und Ihr Dönertier noch mit Pfeilspitzen?“ – „Sorry, war nicht so gemeint“ versuchte er sich zu rechtfertigen. „Bitte, erzählt doch weiter.“

    Nun klinkte sich Simone ein. „Naja, sie ist eigentlich total in ihrem Studium aufgegangen. Ihre Eltern haben irgendwo in Brandenburg einen Bauernhof, den sie später übernehmen und vollökologisch betreiben wollte. Überhaupt drehte sich bei ihr immer alles um Tiere, Natur und Umweltschutz. Nicht mal auf die letzte Studentenparty hat sie uns begleitet. Sie wollte irgendeine Demo gegen Stuttgart 21 mit organisieren, und das nahm fast ihre ganze Freizeit in Anspruch.“ Julia übernahm wieder. „Bei solchen Demos war sie immer ganz vorne mit dabei.“

    Ben hatte von Stuttgart 21, dem größten Bauprojekt Süddeutschlands, um das sich in den letzten Monaten eine regelrechte Schlammschlacht zwischen Politik und diversen Bürgerinitiativen ergeben hatte, bereits gehört. Der alte Stuttgarter Hauptbahnhof soll dabei abgerissen werden und einem neuen, unterirdischen Bahnhof weichen, der in vielen Jahren den gesamten Fernverkehr rund um Stuttgart abwickeln soll. „Und ihr? Wie standet ihr zu dem, was Sonja da so getrieben hat?“ – „Naja, bei den Demos gegen Stuttgart 21 sind wir auch immer mitgelaufen. Kann ja nicht sein, dass die auf der einen Seite Studiengebühren für uns einführen und dann vier Milliarden verbuddeln, nur damit die Zugfahrt nach München 20 Minuten kürzer wird.“ Ben musste kurz an den Polizeikongress denken, bei dem er sich trotz allen Vorbehalten gegen solche Veranstaltungen jetzt tausendmal lieber befunden hätte.

    „Aber Sonja übertrieb da einfach. Sie war geradezu besessen davon, das Projekt zum Scheitern zu bringen. Als ob sie alleine eine Chance gegen die da oben hätte.“ - „Glaubt Ihr, dass Ihr eine Chance dagegen habt?“ fragte Stechele nun zurück. „Naja, irgendwas müssen wir ja tun. Und außerdem gibt es ja auch ganz schnuckelige grüne Aktivisten…“ lächelte Simone leicht verlegen zurück. „Aber nach was die Männer hier gesucht haben, könnt Ihr Euch auch nicht vorstellen?“ – „Nein, keine Ahnung.“ antworteten Julia und Simone nacheinander. „Hatte sie einen Laptop oder einen Computer?“ – „Der Laptop müsste in ihrem Zimmer sein.“ In dem Moment klopfte die Spurensicherung an der Tür. „Auftrag verstanden, wenn es einen Laptop in ihrem Zimmer gibt, werden wir ihn finden.“ kommentierte einer der drei ganz in Weiß gekleideten Männer die Situation...

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    „Nehmen Sie den Häberle nicht so, der ist eigentlich ganz in Ordnung. Wir haben nur an dieser Stelle der Autobahn so häufig Unfälle, dass wir die Autobahn eigentlich komplett sperren müssten. Und da die Regierung sparen muss, haben die den Ausbau der Autobahn erneut um mindestens acht Jahre verschoben.“ erzählte Stechele, als er mit Ben zusammen in einem klapprigen VW Passat in alter grün-weißer Polizeilackierung über die Landstraße Richtung Plochingen tuckerte. Sie hatten nach über einer Stunde Stau das Stadtzentrum von Geislingen an der Steige, welches auch die Umleitungsstrecke für die weiterhin gesperrte Autobahn darstellte, endlich verlassen. „Egal, was der sagt, ich verstehs ja sowieso nicht.“ bemerkte Ben trocken. Stechele musste lachen. „Ja, ja, hier hat oft jedes Dorf seinen eigenen Dialekt, das war auch für mich am Anfang nicht leicht.“ – „Sie sind nicht von hier?“ – „Nein, um Himmels willen. Ich komme eigentlich aus Stuttgart, aber da die Polizeistationen auf dem Lande so chronisch unterbesetzt sind, wurde ich hier raus versetzt. Naja, spare ich wenigstens Miete.“ Schwaben und Sparen, dachte Ben, da sind wir ja im Zentrum der Klischees gelandet. Eine halbe Stunde später, nachdem sie an Dörfern mit reichlich seltsamen Namen vorbeigefahren waren, erreichten sie Plochingen.

    Im Stadtzentrum hielt Stechele vor einem Haus, welches mit seinen goldenen Türmchen, schiefen Fensterchen und seinem kuhfleckenartigen Fassadenanstrich so überhaupt nicht neben die backsteinernen Industrie- und Wohnbauten ringsum passen wollte. „Nicht wundern, das Ding hat Hundertwasser entworfen. Von innen sieht’s nur halb so schlimm aus. Und die Miete ist billig.“ Nicht schon wieder, dachte Ben, als Stechele an der ebenso kuhfleckenartig bemalten Klingeltafel bei „Meyer/Heller/Kandel“ klingelte. Nichts rührte sich. Als eine alte Rentnerin mit zwei Mülleimern bepackt die Haustür öffnete und den beiden Beamten die Tür aufhielt, traten diese ungefragt ein.

    Im 2. Stock fanden sie die Wohnungstür der WG. Stechele wollte wieder klingeln, als er bemerkte, dass das Schloss aufgebrochen war und die Tür offen stand. „Scheint schon jemand da gewesen zu sein.“ flüsterte Ben. In diesem Moment klirrte es aus der Wohnung. „Scheint noch da zu sein, derjenige.“ Stechele zog seine Pistole hervor. Ben tastete an seinem Gürtel, bis ihm einfiel, dass seine Dienstwaffe vorschriftsgemäß gesichert in seinem Spind in der PAST schlummerte. Normalerweise braucht man zum Polizeikongress ja auch keine Waffe, dachte er sich, aber was läuft bei uns schon normal. Die beiden zählten bis drei, dann drückte Ben mit einem Ruck die Tür auf, so dass diese vollständig aufsprang, während Stechele seine gezogene Waffe Richtung Wohnungsinneres streckte.

    „Scheiße, die Bullen!“ schrie einer der beiden Männer, die den beiden nun gegenüberstanden. „Stehenbleiben, Polizei!“ brüllte Stechele zurück. Sofort liefen die beiden Männer durch ein weiteres Zimmer und durch die geöffnete Balkontür auf den Balkon hinaus. „Ich dachte, wenigstens das funktioniert hier, dass die bösen Buben stehen bleiben, wenn man ‚Stehenbleiben‘ ruft!“ kommentierte Ben, während sie den beiden hinterherliefen. „Was für Märchenbücher lesen Sie denn auf der Polizeischule?“ antwortete Stechele, „Das klappt wirklich nur im Fernsehen.“ Während der erste bereits über die Brüstung sprang, blieb der zweite plötzlich stehen, drehte sich um und schoss auf Ben und Stechele. Mit einem lauten Knall zerbarst die Glasvitrine, die eben noch neben Ben und Stechele gestanden hatte. Doch bis Stechele zurückfeuern konnte, war auch der zweite über die Brüstung verschwunden. Ben und Stechele liefen in gebückter Haltung auf den Balkon. Während Ben in Deckung blieb, lugte Stechele auf den Balkon, nur um zuzusehen, wie die beiden Männer bereits durch den Garagenhof auf die danebenliegende Straße liefen, wo ein schwarzer Wagen plötzlich aus einer Parklücke fuhr, die Schiebetür des Wagens geöffnet wurde und die beiden Männer einstiegen ließ. Mit quietschenden Reifen bog der Wagen um die nächste Ecke. „Der ist weg.“

    Ben und Stechele gingen zurück und betrachteten das, was bis vor ein paar Stunden noch eine ansehnliche WG hätte sein können. Neben der zerbrochenen Glasvitrine, unter einer bunten, halb von der Wand herunterhängenden „Pace“-Fahne, waren drei Bücherregale, die nicht zusammenpassten, und aus denen alle Bücher herausgeräumt und auf dem Boden verteilt worden waren. Um den breiten Glastisch und das beigefarbene Sofa, dessen rechter unterer Fuß abgebrochen war, verteilten sich hunderte karierter Zettel, teils dicht beschrieben. Die vielen Pflanzen, die das Wohnzimmer säumten, waren allesamt umgeworfen oder abgerissen worden. Still sahen sich Ben und Stechele um, als sie Schritte vom Flur langsam auf sie zukommen hörten. Stechele hatte seine Hand wieder an der Waffe und pirschte sich auf leisen Sohlen vorwärts, bis sie seitlich der offenen Tür standen. Mit den Fingern zählte Ben bis drei. Dann sprang Stechele in den Türrahmen und richtete seine Waffe nach vorne.

    Hysterische Schreie ertönten. Durch den Lauf seiner Pistole konnte Stechele zwei völlig verschreckte, zitternde Blondschöpfe erkennen, die ihre Hände in die Höhe reckten. „Wer seid ihr denn?“ fragte Ben. „Www… wir wohnen eigentlich hier…“ flüsterte die kleinere der beiden. „Ju… Julia. Julia Meyer“ – „Simone Heller.“ gab jetzt auch die Größere ganz leise von sich. „Das ist unsere WG.“ – „Naja, oder besser, war.“ kommentierte Ben mit einem Blick nach hinten. „Irgendjemand hat bei Euch was gesucht, was ihm wohl sehr wichtig ist.“ – „Und wer sind Sie?“ – „Kripo Autobahn Köln.“ zeigte Ben seinen Dienstausweis, „Auf Auslandseinsatz.“ Der letzte Halbsatz brachte ihm einen bösen Blick von Stechele ein. „Können wir reinkommen?“ flüsterte Simone. „Na klar, is ja Eure WG.“ antwortete Ben. „Oder besser: war. Aber fasst bitte nichts an, die Spurensicherung war noch nicht da.“ – „Gutes Stichwort“, warf Stechele ein und zückte sein Handy…

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    „Sonja Kandel, 20 Jahre, Studentin, ledig, keine Kinder. Lebt seit letzten September in einer kleinen WG in Plochingen. Ihre Eltern, die wohnen in der Nähe von Berlin, haben wir benachrichtigt.“ Stechele las Ben, Semir und Krüger aus der Akte vor, die ihm die Sekretärin Sandra Schmidt vor wenigen Minuten auf den fahlgrauen Schreibtisch mit den kreisrunden Kaffeeflecken gelegt hatte. „Waren völlig fassungslos, berichten die Berliner Kollegen. Die einzige Tochter zieht zum Studieren fort und neun Monate später ist sie tot. “

    Es klopfte. Sandra Schmidt streckte ihnen blondgelockten Kopf durch die Tür. Bens Augen wurden wieder etwas größer. „Die Kennzeichen waren gefälscht, die Männer konnten wir noch nicht identifizieren. Die sehen echt übel zugerichtet aus.“ – „Habt Ihr sonst irgendetwas Verwertbares in dem Jeep finden können?“ bohrte Stechele weiter. „Wir sind dran, aber falls Du’s noch nicht bemerkt hast: Das Ding klebt an einem Baum mitten am Albaufstieg. Da können die Kollegen nicht einfach mit nem Abschleppwagen ranfahren. Die haben jetzt nen Spezialkran bestellt, der das Wrack spätestens bis morgen früh der KTU auf den Hof stellen wird.“ – „Danke.“ Stechele seufzte enttäuscht.

    Sandra fuhr fort: „Bei der Kandel haben wir nur das Übliche gefunden: Schlüssel, 50 Euro, Studentenausweis, EC-Karte, Mitgliedskarte im Jugendherbergswerk und eine abgerissene Kinokarte für ‚Fluch der Karibik 4‘ von gestern Abend. Ach ja, hier: Die Adresse der WG, wo sie gewohnt hat. Die Mitbewohnerinnen sind noch nicht informiert.“ – „Klar, dass Ihr das wieder uns überlassen habt.“ antwortete Stechele. „Naja, vielleicht finden wir in der WG etwas Verwertbares.“

    „Kein Handy?“ fuhr Semir dazwischen. Stechele und Sandra sahen sich an. „Nein, kein Handy.“ – „Eine junge Frau ohne Handy, das kann ich mir nicht vorstellen.“ – „Wir haben aber keines gefunden.“ – „Auch nicht in ihrem Auto?“ Stechele und Sandra blickten sich erneut erst gegenseitig und dann Semir an. „Auto?“ – „Na, die Kandel wird doch kaum zu Fuß zur Tankstelle gelaufen sein. Zum Vorglühen für die Studentenparty ist es noch etwas früh am Morgen.“ – „Verdammt“, verstand Stechele plötzlich, „der ihr Auto muss ja immer noch an der Tankstelle stehen! Gerkhan, schnappen Sie sich einen Knaben von der Spurensicherung, der soll mit ihnen zur Tankstelle fahren und den Wagen möglichst gleich vor Ort untersuchen. Jäger, kommen Sie, wir bringen es hinter uns und fahren in die WG.“ Die drei stürmten los und ließen Sandra Schmidt und Kim Krüger allein zurück. Die beiden Frauen sahen sich an, schmunzelten und seufzten fast gleichzeitig: „An wem der Bericht wohl wieder hängen bleibt…“

    (4)

    Michael Demmler stand am bodentiefen Panoramafenster seines Büros im 9. Stock, welches ihm einen Blick über den gesamten Talkessel, in dem das Zentrum Stuttgarts lag, bot und schaute nervös auf seine vergoldete Armbanduhr. Viertel nach eins. Endlich erschien sein Privatsekretär Stölzle in der Tür. „Schlechte Nachrichten. Die Sache ist schiefgelaufen.“ Demmler drehte sich schlagartig um. „Was heißt da, schiefgelaufen, Stölzle?“ – „Naja, die Frau ist nicht mehr unser Problem. Aber die beiden Männer wurden entdeckt und von der Polizei verfolgt.“ – „Sind sie gefasst worden?“ – „Sie sind tot. Beide.“ – „Irgendwelche Verbindung zu uns oder zu mir?“ – „Ich weiß es nicht, Chef.“ – „Dann finden Sie’s raus, verdammt noch mal!“ brüllte Demmler Stölzle so laut an, dass dieser einen Satz rückwärts machte. „Für was bezahle ich Sie!“ – „Bin schon unterwegs, Chef.“ Stölzle lief hinaus.

    Demmler blickte wieder auf ‚sein‘ Stuttgart. „Ich mach‘ Euch alle. Jeden beschissenen von Euch, der meinem Projekt im Weg steht.“ Verbittert sah er durch das Fenster auf den Hauptbahnhof hinab, auf dessen Hauptturm große Transparente angebracht waren. Eine Hundertschaft Polizisten versuchte, die aufgebrachte Menge, die vor den rot-weißen Absperrgittern immer zahlreicher wurde, von dem alten Backsteinbau des Bahnhofsflügels, in dessen Rückseite ein großes Loch klaffte, wegzuhalten. „Baustopp jetzt, Baustopp jetzt!“ skandierten die etwa zweihundert Menschen im Chor und rüttelten an den Gittern. Mitten unter ihnen standen Julia und Simone, zwei junge Frauen Mitte 20, die sich gegenseitig zwei rote Stoppschilder ins Gesicht gemalt hatten und ein Transparent in den Händen hielten, auf das sie in großen Buchstaben „Kein Raubbau an unserer Natur!“ geschrieben hatten. Sie schauten sich abwechselnd in die Augen und auf den großen Bagger, der etwa 20 Meter vor ihren Augen ein weiteres Loch in den Seitenflügel des Bahnhofsgebäudes brach.

    Im nebenan liegenden Stadtpark, in dem einige der Demonstranten bereits seit Monaten campierten und der dementsprechend von einer Dunstwolke aus Bier, Urin und Erbrochenem durchzogen war, saß Gerhard Menk auf einer Bank. Er schüttelte den Kopf und seufzte tief. Seine rechte Hand war auf einen Gehstock gestützt. Er konnte zwar noch in gemächlichem Tempo gehen, bei langen Spaziergängen war ihm der Stock jedoch eine wertvolle Hilfe geworden. Und er liebte lange Spaziergänge. Jeden Tag stieg er von den Hügeln der Neuen Weinsteige, wo er sein kleines Einfamilienhaus mit einem Hanggarten und ein paar kleinen Weinstöcken hatte, hinab und besuchte „seinen“ Stadtpark, wo er schon als Kind mit den Nachbarskindern Fußball gespielt hatte. Und obwohl seine Beine das Fußballspielen schon lange nicht mehr mitmachten, brach es ihm das Herz, die Bäume, die er wachsen gesehen hatte, bald verlieren zu müssen. Und wenn das stimmte, was er erfahren hatte, dann nur, weil ein paar reiche Leute niemals reich genug sein konnten und sich mit Geld über jede demokratische Entscheidung hinweg setzen konnten. Doch wenn alles so klappte, wie es vereinbart war, würde er schon bald die Beweise hierfür haben. Und dann könnten sich „die da oben“ auf was gefasst machen…

    (3)

    „Wer hän‘ Eich ins Hirn neig’schissad???“ brüllte Dienststellenleiter Häberle, während ihm Kim Krüger, Semir und Ben mit leicht betretenem Blick auf drei abgewetzten Holzstühlen gegenübersaßen. „Als ob mir net scho g’nug Ärger aufm Drackensteiner Hang hän‘, da kemmat’s ihr preissischn Volltrottel und sorget‘s dafür, dass ma auf unsa Autobahn die nächschtn drei Woche gar net fahret ko?“ Er erhob seine geschätzten 120 Kilo von dem ebenfalls abgewetzten Drehstuhl, der – dank der Erleichterung – zwei Zentimeter höher wurde. Häberles weißes Hemd war, obwohl es gerade einmal Mittag war, bereits völlig durchgeschwitzt. Er tupfte sich mit einem halb zerrissenen Taschentuch, welches er aus den Tiefen seiner Uniformhose gekramt hatte, den Schweiß von der Stirn.

    Ben drehte sich zu Semir und flüsterte ihm ins Ohr. „Sag‘ mal, dass es ein Anschiss ist, hab ich rausgefunden aber was genau will der uns da sagen?“ – „Das sind Schwaben“, antwortete Semir ebenso leise, „die können alles – außer Hochdeutsch.“ Ben kicherte. Häberle ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen. „Was isch da dran so luschtig? Soll I Eich glei eischperrad? I glaub nit, dass’d Ihr des dann no so luschtig findats!“ Ben verstummte augenblicklich. Krüger nutzte die Chance, um den Ton ins Sachliche und ins Hochdeutsche zurückzuführen. „Herr Häberle, ich verstehe Ihren Unmut. Doch wir sollten auch einmal daran denken, warum das alles passiert ist. Fakt ist: Wir haben zwei Männer beobachtet, die in der Tankstelle ohne Vorwarnung eine junge Frau erschossen haben. Die paar tausend Euro in der Kasse ließen sie jedoch völlig unbeachtet. Sie haben also nicht nur eine kaputte Autobahn, sondern auch einen Mord aufzuklären. Also, wenn Sie bitte unsere Aussagen aufnehmen, damit wir zumindest die Abschlussrede des Polizeikongresses noch schaffen.“ – „Nix da!“ Häberle erhob sich aus wieder aus dem Stuhl. „MIR hän an Mord aufzukläret. Und ihr bleibt’sch hier, bis des alles geklärt isch. I hän scho mit Ihrem oberschtn Chef g’sproche, Frau Krüger, der hat uns sie drei für den Fall quasi ‚ausgliehet‘. Mir sin hier sowieso chronisch unterb’setzt und da findet er’s aa nur recht und billig, wenn Ihr drei aa was zur Aufklärung von derer ganzen Schose hier beitraget.“ Wieder erhob er sich. „Und jetz gaaht’s ihr zum Kollegen Stechele, der werd‘ sich um Eich kümmere. Ade!“

    Der junge Kollege, der am Ausgang des Raumes wartete, zupfte an seiner Uniform. „Kommen Sie bitte mit, Kollegen.“ – „Na, wenigstens einer spricht hier deutsch.“ stichelte Semir leise weiter, doch nicht leise genug. „Des hän‘ i fei g’hört, Herr Kerhän!“ – „Gerkhan, wenn’s recht isch!“ Semir sprach das „sch“ am Ende des Satzes besonders betont, während er als letzter hinter Stechele, Krüger und Ben den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Häberles Kopf lief noch röter an, als er sowieso schon war. Er zückte wieder sein Taschentuch, schnaufte schwer und kehrte zurück an seinen Schreibtisch. Er wollte sich wieder setzen, doch in diesem Moment brachen dem Drehstuhl zwei Rollen ab und Häberle landete unsanft mitsamt den Resten seines Dienstsessels auf dem harten PVC-Boden…

    (2)

    Krüger schaltete zurück in den vierten Gang. „Na los, rufen Sie schon Verstärkung.“ – „Ja, wie, geht denn unser Polizeifunk hier noch?“ Ben verstand nicht. „Haben Sie im Kindergarten nicht aufgepasst? Wenn böse Männer was noch Böseres tun, was macht der kleine Ben dann?“ Krüger deutete auf das Handy. „Eins-eins-Null, Mensch!“ – „Ach so.“ Krüger wechselte wieder auf die rechte Spur, weil ihr ein Sprinter den Weg versperrte. „Ja, hallo, Ben Jäger, Kripo Autobahn Köln. Wir sind hier hinter zwei Tankstellenräubern auf der Autobahn Richtung München kurz hinter dem Rasthof …“ Ben hielt die Hand vor das Sprechmikro seines Handys „wie hieß der gleich nochmal, Frau Krüger?“ – „Vergessen Sie’s – da steht’s doch, Ausfahrt Mühlhausen“. Sie schaltete erneut zurück und scherte mit quietschenden Reifen vor dem Sprinter wieder auf die linke Spur. „Ausfahrt Mühlhausen, Kollegen. Schwarzer Jeep, das amtliche Kennzeichen des Wagens ist ‚WN-XX 486‘. Wir brauchen dringend Verstärkung.“ Ben hörte kurz dem Kollegen zu, dann brüllte er in sein Handy. „Quatsch, Zuständigkeit! Da sind zwei Verbrecher vor uns, da sind wir immer zuständig. Selbst wenn wir die aufm Mond verfolgen. Ende!“ Jetzt grinste Krüger still vor sich hin, bremste ab und folgte der scharfen Rechtskurve.

    „Was sind das eigentlich für bescheuerte Autobahnen hier, können die nicht grade bauen?“ Ben geriet in Rage. „Wir sind hier in Baden-Württemberg, da sind sich geologische Verhältnisse und Autobahnbau nicht so ganz grün zusammen.“ Krüger beschleunigte wieder und folgte der beginnenden Steigung, in der sich die Autobahn den Berg hinauf schlängelte. Der schwarze Jeep bremste stark ab und blendete den kleinen Corsa, der vor ihm auf die linke Spur gezogen war, mit der Lichthupe. „Sieht doch schon ganz gut aus, was, Chefin?“ freute sich Ben innerlich schon auf die bevorstehende Verhaftung. „Soll ich schon mal die Handschellen aus dem Handschellen… ääh… Handschuhfach holen?“ – „Noch haben wir ihn nicht.“ Krüger verringerte den Abstand. Der Jeep war nun direkt vor ihnen. Plötzlich bremste der Jeep heftig ab, nur um kurz darauf wieder zu beschleunigen und den Corsa zu rammen. Blechteile flogen die Steigung hinab. „Achtung!“ schrie Ben. Der Corsa zog nach rechts, der auf der rechten Spur fahrende Passat bohrte sich in dessen Beifahrertür. Kim Krüger hielt ihr Lenkrad fest. „Da kommen wir durch.“ Ben wählte wieder den Notruf, in der unmittelbar folgenden Linkskurve fiel ihm jedoch das Handy zu Boden. Er beugte sich in den Fußraum hinab. „Finden Sie das nicht einen bescheuerten Zeitpunkt, sich die Schuhe zu binden?“ fauchte Krüger. „Danke, Mami.“ grummelte Ben in seinen seit drei Tagen wieder wachsenden Bart.

    Es knallte. Der hintere rechte Reifen des Jeeps begann zu qualmen und der Wagen schlingerte in Schlangenlinien über die beiden engen Spuren der Autobahn. An der unmittelbar beginnenden Brücke, die eine blaue Hinweistafel als „Todsburg-Brücke“ auswies, schleuderte der Jeep unaufhaltsam nach links. „Aah!“ schrien Ben und Krüger im Duett. In diesem Moment durchbrach der Jeep die Seitenbegrenzung der Brücke, überflog den Abgrund, den die Brücke überspannte und knallte an die links der Autobahn verlaufene, bewaldete Felswand. Reifenteile, Blechfetzen und Glassplitter flogen durch die Luft, der Jeep rutschte den Hang, den er hinauf gestürzt war, wieder hinab und kam an einer großen Tanne zum Stehen. Krüger nahm den Fuß vom Gas. „Und was machen wir jetzt?“ In diesem Moment begann die etwa 25 Meter hohe Tanne, die der ihr gerade widerfahrenen plötzlichen Gewichtsbelastung nicht gewachsen war, sich zu neigen. „Gas geben wär ne gute Idee, wenn wir diesen Tag überleben wollen.“ Krüger schaltete zurück, trat mit voller Wucht auf das Gaspedal und die beiden fuhren unter der Tanne hindurch, die sich im nächsten Moment mit voller Wucht in das Dach des Sprinters, der wieder hinter Ben und Krüger aufgetaucht war, bohrte und den Wagen in zwei Teile riss. Krüger trat wieder auf die Bremse. Kurz darauf kam der Wagen zum Stehen. Die beiden stiegen aus.

    Eine gespenstische Ruhe lag über der Autobahn. „Und nun?“ fragte Krüger mit leicht zittriger Stimme. „Deckung!!!“ schrie Ben. Ein alter Honda, der die Wrackteile des Sprinter als Rampe genutzt hatte, schoss über den nun quer der Autobahn verlaufenden Baumstamm, flog nur Zentimeter über die Köpfe von Krüger und Ben hinweg und krachte fünf Meter vor ihnen wieder auf die Straße. Die Hinterachse brach bei dem Aufprall und der rechte Teil der Hinterachse mitsamt dem Reifen flog in die Luft und bohrte sich in die Windschutzscheibe des Krüger‘schen Mercedes. Langsam, wie ein Windrad, drehte sich der aus der Frontscheibe ragende Reifen noch ein paar Sekunden weiter. Ben und Krüger sahen wortlos auf das Schlachtfeld, welches die A 8 ihnen in diesem Moment bot. Krüger kam als erste wieder zu Stimme, blickte auf den hinter Ben liegenden Reifen und die Wrackteile des Jeeps, die sich über die Felswand verteilt hatten. „Na, ich glaub, den Reifenwechsel können wir uns sparen…“

    Hallo liebe Lesenden,

    nachdem ich Elli ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk versprochen habe... - soeben ist der erste Teil meiner ersten Fan-Fiction online gegangen. Wie der Titel schon erahnen lässt, spielt sie nicht im Rheinland sondern im schönen Schwabenländle... Wer Untertitel Schwäbsich-Deutsch braucht, bitte bei Steffi melden :D

    Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen, und über Feeds würde ich mich riesig freuen. Einfach hier drunter setzen :)

    thommyn


    Schwabenhighway
    - Die ers(ch)te Fan-Fiction von thommyn -

    (1)

    „Hier ist der SWR 3 Verkehrsservice. Derzeit haben wir auf der A 8, Stuttgart Richtung München – mal wieder – 4 Kilometer Stau vor der Baustelle am Drackensteiner Hang. Viel Geduld und Gute Fahrt.“ Die automatische Verkehrseinstellung des Autoradios schaltete zurück auf die neue CD von One Republic. „Na toll“, seufzte Ben, „und wir stehen mal wieder mittendrin.“ – „Ich hab‘ Dir gleich gesagt, wir sollten früher losfahren“, unkte Semir. „Nur weil Du wieder nicht aus den Federn kommst.“ – „Wenn ich schon endlich mal ein Hotelbett habe, das so bequem ist, dass ich den ganzen Tag drin liegen könnte.“, dachte Ben genüsslich an die letzte Nacht im Stuttgarter Metropol-Hotel zurück. „Ja, ja, kommt nur noch drauf an, mit wem…“ – „Ich will die Herren ja nicht in ihren feuchten Träumen unterbrechen“, schallte die Stimme von Kim Krüger von der Rücksitzbank „aber es geht weiter. Der Kia da lässt sie rein.“ Ben setzte den rechten Blinker und reihte sich zwischen dem orangeroten Kleinwagen und einem knallgrünen VW-Transporter mit „Jesus lebt“-Aufkleber auf die mittlere Spur ein. „Danke Chefin, sehe ich.“ kommentierte Ben missmutig. „Wenn wir Sie nicht mit im Auto hätten…“ – „Das hätten sie sich überlegen sollen, bevor Sie den BMW letzte Woche gegen den Laternenpfahl gesetzt haben, meine Herren. So gibt es nur zwei Alternativen, wie wir zu dem Kongress nach München kommen: Gemeinsam und im Dienstwagen oder getrennt und per Anhalter.“ kommentierte Kim Krüger trocken. Wieder leuchteten die roten Bremslichter des VW, der im nächsten Moment stehen blieb. „Was hältst Du davon, wenn wir da an der Raststätte kurz rausfahren?“ Semir deutete auf das große, blaue Hinweisschild zum Rasthof Gruibingen. „Ich könnt noch nen Kaffee brauchen.“ – „Aber flirt‘ nicht wieder mit der Kellnerin so wie gestern Abend, sonst kann ich vor Andrea nicht mehr dicht halten.“ – „Ein Wort, und Du läufst zu Fuß bis München.“ Ben setzte den Blinker erneut nach rechts und fuhr an der großen Shell-Tankstelle vorbei auf den Parkplatz des Rasthofs.

    Eine halbe Stunde später hatte sich der Stau aufgelöst. „Siehst Du, war doch ne gute Idee von mir.“ Semir freute sich innerlich. „Wissen Sie, was eine noch bessere Idee ist, meine Herren?“ Ben und Semir sahen ihre Chefin fragend an. „Was?“ – „Ich fahre!“ Krüger winkte mit dem Schlüssel des Dienstmercedes. „Und lassen Sie nie, nie wieder den Schlüssel eines Polizeifahrzeuges auf dem Restauranttisch liegen, nur weil Sie ausgiebig über die Körbchengröße der Kellnerin diskutieren!“ Ben und Semir versuchten zwar zu protestieren, doch Kim Krüger winkte ab. „Und steigen Sie schon ein, meine Herren, wir wollen heute noch nach München, sonst ist der Stau wieder da.“ Ben steuerte zielstrebig auf die Beifahrertür zu. „Und ich?“ protestierte Semir. „Der Kindersitz ist hinten.“ antwortete Ben trocken. „Sehr witzig, sehr witzig, was denkst…“ In diesem Moment fiel ein Schuss und ein vermummter Mann hechtete aus dem Kassengebäude der Tankstelle. Er lief über die Motorhaube eines Ford Fiesta, der an der vordersten Zapfsäule stand und rannte zu einem an einer anderen Zapfsäule stehenden schwarzen Jeep. Er stieg auf der Fahrerseite ein, der Fahrer startete sofort den Motor. Semir schmiss die Hintertür des Mercedes wieder zu und rannte zielstrebig auf das Kassenhäuschen zu, während der schwarze Jeep davonrauschte. „Kommen Sie, Herr Jäger, die schnappen wir uns!“ Der Motor des Mercedes lief bereits. „Aber, Chefin, sind wir nicht ein bisschen weit außerhalb unserer Zuständigkeit?“ Ben schnallte sich hektisch an. Krüger blickte ihn an: „Erstens: Da drüben startet gerade ein Jeep mit zwei Tankstellenräubern. Zweitens: Sehen Sie hier irgendwo Kollegen der örtlich zuständigen Polizeiwache und drittens: Seit wann scheren Sie sich um Zuständigkeiten“. Ben schmunzelte leise. Krüger legte den Gang ein und brauste dem schwarzen Jeep in Richtung Autobahn hinterher. Semir betrat das Kassenhäuschen und rannte dem Kassierer entgegen. „Alles in Ordnung, geht es ihnen gut?“ – „Mir gaahts guat.“ antwortete der grauhaarige Kassierer im breitesten Oberschwäbisch. „Aber der da.“ Semir sah auf die blonde Frau in der grünen Jacke, die reglos am Boden lag. Eine Blutlache lief ihr am rechten Ohr entlang. „Wie viel haben die mitgehen lassen?“ fragte er wieder den Kassierer. „Ja, nix.“ – „Wie, ‚nix‘?“ fragte Semir erstaunt weiter. „Die sin nei, hän auf die Frau g’schosse un‘ sin wieder naus. Am Geld hän die gar koi Interesse g’hätt.“ Semir ging näher an die Frau heran. Sie war tot. Fassungslos betrachtete er die rehbraunen Augen, die ihn ausdruckslos anstarrten… 

    @ Elli & Robert:

    Ich zitiere mal kurz aus dem Bericht zum Fantreffen 2008 - der Besuch von Stefan Richter am Samstag...

    "Doch auch wir als Fans wurden nach neuen Ideen für neue Folgen und Stunts gefragt. Wenn also Semir demnächst in einem rechts gelenkten Wagen nach dem Lenkrad ins Leere greift, sich eine Verfolgungsjagd mit einem Trabbi liefert oder ein Tanklaster über einen Abschleppwagen springt, sind wir nicht ganz unschuldig daran."

    Ich hab' mich scheckig gelacht an der Stelle :D :D :D (ach ja, der Stefan.... jetzt wart ich auf den Tanklaster...)

    Sonntag, 4. September 2011 (Bis(s) in den letzten Burger).

    Über Nacht hatte das Wetter kräftig umgeschlagen: Es hatte merklich abgekühlt, und der starke Regen der Nacht hatte nicht nur den Hof genässt, sondern auch den Innenraum des Autos, dessen Insassen nun auch davon überzeugt waren, dass man die Seitenscheiben beim Aussteigen immer, aber auch wirklich immer hochkurbeln sollte. Während wir uns das letzte Frühstück schmecken ließen, begann Kevin, seinen Koffer zu packen. Und er packte und packte, er hörte gar nicht mehr auf zu packen. Gefühlte zwei Stunden später war sein Koffer voll, unser Zimmer leer und das Frühstück vorbei. Langsam aber sicher brachen alle auf (auch wenn der Mülleimer von Zimmer 21 mehrere Anläufe brauchte, um sein Ziel zu erreichen und Franziskas Koffer so groß war, dass er sicher bis zum nächsten Fantreffen und für eine kleine Nordpol-Expedition zwischendurch ausreichend gewesen wäre…). Ich fuhr kurz mit Thorsten los, um ein zweites Auto zu holen. Als ich wieder zurück war, kam mir auf dem Adolf-Dasbach-Weg schon wieder der Wagen vom ADAC entgegen. Dem glücklichen Gesicht von Michael sah ich an, dass er, Isy und Babsi nunmehr auch fahren konnten (Facebook-Status Michael Zapf vom 9. September 2011: „Michael Zapf gefällt ADAC.“).

    Bald räumten wir den Rest auf und hinterließen die Herberge wieder so, wie wir sie vorgefunden und es uns vorgenommen hatten. Wir verabschiedeten uns von Kurt und Paloma und fuhren (mal wieder) zum McDonalds (im Café del Sol gab’s schließlich schon wieder nur Stehplätze…). Marius und Petra begannen, eine Wespe mit Nikotin intravenös zu foltern („I believe I can fly…“), während wir uns für Petras Kleinen eine neue Folge Benjamin Blümchen ausdachten (Arbeitstitel: Benjamin Blümchen und der Stromausfall). Und bald hieß es wieder Abschied nehmen: Nach ziemlich genau 72 Stunden trennten sich unsere Wege in Richtung Köln, Münsterland, Mönchengladbach, Hessen und München. Während die ersten Teilnehmer vielleicht schon zu Hause waren, sahen wir ein letztes Mal leicht bedrückt in Richtung Knapsack (sofern wir die Richtung in der schon wieder aufkeimenden Menschenschlange am Café del Sol ausmachen konnten) und gingen unserer Wege. Bis(s) spätestens nächstes Jahr – bis(s) zum 12. internationalen Alarm für Cobra 11 Fantreffen 2012. Bis(s) es wieder heißt – Ihr Revier ist die Jugendherberge...

    „Und, Chefin, wie fanden Sie’s“ – „Die Fans passen zu Ihnen, Jäger und Gerkhan“ – „Wieso?“ – „Verrückte, überall Verrückte, aber liebenswerte Verrückte – und jetzt geben Sie Gas…“

    Euer thommyn


    Dieser Bericht ist weder von McDonalds noch vom Café del Sol gesponsert, auch wenn beide Lokalitäten des Öfteren darin vorkommen. Sollten die Inhaber der beiden Lokale mit diesem Bericht einverstanden sein, freue ich mich über den Stapel Essensgutscheine. Sollten sie mit diesem Bericht nicht einverstanden sein, kann ich ihnen auch nicht weiterhelfen…

    Samstag, 3. September 2011 (Semir in the City)

    Für uns vom Orgateam war das halbe Fantreffen schon wieder vorbei, als wir um kurz nach acht am Frühstückstisch saßen und die Höhepunkte des aufkeimenden Tages besprachen. Nach einer kurzen Ansprache von Thorsten verließen wir um kurz vor 10 das Herbergsgelände. Mit Elli und den beiden Doppel-Jennys im Schlepptau fuhr ich auf die Theresienhöhe – in den Hürth-Park, Parkhaus 1, Ebene 3. Wie eigentlich jedes Jahr. Und doch war etwas anders: Etwas Unglaubliches ist geschehen, etwas völlig Unerwartetes. Etwas Unbegreifliches: Im vierten Anlauf hatten es tatsächlich alle – ich wiederhole: ALLE – Teilnehmer geschafft, das richtige Parkhaus und die richtige Ebene zu treffen. Kaum im Kino angenommen wartete Dominique schon auf uns. Kino 5 war wieder für uns reserviert und dank Marius‘ Menschenzähler waren bald alle 86 Kinobesucher auf ihren Plätzen und begaben sich auf eine Zeitreise: 72 Stunden Angst in nur 90 Minuten…

    Wie jedes Jahr durften wir den Anfang des Films gleich zweimal anschauen, und auch Ellis Orakel-Künste haben inzwischen auf mich abgefärbt. Die allgemeine Begeisterung über den Film wich dem langsam aufkeimenden Hunger (schade, dass es im Hürth-Park noch keinen Schachtelwirt gibt, dafür aber genug Apotheken und mindestens eine Sparkasse). Weitgehend geschlossen trafen wir uns in der Snack-Ecke wieder. Durch das ganze Gelände sah man bekannte Gesichter spazieren, bis wir um kurz nach eins wieder am Parkhaus waren – und etwa zehn Minuten später bei action concept in Kalscheuren auf den Parkplatz fuhren, bzw. (wie sich später herausstellen sollte) wohlweislich vor dem Eingangstor parkten. Hinter dem Eingangsbereich erwarteten uns bereits Dominique, Elke und ihre fleißigen Helferlein. Wir wurden in die (ach so weit entfernte) KTU geführt, wo bereits Bierbänke für die Teilnehmer aufgebaut waren. Getreu dem afrikanischen Klima an diesem Tag (demnächst lautet der offizielle Slogan des Fantreffens „Sommer in Hürth“) startete action concept eine Fotosafari: Während sich die original Schweizer Schokolade in Jennys Rucksack langsam aber sicher in ihre kakaohaltigen Einzelteile aufzulösen begann, konnten die Teilnehmer in verschiedene Rollen schlüpfen, um sich in Lederjacke und Sonnenbrille im Heli fotografieren zu lassen, mit gezogener (brennend heißer) Waffe aus dem Polizeiauto zu steigen, unter einem Unfallauto zu liegen und einen Original-Nachbau von K.I.T.T. zu begutachten. Im Presseraum wurde uns der neue Staffeltrailer gezeigt, der definitiv Lust auf die kommenden 10 Donnerstage machte. Und schließlich durfte jeder noch vor einem explodierenden Heli davonspringen – zumindest auf der Drei-Zwo-Eins-ACTION!-Fotomontage (auf die Fotos bin ich gespannt…). Ein kurzer Zwischenstopp am Auto wurde Elli und mir zum Verhängnis: Das automatische Tor am AC-Gelände war gegen uns – und so wurden wir kurzerhand von der „geschlossenen“ Veranstaltung ausgesperrt. Als wir uns endlich wieder auf das Gelände geschmuggelt hatten, waren auch alle Fans wieder in der KTU angekommen. Thorsten versuchte sich derweil als Flirtberater („Er wollte Dich damit eigentlich fragen, ob Du schon vergeben bist“). Die Hitze machte allen zu schaffen, so dass action concept kurzfristig etwas Eis organisierte, um die Mütchen zu kühlen. Denn schließlich stand noch ein Höhepunkt auf dem Programm: Die Verlosung von 10 Freikarten für die Pressepremiere des Pilotfilms. Kurzfristig hatten wir Elke und Dominique dazu überredet, nach ihren Beständen an Plakaten, T-Shirts und Kapuzenjacken mit AC-Logo zu fahnden. Und sie waren erfolgreich, so dass einige Fans sich noch neu einkleiden konnten (auch wenn für Anne selbst die Kapuzenjacke in Größe S einem Zelt glich…). Gegen kurz nach fünf verließen wir das Gelände wieder, schauten ein letztes Mal von der „Linksabbiegespur ins Nichts“ durch das frisch gebaggerte Guckloch auf das AC-Gelände und begaben uns Richtung Knapsack. Wir zumindest – Michaels Wagen wollte noch nicht nach Hause. Mit einem kapitalen Batterieschaden blockierte sein silberner Flitzer die Einfahrt, und selbst Starthilfe half nichts mehr. Aus eigener Erfahrung kann ich da nur sagen: Opel und Fantreffen – das wird auf immer und ewig problematisch!!! Während Michael also auf den ADAC wartete (der erste „gelbe Engel“ in seinem Leben, der nicht aus Hopfen und Malz bestand und auf den Namen „Kulmbacher“ hörte), machten wir uns in der Herberge etwas frisch. Das kalte Buffet der Herbergseltern sorgte pünktlichst für eine Schlange am Eingang zum Frühstücksraum – schließlich machte Thorsten kurz zuvor noch eine erfreuliche Ankündigung: Tom Beck und Erdogan Atalay waren bereits mit ihrem Dreh fertig und würden in einer knappen Stunde in die Herberge kommen. Die Aufregung war unübersehbar. Schnell stopften sich alle, die noch immer oder schon wieder etwas Hunger hatten, etwas Salat, Brötchen und Mett in sich hinein, um schnellstmöglich einen Platz mit guter Aussicht im Gruppensaal zu ergattern. Erstaunlich pünktlich waren Tom und Erdogan an der Herberge und hatten zur großen Überraschung auch Chefin Katja Woywood mitgebracht. Die drei wurden frenetisch empfangen. Dann ging es Reihe für Reihe durch den Saal: Jeder durfte ein Foto mit den dreien und sich machen (auch wenn sich Erdogan und Katja beim Anblick von Kevin sooooo klein vorkamen…). Das Autogrammeschreiben verschoben die drei auf die nächste Drehpause und wollten lieber von den Fans noch ausgequetscht werden und nach den Cobra-Sitten in den verschiedenen Ländern fragen. So erfuhren wir, dass Cobra 11 in Spanien viermal die Woche läuft und in der Schweiz nicht synchronisiert werden muss. Und dass Tom Beck – ebenso wie Fan-Neuling Peter – gefühlte zwanzig Jahre nicht mehr ausreichend gegessen hatte, so sehr schienen ihm die Brote und der Himbeerquark der Herbergseltern zu schmecken (Frage eines Fans: „Tom, wie lange hast Du nichts mehr gegessen?“ – „Naja, so zwei Stunden…“). Entgegen den Protesten von Dominique wollte Erodgan die komplette Truppe zu einem Setbesuch einladen – Beweisvideos hierfür existieren! („Wir versprechen uns, ach nee, das auch, aber wir versprechen Euch...“ / „Wir machen keine Setbesuche mehr“ – „Was sind das dann immer alles für Leute, die bei uns am Set rumlaufen?“). Die drei hatten sichtlich Spaß und wurden zum Schluss von den Fans noch massenweise beschenkt. Viel zu kurz war die Zeit, als die drei wieder aufbrechen mussten, um sich noch für den Dreh am nächsten Tag vorzubereiten…

    Alle waren sichtlich erschöpft, immer noch aufgeregt, und (hoffentlich) zufrieden gestellt. Während die ersten sich bereits bettfein machten, konnten wir Kurt und Paloma eine weitere halbe Stunde herausbetteln, um die sich die Nachtruhe nach hinten verschieben würde. Die halbe Stunde nutzte Jenny für ein kleines Bierchen – das hätte sie besser nicht getan: Nachdem sie mit Anne eine Hut-Modenschau veranstaltet hatte, versuchte sie, ihren Aschenbecher zu entleeren, ohne den Aschenbecher mit zu entsorgen. Dass ihr das gelang, war für sie selbst so unvorstellbar, dass sie sich zweimal vergewissern musste, den Aschenbecher wieder mitgebracht zu haben. Herbergsvater Kurt gesellte sich zu uns und klagte uns zum wiederholten Mal sein Leid, dass seine Gäste zu viel Klopapier verbrauchen. Für allgemeine Belustigung sorgte seine Anekdote über einen Gast, der sein Handtuch zuhause vergessen hatte und sich stattdessen nach dem Duschen mit Hakle 1-lagig abzutrocknen versuchte. Entgegen seines gutgemeinten Vorschlags werden wir uns jedoch hüten, fürs nächste Jahr Klopapier mit Cobra-11-Logo zu bedrucken (wir machen nicht jeden Sch…)!

    Nachdem die meisten Schlafen gegangen waren, versuchte Thorsten, auch sein Mütchen zu kühlen. Das gelang ihm am besten mit einer Flasche gefrorener Cola aus dem Eisfach. Sein Versuch, die Flasche langsam und vorsichtig zu öffnen, misslang so gründlich, dass der Deckel explosionsartig aufsprang und die oberste Schicht der Flasche auf die umliegenden Jeans verteilte. Die anschließende Odyssee, Flaschenkind Thorsten beim langsamen Entleeren zuzusehen, sorgte für einige Lachkrämpfe, die die einbrechende Nachtruhe und sogar den beginnenden Regen hindurch anhielten…

    (Fortsetzung folgt)

    Freitag, 2. September 2011 (Alles Worscht)

    Um halb acht war die Nacht zu Ende. Es war noch relativ kühl, als Paloma das Frühstück und vor allem den Kaffee freigab. Nachdem sich die Nicht-cobrawütigen Herbergsgäste, zwei ältere Semester und vier junge Radfahrerinnen, verabschiedet hatten, startete auch ich um kurz nach neun meinen Wagen auf den Weg in den Kölner Süden, um Fressalien, restliche Getränke, Plakate und – nicht zu vergessen – Thorsten zu ho(h)len. Leider kam ich nur bis zur ersten Ampel: Als dessen Rotlicht nach knapp 10 Minuten trotz einer Schlange, die der Luxemburger Straße würdig war, hinter mir, noch nicht erloschen war, nahm ich den Punkt in Flensburg in Kauf und tastete mich vorsichtig auf die Hauptstraße. Als Rache dafür stand ich an den nächsten gefühlten 78.356 Ampeln, dem inzwischen obligatorischen Stau am Café del Sol und der Hürther Bahnschranke gleich wieder, bis ich nach einer Negativ-Rekordzeit endlich Thorsten abholen konnte. Der Weg in die Konkurrenzstadt Düsseldorf ging dafür umso rascher, so dass wir bald mit einem Kofferraum voller Plakate und Karten die Rückfahrt antreten konnten. Die Tischdeko war schnell besorgt und der Kassierer bei Lidl staunte nicht schlecht, als wir zwei Einkaufswägen voller Kalorienbomben auf das Band luden und mit einem meterlangen Kassenzettel den Laden verließen. Pünktlich zum nicht vorhandenen Mittagessen waren wir wieder an der Herberge und luden unsere Schätze aus (wobei ich bei diesen [ZENSIERT]en Käse-Flips immer noch nicht von ‚Schätzen‘ sprechen mag). Immer noch waren keine Teilnehmer in Sicht. Auch das war seltsam, in den letzten Jahren belagerten die Tschechen zu diesem Zeitpunkt meist schon zum mindestens dritten Mal die Duschen. Unsere einzige halbwegs logische Erklärung war, dass es nun vielleicht auch in Tschechien fließend Warmwasser gibt… Wir räumten den Gruppensaal ein und plauderten ein wenig am Grillplatz, bis mit Isabell die erste Teilnehmerin unseren Gruppensaal … naja, „erstürmen“ sieht wohl anders aus … sagen wir mal, für ganz passabel befand. Wir rollten Plakate und setzten Autogrammkarten-Sets zusammen, während Thorsten die Zimmerverteilung in Angriff nahm. Nach und nach trudelten weitere bekannte und unbekannte Gesichter ein, die vom unter erschwerten Bedingungen aufgrund herabfallender Nüsse arbeitenden Empfangskomitee begrüßt und mit Namensschildern und Plakaten versehen wurden.

    Gegen halb fünf machten Thorsten und ich uns auf den Weg, die letzten Besorgungen zu erledigen: Der Mann an der Kasse bei Lidl schien uns nicht zu kennen (wir waren uns sicher – er tat es doch), und bei real füllten wir noch die Biervorräte für das Wochenende auf (die allerdings nur drei Stunden halten sollten…). Der Kofferraum war schon wieder voll, doch einen Einkauf musste Thorsten noch erledigen, und so hielten wir noch am örtlichen Geldautomaten, um noch etwas Geld zu kaufen… Währenddessen hatten die Vize-Grillmeister Michael und Robert den Grill bereits angeworfen, so dass uns bei unserer Rückkehr in die Herberge bereits ein wohlig-warmer Holzkohle-Kokel-Duft um die Nase wehte. Kaum angekommen, hatten Kurt und Paloma die Grillsachen fertig, die bereits „abgefertigten“ Fans nahmen Platz und auch Marius begann, seine Funktion als Haus- und Hoffotograf ordnungsgemäß zu besetzen. Das erste Becks des Nachmittags schmeckte besonders gut, auch wenn es für gewisse Teilnehmer aus südöstlichen Nachbarländern bereits mehr als das erste zu viel war. Dank runderneuter Grillutensilien (diesmal hatten die Gitterroste zur Abwechslung mal zwei Henkel) waren in nicht einmal einer dreiviertel Stunde die ersten Würstel verzehrfertig. Wer diese nicht mochte, konnte sich an der herbergsgemachten Rohkost bedienen. Erstmals brachte Anne auch eigenes Grillgut mit – die beiden Steaks, die sie spontan bei REWE erworben hatte, schienen besonders gut zu schmecken. Elli (unsere „Mama Helga“), Thorsten und erstmals auch Kurt und Paloma hielten eine kurze Ansprache. Zur Abwechslung machte Thorsten diesmal kein Geheimnis draus, dass es am nächsten Tag in den Hürth-Park gehen sollte – zur Vorabpremiere des neuen Hürthbusters „72 Stunden Angst“…

    Viele Teilnehmer tauschten Erinnerungen an vergangene Fantreffen aus, viele neue Gesichter (es waren diesmal über 30 neue Teilnehmer) lernten uns kennen und ich hatte die große Ehre, als Oberbayer am fränkischen Stammtisch sitzen zu dürfen und mit Michael in Erinnerungen an die FTL und das Düsseldorfer Schauspielhaus zu schwärmen. Als alle Würstel verbraten (naja, vielleicht auch ein paar verkohlt) waren und der kurtgemachte Kartoffelsalat genauso alle war wie unsere Biervorräte erbarmte sich Neuzugang Peter uns noch zur Tankstelle zu fahren, um noch etwas nachzutanken.

    Pünktlich um halb zwölf machte sich eine große Runde um Chris Meyer und mich auf und spazierte mit Taschenlampen durch den Stadtwald. Die 10. internationale Cobra-11-Nachtwanderung ging durchwegs gesittet vonstatten, auch diesmal haben wir keine Teilnehmer verloren… Um kurz nach zwölf war die angekündigte Zeit für die Nachtruhe auf dem Herbergsgelände gekommen. Dies störte uns wenig, da es ja etwas unterhalb der Herberge noch einen zweiten Grillplatz gab. Während Dominik und die Konsorten der Fanabteilung auf dem Parkplatz mit bunten Taschenlampen das „RTL“-Zeichen in die Nacht malten, feierten wir an der Grillpyramide noch eine spontane Handy-Party. Doch auch die war etwa um halb zwei zu Ende, so dass wir alle zu einer halbwegs menschlichen Zeit ins Bett kamen. Alle? Nein, nicht alle. Kollege Marius musste ja unbedingt die Nacht in Köln durch-"feiern", um um kurz nach fünf festzustellen, dass die Haustür der Herberge nachts abgesperrt wird. Naja, wer ein echter Fan ist, schläft auch mal im Auto…

    (Fortsetzung folgt)

    72 Stunden Semir, Spaß und Schokolade

    (der inoffizielle Bericht vom 11. internationalen Cobra 11-Fantreffen 2011)


    „Zentrale für Cobra 11, Krüger hier: Wir haben soeben mehrere anonyme Anrufe erhalten: Im Stadtwald von Hürth-Knapsack scheint es unhaltbare Zustände zu geben: Nächtliche Taschenlampen-Invasionen, dauerhaftes schallendes Gelächter, exzessives Grillen, Völlerei, ausufernder Koffein- und Nikotinkonsum und eine nicht behördlich genehmigte Versammlung von etwa 100 Personen. Jäger und Gerkhan, fahren Sie doch bitte nach Hürth, was da los ist.“ --- „Cobra 11 für Zentrale, Semir hier, hallo Chefin. Das ist nur das 11. internationale Alarm für Cobra 11-Fantreffen. Die sind eigentlich ganz harmlos.“ – „Eigentlich?“ - „Naja meistens zumindest.“ --- „Und was wollen Sie jetzt tun, Gerkhan“ --- „Hinfahren, Chefin, die warten ja nur auf uns.“ --- „OK, unter einer Voraussetzung, Gerkhan“ --- „Ja, Chefin?“ --- „Nehmen Sie mich gefälligst mit!!!…“

    Donnerstag, 1. September 2011 (Highway to Hürth)

    Irgendwie fühlte ich mich unweigerlich an eine Szene aus dem Pilotfilm „Der Anschlag“ erinnert, als ich auf der A 5 kurz vor Heidelberg einen Autotransporter mit neun nagelneuen silbrig-blau schimmernden Polizeiautos überholte, während Bette Midler ihr „Beast of Burden“ aus meinem Autoradio schrie. Genau 53 Wochen war es her, dass wir diesen letzten Pilotfilm als Vorabpremiere im Hürth-Park sahen, und auf den Tag genau sieben Jahre war es her, dass ich am 1.09.2005 zu meinem ersten Fantreffen aufgebrochen war. Damals wusste ich noch nicht, was mich erwartet – und irgendwie wusste ich es sieben Jahre später auch noch nicht so ganz genau… Erstaunlicherweise herrschte die letzten Wochen eine nahezu gespenstische Ruhe im Forum, weder ein tagesaktueller Countdown, noch die obligatorische Frage nach den Darstellern, mit der sonst täglich das Murmeltier grüßte, ob, wann und wie lange sie wohin kämen. Doch auch wir gehen mit der Zeit: Während Thorsten und unsere Helden wie jedes Jahr ein großes Geheimnis daraus machten, ob, wann und wie lange sie wohin kämen, trudelten im Minutentakt Statusmeldungen wie: „Morgen geht’s zum Fantreffen nach Köln“ auf Facebook ein – die bei einem Teilnehmer neben fünf „Gefällt-mir“‘s mit dem Satz „Du bist aber verrückt“ kommentiert wurde. Die Kommentatorin wusste wahrscheinlich nicht, wie recht sie damit hatte – ich (und ein paar andere) schon…

    Gegen 14 Uhr stand ich bei Elvira auf der Matte: Sie begrüßte mich standesgemäß mit dem Vorwurf, mein Auto viel zu weit weg geparkt zu haben (meckern, immer nur meckern…). Nachdem alle Poster, Plakate, Reisetaschen und sogar Elli selbst noch Platz in meinem Auto gefunden hatten, fuhren wir auf die A 1 – den Highway nach Hürth. Wie jedes Jahr sah die Luxemburger Straße in Efferen schon wieder anders aus – und die Dauerbaustelle in Hermülheim war immer noch die gleiche. An der ehemaligen JVA Knapsack angekommen begrüßten uns Melli, Ani und Petra, die auf der Bank saßen, auf der sie und wir immer sitzen. Die neuesten Erzählungen und Erlebnisse tauschten die Runde und gespannt warteten wir auf den Moment, dass Thorsten bei sich den Feierabend einläutete. Und wir warteten und warteten (immer diese Workaho(h)lics…). Kaum war Thorsten erschienen, machte er sich wieder auf, um mit Petra den ersten Schub Getränke und Verpflegung für das Wochenende zu holen. Verpflegung war das Stichwort: Keine 10 Minuten später saßen wir bei „unserem“ McDonalds in Efferen. Es dauerte allerdings, bis wir dorthin kamen: Gegenüber unserem Stamm-„Schachtelwirt“ feierte an diesem Abend ein neues Lokal namens „Café del Sol“ Eröffnung. Es schien zumindest genauso beliebt zu sein wie Cobra 11 – schließlich standen nicht nur die Leute Schlange, der lokale Ordnungsdienst musste sogar den viel zu großen Verkehr auf dem viel zu kleinen Parkplatz regeln. Dementsprechend leer war es aber in unserem Stammlokal. Kaum waren wir zurück, erschienen auch Thorsten und Petra wieder auf der Bildfläche. Da in dem kleinen Kabuff neben dem Gruppensaal ein schlafbedürftiger Wanderer den Hürther Stadtwald zerschnarchte baten uns Kurt und Paloma, mit dem Einräumen des Gruppensaals noch bis zum nächsten Morgen zu warten. Und was macht ein Orgateam, wenn es gerade mal nicht organisieren kann? Klar, es fährt noch mal zu McDonalds und trifft sich dort (rein zufällig) mit Stuntleuten von Action Concept… Die Ordnungshüter hatten den Kampf vorm Café del Sol inzwischen aufgegeben und überließen den Parkplatz seinem Schicksal. Diejenigen, die in dem augenscheinlich neuen Hürther In-Lokal nicht einmal mehr einen Stehplatz fanden, fanden sich ebenfalls im McDonalds ein – so ergab sich eine muntere Mischung aus T-Shirt-Trägern und High-Heels-Trägerinnen…Nunmehr endgültig gesättigt und bereits leicht müde kamen wir wieder in der Herberge an. Bald verzogen wir uns auf unsere Zimmer und Thorsten begab sich auf den Heimweg – das Wochenende würde noch lange genug werden…


    (Fortsetzung folgt)